Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 14. Juli 2003
Aktenzeichen: NotZ 6/03

(BGH: Beschluss v. 14.07.2003, Az.: NotZ 6/03)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts München vom 12. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 17. August 1938 geborene Antragsteller wurde am 1. Februar 1969 zum Notar auf Lebenszeit bestellt. Mit Wirkung vom 1. August 1972 wurde sein Amtssitz nach M. verlegt.

Mit Schreiben vom 6. März 2001, ergänzt mit Schreiben vom 28. Mai 2001, eröffnete der Antragsgegner (B. Staatsministerium der Justiz -Landesjustizverwaltung) dem Antragsteller, daß seine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 und -ergänzend -nach Nr. 6 BNotO in Aussicht genommen sei; am 18. Mai 2001 hatte das Amtsgericht M. -inzwischen rechtskräftig -das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet. Der Antragsteller beantragte, soweit hier von Interesse, die disziplinargerichtliche Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Amtsenthebung nicht vorlägen. Mit Verfügung vom 23. Mai 2001 enthob die Justizverwaltung (Präsidentin des Oberlandesgerichts M. ) den Antragsteller vorläufig seines Amtes, weil die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO gegeben seien; den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. April 2002 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 21. September 2002 beantragte der Antragsteller bei der Präsidentin des Oberlandesgerichts M. gemäß § 48 BNotO seine Entlassung aus dem Amt für den Ablauf des 31. Oktober 2002. Die entsprechende Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 wurde dem Zustellungsbevollmächtigten des Antragstellers am 30. Oktober 2002 ausgehändigt.

Mit am 20. November 2002 eingegangenem Schriftsatz vom 19. November 2002 hat der Antragsteller die Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 mit der Begründung gerichtlich angefochten, diese sei als Verwaltungsakt wegen Fehlens einer notwendigen Nebenbestimmung rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten; sie enthalte nämlich nicht die, wie der Antragsteller meint, erforderliche gleichzeitige Entscheidung über den "Ausgleich sonst unverhältnismäßiger Belastungen und gleichheitswidriger Sonderopfer durch die Entlassung" entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen zur ausgleichspflichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Hinweis unter anderem auf BVerfGE 100, 226, 246). Die Unverhältnismäßigkeit und das Sonderopfer sieht der Antragsteller in dem im Vergleich zu den während seiner Amtszeit geleisteten Abgaben an die Notarkasse "nicht äquivalenten" Ruhegehalt, das ihm nach den Versorgungsbestimmungen zusteht; das gesamte Staffelabgaben-, Haushalts-, und Rückvergütungssystem der Notarkasse sei mangelhaft.

Der Antragsteller hat beantragt, die Justizverwaltung zu verpflichten, der Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 eine Entscheidung zumindest dem Grunde nach über den erforderlichen Ausgleich sonst unverhältnismäßiger Belastungen und gleichheitswidriger Sonderopfer des Antragstellers durch seine Entlassung als einer ausgleichspflichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums anzufügen, hilfsweise, die Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 insgesamt aufzuheben.

Außerdem hat der Antragsteller unter Umstellung seiner im Verfahren nach § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO zuletzt noch gestellten Anträge beantragt, festzustellen, daß die Voraussetzungen einer Amtsenthebung des Antragstellers nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO nicht vorliegen, solange nicht zumindest dem Grunde nach gleichzeitig auch über Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen und gleichheitswidriger Sonderopfer des Antragstellers durch dessen Amtsenthebung als einer ausgleichspflichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums mit entschieden wird oder die Verfassungsmäßigkeit des § 50 BNotO in der derzeitigen Fassung (ohne Regelung von Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen und gleichheitswidriger Sonderopfer des Notars durch dessen Amtsenthebung im Hinblick auf die geleisteten Staffelabgaben und die aufgebaute Ruhegehaltsanwartschaft) feststeht, und festzustellen, daß demgemäß die Voraussetzungen einer Amtsenthebung des Antragstellers nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 bis zu dessen Entlassung als Notar zum Ablauf des 31. Oktober 2002 nicht vorlagen und die Androhung der Amtsenthebung durch Bescheid des B. Staatsministeriums der Justiz vom 6. März 2001 (ohne gleichzeitige Entscheidung über den Ausgleich ausgleichspflichtiger Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums durch die Amtsenthebung zumindest dem Grunde nach) rechtswidrig war.

Das Oberlandesgericht hat die Anträge, denen insgesamt für die Justizverwaltung der Antragsgegner (das B. Staatsministerium der Justiz) entgegengetreten ist, zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht und zutreffender Begründung hat das Oberlandesgericht die vorbezeichneten Anträge des Antragstellers zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.

1. a) Für das Begehren des Antragstellers, die Entlassungsverfügung der Präsidentin des Oberlandesgerichts M. vom 23. September 2002 mit einer "Nebenbestimmung" über eine Ausgleichspflicht wegen einer darin liegenden Inhaltsbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. BVerfGE 79, 174 = NJW 1989, 1271; BVerfGE 100, 226) zu versehen, gibt es, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Rechtsgrundlage; ob es dem Antrag nicht schon am Rechtsschutzbedürfnis mangelt, kann offenbleiben.

Der Antragsteller knüpft mit seinem Begehren an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach in bestimmten Fällen durch einen solchen Ausgleich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer -sonst unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen -Inhaltsoder Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herbeigeführt werden kann (BVerfGE aaO). Indessen liegt in der auf den eigenen Antrag des Antragstellers verfügten Entlassung desselben aus dem Notaramt schon keine in das "Eigentum" eingreifende Regelung. Art. 14 GG schützt, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, das Erworbene als das vermögenswerte Ergebnis einer beruflichen Betätigung; die Regelung der Zulassung zu einem Beruf und die Art der Berufsausübung fällt dagegen in den Regelungsbereich des Art. 12 GG (BVerfGE 30, 292, 334 f; 82, 209, 234; vgl. auch BVerfG DNotZ 1993, 260 ff; sowie -für die Abgrenzung zwischen Berufsausübungsregelung und enteignungsgleichem Eingriff -die Urteile des Bundesgerichtshofs BGHZ 111, 349; 132, 181 und vom 13. Juli 2000 -III ZR 131/99 -NVwZ-RR 2000, 741). Nur um letzteres geht es bei der bloßen Entscheidung der Justizverwaltung über die Zulassung eines Bewerbers zum Notarberuf, um nichts anderes aber auch bei der Entscheidung über die Entlassung eines amtierenden Notars aus dem Notarberuf, die rein personenbezogen und nicht etwa im Sinne eines Zugriffs auf ein sachliches Substrat im Sinne eines eingerichteten und ausgeübten "Gewerbebetriebs" des Notars erfolgt.

Enthält danach die Entlassungsverfügung der Justizverwaltung als solche keine Bestimmung des (Inhalts des) Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, so kann darüber hinaus -bei einer antragsgemäßen Entlassung wie auch bei einer sonstigen gesetzmäßigen berufsrechtlichen Entscheidung, die zu einem Erlöschen des Amtes des Notars führt (vgl. § 47 BNotO) -von einer unverhältnismäßigen, gleichheitswidrigen und von Verfassungs wegen einen Ausgleich erfordernden Regelung von vornherein keine Rede sein. Die den Antragsteller berührende Frage, ob das ihm nach seiner Entlassung zu zahlende Ruhegehalt gesetzund verfassungsgemäß -auch im Blick auf Art. 14 GG -ist, betrifft nicht die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung als solcher und ist gegebenenfalls in anderen Verfahren zwischen dem Antragsteller und der Notarkasse (vgl. § 113 Abs. 3 Nr. 2 BNotO) zu klären.

b) Der Hilfsantrag des Antragstellers, für den Fall, daß der Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 nicht die begehrte "Nebenbestimmung" beigefügt werde, die Entlassungsverfügung insgesamt aufzuheben, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Es gibt auch keinen sachlichrechtlichen Grund, die Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 aufzuheben. Die Verfügung entspricht dem eigenen Antrag des Antragstellers. Mit einer "Nebenbestimmung" ist sie nicht zu versehen. Sie ist rechtmäßig.

2. Wie das Oberlandesgericht ebenfalls bereits zutreffend ausgeführt hat, sind die beiden Feststellungsanträge, die der Antragsteller im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Amtsenthebung (§ 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO) noch weiterverfolgt, unzulässig.

a) Der Antrag auf Feststellung, daß die Voraussetzungen einer Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO nicht vorliegen, solange nicht zumindest dem Grunde nach über eine Entschädigung mit entschieden wird, ist gegenstandslos, weil das gerichtliche Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen einer Amtsenthebung durch die zwischenzeitliche Entlassung des Antragstellers aus dem Notaramt auf seinen eigenen Antrag seinen Abschluß gefunden hat. Das Notaramt des Antragstellers ist erloschen (§ 47 Nr. 2 i.V.m. § 48 BNotO). Die Anfechtung der Entlassungsverfügung als Verwaltungsakt. Nach der Entlassung aus dem Amt auf eigenen Antrag kommt aber eine Amtsenthebung nach § 50 BNotO nicht mehr in Betracht, mithin auch nicht mehr eine disziplinargerichtliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO.

b) Schließlich ist auch der Antrag festzustellen, daß die Voraussetzungen einer Amtsenthebung des Antragstellers nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO bis zu dessen Entlassung als Notar zum Ablauf des 31. Oktober 2002 nicht vorlagen und die Androhung der Amtsenthebung rechtswidrig war, aus den vom OLG genannten Gründen unzulässig: Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in dem Verfahren nach § 111 BNotO ein Feststellungsantrag, auch in Form eines Fortsetzungsfeststellungsantrags (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), grundsätzlich unstatthaft; eine Ausnahme gilt nur, wenn andernfalls die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG leerliefe (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 10. März 2003 -NotZ 25/02; außerdem Beschlüsse vom 20. Juli 1998 -NotZ 4/98 -NJW-RR 1999, 208, 209 und -NotZ 36/97 -BGHR BNotO § 111 Abs. 1 Feststellungsantrag 7, jeweils m.w.N.). Eine derartige Ausnahme hat der Senat dann bejaht, wenn ein Antragsteller sonst in seinen Rechten beeinträchtigt wäre und die begehrte Feststellung eine Rechtsfrage klären hilft, die sich der Landesjustizverwaltung künftig ebenso stellen wird. Diese Voraussetzungen liegen, wie schon das Oberlandesgericht dargelegt hat, hier nicht vor, auch nicht im Blick auf ein zwischen dem Antragsteller und der Landesjustizverwaltung gegebenenfalls noch zu führendes Verfahren um eine Erlaubnis nach der "Kann"-Bestimmung des § 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO, die Amtsbezeichnung Notar mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)" weiterzuführen.

Rinne Streck Seiffert Lintz Bauer






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