Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 1. Dezember 2005
Aktenzeichen: I-10 W 104/05

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 01.12.2005, Az.: I-10 W 104/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2005 (Aktenzeichen I-10 W 104/05) entschieden, dass bei einem zweiten Versäumnisurteil infolge eines Einspruchs gegen das erste Versäumnisurteil keine volle Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3104 anfällt, sondern stattdessen für jeden Termin eine 0,5 Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3105 verlangt werden kann. Jedoch darf diese Gebühr gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nur einmal gefordert werden.

In dem konkreten Fall hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein Versäumnisurteil gegen den nicht erschienenen Beklagten erwirkt, gegen das der Beklagte Einspruch einlegte. In einem weiteren Termin erschien der Beklagte erneut nicht, woraufhin ein zweites Versäumnisurteil erlassen wurde. Die Klägerin machte in dem Kostenfestsetzungsverfahren zunächst eine 0,5 Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3105 geltend, die auch festgesetzt wurde. Mit einem Antrag auf weitere Festsetzung einer 0,7 Terminsgebühr argumentierte die Klägerin, dass insgesamt 1,2 Gebühren nach RVG VV-Nr. 3104 angefallen seien, da der Gebührenermäßigungstatbestand der RVG VV-Nr. 3105 nur greift, wenn nur ein Termin stattgefunden hat.

Das OLG Düsseldorf wies die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf zurück. Es hielt fest, dass jeweils eine 0,5 Gebühr nach RVG VV-Nr. 3105 für die Vertretung der Klägerin in den Terminen entstanden ist. Gemäß § 15 RVG entsteht die Gebühr mit jeder Tätigkeit, für die sie bestimmt ist. Da das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nicht als verschiedenes oder besonderes Verfahren betrachtet wird, sondern als "dieselbe Angelegenheit" im Sinne von § 15 RVG mit dem vorausgegangenen Verfahren zum ersten Versäumnisurteil bildet, kann die Gebühr nur einmal gefordert werden. Daher ergibt sich eine 0,5 Gebühr nach RVG VV-Nr. 3105 für jeden Termin.

Die Klägerin argumentierte, dass für die Vertretung im zweiten Termin aufgrund der Einspruchseinlegung 1,2 Gebühren nach RVG VV-Nr. 3104 anfallen würden. Das OLG Düsseldorf stimmte dem nicht zu und erläuterte, dass die Formulierung "Wahrnehmung nur eines Termins" in der RVG VV-Nr. 3105 nicht bedeute, dass die Gebührenermäßigung nur dann greift, wenn der Rechtsanwalt tatsächlich nur einen Termin wahrnimmt und in diesem ein Versäumnisurteil erwirkt. Vielmehr umfasst dies auch den Fall, dass derselbe Rechtsanwalt in einem weiteren Termin ein zweites Versäumnisurteil erwirkt. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Rechtsanwaltsgebühren für jede Tätigkeit, für die sie bestimmt sind, neu entstehen. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass im Falle der Vertretung durch denselben Rechtsanwalt in beiden Säumnisterminen höhere Gebühren anfallen würden als bei der Vertretung durch zwei verschiedene Rechtsanwälte. Dies wäre nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht gerechtfertigt, da der Aufwand des Rechtsanwalts nicht größer gewesen sein dürfte, sondern eher geringer als derjenige zweier Rechtsanwälte.

Insgesamt wurde die sofortige Beschwerde der Klägerin abgelehnt, und die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Rechtsbeschwerde wurde jedoch zugelassen, da die Sache eine grundsätzliche Bedeutung hat und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Der Beschwerdewert beträgt EUR 427,11.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Beschluss v. 01.12.2005, Az: I-10 W 104/05


RVG VV-Nr. 3105

Ergeht auf den Einspruch gegen ein (erstes) Versäumnisurteil ein (zweites) Versäumnisurteil, so löst die Vertretung im zweiten Termin keine 1,2 Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3104 aus. Vielmehr entsteht für jeden Termin eine 0,5 Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3105, die jedoch gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nur einmal gefordert werden kann.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den ihren Kostenfestset-zungsantrag vom 29.06.2005 zurückweisenden Beschluss des Landge-richts Düsseldorf - Rechtspflegerin - vom 03.08.2005 (Bl. 73 f GA) wird zu-rückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erwirkte im Termin am 18.03.2005 ein Versäumnisurteil gegen den nicht erschienenen Beklagten. Hiergegen legte der Beklagte Einspruch ein. Im nachfolgend anberaumten Termin am 29.06.2005 erschien der Beklagte erneut nicht, woraufhin antragsgemäß ein zweites Versäumnisurteil erging. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin zunächst eine 0,5 Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3105 geltend gemacht, die antragsgemäß festgesetzt wurde. Mit Antrag vom 29.06.2005 hat sie die Festsetzung einer weiteren 0,7 Terminsgebühr beantragt, weil sie der Ansicht ist, dass für die Vertretung in den insgesamt zwei Terminen 1,2 Gebühren nach RVG VV-Nr. 3104 angefallen seien; der Gebührenermäßigungstatbestand der RVG VV-Nr. 3105 greife nur dann ein, wenn lediglich ein Termin stattgefunden habe.

II.

Die am 18.08.2005 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin (Bl. 77 f GA) gegen den ihr am 08.08.2005 zugestellten Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 03.08.2005 (Bl. 73 ff GA) ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat den Antrag der Klägerin auf Nachfestsetzung einer weiteren 0,7 Terminsgebühr zu Recht abgelehnt.

Für die Vertretung der Klägerin in den Terminen am 18.03.2005 (Bl. 29 f GA) und am 29.06.2005 (Bl. 55 f GA) ist jeweils eine 0,5 Gebühr nach RVG VV-Nr. 3105 entstanden. Die Gebühr entsteht mit jeder Tätigkeit, für die sie bestimmt ist, neu. Mit jeder Prozesstätigkeit entsteht die Verfahrensgebühr, mit jeder Verhandlung die Terminsgebühr (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 16. Aufl., § 15 Rn. 63). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann die Gebühr jedoch nur einmal gefordert werden. Das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist kein verschiedenes oder besonderes Verfahren, sondern bildet mit dem vorausgegangenen, zum ersten Versäumnisurteil führenden Verfahren "dieselbe Angelegenheit" im Sinne des § 15 RVG. In das RVG ist eine dem § 38 Abs. 1 BRAGO entsprechende Regelung, wonach das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil als besondere Angelegenheit gilt, sofern der Einspruch zurückgenommen oder verworfen wird, nicht aufgenommen worden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin beträgt die Gebühr für die Vertretung im Termin am 29.06.2005 nicht 1,2 Gebühren nach RVG VV-Nr. 3104, sondern lediglich eine 0,5 Gebühr nach RVG VV-Nr. 3105. Dieser letztgenannte Gebührentatbestand bestimmt, dass sich die Terminsgebühr nach RVG VV-Nr. 3104 für die Wahrnehmung eines Termins, in dem die Partei nicht erschienen ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil gestellt wird, auf eine 0,5 Gebühr reduziert. Die Formulierung "Wahrnehmung nur eines Termins" ist nach Auffassung des Senats nicht dahingehend auszulegen, dass die Gebührenermäßigung nur dann eingreift, wenn der Rechtsanwalt nur einen Termin wahrnimmt und in diesem ein Versäumnisurteil erwirkt, umfasst vielmehr auch den Fall, dass derselbe Rechtsanwalt in einem weiteren Termin ein zweites Versäumnisurteil erwirkt (a.A.: OLG Celle, Beschluss vom 24.02.2005 - 2 W 36/05, JurBüro 2005, 302; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 345 Rn. 7). Zum Einen ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsanwaltsgebühren - wie oben dargelegt - für jede Tätigkeit, für die sie bestimmt sind, neu entstehen. Hieraus folgt, dass für die einzelnen Tätigkeiten - hier einzelnen Termine - gesondert zu prüfen ist, welchen Gebührentatbestand sie erfüllen. Zum anderen führt die gegenteilige Ansicht dazu, dass im Falle der Vertretung durch denselben Rechtsanwalt in beiden Säumnisterminen höhere Gebühren anfallen würden, als wenn die klagende Partei in den Terminen durch verschiedene Rechtsanwälte vertreten worden wäre: Nach der Gegenansicht entstünden für die Tätigkeit desselben Anwalts im zweiten Termin 1,2 Gebühren nach RVG VV-Nr. 3104, weil der Rechtsanwalt nicht "nur einen", sondern zwei Termine wahrgenommen hat; damit habe er weitere Tätigkeit entfaltet und gerade keinen verminderten Aufwand gehabt, der aber ausweislich der gesetzgeberischen Intention (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG VV-Nr. 3105, Rn. 2) alleiniges Motiv für die Gebührenermäßigung gewesen sei. Im Falle der Vertretung durch zwei verschiedene Rechtsanwälte würden dagegen für jeden Termin lediglich eine 0,5 Terminsgebühr nach RVG-Nr. 3105 entstehen, weil jeder Anwalt nur einen Termin wahrgenommen hat. Für diese gebührenrechtliche Besserstellung des Rechtsanwaltes, der die klagende Partei in beiden Säumnisterminen vertreten hat, gibt es keinen ersichtlichen Grund, insbesondere nicht in den maßgeblichen Motiven des Gesetzgebers. Zu berücksichtigen ist, dass sein Aufwand nicht größer, sondern eher geringer gewesen sein wird als derjenige zweier Rechtsanwälte, die sich gesondert in die Sache einarbeiten mussten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassen.

Beschwerdewert: EUR 427,11






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 01.12.2005
Az: I-10 W 104/05


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