Landgericht Darmstadt:
Urteil vom 24. Juni 2010
Aktenzeichen: 3 O 165/10

(LG Darmstadt: Urteil v. 24.06.2010, Az.: 3 O 165/10)

1. Die Erbringung einer unerlaubten Rechtsdienstleistung durch einen Verein liegt vor, wenn dieser im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Personen, die eine Beteiligung an einem bestimmten Anlagefonds halten, unaufgefordert ein Anschreiben (nebst Anmeldeformular) übersendet, in welchem mit konkreten Leistungen für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit diesem Fonds geworben wird.

2. Die Erbringung einer unerlaubten Rechtsdienstleistung durch einen Verein liegt vor, wenn dieser im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs über eine Internetseite Fondsanlegern Rechtsberatung anbietet, insbesondere ihnen für eine einmalige Beitrittsgebühr folgende Leistungen anbietet: Prüfung, ob Ansprüche bestehen; Prüfung, gegen welche Personen, Unternehmen und Institutionen sich diese Ansprüche richten, Prüfung der Erfolgsaussichten; Prüfung des Kostenrisikos einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsverfolgung; Deckungsanfrage bei der Versicherung für rechtsschutzversicherte Anleger.

Tenor

I. Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung, bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, und zwar für je 150,00 EUR einen Tag Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an dem Vorstand des Verfügungsbeklagten, aufgegeben, es zu unterlassen,

1. im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Personen, die eine Beteiligung an dem Anlagefonds X halten, unaufgefordert Anschreiben (nebst Anmeldeformular) zu übersenden, in welchen für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit dem Anlagefonds X geworben wird, insbesondere wenn diese Werbung erfolgt wie in dem als Anlage beigefügten Schreiben und für die darin und im beigefügten Anmeldeformular angebotenen Leistungen;

2. im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs über eine Internetseite mit der Domain www.[...].de Anlegern Rechtsberatung anzubieten, insbesondere ihnen für eine einmalige Beitrittsgebühr folgende Leistungen anzubieten:

- Prüfung, ob Ansprüche bestehen,

- gegen welche Personen, Unternehmen und Institutionen sich diese Ansprüche richten,

- wie groß die Erfolgsaussichten sind und

- wie hoch das Kostenrisiko einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsverfolgung ist sowie

- für rechtsschutzversicherte Anleger eine Deckungsanfrage bei der Versicherung durchzuführen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

Streitwert: 60.000,00 €.

Tatbestand

Der Verfügungskläger ist Rechtsanwalt in Berlin.

Der Verfügungsbeklagte ist ein eingetragener Verein. Er verfügt nicht über eine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Wegen des Inhalts der Satzung des Verfügungsbeklagten wird auf deren Ablichtung, Bl. 43, 44 d.A., ergänzend Bezug genommen.

Der Verfügungsbeklagte wandte sich mit persönlichen Schreiben direkt an einzelne Anleger des Anlagefonds X. Er bot diesen darin den Beitritt zu einer €Anlegerschutzgemeinschaft X€ an. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf dessen Ablichtung, Bl. 26 f d.A., ergänzend Bezug genommen.

Dem Schreiben beigefügt war ein Anmeldeformular. Wegen dessen Inhalts im einzelnen wird auf die Ablichtung desselben, Bl. 28 d.A., ergänzend Bezug genommen.

Das dem Schreiben beigefügte Anmeldeformular verweist auf die Internetseite des Verfügungsbeklagten (www.[...].de). Auf dieser Internetseite ist u.a. ein Anmeldeformular für Y-Interessengemeinschaften abrufbar. Wegen des Inhalts dieses Anmeldeformulars auf der Internetseite wird auf einen Ausdruck derselben, Bl. 30 d.A., ergänzend Bezug genommen.

Die Parteien sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob die Tätigkeit des Verfügungsbeklagten gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.

Der Verfügungskläger beantragt,

dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, 1. im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Personen, die eine Beteiligung an dem Anlagefonds X halten, unaufgefordert Anschreiben zu übersenden, in welchen für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit dem Anlagefonds X geworben wird; insbesondere wenn diese Werbung erfolgt wie in dem als Anlage Ast 1 beigefügten Schreiben; 2. Im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs über eine Internetseite mit der Domain €www.[...].de€ Anlegern Rechtsberatung anzubieten, insbesondere ihnen für eine einmalige Beitrittsgebühr folgende Leistungen anzubieten: - Prüfung, ob Ansprüche bestehen, - gegen welche Personen, Unternehmen und Institutionen sich diese Ansprüche richten, - wie groß die Erfolgsaussichten sind und - wie hoch das Kostenrisiko einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsverfolgung ist sowie - für rechtsschutzversicherte Anleger eine Deckungsanfrage bei der Versicherung durchführen.

II. dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei Ordnungshaft an dem Vorstand des Antragsgegners zu vollziehen ist.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll vom 24.6.2010 sowie die nachfolgenden Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

A.

Dem Verfügungskläger steht gegen den Verfügungsbeklagten ein Anspruch auf Unterlassung in dem tenorierten Umfang nach § 8 Abs. 1, 3 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 4 Nr. 3 und 11 UWG und §§ 2, 6, 7 RDG zu.

Nach dem Sach- und Streitstand, wie er sich aus dem Vorbringen der Parteien in diesem Verfahren ergibt, ist ein wichtiger Grund für eine Unterlassungsverfügung gegenüber dem Verfügungsbeklagten gegeben.

Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch gegenüber dem Verfügungsbeklagten, da der Verfügungsbeklagte mit den streitgegenständlichen Handlungen ohne Erlaubnis die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach dem RDG anbietet und damit nicht nur gegen das RDG verstößt, sondern auch unlautere geschäftliche Handlungen insbesondere nach § 3 UWG vornimmt, die geeignet sind, die Interessen insbesondere von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.

I.

Bei den streitgegenständlichen Handlungen des Verfügungsbeklagten (Anschreiben und Anmeldeformular, auch auf der Internetseite) handelt es sich um Rechtsdienstleistungen nach dem RDG, für die sich der Verfügungsbeklagte weder auf eine Erlaubnis noch auf einen Ausnahmetatbestand, bei dem eine Erlaubnis nicht erforderlich ist, berufen kann:

1. Der Verfügungsbeklagte bietet Rechtsdienstleistungen nach dem RDG an, indem er

a) an Personen, die an einem bestimmten Fonds beteiligt sind, konkrete, unaufgeforderte Anschreiben nebst Anmeldeformular € wie die in Anlage dieser Entscheidung beigefügte € sendet und hierbei auch auf die Internetseite www.[...].de verweist,

b) ferner, indem er über die Internetseite www.[...].de insbesondere im Anmeldeformular Personen für eine einmalige Beitrittsgebühr folgende Leistungen anbietet:

- Prüfung, ob Ansprüche bestehen,

- gegen welche Personen, Unternehmen und Institutionen sich diese Ansprüche richten,

- wie groß die Erfolgsaussichten sind und

- wie hoch das Kostenrisiko einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsverfolgung ist sowie

- für rechtsschutzversicherte Anleger eine Deckungsanfrage bei der Versicherung durchzuführen.

Hinsichtlich beider der genannten Handlungen liegen Rechtsdienstleistungen nach dem RDG (bzw. deren Angebot) vor, da der Verfügungsbeklagte jeweils die rechtliche Prüfung einer konkreten, fremden Angelegenheit anbietet:

a) In dem Schreiben an Beteiligte an einem bestimmten Fonds wird auf ein beigefügtes Anmeldeformular (sowie auf die Internetseite des Verfügungsbeklagten) verwiesen, in dem/denen die Interessengemeinschaft im Y e.V. dem an dem Fonds Beteiligten die Möglichkeit anbietet, diese konkrete Kapitalanlage von €Y-Anlegerschutzanwälten€ bewerten zu lassen und von diesen prüfen zu lassen, ob ihm Schadensersatz zustehen, ob die Ansprüche des am Fonds Beteiligten juristisch durchsetzbar wären und welche Maßnahmen eventuell sofort zu ergreifen sind.

Damit bietet der Verfügungsbeklagte an, nicht unkomplizierte, konkrete rechtliche Verhältnisse einer Person, die mit dem Verfügungsbeklagten bislang nichts zu tun hat, zu prüfen.

Die Prüfung soll auch nicht etwa eine fiktive oder nur abstrakte Fallkonstellation, sondern den konkreten Fall des jeweils angeschriebenen, am Fonds Beteiligten betreffen (Einzelfallprüfung).

Hierbei richtet sich der Verfügungsbeklagte mit konkreten Anschreiben sowie mit der Internetseite an eine Vielzahl von Personen mit einer jeweils konkreten Angelegenheit, nämlich betreffend die Ansprüche von Anlegern eines bestimmten Fonds.

Eine konkrete Angelegenheit im Sinne des § 2 RDG liegt auch dann noch vor, wenn sich der Berater an eine Vielzahl von Personen richtet, die er in einer bestimmten Angelegenheit kontaktiert (vgl. Dreyer/Müller in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 2009, § 3 Rz. 37).

b) Auch in dem auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten enthaltenen Anmeldeformular bietet der Verfügungsbeklagte die rechtliche Prüfung einer konkreten fremden Angelegenheit an, indem er gegen die einmalige Beitrittsgebühr die o.g. Leistungen (insbesondere die Prüfung, ob und gegen wen Ansprüche bestehen, wie hoch die Erfolgsaussichten / das Kostenrisiko ist) anbietet.

c) Das Angebot und die Erbringung der Rechtsdienstleistungen erfolgt auch durch den Verfügungsbeklagten im Sinne des § 2 RDG.

Dieser kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er nur den Kontakt zu Rechtsanwälten vermittelt:

Nach den Formulierungen im Anschreiben und den Anmeldeformularen (zum Schreiben und im Internet) ist zunächst nicht eindeutig, ob für die erste Anspruchsprüfung gemäß dem Angebot des Verfügungsbeklagten der Verfügungsbeklagte die Rechtsanwälte selbst beauftragt oder aber die Mandatserteilung durch die jeweiligen Anleger erfolgt.

Für ersteres sprechen die Formulierungen €der die Y-Interessengemeinschaft (€) betreuenden Anlegerschutzkanzlei€ (im Anschreiben) und Bewertung durch €Y-Anlegerschutzanwälten€ (im Anmeldeformular zum Anschreiben) sowie die Formulierungen €Die Anspruchsprüfung Ihres Falles durch die Rechtsanwälte löst jedoch keine gesonderten Kosten aus!€ sowie €Rechtsanwälte der Interessengemeinschaften€ (im Internet-Anmeldeformular).

Zumindest mehrdeutig erscheint die Formulierung €Empfehlung für den Y-Vertragsanwalt welcher die betreffende Interessengemeinschaft führt und betreut€.

Nach dem Gesamteindruck der Formulierungen insbesondere in den beiden Anmeldeformularen wird nach Auffassung des erkennenden Gerichts allerdings deutlich der Eindruck erweckt, dass der der Interessengemeinschaft Beitretende für die Beitrittsgebühr i.H.v. 75,- Euro gegenüber seiner Interessenvereinigung bzw. dem Verfügungsbeklagten das Recht erwirbt, dass sein konkreter Fall durch vom Verfügungsbeklagten gestellte Rechtsanwälte im einzelnen geprüft wird, wobei er hierfür eindeutig an die Interessenvereinigung/den Verfügungsbeklagten zahlt und € jedenfalls nach den Formulierungen des Verfügungsbeklagten auf der Internetseite und in dem Anmeldeformular zum Anschreiben € auch keinen direkten Vertrag mit den Rechtsanwälten schließt.

Aus Sicht des Beitretenden zahlt dieser an den Verfügungsbeklagten und erwirbt gegen diesen einen Anspruch auf Erbringung der Rechtsberatung.

Welcher Anwalt dann € zur Erfüllung der vom Verfügungsbeklagten nach dessen Formulierungen im Anschreiben und Anmeldeformular geschuldeten Leistungen - tätig wird, darauf hat der Beitretende nach den Unterlagen des Verfügungsbeklagten keinen Einfluß.

Aus Sicht des Beitretenden handelt damit der entsprechende Anwalt wie ein Erfüllungsgehilfe für den Verfügungsbeklagten; zwischen dem Beitretenden und dem Anwalt existiert in dieser Gestaltung kein Auftragsverhältnis.

Nicht zuletzt bezeichnet der Verfügungsbeklagte einen solchen Anwalt im Anmeldeformular auch als €Y-Vertragsanwalt€.

Selbst wenn der der Interessengemeinschaft Beitretende € entgegen dem Eindruck, der durch den Verfügungsbeklagten erweckt wird - sogar (auf die Vermittlung durch den Verfügungsbeklagten hin) förmlich den Rechtsanwalt selbst beauftragen würde - was aus dem Internetauftritt des Verfügungsbeklagten so allerdings nicht hinreichend hervorgeht - würde schon die Tatsache, dass die Zahlung des Beitretenden an den Verfügungsbeklagten geht und dieser den jeweiligen Rechtsanwalt bezahlt , für die Annahme, dass dem Rechtsanwalt in dieser Konstellation nur die Stellung eines sog. tatsächlichen Erfüllungsgehilfen des Verfügungsbeklagten zukommt, für die Schlußfolgerung ausreichen, dass der Verfügungsbeklagte selbst die Rechtsdienstleistung anbietet/erbringt (siehe dazu BGH, Entscheidung vom 29.07.2009, Az. I ZR 166/06, Rz. 24, 26, juris-online).

Aber auch eine solche Konstellation und die mit dieser verbundenen Gefahren sollen durch das RDG verhindert werden:

Es soll gerade nicht so sein, dass in der Person des Rechtsanwalts, der in der hier gewählten Konstellation vom Verfügungsbeklagten und nicht vom einzelnen Mitglied der Verfügungsbeklagten beauftragt € jedenfalls aber bezahlt - wird, eine Interessenkollision auftreten kann und dessen Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit bei der Rechtsberatung beeinträchtigt werden können (so der BGH, Entscheidung vom 29.07.2009, Az. I ZR 166/06, Rz. 24, juris-online).

Außerdem soll gerade gewährleistet werden, dass der Rechtssuchende bei einer fehlerhaften Beratung Schadensersatzansprüche erfolgreich geltend machen kann und deshalb ein direktes Vertragsverhältnis mit dem Rechtsanwalt hat, nicht hingegen einen nur theoretischen Anspruch gegen einen Verein / eine Interessengemeinschaft, über dessen Finanzierung und Vermögen nichts bekannt ist (vgl. dazu auch BGH, Entscheidung vom 29.07.2009, Az. I ZR 166/06, Rz. 24, juris-online).

d) Soweit der Verfügungsbeklagte sich im übrigen darauf beruft, dass er gemäß § 1 Absatz 2 seiner Satzung nur juristische Beratung erbringt, soweit diese nicht gegen das RBG (Rechtsberatungsgesetz) oder sonstige Vorschriften verstößt, ist auch dieses Vorbringen unerheblich:

Abgesehen davon, dass die Satzung nur auf das frühere RBG und nicht auf das nun geltende RDG Bezug nimmt, ist für den vorliegenden Rechtsstreit allein entscheidend, was der Verfügungsbeklagte tatsächlich tut, nicht, wozu er (ggf. ursprünglich) die Absicht hatte/hat oder ob er den gegebenen Sachverhalt rechtlich zutreffend würdigt.

Ob der Verfügungsbeklagte im übrigen mit seiner tatsächlichen Tätigkeit gegen seine eigene Satzung verstößt, war durch das erkennende Gericht nicht zu entscheiden.

2. Es liegt vorliegend auch keine erlaubte unentgeltliche Tätigkeit des Verfügungsbeklagten nach § 6 Abs. 1 RDG vor.

Die Tätigkeit des Verfügungsbeklagten ist nicht unentgeltlich, da dieser von den Beitretenden eine Beitrittsgebühr von 75,00 € erhebt.

3. Der Verfügungsbeklagte kann für sich auch nicht die Ausnahmeregelung nach § 7 RDG in Anspruch nehmen:

Vorliegend liegt keine ausnahmsweise nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung vor, da die Voraussetzungen dieser Norm hier nicht erfüllt sind:

Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen erlaubt,

1. die eine zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigung

2. im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs

3. für ihre Mitglieder erbringt,

4. soweit diese gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.

Bereits die erste Voraussetzung ist bei dem Verfügungsbeklagten nicht gegeben:

Vorliegend erfolgt im Rahmen der Interessengemeinschaft allenfalls eine Bündelung von Einzelinteressen, nicht hingegen die Verfolgung eines nennenswerten gemeinschaftlichen Interesses:

Die Interessenten/Mitglieder der fraglichen Vereinigung haben nur bestimmte, konkrete eigennützige Interessen; es handelt sich um Anleger eines einzelnen Fonds, die ihre eigenen Ansprüche prüfen und ggf. verfolgen möchten.

An einem gemeinschaftlichen Interesse / Gruppeninteresse mangelt es aber bei Vereinigungen, bei denen die Mitglieder lediglich Einzelinteressen verfolgen und sich die Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen in der Bündelung der Durchsetzung dieser Einzelinteressen erschöpft (vgl. Dreyer/Geißler in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 2009, § 7 Rz. 10).

Auch die vierte Voraussetzung ist nicht erfüllt:

Nach dem Inhalt der Unterlagen des Verfügungsbeklagten ist das vorherrschende, dominante Interesse am Beitritt zum Verfügungsbeklagten die Inanspruchnahme der konkreten Rechtsdienstleistung, nämlich die Prüfung der Ansprüche des einzelnen Anlegers.

Darüber hinaus bietet der Verfügungsbeklagte nach seinen eigenen Unterlagen, insbesondere den Anmeldeformularen und dem Anschreiben, keine weiteren nennenswerten tatsächlichen Leistungen an, so dass die Rechtsdienstleistung gerade keine Nebenbedeutung bei den Zielen und Aufgaben des Vereins, sondern gerade die zentrale Bedeutung hat.

Hieran ändert auch nichts, dass der Verfügungsbeklagte in seiner Satzung weitere Tätigkeitsfelder nennt. Schließlich spielen diese weiteren Tätigkeitsfelder in seinem konkreten Auftreten gegenüber Interessenten praktisch keine Rolle (s.o.).

Dies ist der grundlegende Unterschied zwischen der Tätigkeit des Verfügungsbeklagten und etwa der des ADAC (der stets als Beispiel für § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG herangezogen wird), welcher zahllose weitere Tätigkeitsfelder wie Interessenvertretung auf politischer Ebene, Information und Aufklärung, technische Hilfsleistungen, Schulungen etc. anbietet.

Das Fehlen der Voraussetzungen Nr. 1. und 4. bei dem Verfügungsbeklagten wird zudem durch das Indiz gestützt, dass der Verfügungsbeklagte nur einen einmaligen Mitgliedsbeitrag von 75,- Euro erhebt, der bei einer späteren Beauftragung des vermittelnden Anwalts in voller Höhe auf dessen weitere Tätigkeit (z.B. Klageerhebung) angerechnet wird, so das Anmeldeformular auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten.

Damit verbleiben dem Verfügungsbeklagten bei Mitgliedern, die eine solche spätere Beauftragung der Rechtsanwälte vornehmen, sowohl für die erste Anspruchsprüfung durch Rechtsanwälte als auch für seine gesamte sonstige Tätigkeit (neben der Rechtsberatung, etwa das Unterhalten der Internetseite und die Briefe an Interessenten) für die Mitglieder - jedenfalls aus den Mitgliedsbeiträgen € keinerlei Mittel. Dies stellt ebenfalls ein nicht unwesentliches Indiz dafür dar, wo der eindeutige Schwerpunkt der Tätigkeit des Verfügungsbeklagten liegt.

In diesem Zusammenhang wird nochmals auf das o.g. Haftungsargument verwiesen.

Das spricht nicht unerheblich dafür, dass der Verfügungsbeklagte keine sonstige nennenswerte Tätigkeit entfaltet.

Es spricht auch in erheblichem Umfang dafür, dass es vorliegend € sowohl den Mitgliedern als auch dem Verfügungsbeklagten als Anbieter € in erster Linie auf einen grundsätzlich einmaligen Kontakt der (Anfangs-)Rechtsberatung in einem bestimmten Gebiet ankommt, und es gerade nicht um einen dauerhaften Zusammenschluß mit übergeordnetem, gemeinschaftlichen Interesse geht.

Auf Seiten des Verfügungsbeklagten € oder dessen €Vertragsanwälten€ € mag das Interesse an einer späteren Beauftragung (Klageerhebung) zusätzlich eine Rolle spielen. Auch dies begründet jedoch kein €gemeinschaftliches Interesse€ i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG.

Das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Nr. 2 und 3 kann danach dahinstehen.

II.

Bei diesen Handlungen handelt es sich auch um unlautere geschäftliche Handlungen nach § 3 UWG, die geeignet sind, die Interessen insbesondere von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen:

Das Werben um Einzelmandate durch das direkte Anschreiben von potentiellen neuen Mandanten nebst Anmeldeformular sowie der Internetauftritt des Verfügungsbeklagten einschließlich Anmeldeformular sind geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, nämlich redlichen Rechtsanwälten, spürbar zu beeinträchtigen.

Die o.g. Handlungen des Verfügungsbeklagten dienen der Umgehung des Werbeverbots für Rechtsanwälte nach § 43b BRAO, indem einzelne potentielle neue Mandanten gezielt und direkt angeschrieben werden, und verschleiern darüber hinaus den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen (§ 4 Nr. 3 UWG).

Außerdem beeinträchtigen die Handlungen des Verfügungsbeklagten u.a. deshalb spürbar die Interessen der Verbraucher, weil diese in Anbetracht der unklaren Formulierungen des Verfügungsbeklagten im Ungewissen gelassen werden, wer genau ihr Vertragspartner werden soll, ob dieser über eine hinreichende Berufshaftpflichtversicherung bzw. Vermögen verfügt und gegen wen sie etwa bei einer fehlerhaften Beratung Ansprüche geltend machen können.

Schlußendlich stellt der Verstoß gegen das RDG auch einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG dar, weil das RDG auch dazu dient, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (so auch Dreyer/Müller in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 2009, § 3 Rz. 31).

III.

Der Verfügungskläger ist antragsbefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, da er als Rechtsanwalt ein unmittelbarer Wettbewerber des Verfügungsbeklagten bei der Erbringung von Rechtsdienstleistungen ist (vgl. dazu Dreyer/Müller in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 2009, § 3 Rz. 32).

IV.

Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

Im übrigen dient das RDG in hohem Maße nicht nur dem Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung, sondern auch dem Schutz der Rechtordnung (so Dreyer/Müller in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 2009, § 1 Rz. 31, 33).

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






LG Darmstadt:
Urteil v. 24.06.2010
Az: 3 O 165/10


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