Landgericht Hamburg:
Urteil vom 9. August 2005
Aktenzeichen: 312 O 1105/04

(LG Hamburg: Urteil v. 09.08.2005, Az.: 312 O 1105/04)

Tenor

1.Die Beklagte wird verurteilt,

a) es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr ihre Produkte mit den Bezeichnungen

"... Sensor - Mesograph System", "... Smart", "... Twin", "... Lyc", "... Sil", "... Lens", "... Ring", "... Clip", "... Hylon ", "... BioVisc ", "... Viscose", "... Pur", "... Sil-ol", "... Deca","... Flu-an", "... Octa ", "... Blue", ... Lon", "... Pren", ... Silk" und "... Sorb" auf den Verpackungen zu kennzeichnen sowie diese Bezeichnungen im Internet zur Kennzeichnung und/oder Bewerbung der eigenen Produkte zu verwenden, insbesondere wenn dies geschieht, wie aus der Anlage 1 zu diesem Urteil ersichtlich;

b)der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 14.5.2004 die unter 1. a) bezeichneten Handlungen vorgenommen hat.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle bereits entstandenen sowie etwaig noch zukünftig entstehende Schäden zu ersetzen hat, die aus den unter Ziffer 1. a) bezeichneten Handlungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden.

3. Die Beklagte wird ferner verurteilt,

a) es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ihre Produkte mit den Bezeichnungen "... Sensor" und "... Hylon plus" auf den Verpackungen zu kennzeichnen sowie diese Bezeichnungen im Internet zur Kennzeichnung und/oder Bewerbung der eigenen Produkte zu verwenden, insbesondere wenn dies geschieht, wie aus der Anlage 2 zu diesem Urteil ersichtlich;

b) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 24.5.2005 die unter 3. a) bezeichneten Handlungen vorgenommen hat.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle bereits entstandenen sowie etwaig noch zukünftig entstehende Schäden zu ersetzen hat, die aus den unter Ziffer 3. a) bezeichneten Handlungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden.

5. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

7. Das Urteil ist zu Ziffern 1. a) und 3. a) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 250.000,00, zu Ziffern 1. b) und 3 b) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 sowie hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung zahlreicher Produktbezeichnungen, die den vorangestellten Bestandteil "..." enthalten, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von ophthalmologischen Medizinprodukten, die insbesondere in der Augenchirurgie zum Einsatz kommen.

Die Klägerin wurde im Jahr 1995 gegründet, die Beklagte 1997. Die Parteien arbeiteten bis 1998 zusammen und traten gemeinsam am Markt auf. Ihre heutigen Geschäftsführer waren damals noch wechselseitig an der jeweils anderen Gesellschaft beteiligt. Ab 1998 kam es zu Differenzen zwischen den Parteien, in deren Folge gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten geführt wurden und auch die Rechte an der Wortmarke "..." streitig wurden. Diese Marke (DE 39538880 - Anlage K 3) war im Jahr 1995 von der Klägerin angemeldet worden und wurde 1998 - wie die Klägerin behauptet: ohne ihr Wissen - auf die Beklagte übertragen. Die Klägerin nahm die Beklagte deshalb ab März 2000 vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 16 O 171/00 auf Rückübertragung dieser Marke in Anspruch. Diesen Rechtsstreit beendeten die Parteien durch gerichtlichen Vergleich vom 3.8.2000. Darin wurde u.a. Einigkeit erzielt, dass der Klägerin die erwähnte Wortmarke "..." und die Rechte an der Stammmarke "..." zustehen sollten. Im Gegenzug gestattete die Klägerin der Beklagten die Verwendung des Firmenbestandteils "A." in der Schreibweise "...T.", wobei die Buchstaben "A" und "T" farblich von den weiteren Buchstaben abzusetzen waren. Ferner gewährte die Klägerin der Beklagte eine Aufbrauchsfrist bis August 2003 hinsichtlich zahlreicher im Einzelnen aufgeführter ...-Marken bzw. ...-Zeichen. Für den genauen Wortlaut und die weiteren Einzelheiten dieses Vergleichs wird auf die Anlage K 4 verwiesen.

Anfang 2001 wurde die Wortmarke "..." in Umsetzung dieses Vergleichs auf die Klägerin rückübertragen.

Mit Anwaltsschreiben vom 25.5.2001 (Anlage K 6) ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen, weil sie die ...-Marken neuerdings neu gestalte und damit offensichtlich auch ihre Produkte kennzeichne. Dies sei nach dem Vergleich unzulässig, weil der Beklagten im Vergleich nur eine Aufbrauchsfrist eingeräumt worden sei, was bedeute, dass sie nur schon vorhandene Drucksachen und Werbeunterlagen weiterbenutzen dürfe. Die Beklagte trat dem mit Schreiben vom 19.6.2001 (Anlage K 7) entgegen, in dem sie zum einen anführte, dass der geschlossene Vergleich keine ausdrückliche Unterlassungsverpflichtung enthalte, die die neue Gestaltung der ...-Zeichen in Anlehnung an die Regelung zu der ihr gestatteten Firmenbezeichnung "... T." ausschließe. Zum anderen verwies die Beklagte darauf, dass sich die vereinbarte Aufbrauchsfrist von 3 Jahren pauschal auf eine Weiterbenutzung der ...-Zeichen bis zu deren Ablauf beziehe und schon wegen ihrer Länge nicht nur als die Gestattung zur Räumung eines vorhandenen Lagers zu verstehen sei.

Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 8.4.2004 (Anlage K 8) wegen der Verwendung der Bezeichnung "..." abmahnen ließ - dieser Streit ist Gegenstand des Parallelverfahrens umgekehrten Rubrums 312 O 1165/04 -, verlangte die Klägerin ihrerseits Unterlassung der Verwendung der verschiedenen Produktbezeichnungen der Beklagten mit dem Bestandteil "..." (Anlage K 11).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr der mit der Klage verfolgte Unterlassungsanspruch sowohl aus dem vor dem Landgericht Berlin geschlossenen Vergleich vom 3.8.2001 als auch aus Markenrecht zustehe.

Insbesondere aus Ziffern 1. und 8. des Vergleichs ergebe sich, dass die Parteien darüber einig gewesen seien, dass sämtliche Rechte an der Stammmarke "..." ausschließlich der Klägerin zustehen sollten. Dieser Grundsatz sei lediglich insoweit eingeschränkt worden, als der Beklagten ausnahmsweise die Benutzung der Firma "... T." in neuer grafischer Gestaltung gestattet worden sei. Zwar sei eine Unterlassungsverpflichtung der Beklagten in dem Vergleich nicht ausdrücklich geregelt worden. Sie ergebe sich aber schon daraus, dass andernfalls die Einräumung einer Aufbrauchsfrist keinen Sinn mache.

Darüber hinaus ergebe sich der Unterlassungsanspruch auch aus §§ 4, 14 MarkenG. Die Verwendung des Wortbestandteils "..." in den von der Beklagten gebrauchten Produktbezeichnungen begründe angesichts der hochgradigen Waren- und Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter dem Aspekt des Serienzeichens.

Ihre Unterlassungsansprüche seien auch nicht verwirkt. Sie habe nach der Abmahnung vom 25.5.2001 die Sache zunächst nur deshalb nicht weiterverfolgt, weil sie nach dem Vergleich davon habe ausgehen dürfen, dass die Beklagte die Kennzeichnung ihrer Produkte unter der Verwendung der Stammmarke "..." mit dem Ablauf der bis 3.8.2003 eingeräumten Aufbrauchsfrist einstellen werde.

Die außerdem verfolgten Ansprüche auf Auskunft und Feststellung des Schadensersatzpflicht folgten aus dem geschlossenen Vergleich und dem Gesetz.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen,

a) wie erkannt,

b) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie die unter 1. a) bezeichneten Handlungen vorgenommen hat,

2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle bereits entstandenen sowie etwaig noch zukünftig entstehende Schäden zu ersetzen hat, die aus oder im Zusammenhang mit den unter Ziffer 1. a) bezeichneten Handlungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden

3. die Beklagte zu verurteilen,

a) wie erkannt,

b) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie die unter 3. a) bezeichneten Handlungen vorgenommen hat,

4. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin alle bereits entstandenen sowie etwaig noch zukünftig entstehende Schäden zu ersetzen hat, die aus oder im Zusammenhang mit den unter Ziffer 3. a) bezeichneten Handlungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, weil die Anträge zu unbestimmt seien. Der vor dem "insbesondere" stehende verallgemeinernde Teil des Unterlassungsantrags enthalte nämlich nicht die erforderlichen sachlichen Beschränkungen und sei daher nicht vollstreckungsfähig.

Die Klage sei aber auch unbegründet. Die Klägerin könne sich nicht auf den geschlossenen Vergleich stützen, weil dieser keine Unterlassungsverpflichtung regle. Es sei lediglich hinsichtlich einzelner Produkte eine Aufbrauchsfrist vereinbart worden. Der Vergleich sei seinerzeit nur wegen der früheren freundschaftlichen Verbindungen geschlossen worden, um eine Regelung zu finden, die auch künftig die Koexistenz beider Parteien sichere. Eine Unterlassungsverpflichtung sei nicht gewollt gewesen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, wonach der Vergleich alle ...-Zeichen erfasse, sei schon deshalb abwegig, weil dann auch Zeichen erfasst würden, die gar nicht mit der ...-Marke der Klägerin verwechslungsfähig seien.

Auch auf § 14 Abs. 2 MarkenG könne die Klägerin ihr Unterlassungsgehren nicht stützen. Einige der im Antrag genannten Bezeichnungen würden zur Kennzeichnung von Flüssigkeiten oder für chirurgisches Nahtmaterial eingesetzt. Hier bestehe keine Ähnlichkeit zu den Waren, für die die Marke "..." der Klägerin geschützt sei. Ferner sei zu beachten, dass der Schutzumfang der Klagemarke "..." aufgrund der Drittzeichenlage minimal und im Wesentlichen auf den Identitätsbereich beschränkt sei. Die Firma "... T." sei in den relevanten Verkehrskreisen zu nahezu 100 % bekannt, was zu einer Schwächung der Klagemarke führe. Viele der von ihr eingesetzten Produktbezeichnungen wiesen zusätzlich zum Bestandteil "..." weitere Bestandteile auf, die ebenso kennzeichnungskräftig seien, und dazu führten, dass im Gesamteindruck keine Ähnlichkeit mit der Klagemarke bestehe. Die Klägerin könne sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf den Gesichtspunkt des Serienzeichens berufen. Da auch das Unternehmenskennzeichen der Beklagten den Bestandteil "..." enthalte, werde dieser in den beteiligten Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die Klägerin verstanden.

Die Beklagte beruft sich ferner darauf, dass die von der Klägerin verfolgten Ansprüche jedenfalls verwirkt seien. Die Klägerin sei 1995 auf Veranlassung der Geschäftsführerin der Beklagten gegründet worden, wobei sich die Tätigkeit der Klägerin nur auf den Vertrieb fremdproduzierter Produkte habe beschränken sollen. Die Beklagte sei hingegen ein Unternehmen, welches ihre Produkte selbst herstelle und daher eine so dominante Marktdurchdringung erreicht habe, dass die Klägerin im Hinblick auf eine Verwechslungsgefahr mit ihren fremdproduzierten Produkten weniger schutzwürdig sei. Auch habe sie - die Beklagte - hinsichtlich der antragsgegenständlichen Zeichen, die nahezu ihr gesamtes Produktportfolio umfassten, einen wertvollen Besitzstand erworben. Demgegenüber habe die Klägerin die Nutzung der Zeichen über einen Zeitraum von mehr als 3 ½ Jahren geduldet, nachdem sie sie zunächst mit dem Schreiben vom 25.5.2001 beanstandet habe. Aus dem Umstand, dass die Klägerin auf die darauf erfolgte Reaktion der Beklagten vom 19.6.2001 (Anlage K 7) geschwiegen habe, habe sie schließen dürfen, dass die Klägerin mit einer Benutzung der Zeichen einverstanden gewesen sei.

Die Beklagte macht schließlich hilfsweise für den Fall einer ihr nachteiligen Entscheidung geltend, dass ihr eine großzügig bemessene Umstellungsfrist hinsichtlich der Produktbezeichnungen gewährt werden müsse, wobei sie davon ausgehe, dass für die Umstellung ein Zeitraum von zwei Jahren erforderlich sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte eingereichten Schriftsätze und deren jeweilige Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet. Der Klägerin stehen die von ihr verfolgten Unterlassungsansprüche zu. Die Nebenansprüche sind mit den aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt, ab dem Auskunft zu erteilen ist, begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die von der Klägerin gestellten Unterlassungsanträge ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Beklagte soll es diesen Anträgen zufolge unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ihre Produkte mit den in den Anträgen aufgeführten Bezeichnungen auf den Verpackungen zu kennzeichnen und diese Bezeichnungen im Internet zur Kennzeichnung und/oder Bewerbung ihrer Produkte zu verwenden. Damit ist genau umschrieben, welche Handlungen die Beklagte nach dem Begehren der Klägerin unterlassen soll, und ein Tenor mit diesem Inhalt ist auch ohne weiteres der Vollstreckung fähig. Die mit dem Zusatz "insbesondere" erfolgte Bezugnahme auf die Verwendung dieser Bezeichnungen im Internetauftritt der Beklagten ändert nichts an diesem Streitgegenstand. Sie gibt nur beispielhaft die konkrete Verletzungsform wieder, um das Charakteristische der Verletzung zu verdeutlichen und als Auslegungshilfe zu dienen (vgl. hierzu Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rn. 290).

2. Die mit Ziffer 1. a) und 3. a) zuerkannten Unterlassungsansprüche der Klägerin folgen aus dem mit der Beklagten vor dem Landgericht Berlin am 3.8.2000 geschlossenen Vergleich (Anlage K 4).

a) Dieser Vergleich regelt zwar nicht ausdrücklich, dass sich die Beklagte verpflichtet, abgesehen von der ihr nach Ziffer 4. zugestandenen Verwendung der Firmenbezeichnung "...T." in bestimmter grafischer Gestaltung künftig keine Zeichen mit dem Bestandteil "..." zu benutzen. Die Auslegung des Vergleichs ergibt aber, dass die Beklagte eine solche Verpflichtung übernommen hat.

In dem Vergleich wurde unter Ziffer 1. festgehalten, dass Einigkeit bestehe, dass die eingetragene Wortmarke "..." der Klägerin zustehe und in Ziffer 2. bestimmt, dass sich die Beklagte verpflichtet, in die Übertragung dieser Marke auf die Klägerin beim Deutschen Patentamt einzuwilligen. Hierin erschöpfen sich jedoch die Regelungen des Vergleichs zur Verwendung des Zeichens "..." nicht. Ziffer 6. des Vergleichs sieht vielmehr die Gewährung einer Aufbrauchsfrist zugunsten der Beklagten vor für verschiedene, dort im Einzelnen aufgeführte, ...-Marken bzw. ...-Zeichen. Und Ziffer 8. des Vergleichs bestimmt, dass sich die Parteien darüber einig seien, dass die Rechte an der Stammmarke "..." der Klägerin zustehen.

Insbesondere diese beiden letztgenannten Regelungen ergeben jedoch nur einen Sinn, wenn auch eine korrespondierende Unterlassungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich Produktbezeichnungen mit dem Bestandteil "..." begründet werden sollte. Denn die Zuweisung der Rechte aus der von den Parteien im Vergleich unter Ziffer 8. angenommenen "Stammmarke" "..." an die Klägerin hat nur dann eine rechtliche Bedeutung, wenn damit zugleich besagt sein sollte, dass der Beklagten solche Rechte nicht zukommen und sie sich dementsprechend fortan einer Nutzung dieser als Stammmarke eingesetzten Bezeichnung zu enthalten hat.

Gleiches ergibt sich aus der Einräumung einer Aufbrauchsfrist für die in Ziffer 6. des Vergleichs aufgeführten Zeichen mit dem Bestandteil "...". Die Gewährung einer Aufbrauchsfrist macht nämlich nur dann Sinn, wenn nach ihrem Ablauf eine Unterlassungsverpflichtung bestehen sollte. Träfe hingegen die Rechtsauffassung der Beklagten zu, wonach mangels ausdrücklicher Regelung keine Unterlassungsverpflichtungen begründet werden sollte, wären die Ziffern 6. und 8. des Vergleichs ohne jede praktische Bedeutung. Den Parteien kann aber nicht unterstellt werden, dass sie in einem gerichtlichen Vergleich zwecklose Vereinbarungen schließen wollten, an die sich keine rechtlichen Folgen knüpfen.

Gegen diese Beurteilung spricht auch nicht die von der Beklagten ins Feld geführte Ziffer 4. des Vergleichs. Darin wurde vereinbart, dass die Klägerin der Beklagten die Verwendung des Firmenbestandteils "A." in der Schreibweise "...T." gestattet, wobei die Buchstaben "A" und "T" von den anderen Buchstaben farblich abzusetzen sein würden. Auch diese Regelung stützt die hier vertretene Auslegung. Denn aus ihr wird wiederum deutlich, dass die Beklagte grundsätzlich nicht mehr berechtigt sein sollte, ein Zeichen mit dem Bestandteil "..." zu benutzen, wie dies bei der Firmenbezeichnung "A." der Fall ist. Nur unter dieser Prämisse bestand nämlich ein Regelungsbedarf, der Beklagten (ausnahmsweise) die Fortführung dieser Bezeichnung zu gestatten, die freilich zur besseren Abgrenzung fortan in bestimmter grafischer Weise gestaltet werden sollte. Aus dieser eigens für die Firma der Beklagten vereinbarten Gestattung kann dagegen nicht der Umkehrschluss gezogen werden, der Beklagten sei gestattet worden, auch alle ihre Produktbezeichnungen nach dem Muster "...Xxx" (wobei "Xxx" für einen produktbezogenen Zusatz steht) zu nutzen. Das Gegenteil ist richtig: Angesichts der ausdrücklichen und hinsichtlich sogar der grafischen Gestaltung in ihren Bedingungen genau festgelegten Gestattung für den Firmenbestandteil "..." hätte eine ausdrückliche Regelung auch in Bezug auf die Produktbezeichnungen erfolgen müssen, wenn auch insoweit eine jenseits der Aufbrauchsfrist geltende Gestattung beabsichtigt gewesen wäre.

Da sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin nach alledem bereits eindeutig aus der mit dem gerichtlichen Vergleich eingegangenen vertraglichen Verpflichtung der Beklagten ergibt, muss nicht entschieden werden, ob sich dieser Anspruch daneben auch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG rechtfertigt, was allerdings unter dem Aspekt des Serienzeichens nahe liegt. Dieser Charakter als Serienzeichen war jedenfalls bei Vergleichsabschluss offenbar unter den Parteien unstreitig, wenn dort in Ziffer 8. des Vergleichs von einer Stammmarke "..." die Rede ist, die der Klägerin zustehen soll.

b) Die Unterlassungsansprüche der Klägerin sind nicht verwirkt.

Die Verwirkung eines Rechts tritt ein, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte, dass dieser sein Recht in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 21 Rn. 22).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagte durfte nämlich aus dem Umstand, dass die Klägerin die schon mit der Abmahnung vom 25.5.2001 (Anlage K 6) geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach der mit Schreiben vom 19.6.2001 (Anlage K 7) erfolgten Ablehnung zunächst nicht weiterverfolgte, nicht schließen, dass die Klägerin fortan mit der beanstandeten Nutzung von Produktbezeichnungen nach dem Muster "...Xxx" einverstanden war.

Die Beklagte hatte ihre Ablehnung des Unterlassungsbegehrens in ihrem Schreiben vom 19.6.2001 mit zwei Aspekten begründet. Zum einen vertrat sie die Auffassung, dass der Vergleich keine ausdrückliche Unterlassungsverpflichtung regle und deshalb eine Anpassung ihrer Produktbezeichnungen analog zu der zum Firmenkennzeichen "...T." getroffenen Gestaltung nicht ausschließe. Zum anderen verwies die Beklagte aber auch darauf, dass ihr eine Aufbrauchsfrist bis zum 31.8.2003 eingeräumt worden sei. Die Länge dieser Aufbrauchsfrist zeige, dass es nicht um die Gestattung zur Räumung eines vorhandenen Lagers gehe. Es handele sich vielmehr um die Gestattung der Weiterbenutzung für den vereinbarten Zeitraum.

Jedenfalls der letztgenannte Aspekt war ein solcher, der die Klägerin mit guten Gründen von der sofortigen Verfolgung ihrer Unterlassungsansprüche Abstand nehmen lassen konnte und zugleich einem berechtigten Vertrauen der Beklagten entgegenstehen musste, dass die Klägerin nunmehr grundsätzlich mit der Verwendung von "...Xxx"-Produktbezeichnungen einverstanden war. Denn in der Tat war die Aufbrauchsfrist mit 3 Jahren ungewöhnlich großzügig bemessen worden, so dass sie nahe liegend nicht nur als Frist zum Aufbrauch vorhandener Produkte und Werbeunterlagen, sondern als zeitlich befristete Gestattung der Weiternutzung verstanden werden konnte. Dies konnte der Klägerin berechtigten Anlass geben, zunächst den Ablauf der vereinbarten Aufbrauchsfrist zum 3.8.2003 abzuwarten und zu sehen, mit welchen Produktbezeichnungen die Beklagte dann auf dem Markt sein würde. Der sodann verstrichene Zeitraum vom Ende der Aufbrauchsfrist im August 2003 bis zur erneuten außergerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs mit dem Anwaltsschreiben vom 14.5.2004 (Anlage K 11) und der anschließenden Einreichung der vorliegenden Klage am 6.12.2004 ist zu kurz, um das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment zu begründen.

c) Die Gewährung einer Aufbrauchs- und Umstellungsfrist ist nicht veranlasst. Voraussetzung für eine derartige aus § 242 BGB folgende zeitliche Anspruchsbeschränkung ist nämlich unter anderem deren Zumutbarkeit für den Unterlassungsgläubiger (vgl. Köhler/Piper, a.a.O., vor § 13 Rn. 28). Jedenfalls daran fehlt es hier. Denn die Klägerin hatte der Beklagten bereits in dem Vergleich vom 3.8.2000 eine mit drei Jahren außerordentlich großzügig bemessene Umstellungsfrist gewährt. Dass sie von der Beklagten nicht genutzt wurde, um eine Umstellung ihrer Produktbezeichnungen auf Kennzeichen ohne den Bestandteil "..." durchzuführen, ist nicht der Klägerin anzulasten. Die Gewährung einer erneuten Umstellungsfrist würde bei dieser Sachlage zu einer zu weit reichenden und nicht mehr zumutbaren Beschneidung der Ansprüche der Klägerin führen.

3. Die von der Klägerin mit den Anträgen zu 1. b) und 3. b) verfolgten Auskunftsansprüche sind aus § 242 BGB mit der aus der Urteilsformel ersichtlichen zeitlichen Einschränkung begründet. Die Klägerin benötigt die verlangten Auskünfte, um den ihr zustehenden Schadensersatz (dazu sogleich unter 4.) beziffern zu können.

Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich jedoch in zeitlicher Hinsicht nur auf die Zeit nach der ersten der Klägerin bekannt gewordenen Verletzungshandlung. Da diese nämlich als klagebegründende Tatsache von der Klägerin darzulegen ist, besteht der Auskunftsanspruch frühestens ab diesem Zeitpunkt (vgl. BGH, GRUR 1988, 307, 308 - Gaby). Dieser Zeitpunkt ist für die unter 1. a) genannten Zeichen spätestens der 14.5.2004, als die Klägerin die Beklagte erneut abmahnen ließ und ihr offenbar der Internetauftritt der Beklagten, der die zu 1. a) beanstandeten Zeichen umfasst, bekannt war. Für die weiteren erstmals mit dem Schriftsatz vom 24.5.2005 aufgeführten Kombinations-Zeichen, die Gegenstand des Antrags zu 3. a) sind, ist ein früherer Zeitpunkt, zu dem diese Zeichen benutzt wurden, nicht vorgetragen. Der Auskunftsanspruch zu 3. b) beschränkt sich mithin auf die Zeit nach dem 24.5.2005.

Soweit die gestellten Auskunftsanträge zeitlich weiter gehen, sind sie abzuweisen.

4. Die auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klaganträge zu 2. und 4. sind aus § 280 BGB begründet, weil die Beklagte die ihr nach dem Vergleich obliegenden Unterlassungspflichten verletzt hat. Die Schadensersatzverpflichtung beschränkt sich allerdings auf die aus den jeweils in Bezug genommenen Handlungen nach Ziffer 1. a) und 3. a) entstandenen oder noch entstehenden Schäden. Mit dieser Formulierung ist hinlänglich deutlich gemacht, dass sich die Schadensersatzverpflichtung auf alle Schäden erstreckt, die auf der Verletzungshandlung beruhen. Soweit die Feststellungsanträge der Klägerin auch auf "im Zusammenhang" mit den beanstandeten Handlungen entstandene Schäden abheben, will die Klägerin zwar ersichtlich nichts anderes. Diese Wendung könnte aber zu dem Missverständnis Anlass geben, dass auch nicht kausale Schäden erfasst werden sollen. Die Auskunftsverpflichtung ist daher wie geschehen zu tenorieren.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das in der zeitlichen Beschränkung der Auskunftsansprüche bestehende Teil-Unterliegen der Klägerin ist bezogen auf den Gesamtstreitwert von EUR 250.000,00 relativ geringfügig, und die Zuvielforderung der Klägerin hat keine besonderen Kosten veranlasst.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 09.08.2005
Az: 312 O 1105/04


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