Verwaltungsgericht Münster:
Urteil vom 18. März 2004
Aktenzeichen: 2 K 3616/00

(VG Münster: Urteil v. 18.03.2004, Az.: 2 K 3616/00)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger plant die Errichtung eines zweigeschossigen Wohngebäudes im Blockinnenbereich des in N. im L-viertel gelegenen Straßengevierts T.-straße, X.-straße, S.-straße und G.-straße. Die Bebauung an diesen Straßen besteht aus zwei- bis viergeschossigen Wohnhäusern überwiegend mit ausgebauten Dachgeschossen und regelmäßig in geschlossener oder - im westlichen Teil - halb geschlossener Bauweise. Vereinzelt finden sich freiberufliche Kanzleien, ein Verbindungshaus und kleine Ladenlokale.

Der Blockinnenbereich ist bis auf wenige untergeordnete Nebenanlagen frei von Bebauung. Hier befinden sich zum Teil großzügig angelegte Gärten mit hohen, prächtigen Obst- und Laubbäumen, Tannen, Büschen und Hecken. Eine Ausnahme bildet mitten in dieser Gartenlandschaft ein zweigeschossiges Gebäude mit Walmdach (heute T.-straße 00) und auf dem nordöstlich anschließenden, mit Schotter befestigten Grundstück eine grenzständige Überdachung für sechs Stellplätze. Die Zufahrt erfolgt durch eine Hausdurchfahrt im Vordergebäude T.-straße 00. Die Erschließung ist öffentlichrechtlich durch Baulasten und privatrechtlich durch Grunddienstbarkeiten gesichert. Das Grundstück ist auch von der X.-straße aus über die im Eigentum der Stadt N. stehende Wegeparzelle 0000 erreichbar, die die Gärten der Häuser im nordwestlichen von denen im südwestlichen Teil des Straßengeviertes trennt und an dem in Rede stehenden Grundstück endet.

Der Kläger beabsichtigt, das Gebäude T.-straße 00 abzureißen. An seiner Stelle soll das geplante Wohnhaus errichtet werden. Die Baugeschichte des alten Gebäudes beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf einem vom Beklagten vorgelegten Luftbild vom 21. April 1943 (Bl. 78 der Gerichtsakte) ist an dieser Stelle noch kein Gebäude abgebildet. Durch Baugesuch vom 22. Dezember 1947 beantragte der Inhaber des in der T.-straße 00 ansässigen Dachdeckergeschäftes, der Dachdecker K. W., die Genehmigung zur Errichtung eines Lagergebäudes für seinen Betrieb auf seinem Grundstück. Durch Bauschein Nr. V-2/48 vom 16. Februar 1949 erteilte das Bauordnungsamt der Stadt N. nachträglich eine Baugenehmigung für den "Neubau eines Lagerschuppens" unter der Bedingung, dass weitere Baulichkeiten auf dem Grundstück nicht vorgenommen werden dürften; ausgenommen wurde die "Schließung der Baulücke Straßenfront", d. h. T.-straße 00 (Bauakte V-2/48, Beiakte Heft 2 Bl. 74, 77).

Ausweislich der unter dem 18. März 1948 erstellten, im Baugenehmigungsverfahren vom Bauordnungsamt teilweise geänderten und als Anlage zum Bauschein genommenen Bauzeichnungen war Gegenstand der Baugenehmigung ein zweigeschossiges Gebäude ohne jede Öffnung in der (südlichen) Rückfront und mit einem einzigen großen Lagerraum im Erdgeschoss, dessen Nordsseite völlig offen war und nur vier Stützpfeiler aufwies, und mit 2 Lagerräumen im Obergeschoss, von denen der größere (westliche) sich über 3 offene Erdgeschossfelder erstreckte und ebenfalls nach Norden völlig offen war, während der (östliche) kleinere, mit geschlossener Nordwand und jeweils 2 Fenstern in der (nördlichen) Vorder- und der (östlichen) Seitenfront dargestellt war. Die andere (westliche) Seitenfront war im Erd- und Obergeschoss mit je einem Fenster dargestellt. Laut Schnittzeichnung und Statik betrug die Höhe des Erdgeschosses 2,25 m und die Höhe des Obergeschosses 2,75 m. Die Traufenhöhe war auf 5 m festgelegt. Die Außenmaße des Lagerschuppens waren mit 20 m und ca. 6,3 m dargestellt. Ausweislich der als Anlage zum Bauschein genommenen Baubeschreibung sollten die Decken in Eisenbeton und die Wände massiv in Ziegelrohbau hergestellt werden.

Abweichungen von diesen Bauzeichnungen wurden in dem Ortstermin, der im Rahmen eines Nachbarstreitverfahrens (- BV 206/48 -) vom damaligen Landesverwaltungsgericht Münster am 14. Oktober 1948 - nach Fertigstellung des Erdgeschosses - durchgeführt wurde, nicht festgestellt. In dem Terminsprotokoll heißt es u. a., die Rückwand des Schuppens (Südseite) sei ohne Eingangsöffnung.

Die Lagepläne in den Bauakten 1935/65 (nachträglich erteilte Baugenehmigung vom 19. Januar 1966 für eine inzwischen beseitigte Garage; Beiakte Heft 3), 385/70 (Baugenehmigung vom 25. Juni 1971 für das Wohnhaus T.-straße 00 und 3 Pkw-Stellplätze; Beiakte Heft 5) und 925/89 (Baugenehmigung vom 20. September 1989 für eine Änderung des Hauses T.-straße 00; Beiakte Heft 4) und der Fortführungsriss in der Bauakte 1935/65 kennzeichnen das in Rede stehende Gebäude jeweils mit der Abkürzung "Schp.".

Das Lagergebäude wurde als solches bis Anfang 1992 genutzt, und zwar durch den Dachdecker W., zunächst als Eigentümer und nach der Veräußerung der Grundstücke an die Rechtsvorgängerin des Klägers im Jahre 1973 als Mieter, seit etwa 1980 durch einen anderweitig ansässigen Dachdecker als Mieter. Seit dem 1. April 1992 wird das Gebäude durch einen anderweitig ansässigen Künstler als Atelier genutzt.

Nach Aussagen des Geschäftsführers der Rechtsvorgängerin des Klägers waren bei ihrem Erwerb des Gebäudes im östlichen Teil des Erdgeschosses schon eine Toilette, ein Umkleideraum und eine Garage vorhanden. Weitere Änderungen habe der heutige Mieter zu Beginn seiner Mietzeit 1992 vorgenommen.

Die Nordseite des Gebäudes ist heute vollständig durch eine massiv gemauerte und verputzte Wand geschlossen, die im Erdgeschoss durch drei Türen und zwei Fenster und im Obergeschoss durch fünf Fenster unterbrochen wird. In der südlichen Rückwand befindet sich ein Garagentor. In der östlichen Seitenwand sind zwei Fenster im Erdgeschoss hinzugekommen, während die beiden Fenster in der westlichen Seitenwand zugemauert worden sind. Im Erdgeschoss führen die drei Türen in der nördlichen Außenwand jeweils zu einem größeren Raum. Von dem östlichen ist in der südöstlichen Ecke eine Toilette abgeteilt. Zwischen dem östlichen und dem mittleren Raum befindet sich eine Garage. Der westliche Raum wird u.a. als Öllagerraum genutzt. Im Obergeschoss wurde von dem östlichen ein dritter Raum abgeteilt.

Das Bauordnungsamt des Beklagten hatte nach seinen Angaben von den festgestellten baulichen Änderungen des Gebäudes bis zu dem am 8. August 2002 im vorliegenden Verfahren durchgeführten Erörterungs- und Ortstermin keine Kenntnis. Eine Entschließung, diesen Bestand zu dulden, ergibt sich aus seinen Akten nicht und wurde auch nicht durch ein Verhalten gegenüber einem an dem Grundstück Berechtigten zum Ausdruck gebracht.

Durch Antrag auf Vorbescheid vom 9./14. Juni 2000 stellte die Rechtsvorgängerin des Klägers die Frage zur Entscheidung, ob nach Abbruch des vorhandenen Gebäudes ein Neubau eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten möglich sei. Laut Lageplan soll das neue Gebäude etwas weniger lang, aber etwas breiter und mit 150 qm bebauter Fläche um 15 qm größer sein als das alte. Ferner soll gegenüber der vorhandenen eine weitere Carportanlage für vier Pkw auf demselben Flurstück (000) errichtet werden.

Der Beklagte lehnte die Erteilung eines positiven Vorbescheides durch Bescheid vom 6. September 2000 (6130/00) ab. Zur Begründung führte er aus: Die nähere Umgebung des Grundstückes werde geprägt durch eine Straßenrandbebauung. Der Blockinnenbereich sei bis auf wenige untergeordnete Nebengebäude von Bebauung frei. Eine Ausnahme bilde lediglich das vorhandene alte Gebäude. Dies stelle einen atypischen Einzelfall dar. Die geplante Bebauung würde vollständig außerhalb der durch die vorhandene Straßenrandbebauung geprägten überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden und stünde somit in erheblichem Widerspruch zur vorhandenen Bebauung. Es stelle daher einen Eingriff in den Blockinnenbereich dar, der unmittelbar den Bewohnern als Grünfläche und Naherholung zur Verfügung stehe. Bei einer Bebauung im Sinne des Antrages würde eine weitergreifende Bebauung benachbarter Grundstücke nicht verhindert werden können. Der Gebietscharakter - Straßenrandbebauung, vorhandene Ruhezonen im Blockinnenbereich - würde sich grundlegend ändern.

Den Widerspruch der Rechtsvorgängerin des Klägers wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2000 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die für die bauplanungsrechtliche Beurteilung maßgebende nähere Umgebung werde durch die Straßenrandbebauung entlang der T.-straße, der S.-straße, der X.-straße und der G.-straße gebildet. Das geplante Gebäude füge sich nicht in diese Umgebung ein. Es stelle einen Fremdkörper dar. Andere, in der Widerspruchsbegründung als vergleichbar bezeichnete Straßengevierte im L.-viertel seien von ihrer baulichen Situation im Blockinnenbereich her nicht annähernd vergleichbar mit der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Umgebung. In diesem Geviert seien im Hintergelände bis auf das alte Gebäude T.-straße 00 nur untergeordnete Nebenanlagen wie z. B. Garagen zu finden.

Die Rechtsvorgängerin des Klägers hat rechtzeitig Klage erhoben. Nach Klageerhebung hat der Kläger das Eigentum an den Baugrundstücken (jetzt Flurstücke 0000 und 000 in der Flur 111 der Gemarkung N.) erworben. Der Beklagte hat sein Einverständnis zur Fortsetzung des Prozesses durch den Kläger erklärt.

Zur Begründung der Klage wird vorgetragen: Das vorhandene Gewerbegebäude präge die Eigenart der näheren Umgebung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in einer Weise, die den Abriss und die Errichtung eines Wohngebäudes an fast gleicher Stelle zulasse. Es komme nicht darauf an, ob in der näheren Umgebung Hauptnutzungen der gleichen Nutzungsart oder einer anderen Hauptnutzungsart vorhanden seien. Ein gewerblich genutztes Gebäude reiche aus, an gleicher Stelle ein Wohngebäude zu errichten. Weder das vorhandene Gewerbegebäude noch das geplante Wohngebäude könnten als Fremdkörper eingestuft werden. Es sei unzulässig, die Eigenart der näheren Umgebung auf das zu beschränken, was städtebaulich wünschenswert oder vertretbar sei. Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung dürfe nicht von vornherein außer Acht gelassen werden. Der Begriff des Fremdkörpers sei restriktiv auszulegen und erfasse nur bauliche Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfielen. Das vorhandene Gebäude und erst recht das geplante Gebäude fielen weder nach ihrem quantitativen noch nach ihrem qualitativen Erscheinungsbild völlig aus dem Rahmen. Die Situation sei noch mitgeprägt von der handwerklichen Nutzung des Geländes. Die ehemaligen Lagerflächen des Dachdeckerbetriebes seien heute noch als Schotterflächen erhalten und dienten zum Abstellen von Kraftfahrzeugen. Die Bebauung von Blockinnenbereichen sei im Kreuzviertel typisch und erstrecke sich über das gesamte Gebiet hin, soweit Blockinnenbereiche einen räumlich größeren Umfang aufwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 6. September 2000 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 30. Oktober 2000 zu verpflichten, dem Kläger einen positiven Vorbescheid für den Neubau eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten auf dem Grundstück Gemarkung N., Flur 000, Flurstücke 0000 und 000 (T.-straße 00 in N.) zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dazu trägt er vor: Als maßgebliche nähere Umgebung sei das Straßengeviert T.-straße, G.-straße, S.-straße, X.-straße und nicht das L.-viertel insgesamt zugrundezulegen. Das in diesem Straßengeviert noch vorhandene Gebäude stelle eine singuläre Anlage dar, die auf Grund ihrer Lage nahezu im Zentrum des Straßengeviertes in einem auffälligen Kontrast zu der homogenen Blockrandbebauung stehe und als Fremdkörper anzusehen sei, der bei der Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung außer Betracht zu bleiben habe und die Eigenart der näheren Umgebung nicht präge.

Das Gericht hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 8. August 2002 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das Vorhaben ist gemäß § 34 Abs. 1 BauGB nicht zulässig, weil es sich nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

I.

Die angefochtenen Bescheide gehen zutreffend davon aus, dass die für die bauplanungsrechtliche Beurteilung maßgebliche nähere Umgebung des gewählten Bauplatzes durch die Straßenrandbebauung entlang der T.-, der X.-, der S.- und der G.-straße gebildet und begrenzt wird. Die Umgebung ist einmal insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Begrenzung der Umgebung durch den Wortlaut des Gesetzes auf die "nähere" Umgebung hebt hervor, dass in aller Regel die größere Nähe mit einer stärker prägenden Wirkung Hand in Hand geht.

So: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 406.11 § 34 Nr. 63 = BRS 33 Nr. 36.

Da die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss - Nutzungsart, Nutzungsmaß, Bauweise und Bauplatz -, jeweils unabhängig voneinander zu prüfen sind,

so: BVerwG, Beschluss vom 6. November 1997 - 4 B 172.97 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 188 = BRS 59 Nr. 79,

ist auch die jeweils maßgebliche nähere Umgebung je nach Merkmal gesondert zu ermitteln mit der Folge, dass sie je nach Merkmal unterschiedlich groß sein kann. Bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung wird der Umkreis in der Regel enger zu begrenzen sein als bei der Ermittlung des Gebietscharakters anhand der Art der baulichen Nutzung.

So: BVerwG, Urteil vom 19. September 1969 - IV C 18.67 -, BRS 22 Nr. 184 (S. 263).

Auch ist bei der Frage nach der überbaubaren Grundstücksfläche in der Regel ein engerer Rahmen zu ziehen.

So: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 21. Februar 1992 - 11 A 1406/90 -; Urteil vom 7. November 1996 - 7 A 4820/95 -; Urteil vom 16. November 2001 - 7 A 1143/00 - S. 10.

Auch hier ist aber die gesamte städtebauliche Situation, in die das Baugrundstück eingebettet ist, zu würdigen, insbesondere der Typus der Bau- und Nutzungsstruktur. Unter diesem Gesichtspunkt ist bei einer aufgelockerten Bauweise in einem ländlichen Ort auf eine Umgebung mit vergleichsweise größerem Umkreis abzustellen als z. B. bei einer kleinteiligen Bau- und Nutzungsstruktur im engeren oder weiteren Kern einer Kleinstadt und erst Recht als bei einer - wie hier - verdichteten Siedlungsstruktur mit kompakter, mehrgeschossiger Straßenrandbebauung in geometrisch geformten Straßengevierten in zentrumsnahen Wohnvierteln einer Großstadt, in denen die Blockinnenbereiche im Interesse gesunder Wohnverhältnisse ein städtebaulich notwendiges Gegengewicht zu der verdichteten Siedlungsstruktur des jeweiligen Straßengeviertes darstellen sollten und deshalb von Hauptgebäuden freigehalten wurden und allenfalls - wie auch der vorliegende Fall zeigt - mit Nebenanlagen wie z. B. Lagergebäuden für in der Straßenrandbebauung ansässige, der Versorgung des Wohnviertels dienende Läden oder Handwerksbetriebe oder - im Maße der Motorisierung zunehmend - mit Stellplätzen oder Garagen bebaut werden durften.

Dieses für jede städtebauliche Planung zentrale Verhältnis von Quantität und Qualität, von Verdichtung der Besiedlung an zentrumsnahen Wohnstraßen und den für die Wohnqualität entscheidenden Freiflächen ist prägend nicht so sehr für den städtebaulichen Charakter des jeweiligen Stadtviertels als ganzem, als vielmehr in jedem konkreten Einzelfall eines Straßengevierts für die städtebauliche Funktion des jeweiligen Blockinnenbereichs. Bezieht somit jeder einzelne Blockinnenbereich seinen primären Sinn und Zweck aus seinem räumlich begrenzten, funktional komplementären Verhältnis zu der ihn konstituierenden Straßenrandbebauung, so wird auch der bodenrechtliche Charakter jeder einzelnen Teilfläche in einem Blockinnenbereich durch dieses Verhältnis geprägt. Dem entspricht die Begrenzung ihrer näheren Umgebung durch die für den Binnenraum konstitutive Straßenrandbebauung auf die wegen der Korrelation von Quantität und Qualität entscheidende städtebauliche Einheit des Straßengeviertes.

Je stärker im Einzelfall die Straßenrandbebauung den Eindruck eines Blockinnenbereichs vermittelt, je deutlicher und plastischer durch die Anordnung der Bebauung im Carré, ihre Dichte und ihre Höhe die optische und akustische Wahrnehmung und sinnliche Erfahrung eines dem einzelnen Geviert sich verdankenden und ihm dienenden freien Platzes, eines unten weitreichenden und nach oben offenen Binnenraumes, eines urbanen und doch in die Wohnbebauung integrierten, begrenzt öffentlichen und doch kleinteilig privaten und nach außen abgeschirmten und geschützten Lebensraumes für die dort lebenden Menschen erlebbar, aber auch für den teilnehmenden Betrachter architektonisch und städtebaulich verstehbar wird, desto weniger vertretbar ist es, die in einem besonders gelagerten Einzelfall eingeführte Vorstellung für übertragbar zu halten, die städtebauliche Situation eines anderen Straßenblocks könne "gewissermaßen über die Straße springen",

vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. September 1981 - 11 A 2053/80 -,

mit der Folge, dass eine solche für sich gesehen städtebaulich typische Einheit sowohl räumlich wie funktional im Kern getroffen und letztlich zerstört werden würde. Die Übertragbarkeit dieser Vorstellung scheitert im Übrigen auch schon daran, dass in jenem Fall, auf den der Kläger sich beruft, anders als im vorliegenden, von einem städtebaulich konstitutiven Bebauungscarré mit komplementärem offenem Binnenraum der soeben beschriebenen Art keine Rede sein konnte. Eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Fall wäre erst dann gegeben, wenn in dem durch jenes Urteil entstandenen Carré eine weitere Bebauung im Hintergelände (also östlich der L.-straße, südlich der E.-straße und nördlich der S1.-Straße) geplant würde. Die Berufung auf jenes Urteil hat auch die wiederholten Klagen auf Erteilung eines Vorbescheides für eine Hinterlandbebauung in dem Straßengeviert E.-straße, L.-straße, I.-straße und D.-straße nicht zum Erfolg führen können.

Vgl. 1. a) Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 24. Juli 1986 - 2 K 1679/85 -

b) OVG NRW, Urteil vom 28. April 1988 - 11 A 1996/86 -

c) BVerwG, Beschluss vom 20. September 1988 - 4 B 138.88 -

2. a) Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 5. Juli 1990 - 2 K 1427/89 -

b) OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 1992 - 11 A 1531/90 - (Urteil des Senatsvorsitzenden als Einzelrichter).

II.

In den angefochtenen Bescheiden wird ferner zutreffend erkannt, dass das Vorhaben des Klägers den durch das genannte Straßengeviert gesetzten Rahmen der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einhält, weil es die sich aus der Straßenrandbebauung ergebenden hinteren Baugrenzen überschreitet. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass sein Bauplatz durch das noch vorhandene Gebäude als überbaubare Grundstücksfläche geprägt werde.

1. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit einem Gebäude eine rahmenbildende, prägende Wirkung zuerkannt werden kann, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 34 BauGB. Dieser besteht darin, die Bebauung eines Grundstücks nicht stets von der vorherigen kommunalpolitischen Entscheidung über die Bebaubarkeit durch den kommunalen Satzungsgeber abhängig zu machen, sondern das Fehlen eines die Bebauung lenkenden Bebauungsplanes dann, aber auch nur dann für unschädlich zu erklären, wenn und weil die bereits vorhandene Bebauung die unerlässlichen Maßstäbe und Grenzen setzt. Nur dieser lenkende Einfluss der bereits vorhandenen Bebauung, die normative Kraft des Faktischen machen die Rechtsfolge des § 34 BauGB erträglich, dass nämlich gebaut werden darf, obwohl der kommunale Satzungsgeber, dem die Planungshoheit zusteht, darüber noch nicht ausdrücklich durch Bebauungsplan entschieden hat. Damit ist aber zugleich erkannt, dass nicht jeder Faktizität eine Kraft zukommt, die als normativ anzuerkennen ist. Nicht jeder vorhandenen Bebauung kommt ein Einfluss zu, der als lenkend anzuerkennen ist. Rahmenbildende, prägende Wirkung darf vielmehr nur solchen Bauwerken zuerkannt werden, die nach der gesamten Siedlungsstruktur für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind, d. h. optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, den städtebaulichen Charakter der näheren Umgebung zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Hauptgebäude, d. h. Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, nicht aber Nebenanlagen, d. h. Anlagen, die einer Hauptanlage - einem Hauptgebäude - funktional zugeordnet und ihr räumlichgegenständlich, optisch untergeordnet sind und nur vorübergehend dem Aufenthalt von Menschen dienen, wie z. B. Gartenhäuser, Ställe, Abstell- oder Lagerschuppen, überdachte Stellplätze und Garagen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. September 1985 - 4 B 167.85 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 107; Beschluss vom 28. September 1988 - 4 B 175.88 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 128 = BRS 48 Nr. 50; Beschluss vom 6. November 1997 - 4 B 172.97 -, a. a. O.; Beschluss vom 2. März 2000 - 4 B 15.00 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 198.

Im vorliegenden Fall kann dem vorhandenen Ateliergebäude die Eigenschaft einer Hauptanlage in diesem Sinne, d. h. eines Hauptgebäudes, das dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient, nicht abgesprochen werden. Es ist auch als solches optisch wahrnehmbar, wenn auch nicht von den öffentlichen Straßen, so doch von den umstehenden Gebäuden und aus der Vogelperspektive.

2. Um einem tatsächlich vorhandenen Hauptgebäude rahmenbildende, prägende Wirkung zuzuerkennen, muss aber noch eine weitere Voraussetzung mehr wertenden Charakters erfüllt sein. Wenn der Gesetzgeber dort, wo es an einem Bebauungsplan fehlt, der bereits vorhandenen Bebauung einen lenkenden Einfluss im Sinne einer normativen Kraft des Faktischen zuspricht, so bedeutet dies nicht, dass der Gesetzgeber alles Vorhandene positiv bewerten und ihm eine Vorbildwirkung zubilligen will. Ähnlich wie in den Fällen der Verweisung auf außerrechtliche Normen oder Verhaltenserwartungen wie z. B. die guten Sitten (vgl. §§ 138 Abs. 1, 814, 819 Abs. 2, 826 BGB, § 1 UWG, § 13 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz, § 228 StGB) oder die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (vgl. § 346 HGB) geht es ihm vielmehr darum, die aus einer gewachsenen (hier: städtebaulichen) Situation ablesbare konkrete Ordnung der Wirklichkeit in das System von Gesetz und Recht einzubeziehen und die "Eigenart" (§ 34 Abs. 1 BauGB), die Eigengesetzlichkeit der konkreten Ordnung zum Maßstab für eine angemessene Fortentwicklung dieser konkreten Ordnung (hier: der tatsächlichen Bebauung) zu machen. Diese Verweisung bedeutet, dass tatsächlich vorhandene Gebäude nur dann als rahmenbildend und prägend zu berücksichtigen sind, wenn sie - gemessen an der Eigenart und Eigengesetzlichkeit der konkreten Ordnung der gewachsenen Siedlungsstruktur - nicht ihrerseits aus diesem konkretnormativen Rahmen herausfallen. Erweist sich nach einer Prüfung anhand dieses Maßstabs ein Gebäude im Einzelfall als singuläre Anlage, als Unikat oder als Fremdkörper in seiner eigenen näheren Umgebung, weil es ihr wesensfremd ist und "aus der Art schlägt", so ist es aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB auszuklammern. Dies kann nicht nur auf Grund besonderer quantitativer Faktoren wie Einzahl, Erscheinungsbild, Höhe oder Ausdehnung, sondern auch auf Grund besonderer qualitativer Faktoren anzunehmen sein, z. B. dann, wenn ein auffälliger Kontrast zur übrigen Bebauung oder eine so starke Abweichung vom Charakter der Umgebung besteht, dass es im wertenden Sinne isoliert dasteht. Je einheitlicher der Charakter der näheren Umgebung im Übrigen ist, umso eher wird ein Unikat vorliegen, das wegen seiner Einzigartigkeit und seiner Andersartigkeit als Fremdkörper zu qualifizieren ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 1986 - 4 B 83.86 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 113; Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 134 = BRS 50 Nr. 75.

Nach diesen Grundsätzen ist das Ateliergebäude des Klägers als Fremdkörper zu qualifizieren und nicht geeignet, die von ihm eingenommene Grundfläche als überbaubare Grundstücksfläche im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zu prägen. Dieser Standort ist der einzige mit einem Hauptgebäude bebaute in diesem Blockinnenbereich. Er steht in einem so auffälligen Kontrast zu den Standorten der umgebenden Straßenrandbebauung und verletzt die von dieser vorgegebenen hinteren Baugrenzen so evident, dass er einer wertenden Betrachtung als isoliert und völlig aus dem Rahmen herausfallend erscheint. Vor dem Hintergrund des oben beschriebenen einheitlichen Charakters dieses für seine Entstehungszeit typischen und allgemein städtebaulich klassischen Straßengeviertes und des durch dieses konstituierten freien Binnenraumes erscheint dieser Gebäudestandort als wesensfremdes Unikat, das durch seine Einzigartigkeit und Andersartigkeit die gewachsene städtebauliche Ordnung stört und deshalb nicht als Maßstab, Vorbild oder Berufungsfall für eine weitere Bebauung Geltung beanspruchen kann.

Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob das Ateliergebäude als solches genehmigt ist oder nicht oder bewusst und gewollt längere Zeit als Bestand geduldet worden ist oder nicht. Selbst wenn es genehmigt worden wäre, stellt es in seiner Umgebung einen Fremdkörper dar.

3. Unabhängig von seiner Eigenschaft als Fremdkörper ist aber das Ateliergebäude auch deshalb bei der Bestimmung des maßgeblichen Rahmens und der Eigenart der näheren Umgebung auszuklammern, weil es weder genehmigt noch geduldet worden ist und auch nicht genehmigungsfähig war oder werden kann, solange das Bauplanungsrecht bleibt, wie es ist. Der Umbau und die Nutzungsänderung des offenen Lagerschuppens - einer Nebenanlage zu einem straßenseitig ansässigen Handwerksbetrieb - zu einem geschlossenen Ateliergebäude eines nicht dort ansässigen Künstlers als isoliertem Hauptgebäude sind nicht nur formell illegal ohne Genehmigung, sondern auch materiell illegal erfolgt. Eine Baugenehmigung dafür war erforderlich, weil die baulichen Veränderungen nicht nur, wie der Kläger es bagatellisierend darstellt, sich darauf beschränkten, dass "im Obergeschoss in drei Fensteröffnungen Fenster eingesetzt wurden", sondern aus einem laut Begenehmigung einseitig fast völlig offenen Lagerschuppen ein geschlossenes Gebäude zum ständigen Aufenthalt von Menschen gemacht worden ist, d. h. in Gestalt und Gehalt ein aliud, ein anderes, neuartiges Gebäude. Auch die Ansicht des Klägers, die Nutzungsänderung habe die Variationsbreite der genehmigten Nutzung nicht überschritten, und die weiteren Ausführungen des Klägers zum materiellen Bestandsschutz könnten allenfalls relevant sein, wenn es um die Art der baulichen hhhh Nutzung eines Gebäudes am Straßenrand ginge, nicht aber im Rahmen der hier allein interessierenden überbaubaren Grundstücksfläche im Blockinnenbereich. Dass die Änderung einer Nebenanlage zu einer isolierten Hauptnutzung im Binnenraum des Straßengevierts wegen der Besonderheit der zu überbauenden Grundfläche einer Baugenehmigung bedurfte, liegt auf der Hand. Es handelt sich bei dem Ateliergebäude folglich unzweifelhaft um einen Schwarzbau.

Dieser war und ist auch nicht genehmigungsfähig. Denn auf einen Bauantrag des Klägers oder eines Rechtsvorgängers auf Genehmigung des Umbaus und der Nutzungsänderung hätte aus eben den Gründen, die den hier angefochtenen Bescheid tragen, eine Baugenehmigung versagt werden müssen, weil sich nämlich das Vorhaben, das wie ein Neubau zu prüfen gewesen wäre, nach der Lage seiner Grundfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Diese Voraussetzung konnte nur bei einer Nebenanlage bejaht werden. Die Unterscheidung von Hauptgebäude und Nebenanlage hat auch nicht erst unter der Geltung von § 34 Abs. 1 BBauG/BauGB zentrale Bedeutung für die Überbaubarkeit von Grundflächen erlangt (s. dazu oben II. 1.). Schon unter der Polizeiverordnung betreffend Bauzonenordnung für den Stadtbezirk N. i. W. vom 6. August 1928, auf deren Geltung die Baugenehmigung vom 16. Februar 1949 ausdrücklich hinweist, war die Errichtung eines Hauptgebäudes im Hintergelände ebenso unzulässig wie die eines Nebengebäudes an der Straßenfront (vgl. hierzu § 3 Nr. 3 Satz 3 und § 5 Nr. 7).

Allerdings ist die tatsächlich vorhandene Bebauung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie in Übereinstimmung mit dem Baurecht errichtet worden ist, wenn sie von der zuständigen Behörde in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein des rechtswidrigen Gebäudes abgefunden hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1998 - 4 B 29.98 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 192 = BRS 60 Nr. 82 = Baurecht 1999, 233.

An einer solchen unzweifelhaften Duldung in voller Kenntnis des Sachverhalts und der Rechtswidrigkeit fehlt es hier aber. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den vorliegenden Akten und der Beantwortung der gerichtlichen Verfügung vom 20. August 2002 durch den Schriftsatz des Beklagten vom 23. September 2002, dem der Kläger in der Sache nicht widersprochen hat.

4. Aber selbst wenn die zuständige Behörde das rechtswidrige Ateliergebäude geduldet hätte und es deshalb bei der Bestimmung des maßgeblichen Rahmens zu berücksichtigen wäre, wenn sich ein Dritter darauf beriefe, um eine Baugenehmigung für ein vergleichbares Vorhaben auf einem anderen Grundstück in diesem Blockinnenbereich zu erhalten, so wäre doch damit die Frage noch nicht entschieden, ob sich der Bauherr des rechtswidrig errichteten und geduldeten Gebäudes oder der Eigentümer dieses Baugrundstücks oder sein Rechtsnachfolger auch selbst auf die eigene oder ihm zurechenbare Störung der Baurechtsordnung berufen könnte und an Stelle des alten einen neuen Verstoß gegen das Bauplanungsrecht ins Werk setzen dürfte. Die Berücksichtigung rechtswidrig errichteter aber geduldeter Gebäude im Rahmen der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung bisher nur zu Gunsten von Dritten bejaht worden. Der Sache nach stellte sie immer eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass es keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt: Weil § 34 Abs. 1 BauGB auf die tatsächlich vorhandene Bebauung im Rahmen der näheren Umgebung verweist, darf sich ein Dritter als Bauherr ausnahmsweise auf die vorhandene rechtswidrige Bebauung berufen. Wenn er dies mit Erfolg getan und ein vergleichbares Vorhaben verwirklicht hätte, könnte sich möglicherweise auch der Bauherr des ursprünglich ersten rechtswidrigen Gebäudes darauf berufen, obwohl er sich damit mittelbar auf den selbst gesetzten Berufungsfall berufen würde. Von rechtsdogmatisch anderer Qualität ist aber die Frage, ob der Eigentümer des zuerst errichteten rechtswidrigen Gebäudes sich unmittelbar auf den selbst gesetzten oder ihm als Rechtsnachfolger zuzurechnenden rechtswidrigen Berufungsfall berufen dürfte. Dass es ausnahmsweise eine Gleichbehandlung im Unrecht zu Gunsten Dritter geben kann, bedeutet nicht, dass es auch eine Steigerung im Unrecht und eine Privilegierung des Störers selbst oder seines Rechtsnachfolgers geben darf. Es spricht viel dafür, die Ausnutzung eines selbst gesetzten oder zurechenbaren rechtswidrigen wenn auch geduldeten Tatbestandes durch den Störer oder seinen Rechtsnachfolger als Verstoß gegen die guten Sitten und das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden anzusehen und deshalb als unzulässige Rechtsausübung zurückzuweisen. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil das strittige Gebäude jedenfalls als Fremdkörper zu qualifizieren ist.

III.

Das Vorhaben des Klägers darf auch nicht etwa ausnahmsweise trotz Überschreitung des Rahmens der überbaubaren Grundfläche zugelassen werden. Allerdings kann sich im Einzelfall ein Vorhaben trotz Nichteinhaltung des Rahmens in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, wenn es in eine harmonische Beziehung zur vorhandenen Bebauung treten würde und weder selbst noch infolge einer Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche und bewältigungs- oder ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen oder zu erhöhen oder die Situation so zu verschlechtern, zu stören, zu belasten oder sonst in Bewegung zu bringen, dass es ein Bedürfnis nach einer Bauleitplanung zur sachgerechten Lösung der bodenrechtlichen Probleme nach sich zieht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - a.a.O.; Beschluss vom 4. Oktober 1995 - 4 B 68.95 -, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 176 = BRS 57 Nr. 95; Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83.

Ein Planungsbedürfnis besteht, wenn durch das Vorhaben schutzwürdige Belange Dritter mehr als nur geringfügig beeinträchtigt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 -, BRS 35 Nr. 24; Beschluss vom 25. März 1999 - 4 B 15.99 -, BRS 62 Nr. 101.

Im vorliegenden Fall kann nach dem oben Gesagten von einer harmonischen Beziehung des Vorhabens zur vorhandenen Bebauung keine Rede sein und kein Zweifel bestehen, dass es schutzwürdige Belange der benachbarten Eigentümer in dem Straßengeviert erheblich beeinträchtigen würde. Die von ihm ausgelösten Spannungen mit der Nachbarschaft haben schon im Vorfeld des vorliegenden Verwaltungsverfahrens aktenkundig (vgl. Beiakte 1 Bl. 1 ff.) zur Bildung einer Interessengemeinschaft von Nachbarn gegen eine Änderung der bauplanungsrechtlichen Situation im Innenhof des Straßengeviertes und zu einer Bürgerinitiative zur Erhaltung der Eigenart des L.-viertels geführt, nachdem die Rechtsvorgängerin des Klägers selbst Ende 1997 einen Antrag zur Aufstellung eines Bebauungsplanes gestellt hatte.

Diese durch das Vorhaben verursachten Spannungen können auch darauf beruhen, dass die erstmalige Errichtung eines Wohngebäudes im Innenraum des Straßengeviertes Vorbildwirkung für die Bebauung weiterer rückwärtiger Flächen entfalten würde. Als vergleichbare Flächen kommen insbesondere die Flurstücke 000, 000, 000 und 000 in Betracht, also Flächen sowohl östlich wie westlich des vom Kläger gewählten Bauplatzes. In einer solchen, das gesamte Straßengeviert erfassenden Konfliktsituation ist es Sache des demokratisch legitimierten kommunalen Gesetzgebers zu entscheiden, ob, wann, wo und in welchem Maße ein städtebaulicher Freiraum dieser Art dem Gewinn weiterer Bauplätze in einem ohnehin dicht besiedelten Wohnviertel geopfert werden soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Münster:
Urteil v. 18.03.2004
Az: 2 K 3616/00


Link zum Urteil:
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