Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juni 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 294/02

(BPatG: Beschluss v. 23.06.2004, Az.: 32 W (pat) 294/02)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 15. Juli 2002 insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Waren "Brot, feine Backwaren und Konditorwaren" zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

Zur Eintragung als Marke angemeldet ist die nachfolgend abgebildete dreidimensionale Darstellungsiehe Abb. 1 am Endefür Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren; Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen, (Würzmittel); Gewürze, Kühleis; land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten; lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel, Malz.

Der Anmelder hat - zusätzlich zu der oben wiedergegebenen - mehrere Abbildungen eingereicht, welche die Marke aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen; auf diesen findet sich jeweils die Beschreibung "Brötchen roh". In nachfolgenden Eingaben ist die Marke als "Baguette-Brötchen/Rohzustand (3 D)" bezeichnet.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zunächst in einem Zwischenbescheid vom 29. November 2001 hinsichtlich sämtlicher Waren als nicht unterscheidungskräftig beanstandet.

Mit Beschluß vom 15. Juli 2002, berichtigt mit Beschluß vom 11. September 2002, hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle die angemeldete Marke teilweise, nämlich für Brot, feine Backwaren und Konditorwarenzurückgewiesen. In Ansehung dieser Waren liege eine nicht unterscheidungskräftige dreidimensionale Form vor, die keine charakteristischen Elemente aufweise, vielmehr in der Formgebung dem gewöhnlichen Erscheinungsbild der beanspruchten Erzeugnisse entspreche. Der cremeartige Applikationsstrang wirke lediglich als optische Verzierung. Der Anmelder könne sich auch nicht darauf berufen, daß es sich um ein sehr spezielles Produkt handele; einer Marke müsse der Schutz versagt werden, wenn sie für eine einzige, unter den beanspruchten Oberbegriff fallende Ware nicht eintragbar sei.

Gegen diesen Beschluß, soweit er die angemeldete Marke von der Eintragung zurückweist, richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Marke auch im Hinblick auf die versagten Waren einzutragen.

Die Marke sei auch für diese unterscheidungskräftig. Sie enthalte Merkmale, die als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen geeignet seien, nämlich die für ein Baguettebrötchen ungewöhnliche Belegung. Eine derartige spezielle und einzigartige Zubereitungsart sei geeignet, auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen. Es liege keine naturgetreue Wiedergabe eines typischen Baguettebrötchens vor.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet. Einer Eintragung der angemeldeten Marke in das Register stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen.

1. Dreidimensionale Gestaltungen, wie die vorliegend angemeldete, sind nach § 3 Abs 1 MarkenG (abstrakt) markenfähig und zwar auch dann, wenn sie - was hier für die Marke in der Gesamtheit ihrer Bestandteile wohl nicht zutreffen dürfte - die Form der Ware selbst wiedergeben. Daß diese Form, so wie sie sich aus der Abbildung ergibt, ausschließlich durch die Art der Ware bedingt bzw zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht (§ 3 Abs 2 MarkenG), läßt sich nicht feststellen. Die Kombination eines rohen (dh bereits ausgeformten, aber noch nicht gebackenen) Brötchens mit einem Frischkäsestrang auf dessen Oberseite, steht in keiner unmittelbaren Beziehung zu den jetzt noch streitgegenständlichen Waren, wobei diese Beurteilung auch für "Brot" gilt. Daß Brot in dieser konkreten Form in den Handel kommt, ist nicht zu erwarten; die Anbringung des Frischkäsestrangs auf der Oberfläche des Rohlings ist offensichtlich auch nicht backtechnisch bedingt.

2. Einer Registrierung der angemeldeten Marke steht nicht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Sie besteht nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes oder sonstiger Merkmale der betreffenden Waren dienen können. Für "feine Backwaren und Konditorwaren" gilt dies bereits deshalb, weil die Marke solche offenkundig nicht darstellt, mithin insoweit keine Warenformmarke vorliegt. Aber auch für "Brot" ist die Marke in der Gesamtheit ihrer Einzelelemente nicht glatt beschreibend. Sie besteht eben nicht nur aus der völlig realistischen Wiedergabe eines rohen Brötchens, welches als sog. Aufbackrohling in jedem Supermarkt zu finden ist (vgl Bundespatentgericht, Beschluß vom 28.05.2003 - 28 W (pat) 177/02), sondern weist zusätzlich einen Strang Frischkäse auf der Oberseite auf. So ist die Ware aber weder verzehrfähig, noch für die weitere Behandlung geeignet. Denn wenn der Frischkäsestrang nicht bereits beim Transport Schaden nehmen sollte, würde er jedenfalls beim Aufbacken des Brötchens sofort verlaufen. Mithin liegt in der Zusammenstellung von rohem Brötchen und Frischkäsestrang eine - letztlich willkürliche - Kombination vor, der keine eindeutig warenbezogene Aussage zu entnehmen ist. Daß mit dieser Darstellung in beschreibender Weise darauf hingewiesen werden sollte, die betreffenden Aufbackbrötchen eigneten sich, nachdem sie der Kunde zu Hause gebacken hätte, in besonderer Weise zum Verzehr zusammen mit Frischkäse, liegt nicht unmittelbar nahe. Ein aktuelles oder künftiges Interesse von Mitbewerbern des Anmelders an der beschreibenden Verwendung gerade dieser dreidimensionalen Zusammenstellung an sich geläufiger Motive auf dem Lebensmittelsektor ist nicht ersichtlich. Allerdings kann der Marke in einem Kollisionsfall auch nur Schutz in der Gesamtheit, also nicht hinsichtlich der Einzelmotive eines rohen Brötchens oder eines Frischkäsestrangs, zukommen.

3. Der Marke fehlt auch nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber den Waren anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Bei der entsprechenden Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, wobei an dreidimensionale Marken (auch soweit sie die Form der Ware darstellen) im Grundsatz kein strengerer Maßstab als bei anderen Markenformen anzulegen ist (EuGH GRUR 2003, 514 - Linde, Winward und Rado; BGH MarkenR 2004, 329 - Käse in Blütenform). Voraussetzung für die Bejahung der Unterscheidungskraft ist bei dreidimensionalen Marken (einschließlich Warenformmarken) allein die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, daß die konkrete Form - aus welchen Gründen auch immer - etwas über die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aussagt. Eine besondere Eigentümlichkeit oder Originalität ist nicht erforderlich. Allerdings wird der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er diese Form nicht einer konkreten anderen Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2003, 332 - Abschlußstück).

Anders als in dem vom 28. Senat entschiedenen Brot-Fall (aaO) handelt es sich im Fall der vorliegend angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit nicht um eine völlig realistische Wiedergabe der Ware "Brot". Ein entscheidungserheblicher Teil des Verkehrs wird geneigt sein, diese konkrete Gestaltung mit einer bestimmten betrieblichen Herkunft zu verbinden, weil es sich um eine erkennbar willkürliche Formgebung handelt, die sich von sonst üblichen Gestaltungen durch wiederkehrende charakteristische, also identitätsstiftende Merkmale unterscheidet. Wenn die angemeldete Marke in vergrößerter Form, zB über dem Bäckerladen oder dem Brot-Verkaufsstand, in Erscheinung tritt, so kommt ihr ohne weiteres die Eignung zu, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in bezug auf die Herkunft der Waren anzusprechen.

Der angefochtene Beschluß der Markenstelle kann deshalb im Umfang der Zurückweisung keinen Bestand haben; die angemeldete Marke ist insgesamt schutzfähig.

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Az: 32 W (pat) 294/02


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