Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2007
Aktenzeichen: 5 W (pat) 410/06

(BPatG: Beschluss v. 04.04.2007, Az.: 5 W (pat) 410/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 5. Dezember 2005 aufgehoben.

2. Das Gebrauchsmuster 299 24 509 wird gelöscht.

3. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Antrags- und Beschwerdegegnerin zu I ist Inhaberin des am 19. Mai 2003 als Abzweigung der europäischen Patentanmeldung EP 1 056 345 A1 vom 18. Februar 1999 angemeldeten und am 24. Dezember 2003 unter der Bezeichnung

"Granuliertes Brotverbesserungsmittel für Teigwaren"

mit sieben Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 299 24 509.

Die eingetragenen Schutzansprüche lauten:

"1. Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers, dadurch gekennzeichnet, dass es aus agglomerierten Partikeln hergestellt ist, die eine mittlere Partikelgröße von mindestens 250 µm aufweisen.

2. Verbesserungsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die mittlere agglomerierte Partikelgröße in dem Bereich von zwischen 300 bis 2000 µm liegt.

3. Verbesserungsmittel nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis der Standardabweichung zu der mittleren agglomerierten Partikelgröße kleiner als 0,80, vorzugsweise kleiner als 0,65 ist.

4. Verbesserungsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens einem Enzym und einem Emulgator zubereitet sind.

5. Verbesserungsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens Fett und Proteinen zubereitet sind.

6. Verbesserungsmittel nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel ferner Zusatze enthalten, welche aus der Gruppe bestehend aus Emulgatoren, Enzymen, Zuckern, organischen Säuren, Mineralien, Polysacchariden und/oder Mischungen derselben ausgewählt werden.

7. Verbesserungsmittel nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel ferner eine Trägersubstanz enthalten, welche vorzugsweise aus der Gruppe bestehend aus Stärke, Weizenmehl, Sojamehl ausgewählt wird."

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 5. April 2004 die Löschung des Gebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt und diesen Antrag auf den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit gemäß §§ 15, 16 GebrMG gestützt. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, das Gebrauchsmuster sei nicht mehr neu und beruhe auch nicht mehr auf einem erfinderischen Schritt. Weiter hat sie vorgetragen, der Gegenstand des Gebrauchsmusters sei offenkundig vorbenutzt. Zur Begründung ihres Vorbringens hat die Antragstellerin u. a. auf folgende Druckschriften hingewiesen:

(L2) DE 196 19 222 A1

(L6) US-PS 2 978 331

(L18) DE 694 02 752 T2/ EP 619 947 M1,

(L21) Mößner, W. "Der Bäcker in der Prüfung und in der Praxis", 4. Aufl., 1969 H. Matthaes Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG, Seiten 56 bis 59,

(L22) Schünemann, C., Treu, G., "Technologie der Backwarenherstellung", 2. Aufl. 1986, Gildefachverlag GmbH & Co. KG, Alfeld, Seiten 29 bis 34,

(L23) Informationen aus dem Backmittelinstitut, Folge 5, Oktober 1985, Rohstoffe für Backmittel bei Brötchen, Seiten 8 bis 20 und

(L24) Produktspezifikationen für die Backmittel "Goldmalz" und "Frostmalz", Ulmer Spatz, Vertriebsges. für Backmittel mbH, Veröffentlichung vor Juli 1993 Dem hat die Antragsgegnerin widersprochen und mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 neue Schutzansprüche 1 bis 6 gemäß Haupt- und Hilfsantrag eingereicht. Nach einem Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat sie diese Anträge gemäß Schriftsatz vom 14. November 2005 mit einem weiteren Hilfsantrag II ergänzt. Die Schutzansprüche 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen I und II lauten:

Hauptantrag:

"Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers aus agglomerierten Partikeln, mit einer mittleren Partikelgröße von 250 µm bis 2000 µm, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens einem Emulgator, einem Enzym und Ascorbinsäure zubereitet sind, mit der Maßgabe, dass das Mittel nicht in zylindrischer Form ist."

Hilfsantrag I:

"Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers aus agglomerierten Partikeln, mit einer mittleren Partikelgröße von 250 µm bis 2000 µm, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens einem Emulgator, einem Enzym und Ascorbinsäure zubereitet sind, mit der Maßgabe, dass das Mittel kein Extrudat ist."

Hilfsantrag II:

"Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers aus agglomerierten Partikeln, mit einer mittleren Partikelgröße von 250 µm bis 2000 µm, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens einem Emulgator, einem Enzym und Ascorbinsäure zubereitet sind, mit der Maßgabe, dass das Mittel nicht in zylindrischer Form vorliegt und kein Extrudat ist."

Bezüglich der sich jeweils anschließenden abhängigen Schutzansprüche 2 bis 6 gemäß Haupt- und Hilfsantrag I bzw. 2 bis 5 gemäß Hilfsantrag II wird auf die Akten verwiesen.

Im Hinblick auf die mit diesen Anträgen vorgelegten Schutzansprüche 1 hat die Antragstellerin über die bestehenden Löschungsgründe hinaus geltend gemacht, dass diese unzulässig erweitert seien.

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitgebrauchsmuster wegen Fehlen des erfinderischen Schrittes im Hinblick auf die Entgegenhaltungen L6 und L18 teilweise gelöscht und zwar insoweit, als das Schutzbegehren über die Schutzansprüche 1 bis 5 im Umfang des Hilfsantrags II vom 14. November 2005 hinausgeht. Die mit dem Schriftsatz vom 30. November 2005 eingegangenen neuen Anspruchssätze gemäß Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen I und II mit jeweils 6 Schutzansprüchen wurden der Gebrauchsmusterabteilung I erst nach der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2005 vorgelegt, so dass sie nicht Grundlage der Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung gewesen sind.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster in der mündlichen Verhandlung gemäß Hauptantrag im Umfang des Schutzanspruches 1 von Hilfsantrag I vom 29. November 2004 und den Ansprüchen 2 bis 6 vom 18. Oktober 2004, hilfsweise im Umfang des Hilfsantrages II vom 14. November 2005.

Die Schutzansprüche gemäß Hauptantrag lauten:

"1. Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers aus agglomerierten Partikeln mit einer mittleren Partikelgröße von 250 µm bis 2000 µm, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens einem Emulgator, einem Enzym und Ascorbinsäure zubereitet sind, mit der Maßgabe, dass das Mittel kein Extrudat ist.

2. Verbesserungsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die mittlere agglomerierte Partikelgröße in dem Bereich zwischen 300 bis 2000 µm liegt.

3. Verbesserungsmittel nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis der Standardabweichung zu der mittleren agglomerierten Partikelgröße kleiner als 0,80, vorzugsweise kleiner als 0,65 ist.

4. Verbesserungsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel aus mindestens Fett und Proteinen zubereitet sind.

5. Verbesserungsmittel nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel ferner Zusätze enthalten, welche aus der Gruppe bestehend aus Emulgatoren, Enzymen, Zuckern, organischen Säuren, Mineralien, Polysacchariden und/oder Mischungen derselben ausgewählt werden.

6. Verbesserungsmittel nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Partikel ferner eine Trägersubstanz enthalten, welche vorzugsweise aus der Gruppe bestehend aus Stärke, Weizenmehl, Sojamehl ausgewählt wird."

Die Schutzansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag entsprechen den als Hilfsantrag II vom 14. November 2005 vorgelegten und von der Gebrauchsmusterabteilung I aufrecht erhaltenen Schutzansprüchen 1 bis 5. Der Schutzanspruch 1 unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag lediglich darin, dass er zusätzlich zum Ausschluss der Extrudate die Maßgabe enthält, "dass das Mittel nicht in zylindrischer Form vorliegt."

Bezüglich des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 5 gemäß Hilfsantrag wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, Kern der Erfindung sei es, an sich bekannte Stoffe zur Brotverbesserung in einem Teilchen zu agglomerieren, um durch die Partikelvergrößerung das allergene Potential der pulverförmigen Ausgangsstoffe zu verringern und gleichzeitig eine verbesserte Fließfähigkeit zu erzielen. Für ein derartiges Brotverbesserungsmittel biete der Stand der Technik kein Vorbild. Zwar seien die drei in Rede stehenden Stoffe als Brotverbesserungsmittel in der Form diskreter Teilchen an sich bekannt, die Lehre, diese in einem Mittel aus agglomerierten Partikeln zu kombinieren, d. h. hier sie gemeinsam zu granulieren, werde aber in keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen offenbart. So ergebe sich zum Einen aus der Entgegenhaltung L2 nicht die beanspruchte Zusammensetzung der agglomerierten Teilchen, denn dort seien lediglich Enzymgranulate in Reinform beschrieben; zum Anderen müsse, wie z. B. aus L6 zu ersehen sei, die Aggomeration stets in Gegenwart einer großen Menge einer Trägersubstanz durchgeführt werden. Auch die Entgegenhaltungen L18 und die von der Antragstellerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeführte L39 könnten das Brotverbesserungsmittel nach Schutzanspruch 1 nicht nahelegen, weil diese Zusammensetzungen angäben, die bis zu 90% Hefe enthielten und daher darin von Hefezubereitungen ausgegangen werde, die kein Brotverbesserungsmittel im Sinne des Streitgebrauchsmusters darstellten. Sie vertritt ferner die Ansicht, eine unzulässige Erweiterung des Gegenstandes nach Anspruch 1 liege - wie die Antragstellerin geltend gemacht habe - nicht vor, weil die nunmehr im Schutzanspruch 1 genannten Inhaltsstoffe ursprünglich offenbart seien und der Fachmann der Formulierung des urspünglich offenbarten Anspruchs 1 auch habe entnehmen können, dass alle denkbaren Kombinationen von Inhaltsstoffen möglich seien. Auch entspreche der aufgenommene Disclaimer, wonach das Mittel nach Hauptantrag kein Extrudat sei, weder einem Verfahrensmerkmal noch diene er der Begründung des erfinderischen Schrittes.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Gebrauchsmustermit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 29. November 2004 und den Unteransprüchen 2 bis 6 vom 18. Oktober 2004 aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Streitgebrauchsmuster im Umfang des Gegenstands der Ansprüche 1 bis 5 des Hilfsantrags II vom 14. November 2005 aufrecht zu erhalten.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 5. Dezember 2005 (Gbm 299 24 509 Lö I 65/04) zu ändern und das Gebrauchsmuster 299 24 509 in vollem Umfang zu löschen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen und verweist im Zusammenhang damit u. a. noch auf die Druckschrift

(L39) EP 0 659 344 A1.

Eine unzulässige Erweiterung liege vor, weil die Auswahl der im verteidigten Schutzanspruch 1 angegebenen Inhaltsstoffe in dieser Kombination nicht ursprünglich offenbart sei. Auch trage die Auswahl der Inhaltsstoffe zur Lösung der Aufgabe nicht bei, da diese willkürlich erfolgt sei und es ausweislich der Beispiele 1, 3 und 4 darauf auch nicht ankomme. Ferner sei der in den Anspruch 1 aufgenommene Disclaimer nicht ursprünglich offenbart. Der Erfinder habe sich mit der Form des Agglomerats nämlich nicht eigens befasst; unter den Begriff "agglomerierte Partikel" fielen vielmehr alle irgendwie vergrößerten Partikel, d. h. auch Extrudate. Mithin könne durch die Aufnahme des Disclaimers keine Abgrenzung zum Stand der Technik erfolgen. Überdies werde dadurch Bezug auf ein Herstellungsverfahren genommen, welches gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgenommen sei. Die Antragstellerin ist ferner der Ansicht, der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 sei unabhängig davon gegenüber L18 nicht mehr neu, noch beruhe er gegenüber der Entgegenhaltung L18 oder einer Zusammenschau, insbesondere L18 oder L2 mit L21 bis L24 oder L39, auf einem erfinderischen Schritt.

Zum weiteren Vorbringen der beiden Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet, weil der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) besteht. Sie führt zur vollständigen Löschung des streitbefangenen Gebrauchsmusters.

1. Die mit dem Hauptantrag verteidigten Schutzansprüche sind zulässig.

Der Senat vermag sich den Bedenken der Antragstellerin bezüglich der unzulässigen Erweiterung des Schutzanspruchs 1 durch die Aufnahme der zusätzlichen Merkmale "Enzyme, Emulgatoren und Ascorbinsäure" sowie durch den nachträglich von der Antragsgegnerin ergänzten Disclaimer nicht anzuschließen. Die genannten Bestandteile "Enzyme, Emulgatoren und Ascorbinsäure" sind einerseits ursprünglich offenbart, und werden vom ursprünglichen und eingetragenen Schutzanspruch 1 so auch umfasst (Anspr. 1 i. V. m. S. 3, Abs. 0020 der Streitgebrauchsmusterschrift und Beispiel 1), so dass in der geltenden Formulierung diesbezüglich keine unzulässige Erweiterung zu sehen ist. Andererseits fügt der aufgenommene Disclaimer der Lehre des Schutzanspruches 1 nichts hinzu, sondern schließt im Sinne eines negativen Merkmals nunmehr bestimmte geometrische Formen der agglomerierten Partikel aus. Wie den nachfolgenden Ausführungen zum erfinderischen Schritt zu entnehmen ist, ist er bei dessen Beurteilung auch ohne Bedeutung.

2. Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zu Grunde, ein Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers bereitzustellen, wobei dieses verbesserte freie Fließeigenschaften aufweist, im Umgang leichter zu handhaben ist und das Risiko einer möglichen allergenen Wirkung vermindert (Gebrauchsmusterschrift Abs. 0015 und 0016).

Gelöst werden soll die Aufgabe durch den Gegenstand des nach Hauptantrag verteidigten Schutzanspruchs 1 mit folgenden Merkmalen:

a. Brotverbesserungsmittel in der Form eines Pulvers aus agglomerierten Partikeln, b. mit einer mittleren Partikelgröße von 250 µm bis 2000 µm, wobeic. die Partikel zubereitet sind aus mindestensc1. einem Emulgatorc2. einem Enzym undc3. Ascorbinsäured. mit der Maßgabe, dass das Mittel kein Extrudat ist.

3. Der maßgebende Fachmann ist ein Lebensmittelchemiker oder Verfahrenstechniker, der sich mit der Behandlung und Verarbeitung pulverförmiger Lebensmittelbestandteile beschäftigt und der die Möglichkeiten zur Verminderung eventuell allergener Wirkungen der Produkte kennt.

4. Inwiefern das beanspruchte Brotverbesserungsmittel neu ist, kann dahingestellt bleiben, weil seine Bereitstellung jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).

Die Entgegenhaltung L2 kommt dem Streitgebrauchsmuster am nächsten. Sie beschäftigt sich mit der Formulierung von Enzymen für die Verwendung in lebensmitteltechnologischen Anwendungen, wie z. B. für die Herstellung von Backwaren oder im Brauwesen (S. 2, Z. 3 bis 9). Die in der Teigherstellung eingesetzten Enzyme werden üblicherweise in feinstteiliger Form verwendet und ziehen das Risiko nach sich, dass die ausführenden Personen enzymhaltigen Aerosolstaub inhalieren und bei diesen Allergien auslösen (S. 2, Z. 40 bis 48). Der Entgegenhaltung L2 liegt daher die - dem strittigen Gebrauchsmuster vergleichbare - Aufgabe zu Grunde, eine geeignete Verfahrensweise zur Formulierung von Enzymen für die Verwendung in lebensmitteltechnologischen Anwendungen bereitzustellen, die diese Nachteile überwindet (S. 3, Z. 11 bis 18). Zur Lösung dieser Aufgabe sieht die L2 vor, das Enzym oder Enzymgemisch zusammen mit Mehl und gegebenenfalls weiteren Granulierhilfsstoffen zu einem klebefreien Granulat mit Partikeln in einem gewünschten Korngrößenbereich aufzubauen (Anspr. 1). Durch dieses Verfahren werden staubarme und aktivitätsstabile Enzymgranulate erhalten, die thermostabil, druckstabil, friktionsstabil und freifließend sind, somit eine gute Riesel- und Dosierfähigkeit aufweisen und keine Neigung zur Entmischung zeigen (S. 7, Z. 24 bis 43). Die gemäß der Lehre der L2 agglomerierten Partikel weisen eine Korngröße von 50 bis 800 µm auf, wobei es sich nicht um Extrudate handelt (Anspr. 6 i. V. m. S. 5, Z. 13 bis 45).

Das aus Entgegenhaltung L2 bekannte Brotverbesserungsmittel unterscheidet sich vom Mittel gemäß Schutzanspruch 1 des Hauptantrags demnach alleine dadurch, dass letzteres neben einem Enzym als weitere Bestandteile Emulgatoren und Ascorbinsäure gemäß den Merkmalen c1 und c3 enthält.

Dieser Unterschied in der Zusammensetzung des Brotverbesserungsmittels kann den erfinderischen Schritt jedoch nicht begründen. Denn diese Zusammensetzung eines Brotverbesserungsmittels ist an sich z. B. bereits als gebrauchsfertige Mischung aus L24 bekannt, so dass für den Fachmann schon deshalb kein Vorurteil dahingehend bestand, die Bestandteile in einem Partikel zu agglomerieren (letzte Seite, unten rechts, Inhaltsstoffe). Angesichts der vorliegenden Aufgabenstellung (II.2) und der vorstehend genannten Vorteile, die ein nach der Lehre der L2 hergestelltes Enzymgranulat aufweist, war es für den Fachmann daher naheliegend, auf diese Lehre zurückzugreifen, wenn er ein Brotverbesserungsmittel mit mindestens Enzymen, Emulgatoren und Ascorbinsäure erhalten wollte. Dieses trifft umso mehr zu, als auch in der Entgegenhaltung L39 für den Fall, dass das Brotverbesserungsmittel mehr als eine Komponente enthält, alternativ vorgeschlagen wird, entweder alle Komponenten zu einem agglomerierten Partikel zusammenzufassen oder jede Komponente einzeln zu granulieren (S. 3, Z. 22 bis 32 i. V. m. Anspr. 1, 4 und 5).

Angesichts dieses Sachstandes kann der Einwand der Antragsgegnerin, der Fachmann würde ausgehend von der Druckschrift L2 die im Schutzanspruch 1 genannten Bestandteile c1 bis c3 einzeln für sich granulieren, nicht jedoch gemeinsam, weshalb sie keine Anregung zur Bereitstellung eines Brotverbesserungsmittels gemäß strittigem Gebrauchsmuster gebe, zu keiner anderen Beurteilung führen.

Zu keinem anderen Ergebnis kann auch der Einwand der Antragsgegnerin führen, der Fachmann hätte die Bestandteile c1 bis c3 niemals gemeinsam granuliert, weil diese zu empfindlich seien. Aus diesem Grund würden auch die Mittel nach den Entgegenhaltungen L18 und L39, die aus ihrer Sicht im Übrigen Hefezubereitungen und nicht Brotverbesserungsmittel betreffen, neben dem Hauptbestandteil Hefe die Komponenten c1 bis c3 nur in geringer Konzentration, somit in hoher Verdünnung aufweisen. Nichtsdestotrotz beschreiben diese Druckschriften die gemeinsame Verarbeitung von Enzymen, Emulgatoren und Ascorbinsäure, d. h. der Bestandteile c1 bis c3, neben Backhefe (vgl. L18, Anspruch 1 i. V. m. S. 1, Abs. 3 und S. 4, Abs. 3 sowie L39, Ansprüche 1, 4 und 5 i. V. m. S. 3, Z. 14 bis 21 und Z. 50). Zudem wird in einer der im Dokument L39 beschriebenen Formulierungsalternativen sodann davon ausgegangen, dass die Brotverbesserungsmittel neben der Bäckerhefe und in gleicher Körngröße wie diese eingesetzt werden können. Im Weiteren wird in diesem Zusammenhang vorgesehen, die gegebenenfalls aus den drei gemäß strittigem Gebrauchsmuster genannten Komponenten c1 bis c3 bestehenden Zubereitungen getrennt von der Hefe zu granulieren und sodann zusammen mit dieser zu verwenden (S. 3, Z. 22 bis 29). Dagegen sind Hinweise dahingehend, dass Vorbehalte seitens der Fachwelt bestanden hätten, die in Rede stehenden Zusatzstoffe gemeinsam zu einem Brotverbesserungsmittel zu verarbeiten, den Druckschriften L18 und L39 an keiner Stelle zu entnehmen. Unabhängig davon sei darauf hingewiesen, dass auch die Formulierung des Schutzanspruches 1 nach Hauptantrag im Übrigen die Anwesenheit weiterer Bestandteile, wie etwa Trägerstoffe, in den agglomerierten Partikeln nicht ausschließt; übereinstimmend damit wird in allen Beispielen des Streitgebrauchsmusters auch von einem Trägerstoff Gebrauch gemacht. Die Entgegenhaltungen L18 und L39 weisen daher nicht in eine von der Lehre des strittigen Gebrauchsmuster wegführende Richtung, sondern bestätigen vielmehr die vorstehend dargelegten Gründe.

Das Brotverbesserungsmittel gemäß Schutzanspruch 1 des Hauptantrags beruht somit nicht auf einem erfinderischen Schritt.

5. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

In der geltenden Fassung enthält der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag gegenüber dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag das zusätzliche Merkmal, dass das Mittel nicht in zylindrischer Form vorliegt. Nach der Entgegenhaltung L2 erfolgt der Aufbau der agglomerierten Partikel in einem Schnellmischer unter Zugabe der Bestandteile des Granulats, wobei am Ende des Granuliervorganges ein Granulat in einem Korngrößenbereich von 50 bis 800 µm vorliegt (S. 5, Z. 13 bis 25). Die beschriebene Aufbauagglomeration liefert somit bereits ein Granulat, das sich - wie die durch den Disclaimer ausgenommene zylindrische Form oder das Extrudat - ebenfalls nicht durch hohe Formgenauigkeit auszeichnet. Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen zum Gegenstand des Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag in gleicher Weise für den Gegenstand gemäß Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags.

6. Die nachgeordneten Ansprüche 2 bis 6 gemäß Hauptantrag bzw. 2 bis 5 nach dem Hilfsantrag betreffen Merkmale, die im entgegengehaltenen Stand der Technik so ebenfalls bereits beschrieben sind (Anspruch 2: L2: S. 14, Tab. II und Anspr. 6; Anspruch 3: L2: S. 14, Z. 25 bis 29; Ansprüche 4 und 5: L18: S. 4, Abs. 3; Anspruch 6: L2: S. 3, Z. 67 bis S. 4, Z. 12). Sie werden von dem Löschungsausspruch zum Haupt- und Hilfsantrag erfasst. Für diese Ansprüche ist auch ein eigenständiger erfinderischer Gehalt nicht geltend gemacht worden und von Seiten des Senats nicht erkennbar.

7. Damit erweist sich auch die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin als nicht begründet.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 97 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Müllner Dr. Proksch-Ledig Dr. Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 04.04.2007
Az: 5 W (pat) 410/06


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