Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 30. Mai 2006
Aktenzeichen: I-20 U 71/05

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 30.05.2006, Az.: I-20 U 71/05)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. März 2005 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückge-wiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstre-ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin stellt eine Maschine her, mit der Schlüsselprofile gefräst werden können. Diesen Fräsautomaten vertreibt die Klägerin seit 2001 an Schlüsseldienste, die mit dessen Hilfe anhand eines Originalschlüssels aus einem Stück Metall den Rohling für einen Nachschlüssel selbst fräsen können. Soweit bestimmte Schlüsselprofile patent- oder markenrechtlich geschützt sind, besteht seit Jahren eine Auseinandersetzung zwischen den Schlüsselherstellern bzw. dem sie repräsentierenden beklagten Verband und der Klägerin. Vor diesem Hintergrund richtete der Beklagte unter dem 7.1.2004 ein Rundschreiben an verschiedene Schlüsseldienste bzw. Schlüsselfachgeschäfte, in dem vor allem auf eine Verantwortlichkeit der einzelnen Schlüsseldienste hingewiesen wird, wenn patent- oder markenrechtlich geschützte Schlüsselprofile unter Verwendung des Geräts der Klägerin nachgefräst werden. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 80 ff. GA) Bezug genommen. Mit der Klage begehrt die Klägerin Unterlassung der in dem Schreiben aufgestellten Behauptungen, Auskunft über die Adressaten der Behauptungen und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Hinweise des Beklagten seien deshalb unlauter, weil sie zu pauschal und ohne nähere Angaben zu den verletzten Schutzrechten erfolgt seien, was den Adressaten eine Überprüfung der Angaben nicht ermögliche. Gegen diese Verurteilung wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Er verweist darauf, dass das Landgericht Düsseldorf inzwischen mit Urteil vom 3.5.2005 (4b O 187/04) entschieden habe, dass die Klägerin mit dem Vertrieb des Profilfräsautomaten als mittelbare Patentverletzerin wegen der Verletzung eines Patents der W. GmbH verantwortlich sei. Darüber hinaus verweist der Beklagte auf eine Reihe von Markenrechten an Schlüsselprofilen. Vor diesem Hintergrund treffe die Aussage in dem angegriffenen Schreiben des Beklagten, das eine Verantwortlichkeit der Schlüsseldienste für Schutzrechtsverletzungen darstelle, zu. Auch die Klägerin hafte für die Markenverletzungen zumindest als Störerin. Das Schreiben vom 7.1.2004 sei auch, anders als vom Landgericht vertreten, mit einer Abnehmerverwarnung nicht vergleichbar. Es enthalte vielmehr nur eine dem Beklagten frei stehende Äußerung einer Rechtsmeinung. Dem Beklagten sei es zudem nicht zuzumuten und auch nicht möglich, den Anforderungen des Landgerichts nachzukommen, sämtliche Schutzrechte an Schlüsselprofilen zu ermitteln und in einem Rundschreiben darzustellen. Schließlich fehle es jedenfalls an einem Verschulden des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag und verweist insbesondere auf die Pauschalität der in dem angegriffenen Schreiben aufgestellten Aussagen, die den Adressaten keinerlei Überprüfung ermöglichten.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1, § 546 ZPO. Das Landgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Auch der ergänzende Vortrag im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

I.

Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG. Der Beklagte hat im geschäftlichen Interesse seiner Mitglieder, der Schlüsselhersteller, deren Wettbewerb zur Klägerin bei der Herstellung von Schlüsselprofilen in unlauterer Weise und damit gezielt zum Nachteil der Klägerin behindert im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG.

1. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, der vorliegende Fall sei nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur sog. Abnehmer- oder Schutzrechtsverwarnung entwickelt hat, zu lösen, ist allerdings nicht zweifelsfrei. Danach entspricht es ständiger, auf das Reichsgericht zurückgehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (so bestätigt jüngst durch den Großen Senat in Zivilsachen, BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 = WRP 2005, 1408 = NJW 2005, 3141). Eine Schutzrechtsverwarnung liegt vor, wenn ein Hersteller oder Abnehmer eines Produkts wegen einer Verletzung insbesondere von gewerblichen Schutzrechten ernstlich und endgültig, in der Regel durch Androhung gerichtlicher Schritte, zur Unterlassung aufgefordert wird (so Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 UWG Rn. 10.169). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine derartige Verwarnung als ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht gemäß UWG oder - je nach Sachlage - als ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verwarnten oder dessen Zulieferers gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu beanstanden sein, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts als unbegründet oder wenn sie ungeachtet der Frage, ob ein Eingriff in ein bestandskräftiges Schutzrecht gegeben oder zu befürchten ist, ihrem sonstigen Inhalt oder ihrer Form nach sich als unzulässig erweist (BGH GRUR 1995, 424 = WRP 1995, 489 = NJW-RR 1995, 810 m. w. Nachw.). Als eine dem sonstigen Inhalt bzw. der Form nach unzulässige Abnehmerverwarnung hat es der 2. Zivilsenat des OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 5.10.1995 (MittdtschPatAnw 1996, 60) angesehen, wenn ein Patentinhaber potentielle Abnehmer lediglich in allgemeiner und pauschaler Weise auf ihm zustehende Patente hinweist.

Ob die genannten Grundsätze ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, ist zweifelhaft. Schutzrechtsverwarnungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Schutzrechtsinhaber seinen Mitbewerber oder dessen Abnehmer mit seinem Schutzrecht konfrontiert. Die Abgemahnten befinden sich dann in der für sie nachteiligen Lage, überprüfen zu müssen, ob die Schutzrechtsverwarnung zu Recht erfolgte, insbesondere, ob das behauptete Recht tatsächlich besteht und sie daher demnächst mit gerichtlichen Schritten des Verwarnenden rechnen müssen. Hierzu benötigen sie genaue Angaben zu dem behaupteten Recht, die der Schutzrechtsinhaber ihnen unschwer liefern kann und nach der o. g. Rechtsprechung auch liefern muss. Die Situation im vorliegenden Fall ist dem nicht ohne weiteres vergleichbar. Es geht hier nicht darum, dass der Beklagte als Schutzrechtsinhaber seine Schutzrechte gegenüber den Schlüsseldiensten geltend macht und von ihnen die Unterlassung eines bestimmten, hiermit angeblich nicht in Einklang stehenden Verhaltens begehrt. Der Beklagte ist weder Inhaber von Schutzrechten noch nimmt er solche für sich in Anspruch. Es ist auch nicht so, dass er in fremdem Namen, also für einzelne Mitglieder auftretend, derartige Schutzrechte geltend macht und von den Schlüsseldiensten Unterlassung begehrt.

2. Näheres hierzu kann indes offen bleiben. Auch dann, wenn man das Rundschreiben nicht als einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) im Sinne der Rechtsprechung zu den Abnehmerverwarnungen ansehen wollte, weist es jedenfalls Unlauterkeitsmerkmale auf, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG erfüllen.

Zuzugeben ist der Berufung allerdings, dass die Aussagen in dem Rundschreiben für sich genommen durchaus zutreffen bzw. als Rechtsmeinung vertretbar sind. Das gilt zunächst bezogen auf die ersten beiden Absätze des Rundschreibens des Beklagten (Anlage 2 zur Klageschrift). Nachdem der erste Absatz lediglich zutreffend den tatsächlichen Hintergrund beschreibt, richtet sich der zweite Absatz unmittelbar an die angeschriebenen Schlüsseldienste, indem ihnen eine zivilrechtliche Mitverantwortung bei dem Fräsen geschützter Schlüsselprofile zugeschoben wird. Diese Aussage erscheint nahezu selbstverständlich. Auch der Inhalt der letzten beiden Absätze des Rundschreibens ist nicht sachlich unrichtig oder unvertretbar. Er betrifft Aussagen über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin, die hinsichtlich der mittelbaren Patentverletzung gemäß § 10 Abs. 1 PatG vom Landgericht Düsseldorf geteilt werden (Urteil vom 3.5.2005 - 4b O 187/04 = Anlage WKS 1; nicht rechtskräftig).

Auch die im vorletzten Absatz weiter folgenden Aussagen zu einer möglichen Sperre bestimmter Profile durch die Klägerin treffen ohne weiteres zu. Der Beklagte bezieht sich dabei auf die "eigene technische Angabe" der Klägerin. Das ist richtig. Die eigene Patentschrift der Klägerin (Anlage B 13) beschreibt dies in Spalte 4 Absatz 30 wörtlich so:

"Da verschiedene Schlüsselprofile durch die Schliesszylinder-Industrie durch Patente oder Gebrauchsmuster geschützt sind, und dies beim Duplizieren dieser Schlüssel zu rechtlichen Schwierigkeiten für den Schlüsseldienst führt, lassen sich die Werte dieser Schlüssel vorab in Zusammenarbeit mit der Schliesszylinder-Industrie in der Recheneinheit speichern, um dann den Bearbeitungsvorgang zu sperren, und den Bediener auf den Schutz hinzuweisen."

Der erste Satz des letzten Absatzes (nicht konturidentische Fräsung als "Entlastung" der Klägerin) gibt eine Rechtsansicht wieder, die ebenfalls vom Landgericht in der bereits zitierten Entscheidung bestätigt wurde. Schließlich knüpft der letzte Satz an die bereits zuvor getroffene, durchaus zutreffende Aussage an, der zufolge eine Schutzrechtsverletzung vorliegt, wenn mit der Fräsmaschine ein Profil hergestellt wird, das unter ein Schutzrecht fällt.

Das Landgericht hat aber bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass Mitteilungen der hier vorliegenden Art trotz ihres an sich durchaus zutreffenden oder vertretbaren Inhalts wegen ihrer Begleitumstände als unlauter anzusehen sein können (vgl. auch das bereits angeführte Urteil des 2. Zivilsenat des OLG Düsseldorf vom 5.10.1995, MittdtschPatAnw 1996, 60, zu Abnehmerverwarnungen). So liegt der Fall hier. Das Rundschreiben verfolgt erkennbar den Zweck, die angeschriebenen Schlüsseldienste zu verunsichern, indem ihnen eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit für das Nachfräsen geschützter Schlüsselprofile zugeschoben wird. Dies erfolgt ohne jegliche Konkretisierung der betroffenen Patent- oder Markenrechte. Der derart angeschriebene Schlüsseldienst hat keinerlei Möglichkeiten, im konkreten Einzelfall zu beurteilen, ob der Einsatz der Fräsmaschine eine Verantwortlichkeit seinerseits begründen kann oder nicht. Nach dem pauschalen Inhalt des Rundschreibens liegt es für ihn daher sehr nahe, sicherheitshalber gleich von dem Erwerb der Fräsmaschine der Klägerin Abstand zu nehmen, was den von dem Beklagten repräsentierten Schlüsselherstellern zumindest nicht ungelegen käme.

Vor diesem Hintergrund ist das Rundschreiben in seiner Allgemeinheit unlauter. Ob es dem Beklagten tatsächlich zumutbar gewesen wäre, sämtliche bestehenden Patent- oder Markenrechte aufzuführen, mag dahin stehen. Jedenfalls wäre die Nennung von Beispielen erforderlich gewesen, die die vollständig allgemein gehaltene Aussage über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Schlüsseldienste konkretisiert und relativiert hätte. Das Schreiben lässt mangels derartiger Angaben noch nicht einmal eine Beurteilung über die Anzahl oder Größenordnung der betroffenen, geschützten Profile zu. Auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits und nach der Erörterung im Senatstermin ist dies nicht vollständig geklärt. Jedenfalls steht aber fest, dass bei weitem nicht sämtliche Schlüsselprofile patent- oder markenrechtlich geschützt sind. Vor diesem Hintergrund ist das Schreiben in seiner Allgemeinheit geeignet, die angeschriebenen Schlüsseldienste wegen der verbreiteten Verunsicherung auch von dem Prägen nicht geschützter Profile in nennenswertem Umfang abzuhalten. Der Beklagte hätte dies beispielsweise auch dadurch verhindern können, dass er in dem Rundschreiben auf einen konkreten Rechtsstreit, etwa das die Firma W. betreffende Verfahren 4b O 187/04, LG Düsseldorf, Bezug genommen und seine Aussagen hierzu getroffen hätte.

Diese Unsicherheit, die bei den angeschriebenen Schlüsseldiensten maßgeblich durch den zweiten Absatz des Rundschreibens geweckt wird, wird durch die folgenden Absätze drei und vier noch verstärkt. Zwar beziehen sich diese in erster Linie auf die Verantwortlichkeit der Klägerin. Es ist indes kein berechtigtes Interesse des Beklagten erkennbar, gegenüber den Schlüsseldiensten Aussagen über die Haftung der Klägerin zu treffen. Vor diesem Hintergrund und im Anschluss an den vorangehenden Absatz dienen auch diese Ausführungen allein dazu, eine Stimmung gegen die Klägerin zu erzeugen, die zusammen mit der eingangs des Schreibens geschürten Verunsicherung verstärkt geeignet ist, die Schlüsseldienste von einem Erwerb der Maschine abzuhalten.

II.

Darüber hinaus ist der Beklagte auch zum Schadensersatz gemäß § 9 UWG und vorbereitend zur Auskunft entsprechend der erstinstanzlichen Verurteilung verpflichtet. Der Beklagte handelte entgegen der Auffassung der Berufung zumindest fahrlässig im Sinne des § 9 Satz 1 UWG. Er hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Folgen erkennen können, die aus der Allgemeinheit seiner Äußerungen für das geschäftliche Verhalten der angeschriebenen Schlüsseldienste herrühren. Es geht entgegen der Auffassung der Berufung nicht um die inhaltliche Richtigkeit oder Unrichtigkeit der in dem Rundschreiben vertretenen Rechtsauffassung, sondern um die Art und Weise der Verbreitung. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Abnehmerverwarnungen, die die Berufung anführt; dass der vorliegende Fall hiermit ohnehin nicht völlig vergleichbar ist, wurde bereits ausgeführt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,-- €.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 30.05.2006
Az: I-20 U 71/05


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