Bundespatentgericht:
Urteil vom 29. März 2001
Aktenzeichen: 3 Ni 17/00

(BPatG: Urteil v. 29.03.2001, Az.: 3 Ni 17/00)

Tenor

Das Patent 44 22 127 wird für nichtig erklärt, und das europäische Patent 0 688 956 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 24. Juni 1994 angemeldeten deutschen Patents 44 22 127 (Streitpatent I), das eine Heberleitung betrifft und 2 Patentansprüche umfasst, und des unter Inanspruchnahme der Priorität des Streitpatents I am 12. Januar 1995 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 688 956 (Streitpatent II), das eine Vorrichtung für Heberleitungen von Sielleitungen betrifft und 4 Patentansprüche umfasst.

Patentanspruch 1 des Streitpatents I lautet:

"Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, die im Bereich ihres höchsten Punktes einen Unterdruckbehälter zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser aufweist, der mit einer Pumpe zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Heberleitung (2) im Bypass für eine zu sanierende Sielleitung (1) liegt, und dass die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Wegen des Wortlauts des auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentanspruchs 2 wird auf die Patentschrift des Streitpatents I verwiesen.

Patentanspruch 1 des Streitpatents II lautet:

"1. Vorrichtung für Heberleitungen zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, dadurch gekennzeichnet, dass die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift des Streitpatents II verwiesen.

Der Kläger macht geltend, die Gegenstände beider Streitpatente seien nicht patentfähig, weil sie nicht neu seien, jedenfalls aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Zur Begründung verweist er auf die Entgegenhaltungen gemäß

Anl 1 DE-PS 562 090, Anl 2 DE-OS 43 35 021, Anl 3 UK-OS 2 118 251, Anl 4 Lexikon Elektrotechnik/Elektronik, Herausgeber Prof. Dr. Günter Springer, Verlag Europa-Lehrmittel, Nourney, Vollmer GmbH & Co., Haan-Gruiten, 1990, Seite 165, Anl 5 Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 17. neub. Aufl., Herausgeber W. Beitz und K.-H. Küttner, Springer-Verlag, 1990, Seite W 14, Anl 6 UK-OS 2 239 269, Anl 7 JP-OS 60-209700 und Anl 8 englische Teilübersetzung der Anl 7.

Der Kläger beantragt, das deutsche Patent 44 22 127 und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent 0 688 956 für nichtig zu erklären, hilfsweise die Übereinstimmung des deutschen Patents 44 22 127 mit dem europäischen Patent 0 688 956 und die Unwirksamkeit des deutschen Patents 44 22 127 gemäß Art II § 8 IntPatÜG festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und hält die Streitpatente unter Hinweis auf die Anlagen B 3 DE-PS 169 886, B 4 DE-PS 151 763, B 5 Fotos einer Rohabwasser-Heberleitung, B 6 Fotos eines Unterdruckbehälters in unterschiedlichen Betriebsphasen, B 7 Zusammengesetzte Zeichnung der DE-PS 562 090 für patentfähig.

Hilfsweise regt er nach Hilfsantrag 1 an, dem Patentanspruch 1 des Streitpatents I folgende Fassung zugrunde zu legen:

"Verwendung einer Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, die im Bereich ihres höchsten Punktes einen Unterdruckbehälter zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser aufweist, der mit einer Pumpe zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Heberleitung (2) im Bypass für eine zu sanierende Sielleitung (1) liegt, und dass die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Es schließt sich der erteilte Patentanspruch 2 an.

Patentanspruch 1 des Streitpatents II soll nach Hilfsantrag 1 folgende Fassung zugrunde gelegt werden:

"Verwendung einer Heberleitung(en) zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, wobei die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (2) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 4 schließen sich an.

Nach Hilfsantrag 2 soll Patentanspruch 1 des Streitpatents I folgende Fassung erhalten:

"Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, die im Bereich ihres höchsten Punktes über ein Verbindungsstück (4) einen Unterdruckbehälter (3) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser aufweist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Heberleitung (2) im Bypass für eine zu sanierende Sielleitung (1) liegt, und dass die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Es schließt sich der erteilte Patentanspruch 2 an.

Patentanspruch 1 des Streitpatents II soll wie folgt lauten:

"Vorrichtung für Heberleitungen (2) zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen (1) angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, wobei die Heberleitung (2) im Bereich ihres höchsten Punktes mit einem Unterdruckbehälter (3) über ein Verbindungsstück (4) zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser angeordnet ist, der mit einer Pumpe (7) zum Absaugen der aufgenommenen Luft verbunden ist, wobei die Pumpe (7) über Sensoren (8, 9) entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig steuerbar ist."

Es schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 4 an.

Gründe

Die zulässigen Klagen erweisen sich als begründet.

Der jeweils geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung der Streitpatente I und II, §§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG iVm § 4 PatG bzw Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ iVm Art 56 EPÜ. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den beantragten Fassungen des Streitpatents I als auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den beantragten Fassungen des Streitpatents II beruhen aus den nachfolgend genannten Gründen jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ein eigener erfinderischer Gehalt des Patentanspruchs 2 des Streitpatents I als auch der Patentansprüche 2 bis 4 des Streitpatents II ist weder geltend gemacht noch für den Senat ersichtlich.

I.

1) Deutsches Patent 44 22 127 (Streitpatent I)

a) Das Streitpatent I betrifft eine Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, wie sie aus der deutschen Patentschrift 169 886 für Entwässerungssiele bekannt ist. Dort ist ein Hauptheber mit einem parallelen Hilfsheber vorgesehen, mit dessen Hilfe aus einem oberhalb des Heberscheitels liegenden Behälter sich ansammelnde Gase abgesaugt und durch Wasser ersetzt werden (s StrPS I Sp 1 Z 6 - 16).

In der Praxis hat sich nach Darstellung in der Streitpatentschrift I (s Sp 1 Z 17 - 25) gezeigt, dass es insbesondere bei geringer Strömung zum Ansammeln von Luftblasen in der Heberleitung kommt, die zum Abriß der Förderung und zu einer Unterbrechung des Hebereffekts führen. Der Hebervorgang muß in einem solchen Fall durch erneutes Ansaugen des Abwassers mittels entsprechender Aggregate relativ aufwendig wieder in Betrieb gesetzt werden.

b) Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Streitpatents I (s Sp 1 Z 26 - 28), eine gattungsgemäße Heberleitung für zu sanierende Sielleitungen zu schaffen, die einen störungsfreien Betrieb ermöglicht.

c) Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 des Streitpatents I eine Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, 1. die im Bypass für eine zu sanierende Sielleitung liegt, 2. die einen Unterdruckbehälter aufweist, 2.1. der zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser vorgesehen ist, 2.2. der im Bereich des höchsten Punktes des Heberleitung angeordnet ist, 2.3. der mit einer Pumpe verbunden ist, 2.3.1. die zum Absaugen der aufgenommenen Luft vorgesehen ist, 2.3.2. die über Sensoren steuerbar ist, 2.3.2.1. und zwar entsprechend der gesammelten Luft wasserstandsabhängig.

2) Europäisches Patent 0 688 956 (Streitpatent II)

a) Das Streitpatent II bezieht sich auf eine Vorrichtung für Heberleitungen zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen angeordnet sind und eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken. Anordnungen dieser Art sind nach Angaben der Streitpatentschrift II zB aus der britischen Offenlegungsschrift 2 239 269 bekannt. Es hat sich jedoch in der Praxis gezeigt (s StrPS II Sp 1 Z 9 - 17), dass sich insbesondere bei geringer Strömung Luftblasen in der Heberleitung sammeln, die den Hebereffekt unterbrechen, so dass der Hebervorgang über ein erneutes Ansaugen des Abwassers durch entsprechende Aggregate relativ aufwendig wieder in Betrieb gesetzt werden muß.

b) Aufgabe des Streitpatents II ist es daher (s Sp 1 Z 18 - 21), eine gattungsgemäße Anordnung zu verbessern und die anfallende Luft zu separieren sowie eine Abführung zu gewährleisten und einen ordnungsgemäßen Betrieb zu ermöglichen.

c) Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 des Streitpatents II eine Vorrichtung für Heberleitungen zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, 1. die als Bypass für zu sanierende Sielleitungen angeordnet sind und 2. eine kontinuierliche energielose Förderung bewirken, 3. wobei die Heberleitung im Bereich ihres höchsten Punktes einen Unterdruckbehälter aufweist, 3.2. der zum Sammeln von Luft aus dem Abwasser vorgesehen ist, 3.3. der mit einer Pumpe verbunden ist, 3.3.1. die zum Absaugen der aufgenommenen Luft vorgesehen ist, 3.3.2. die über Sensoren steuerbar ist, 3.3.3. und zwar entsprechend der gesammelten Luftwasserstandsabhängig.

II.

1. Deutsches Patent 44 22 127 (Streitpatent I)

Bezüglich der Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag als auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen bedarf es keiner Entscheidung. Das Streitpatent I ist im beantragten Umfang jedenfalls deshalb für nichtig zu erklären, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den jeweiligen Fassungen nach Haupt- und Hilfsanträgen für den einschlägigen Fachmann - einen mit der Konstruktion von Anlagen mit zugehöriger Schaltungstechnik zum Um- und Ableiten von Gewässern, wie Abwasser oder Regenwasser, befaßten Techniker - durch den Stand der Technik, wie er aus der in der Streitpatentschrift beschriebenen deutschen Patentschrift 169 886 und aus der deutschen Patentschrift 562 090 bekannt ist, in Verbindung mit dem ihm zuzurechnenden Fachwissen nahegelegt war.

a) Die Streitpatentschrift I geht in der Beschreibungseinleitung aus von einer Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von bei der Entwässerung anfallendem Abwasser, wie sie in der deutschen Patentschrift 169 886 gezeigt und beschrieben ist. Diese Heberleitung bzw dieses Hebersiel ist für den Fachmann selbstverständlich für ein Fördern von Abwasser mit einem insbesondere bei starken Regenfällen anfallendem Anteil von Schweb- und Feststoffen ausgelegt. Nach der Beschreibungseinleitung dieser Patentschrift stellt diese Heberleitung eine in der Herstellung billigere Umführung, d.h. einen Bypass, einer in der Herstellung und dem Unterhalt nach teureren Sielleitung in einem Deich, d.h. im Erdreich, dar. Diese Heberleitung weist im Bereich ihres höchsten Punktes einen Behälter (a) auf. Aus diesem Behälter wird bei einem bestimmten Betriebszustand Luft mittels Unterdruck durch eine mit dem Behälter verbundene Wasserstrahlpumpe abgesaugt, so dass der Behälter auch einen Unterdruckbehälter für in diesem Behälter gesammelte Luft bildet (vgl insbes S 1, Zeilen 50 bis 58 der Patentschrift). Für den Fachmann ist weiterhin selbstverständlich, dass die Ausbildung und Funktion einer derartigen Heberleitung völlig unabhängig von dem Vorhandensein sowie von der Art, der Lage und dem Sanierungszustand einer vorhandenen und von der Heberleitung umgangenen Sielleitung ist. Es ist somit für den Fachmann durchaus naheliegend, eine aus der deutschen Patentschrift 169 886 bekannte Heberleitung als Bypass für eine zu sanierende Sielleitung vorzusehen.

Aufgrund des stets vorauszusetzenden Bestrebens des Fachmannes, das sich in der Praxis beim Einsatz derartiger Heberleitungen ergebende Problem zu lösen, das sich durch die im Abwasser der Heberleitung mitgeführte Luft und den dadurch bedingten Abriß der Strömung und Förderung ergibt, ist von diesem Fachmann zu erwarten, dass er bei seiner Suche nach einer möglichst störungsfreien Lösung dieses Problems die auf diesem Fachgebiet bekannten Lösungsmaßnahmen auf ihre Eignung hin untersucht und somit auch die Heberanlage nach der deutschen Patentschrift 562 090 in Betracht zieht.

Diese Patentschrift zeigt und beschreibt eine Heberanlage mit einer Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Flüssigkeiten, der das gleiche zuvor beschriebene und durch die in der zu fördernden Flüssigkeit enthaltenden Gase bedingte technische Problem zugrunde liegt und die so ausgebildet ist, dass sie einen dauernd wirksamen Transport der Flüssigkeit gewährleistet. Diese Heberanlage weist im Bereich des höchsten Punktes (vgl den Flüssigkeitsstand a) einen Behälter (13) zum Sammeln von Gasen aus der zu fördernden Flüssigkeit auf, der mit einer Saug-Pumpe zum Erzeugen von Unterdruck im Behälter über einen Anschluß (7) des Behälters zum Absaugen der im Behälter aufgenommenen Gase verbunden ist. Diese Pumpe ist über eine Sensorvorrichtung (19, 19', 19'', 20) steuerbar, die die Pumpe in Abhängigkeit von der sich im Behälter entsprechend der Menge der gesammelten Gase einstellenden Höhe der Flüssigkeit steuert (vgl insbes S 3 Z 59-82).

Nach Auffassung des Senats bedurfte es somit für den Fachmann ausgehend von einer Heberleitung zur kontinuierlichen energielosen Förderung von Abwasser, wie sie aus der deutschen Patentschrift 169 886 bekannt ist und die als Umleitung für ein kostenintensives Entwässerungssiel ausgebildet ist, keiner erfinderischen Überlegungen, diese bei gleicher Ausbildung als Bypass für eine zu sanierende Sielleitung vorzusehen und zur Lösung des bei Heberleitungen allgemein bekannten Problems, den durch Gase in der zur fördernden Flüssigkeit bedingten Abriß der Flüssigkeitsförderung zu vermeiden, die hierfür bei einer Heberleitung nach der deutschen Patentschrift 562 090 aufgezeigten und beschriebenen Maßnahmen vorzusehen. Durch ein derartiges Vorgehen gelangt der Fachmann ohne eine erfinderische Tätigkeit zur Gesamtheit der im Patentanspruch 1 angegebenen Maßnahmen.

Der gesamten Streitpatentschrift I sind keine Angaben zu entnehmen, dass die Förderung von Abwasser mit festen Bestandteilen besonders problematisch sei. Wie zuvor ausgeführt, war die Förderung von Abwasser durch eine Heberleitung sowie das Problem des Förderstromabrisses in der Leitung als auch die beanspruchte Lösung dieses Problems vor dem Anmeldetag des Streitpatents bekannt. Für den Senat ist daher kein technischer Hinderungsgrund erkennbar, der den Fachmann möglicherweise von dem zuvor aufgezeigten Vorgehen hätte abhalten können.

b) Der Unterschied der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 sowie der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 besteht gegenüber der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag darin, dass gemäß Hilfsantrag 1 vor "Heberleitung" eingefügt ist "Verwendung einer", dass gemäß Hilfsantrag 2 nach "höchsten Punktes" eingefügt ist "über ein Verbindungsstück (4)", dass im ersten Teil des Patentanspruchs 1 nach "Unterdruckbehälter" und "Pumpe" die jeweils zugehörigen Bezugszeichen eingefügt sind, und dass gemäß Hilfsantrag 1 als auch gemäß Hilfsantrag 2 "dadurch gekennzeichnet, dass" ersetzt ist durch "wobei".

Die Heberleitung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich hinsichtlich der Gesamtheit ihrer Merkmale und Maßnahmen nicht von der Heberleitung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Somit läßt die "Verwendung einer Heberleitung zur .... Förderung von Abwasser" gemäß Hilfsantrag 1 auch keine andere Verwendung als die einer "Heberleitung zur .... Förderung von Abwasser" gemäß Hauptantrag erkennen.

Wie vom Senat in der mündlichen Verhandlung bereits darauf hingewiesen wurde, ist auch bei der Heberanlage nach der deutschen Patentschrift 562 090 der Heber 1 als Heberleitung im Bereich ihres höchsten Punktes (vgl hierzu Linie a - a' für die maximale Füllstandshöhe) über ein Verbindungsstück, das gemäß Abbildung 5 zwischen den mit "3" gekennzeichneten Ausbildungen angeordnet ist, mit dem Unterdruck aufweisenden Behälter 13 verbunden.

Es bedurfte für den Fachmann bei einer Zusammenschau der deutschen Patentschrift 169 886 und 562 090 aus den zuvor unter Punkt 1. a) genannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, somit ebenfalls keiner erfinderischen Tätigkeit, um zur Gesamtheit der im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 als auch zur Gesamtheit der im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 angegebenen Merkmale zu gelangen.

2. Europäisches Patent 0 688 956 (Streitpatent II)

Bezüglich der Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag als auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen bedarf es keiner Entscheidung. Auch das Streitpatent II ist im beantragten Umfang jedenfalls deshalb für nichtig zu erklären, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den jeweiligen Fassungen nach Haupt- und Hilfsanträgen für den zuvor unter Punkt 1. genannten einschlägigen Fachmann durch den Stand der Technik, wie er aus den deutschen Patentschriften 169 886 und 562 090 bekannt ist, in Verbindung mit dem ihm zuzurechnenden Fachwissen nahegelegt war.

a) Die Streitpatentschrift II geht in der Beschreibungseinleitung aus von einer Vorrichtung für Heberleitungen zum Heben von Abwasser über ihren Spiegel durch Luftdruck, wie sie in der britischen Offenlegungsschrift 2 239 269 gezeigt und beschrieben ist. Dieser Vorrichtung liegt wie dem Gegenstand des Streitpatents I das bei Heberleitungen allgemein bekannte Problem, den durch Gase in der zu fördernden Flüssigkeit bedingten Abriß der Flüssigkeitsförderung zu vermeiden, als auch die sich hieraus ergebende Aufgabenstellung zugrunde, durch eine verbesserte Abführung der sich im Unterdruck-Behälter ansammelnden Luft einen ordnungsgemäßen und somit störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Die Vorrichtung für Heberleitungen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents II in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag weist in der Gesamtheit ihrer Merkmale die gleichen Vorrichtungsmerkmale bei gleicher Zuordnung lediglich mit geänderter Wortfolge wie die Heberleitung nach Patentanspruch 1 des Streitpatents I gemäß Hauptantrag auf. Ein Heben bzw Fördern von Abwasser "über ihren Spiegel durch Luftdruck", wie im Patentanspruch 1 des Streitpatents II angegeben, erfolgt in gleicher Weise beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents I als auch bei dem der deutschen Patentschrift 169 886 und stellt die allen Heberleitungen gemeinsame charakteristische Funktionsmaßnahme dar.

Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II gemäß Hauptantrag hinsichtlich der Gesamtheit der in diesem Patentanspruch angegebenen Merkmale und ihre Zuordnung zur Lösung des gleichen technischen Problems mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents I gemäß Hauptantrag übereinstimmt, gelten für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II die gleichen, zuvor unter Punkt 1. a) im einzelnen zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 des Streitpatents I genannten Gründe, auf die Bezug genommen wird. Aus diesen Gründen beruht auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

b) Die Fassungen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II gemäß Hilfsantrag 1 sowie gemäß Hilfsantrag 2 unterscheiden sich gegenüber der Fassung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II gemäß Hauptantrag sachlich in gleicher Weise wie die Fassungen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents I gemäß Haupt- und Hilfsanträgen. Die zuvor unter Punkt 1. b) zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Hilfsanträge des Streitpatents I genannten Gründe, auf die Bezug genommen wird, gelten somit in gleicher Weise auch für die Gegenstände der Hilfsanträge 1 und 2 des Streitpatents II. Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents II sowohl gemäß Hilfsantrag 1 als auch gemäß Hilfsantrag 2 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 29.03.2001
Az: 3 Ni 17/00


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