Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 28. Februar 2002
Aktenzeichen: 1 K 3344/01

(VG Köln: Urteil v. 28.02.2002, Az.: 1 K 3344/01)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Der Bescheid der Beklagten vom 30. März 2001 wird insoweit aufgehoben, als er sich auf die Beigeladene zu 1. bezieht.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicher-heitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, die E. , ist Rechtsnachfolgerin der F. . Sie ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der ehemaligen E. und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen. Die Beigeladenen sind Wettbewerber der Klägerin. Die Beigeladene zu 2. ist Inhaberin einer Lizenz der Lizenzklassen 3 und 4 gemäß § 6 Abs. 2 Nrn. 1 c) und 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Die Beigeladene zu 1. ist nicht im Besitz einer solchen Lizenz.

Die Beteiligten streiten um das so genannte Line-Sharing, die gemeinsame Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung für schmalbandige (insbesondere Sprachtelefondienst) und breitbandige (insbesondere Hochgeschwindigkeits-Internet- Dienstleistungen) Dienste durch zwei Anbieter. Für die gleichzeitige Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung für Hochgeschwindigkeitsinternetzugänge und Sprachtelefondienst ist insbesondere die sog. ADSL- (Asymmetrical Digital Subscriber Line) Technologie relevant. Technisch wird das Line-Sharing dadurch realisiert, dass auf der Endkundenseite der schmal- und breitbandige Verkehr mit Hilfe eines Splitters der Klägerin zusammengeführt wird, gemeinsam über die Teilnehmeranschlussleitung transportiert und hinter dem Hauptverteiler mit Hilfe eines weiteren Splitters der Klägerin wieder getrennt wird. Danach wird der schmalbandige Verkehr in die Vermittlungsstelle und von dort in das Telefonnetz geführt, während der breitbandige Verkehr mit Hilfe einer Multiplexeinrichtung, dem DSLAM (DSL Access Multiplexer), des Wettbewerbers, gebündelt und separat weiter geführt wird.

Mit Schreiben vom 15. bzw. 30. August 2000 begehrten die Beigeladenen jeweils von der Klägerin, ihnen zum hochbitratigen Teil der Teilnehmeranschlussleitung Zugang zu gewähren, um ihren Endkunden Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge anbieten zu können. Die Klägerin lehnte dies mit Schreiben vom 18. August bzw. 19. September 2000 ab, da sie kein Produkt anbiete, mit dem sie ausschließlich den hochfrequenten Teil der Teilnehmeranschlussleitung an Carrier vermiete. Jedoch bestehe grundsätzlich die Möglichkeit der Anmietung einer Kupferdoppelader mit hochbitratiger Nutzung, mittels deren die Beigeladenen ihren Kunden alle auf der Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung beruhenden Telekommunikationsleistungen anbieten bzw. ggf. - falls nur ein Teil der Teilnehmeranschlussleitung für eigene Angebote genutzt werden solle - freie Kapazitäten der Kupferdoppelader an Dritte weiter vermarkten könnten.

Auf Anregung u.a. der Beigeladenen zu 1. vom 17. August 2000, in der sie ankündigte, ein Positivattest nach § 35 Abs. 3 TKG nachzureichen, leitete die Beklagte im November 2000 ein Missbrauchsverfahren gegen die Klägerin ein.

Am 02. Januar 2001 trat die Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (Abl. EG Nr. L. 336, 4 ff. vom 30. Dezember 2000) in Kraft.

Daraufhin erklärte die Klägerin in einem Schriftsatz vom 19. Januar 2001 an die Beklagte ihre Bereitschaft, ihren Verpflichtungen aus der genannten Verordnung schnellstmöglich nachzukommen und ein Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 2887/2000 entsprechendes Angebot eines Standardvertrages für den Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen vorzulegen. Die technische Realisierung des Line-Sharing erfordere allerdings eine standardisierte Schnittstelle zwischen Splitter und DSLAM. Ein solcher Standard des European Telecommunication Standards Institute (ETSI) werde in ca. einem halben Jahr vorliegen. Hinzu komme eine Entwicklungsphase von ca. einem viertel Jahr.

Durch Bescheid vom 30. März 2001, der Klägerin zugestellt am selben Tage, forderte die Beklagte die Klägerin nach Art. 3 Abs. 2 Satz 3 und Art. 4 Abs. 5 der VO Nr. 2887/2000 i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG auf, den Beigeladenen als Begünstigten innerhalb von zwei Monaten nach Zugang jeweils ein Angebot über den gemeinsamen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in der Ausführung Kupferdoppelader 2-Draht mit hochbitratiger Nutzung beschränkt auf das Frequenzband 138 kHz bis 1,1 MHz nach Maßgabe im Weiteren aufgeführter Grundsätze zu unterbreiten. Nach einem unter lit. a aufgeführten Grundsatz dürfe das Angebot u.a. nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Begünstigte gegenüber der Klägerin einen Nachweis der Regulierungsbehörde über seine für den gemeinsamen Zugang erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde erbringe, sofern er über keine Lizenz nach §§ 8, 6 TKG verfüge. Zur Begründung führte sie aus, das Verfahren nach § 33 TKG sei das nationale Streitbeilegungsverfahren im Sinne der Art. 3 Abs. 2 Satz 3 und Art. 4 Abs. 5 der VO Nr. 2887/2000. Trotz Fehlens objektiver Kriterien habe die Klägerin den angemessenen Anträgen der Beigeladenen auf entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen und zugehörigen Einrichtungen nicht stattgegeben, sondern den Zugang verweigert. Die Klägerin sei als - unstreitig - gemeldete Betreiberin im Sinne der Art. 3 Abs. 2 und Art. 2 lit. a) der VO Nr. 2887/2000 seit dem 31. Dezember 2000 verpflichtet, Begünstigten im Sinne des Art 2. lit. b) der VO Nr. 2887/2000 entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren. Die Beigeladenen seien auch Begünstigte im Sinne des Art. 2 lit. b) der Verordnung. Dies gelte insbesondere auch für die Beigeladene zu 1., obwohl diese keine Lizenz besitze und - entgegen ihrer Ankündigung - auch kein Positivattest gemäß § 35 Abs. 3 TKG vorgelegt habe. Einer Lizenz für die von ihr geplanten ADSL-Dienste bedürfe sie nicht. Eine Lizenz der Klasse 4 für das Angebot von Sprachtelefondienst sei schon deshalb nicht erforderlich, weil die nachgefragten Einrichtungen zur Erbringung von Datendiensten genutzt werden sollten. Ebenso wenig sei eine Lizenz der Klasse 3 vonnöten, weil der mittels DSL-Technik generierte Hochfrequenzkanal auf einer gemeinsam genutzten Teilnehmeranschlussleitung kein zusätzlicher eigenständiger Übertragungsweg im Sinne des § 3 Nr. 22 TKG sei. Zwar werde die Teilnehmeranschlussleitung in mehrere Kanäle geteilt, die von unterschiedlichen Anbietern genutzt würden. Physisch verbleibe es jedoch bei einem einzigen Über- tragungsweg, der hinsichtlich der Funktionsherrschaft nicht aufgeteilt werden könne. Auch sei kein Positivattest nach § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG erforderlich, da die genannte Norm keine Voraussetzung für die Berechtigung zur Erbringung von Kommunikationsdienstleistungen im Sinne des Art. 2 lit.b) der VO Nr. 2887/2000 enthalte, sondern lediglich ein Element der Berechtigung, solche Kommunikationsdienste gerade auf Basis der Infrastruktur eines Marktbeherrschers zu erbringen. Auch ohne ein Positivattest sei hingegen die Erbringung der in Rede stehenden Leistungen außerhalb des lizenzierten Bereiches nach nationalem Recht möglich, solange hierfür nicht ein Sonderzugang zum Netz des Marktbeherrschers benötigt werde, sondern etwa Line-Sharing mit einem nicht marktbeherrschenden Unternehmen betrieben werde. Dies habe zur Folge, dass der Kreis der Begünstigten bei Anwendung der VO Nr. 2887/2000 weiter sei als der Kreis der Nutzer nach § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG, was aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts jedoch hinzunehmen sei.

Am 30. April 2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, das Missbrauchsverfahren nach § 33 Abs. 2 TKG sei kein Streitbeilegungsverfahren im Sinne des Art. 9 Abs. 5 der ONP-Richtlinie bzw. des Art. 4 Abs. 5 der VO Nr. 2887/2000. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 33 Abs. 1 TKG lägen nicht vor, insbesondere nehme sie, die Klägerin, keine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für DSL-Leistungen ein. Zudem hätten die Beigeladenen keine angemessenen Anträge auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung an sie, die Klägerin, gestellt. Die Anträge vom 15. bzw. 30. August 2000 seien nicht hinreichend bestimmt gewesen und zudem zu einem Zeitpunkt gestellt worden, als die VO Nr. 2887/2000 noch nicht in Kraft getreten sei. Spätere Schreiben hingegen seien lediglich an die Beklagte gerichtet gewesen. Sie, die Klägerin, habe sich nicht geweigert, dem Zugangsbegehren der Beigeladenen zu entsprechen. Ein konkretes Vertragsangebot könne sich jedoch erst aus einem Standardvertragsangebot i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 2887/2000 entwickeln. Entgegen der Annahme der Beklagten benötige die Beigeladene zu 1. eine Lizenz nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG, da sie beabsichtige, Übertragungswege für die Öffentlichkeit i.S. d. § 3 Nr. 1 TKG zu "betreiben". Die Beigeladene zu 1. begehre nämlich die volle Kontrolle über die kommerziellen und technischen Bedingungen des DSL-Services und wolle damit die zur Realisierung der Informationsübertragung erforderlichen technischen Funktionen beherrschen, was auf den Besitz der rechtlichen und tatsächlichen Funktionsherrschaft hinauslaufe. Dieser Sichtweise stehe nicht der Umstand entgegen, dass sich die Kontrolle nur auf einen Teil der Teilnehmeranschlussleitung beziehe. Vielmehr könne die Funktionsherrschaft auch bei der Nutzung desselben Übertragungsweges durch mehrere Nutzer gegeben sein, wenn beide die zur Realisierung ihrer Informationsübertragung erforderlichen technischen Funktionen rechtlich und tatsächlich beherrschten und auf die technischen Abläufe Einfluss nehmen könnten. In einem solchen Fall hätten beide Carrier die Funktionsherrschaft inne und seien beide Betreiber einer Übertragungsweges. Im Übrigen sei die in § 35 Abs. 3 TKG vorgeschriebene Prüfung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde jedenfalls unerlässlich. Qualifiziere man - wie die Beklagte - das Verlangen nach Zugang zum hochbitratigen Teil der Teilnehmeranschlussleitung als Verlangen nach einem besonderen Netzzugang, sei hiermit zwangsläufig die Geltung des § 35 Abs. 3 TKG verbunden, demzufolge entweder das Positivattest oder eine Lizenz vorliegen müsse. Der Bescheid sei unverhältnismäßig, da sie, die Klägerin, ein Angebot binnen einer Frist zu unterbreiten habe, in der die Standardisierung der Schnittstelle zwischen DSLAM und Splitter noch nicht abgeschlossen sei. Die Erfüllung der auferlegten Ver- pflichtung bedeute für sie einen erhöhten administrativen und technischen Aufwand.

Im Hinblick darauf, dass die Klägerin und die Beigeladene zu 2. am 18. Dezember 2001 einen Vertrag über den gemeinsamen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung geschlossen haben, haben die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, als sich der Bescheid vom 30. März 2001 auf die Beigeladene zu 2. bezieht.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2001 insoweit aufzuheben, als er sich auf die Beigeladene zu 1. bezieht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Insbesondere sei auch die Beigeladene zu 1. "Begünstigte" im Sinne der VO Nr. 2887/2000. Einer Lizenz bedürfe sie für ihr Vorhaben nicht, ebenso wenig eines Positivattests nach § 35 Abs. 3 TKG. Es sei unerheblich, ob nach nationalem Recht eine Lizenz oder ein Positivattest erforderlich sei, sofern - wie hier - das höherrangige Europarecht eine solche Einschränkung nicht kenne.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Im Juni 2001 ist über das Vermögen der Beigeladenen zu 1. das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch im Verfahren 1 K 3777/01 - und der von der Beklagten jeweils vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen, soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Klage im Übrigen hat Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30. März 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit er sich auf die Beigeladene zu 1. bezieht.

Für die hier in Rede stehende Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 07. Februar 2000 - 13 A 180/99 -; Urteil der Kammer vom 05. No- vember 1998 - 1 K 5929/97 -.

In diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 3, 4 Abs. 5 der VO Nr. 2887/2000 nicht vor. Nach § 33 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 TKG kann die Regulierungsbehörde einem auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen marktbeherrschenden und diese Stel- lung missbräuchlich ausnutzenden Anbieter ein Verhalten auferlegen, wenn dieser gegen seine Verpflichtung verstößt, Wettbewerbern auf diesem Markt diskriminierungsfrei Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen wesentlichen Leistungen zu den Bedingungen zu ermöglichen, die er sich selbst bei der Nutzung dieser Leistungen für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt. Zuvor sind die Beteiligten aufzufordern, den beanstandeten Missbrauch abzustellen. Dem Beanstandungsbescheid nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG kommt dabei die Bedeutung einer Abmahnung des marktbeherrschenden Anbieters zu, die regelnd feststellt, dass im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung die tatbestandlichen Voraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von § 33 TKG vorliegen und deshalb ein aufsichtsrechtliches Einschreiten für geboten gehalten wird,

vgl. BVerwG, a.a.O.; OVG NRW , a.a.O.

Ein - vorliegend allein als Missbrauch im Sinne des § 33 Abs. 2 TKG in Betracht zu ziehender - Verstoß gegen eine aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 2887/2000 resultierende Verpflichtung der Klägerin liegt indes hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. nicht vor. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach Art. 3 Abs. 2, Art. 2 lit. a) der VO Nr. 2887/2000 ist zwar die Klägerin als "gemeldeter Betreiber" (vgl. Mitteilung 1999/C 112/02 vom 23. April 1999 - ABl. EG Nr. 112/2, 7, Ziff. 2.2.1 - ) seit dem 31. Dezember 2000 verpflichtet, Begünstigten im Sinne des Art. 2 lit. b) der Verordnung ein Angebot u.a. über die im angefochtenen Bescheid angeordneten Leistungen zu unterbreiten. Denn bei diesen Leistungen handelt es sich um einen gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss i.S. von Art. 2 lit. g) der Verordnung, der gemäß Art. 2 lit. e) einen Unterfall des von der Verordnung erfassten entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss dar- stellt.

Die Beigeladene zu 1. ist jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt nicht "Begünstigte" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und Art. 2 lit. b) der Verordnung gewesen.

Nach der genannten Regelung ist "Begünstigter" derjenige, der gemäß der Richtlinie 97/13/EG ordnungsgemäß zugelassen ist oder nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften berechtigt ist, Kommunikationsdienste bereitzustellen, und der einen Anspruch auf den entbündelten Zugang zu einem Teilnehmeranschluss hat.

Die Beigeladene zu 1. ist, da sie nicht im Besitz einer Lizenz ist, nicht ordnungsgemäß zugelassen. Ebenso wenig war sie im maßgeblichen Zeitpunkt nach nationalen Rechtsvorschriften berechtigt, Kommunikationsdienste bereitzustellen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Beigeladene zu 1. begehrt mit ihrem Verlangen, den Zugang auf das hochbitratig nutzbare Frequenzspektrum der Teilnehmeranschlussleitung zu erhalten, einen besonderen Netzzugang im Sinne von § 35 Abs. 1 TKG, da dieser Zugang nicht über für sämtliche Nutzer bereitgestellte Anschlüsse, sondern über einen "besonderen Anschluss", nämlich durch eine Schnittstelle zwischen dem netzseitigen Splitter der Klägerin und dem DSLAM der Beigeladenen zu 1., realisiert werden soll.

Nach § 35 Abs. 3 TKG hat die Regulierungsbehörde, wenn ein Nutzer die Bereitstellung eines besonderen Netzzugangs begehrt, zu prüfen, ob dieser Nutzer die für den beantragten Netzzugang erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde besitzt, soweit ihm nicht eine Lizenz nach § 8 TKG erteilt worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Damit setzt diese Art des besonderen Netzzugangs zwingend das von der Beigeladenen zu 1. bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht vorgelegte Positivattest der Beklagten gem. § 35 Abs. 3 TKG voraus. Dieses Erfordernis ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht durch die VO Nr. 2887/2000 aufgehoben oder modifiziert worden. Zwar enthält diese Verordnung für die von ihr "Begünstigten" nicht ausdrücklich ein entsprechendes Erfordernis. Das führt jedoch nicht dazu, dass einzelstaatliche Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde der den Zugang zum Teilnehmeranschluss begehrenden Nutzer im Rahmen dieser Verordnung nicht zu beachten wären. Die Verordnung bestimmt nämlich nicht materiell- rechtlich den Kreis der von ihr Begünstigten, sondern setzt vielmehr in Art. 2 lit. b) einen nach anderen Rechtsquellen bestimmten Kreis von Anspruchsberechtigten voraus. Anderenfalls wäre das in Art. 2 lit. b) enthaltene Erfordernis, nach dem ein "Begünstigter" im Sinne der Verordnung "Anspruch auf den entbündelten Zugang zu einem Teilneh- meranschluss" haben muss, nicht verständlich. Ziel der Verordnung ist es damit nicht, den Kreis derjenigen Nutzer zu bestimmen, die Anspruch auf den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss haben. Ihr Gegenstand ist vielmehr die verbindliche Festlegung von Zugangsmodalitäten und -fristen für die auf der Grundlage anderer - vornehmlich einzelstaatlicher - Bestimmungen Anspruchsberechtigten. Nach § 35 Abs. 3 TKG ist die Anspruchsberechtigung aber von der Prüfung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde der den besonderen Netzzugang nachsuchenden Nutzer abhängig. Dass im Fall der gemeinsamen Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich und würde überdies auch dem mit diesem Erfordernis verfolgten Gesetzesanliegen der Sicherung der Systemintegrität und Funktionsfähigkeit des Netzes nicht entsprechen.

Die damit erforderliche Prüfung nach § 35 Abs. 3 TKG endet mit einer in Form eines Verwaltungsakts ergehenden Entscheidung der Regulierungsbehörde,

vgl. Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, § 35 Rdn. 51; Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, § 35 Rdn. 19.

Da am 30. März 2001, dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, eine solche Bescheinigung über die Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. nicht vorlag, war sie im maßgeblichen Zeitpunkt nicht "Begünstigte" im Sinne des Art. 2 lit. b) der VO Nr. 2887/2000.

Lagen aber im maßgeblichen Zeitpunkt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der VO Nr. 2887/2000 in Bezug auf die Beigeladene zu 1 vor, fehlt es insoweit an einem missbräuchlichen Verhalten der Klägerin im Sinne des § 33 Abs. 2 TKG; der angefochtene Bescheid, der der Umsetzung der genannten Verordnung dienen sollte, ist damit insoweit rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des erledigten Teils aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten insoweit der Klägerin aufzuerlegen, da sie bei streitiger Entscheidung, soweit sich der Bescheid vom 30. März 2001 auf die Beigeladene zu 2. bezieht, voraussichtlich unterlegen wäre. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 21. Juni 2001 (1 L 1050/01) sowie diejenigen des OVG NRW im Beschluss vom 23. August 2001 (13 B 865/01) Bezug genommen Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladenen zu 1. konnten keine Verfahrenskosten auferlegt werden, da sie keinen Antrag gestellt hat, § 154 Abs. 3 VwGO. Ebenso wenig sind außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. aus Billigkeit erstattungsfähig, da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 709 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 28.02.2002
Az: 1 K 3344/01


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