Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 312/09

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2010, Az.: 19 W (pat) 312/09)

Tenor

Das Patent 10 2004 022 068 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Für die am 5. Mai 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 13. Oktober 2005 veröffentlicht.

Das Patent betrifft einen Drehgeber.

Gegen das Patent hat die E... GmbH in O..., mit Schriftsatz vom 12. Januar 2006, eingegangen per FAX am selben Tag, Einspruch erhoben mit der Begründung, dass der Patentgegenstand im Blick auf einen im Einzelnen genannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2010 hat die Patentinhaberin rein vorsorglich Hilfsanträge 1 bis 3 vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung hat sie das Streitpatent zuletzt im Umfang der erteilten Fassung verteidigt.

Der mit einer eingefügten Merkmalsgliederung versehene erteilte Patentanspruch 1 lautet:

1.1 Drehgeber mit einem Betätigungskopf (12) und 1.2 einem eine erste Achse (3) aufweisenden Drehschalter (2), 1.3 wobei der Betätigungskopf (12) über ein Kupplungselement (6) mit der ersten Achse (3) derart drehfest verbunden ist, 1.4 dass das Kupplungselement (6) gegenüber der ersten Achse (3) in einer ersten, zur Achse (3) senkrechten Richtung (R1) und 1.5 gegenüber dem Betätigungskopf (12) in einer zweiten, zur Achse (3) und zur ersten Richtung (R1) senkrechten zweiten Richtung (R2) verschiebbar ist, dadurch gekennzeichnet, 1.6 dass die erste Achse (3) zumindest an ihrem Ende (5) beidseitig abgeflacht ist und 1.7 das Kupplungselement (6) eine erste Führung (8) aufweist, in welche das Ende (5) der ersten Achse (3) in der ersten Richtung (R1) verschiebbar eingreift.

Die Einsprechende ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 insbesondere Ausführungsformen von Drehgebern umfasse, deren Achsen mehrstückig ausgeführt seien, so dass im Stand der Technik bekannte Verbindungsstücke zum jeweiligen Kupplungselement als Achsverlängerung anzusehen seien. Diese bedürften -um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen -jeweils nur noch geringer Abwandlungen, die der Fachmann ohne Weiteres und ohne erfinderisch tätig zu werden vornehme, wozu es auch keines besonderen Anlasses bedürfe.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 10 2004 022 068 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das angegriffene Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten.

Sie weist darauf hin, dass Lösungen für das Problem des Achsversatzes im Stand der Technik schon seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt seien, aber für die schalterseitige Ankopplung jeweils Zwischenstücke vorgesehen wären. Auch reiche es nicht aus, Bauteile bekannter Anordnungen lediglich wegzulassen; vielmehr ziehe dies eine Vielzahl von weiteren erforderlichen Änderungen an den verbleibenden Bauteilen nach sich, für die dem Fachmann jeglicher Anlass fehle.

Im Übrigen lehre der erteilte Patentanspruch 1 keine mehrstückige Achse außerhalb des Drehschalters, so dass eine diesbezügliche Sicht auf den Stand der Technik rückschauend in Kenntnis der Erfindung und deshalb unzulässig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG a. F. begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den am 12. Januar 2006 eingelegten Einspruch besteht auch nach Aufhebung dieser Bestimmung zum 1. Juli 2006 (vgl. Art. 1 Nr. 17 und 18 des Gesetzes z. Änd. d. patentrechtl. Einspruchsverfahrensu. d. PatKostG v. 21. Juni 2006; BlPMZ 2006, 225, 226, 228) nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der "perpetuatio fori" fort (vgl. u. a. BGH GRUR 2009, 184, 185 (Nr. 5) -Ventilsteuerung).

Der statthafte und auch sonst zulässige Einspruch hat keinen Erfolg.

1.

Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur (FH) des Maschinenbaus/Feinmechanik an, der sich mit den mechanischen Teilen von Drehgebern und deren Einbau in Geräten aller Art befasst.

2.

Die dem Fachmann durch den erteilten Anspruch gegebene Lehre muss hier hinsichtlich mehrerer Merkmale unter Heranziehung der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift ermittelt werden.

2.1 Im Hinblick darauf, dass der anspruchsgemäße Drehschalter in keinem der Patentansprüche näher beschrieben wird, und darauf, dass gemäß Patentbeschreibung es sich bei dem Drehschalter um ein Potentiometer oder einen Drehstellungsgeber handeln kann (Abs. [0014]), versteht der Fachmann unter einem Drehschalter (Merkmal 1.2) jedweden Drehgeber (vgl. auch Merkmal 1.1), dessen Drehstellung abgegriffen wird.

2.2 Unter der ersten Achse des Drehschalters (Merkmale 1.2 bzw. 1.6) versteht der Fachmann nach Ansicht des Senats ein einstückig aus dem Schalterinneren hervorstehendes drehbares Bauteil, in das die Betätigungskraft eingeleitet wird.

Dem Fachmann sind zwar mehrstückige/mehrteilige Achsen schon aus den Grundlagen der Konstruktionslehre bekannt (z. B. zum Zwecke der Achsverlängerung), und auch der im Verfahren genannte Stand der Technik zeigt und/oder beschreibt solche (vgl. EP 1 318 534 A1, Abs. [0026] i. V. m. Fig. 2, DE 198 32 089 A1, Fig. 1 und 2, Bezugsziffer 21).

Einem solchen seitens der Einsprechenden unterstellten Verständnis des Merkmals 1.2/1.6 steht aber schon die Patentaufgabe entgegen, gegenüber dem aus der EP 1 278 111 A2 bekannten Stand der Technik mit weniger Bauteilen auszukommen (Abs. [0003] der Streitpatentschrift).

In den unmittelbar danach angeführten Vorteilen ist angegeben, dass die Achse des Drehschalters abgeflacht sei und somit selbst in eine Führung in dem Kupplungselement eingreifen könne (Abs. [0005]), worunter der Fachmann ein direktes, unmittelbares Eingreifen versteht.

Wenn schließlich im Absatz [0026] der Patentschrift angegeben ist, dass mit dem beschriebenen Drehgeber Druckkräfte nicht auf die Achse weitergegeben werden, sondern über das sich auf der Leiterplatte abstützende Kupplungselement auf die Leiterplatte übertragen werden, so ist auch hier kein Raum für eine mehrstückige ersten Achse.

Stimmig zu den Ausführungen in der Patentbeschreibung, insbesondere in der Beschreibungseinleitung, offenbaren auch die Zeichnungen kein Ausführungsbeispiel mit einer mehrstückigen ersten Achse.

Dass in der gesamten Streitpatentschrift die seitens der Einsprechende vermisste Angabe "einstückige (Achse)" nicht verwendet ist, kann deshalb -entgegen dem Vortrag der Einsprechenden -zu keinem anderen Verständnis des Merkmals 1.2/1.6 Anlass geben.

2.3 Da beidseitige Abflachungen an einem mechanischen Bauteil zu den Grundelementen von mechanischen Führungen gehören, und insbesondere auch bei drehbaren Kupplungen verwendet werden (vgl. die vom Senat in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingeführten Fachbuch-Seiten, dort insbes. Bild 11.25), versteht der Fachmann die beidseitigen Abflachungen gemäß Merkmal 1.6 als achsseitige Führungsflächen, mit denen die in Merkmal 1.4 angegebene erste Verschieberichtung R1 konstruktiv verwirklicht wird.

Wenn aber ein derart abgeflachtes Ende einer ersten Achse in der im Merkmal 1.7 angegebenen Weise in eine erste Führung des Kupplungselements eingreift, so ist dem Fachmann aufgrund der notwendig mittigen Lage der ersten Achse am Drehschalter sowohl die Lehre gegeben, dass die zugehörige erste Führung als mittige Öffnung (vgl. Abs. [0014] der Streitpatentschrift) am Kupplungselement vorgesehen ist, als auch das gleitende Zusammenwirken eines Bereichs der Öffnungskontur mit den Abflachungen zur Verwirklichung der ersten Verschieberichtung R1 auf Seiten des Kupplungselements.

Bei einem solchen Eingriff eines Achsendes in eine Führung ist -unabhängig davon, welche Montagebewegung tatsächlich stattfindet -das Kupplungselement auch als (auf die Achse) aufgesteckt zu bezeichnen.

2.4 Im Hinblick auf das der Streitpatentschrift zugrundeliegende Problem des Achsversatzes bei drehkopfbetätigten Drehgebern, bei denen im eingebauten Zustand sowohl der Betätigungskopf als auch der Drehschalter ortsfest montiert sind, ist mit den Merkmalen 1.4 bzw. 1.5 nicht nur die Relativverschiebung des Kupplungselementes gegenüber der ersten Achse bzw. gegenüber dem Betätigungskopf unter Schutz gestellt, sondern auch die alleinige Verschiebbarkeit desselben gegenüber diesen beiden.

Wenn im Absatz [0021] der Patentbeschreibung von einer festen Verbindung des Kupplungselements mit der Achse 3 die Rede ist, so versteht der Fachmann hierunter lediglich Maßnahmen, die den dauerhaften Eingriff des Achsendes in der ersten Führung des Kupplungselementes sicherstellen, nicht aber eine Unverschiebbarkeit in Richtung R1 gegenüber der Achse. Im gleichen Sinne hält das am Ende dieses Absatzes erwähnte Andrücken des Kupplungselementes an die Leiterplatte dieses nur in dem Sinne fest auf der ersten Achse 3 des Drehschalters, als der verschiebbare Eingriff erhalten bleibt, nicht aber unverschiebbar gegenüber der Leiterplatte.

2.5 Die in der Streitpatentschrift für die gegenseitige Achslage durchgängig unzutreffend verwendete Angabe "Axialversatz" wird vom Fachmann schon aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus in "Radialversatz" richtiggestellt (vgl. die vom Senat ins Verfahren eingeführten Fachbuchseiten).

3.

Der Gegenstand gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 ist nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig. Denn der gegenüber dem im Verfahren bekanntgewordenen Stand der Technik unbestritten neue Gegenstand (§ 3 PatG) beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG).

3.1 Die EP 1 278 111 A2 betrifft ein Bedienelement für eine Auswerteeinheit, die über ein Kupplungselement verbunden sind, das zum Ausgleich von Montagetoleranzen gegenüber Bedienelement und Auswerteeinheit beiden verschiebbar ist (Zusammenfassung). Die Drehung eines als Haube bezeichneten Betätigungskopfes wird über ein mit diesem verbundenes erstes Verbindungsstück 5 auf das Kupplungselement 6 und von diesem wiederum auf ein mit der Achse 8 der Auswerteeinheit 9 verklemmtes zweites Verbindungsstück 7 übertragen, wobei die Verschiebbarkeit des Kupplungselements in zwei zueinander senkrechten Richtungen (vgl. den Verlauf der Nuten und Vorsprünge in Fig. 2 und Anspr. 6) gegenüber den beiden Verbindungsstücken Montagetoleranzen ausgleicht (Fig. 1 i. V. m. Abs. [0015]).

Mit den Worten des Anspruchs 1 ist dort demnach bekannt ein 1.1 Drehgeber mit einem Betätigungskopf 2 und 1.2 einem eine erste Achse 8 aufweisenden Drehschalter 9, 1.3 wobei der Betätigungskopf 2 über ein Kupplungselement 6 mit der ersten Achse 8 derart drehfest verbunden ist, 1.4 dass das Kupplungselement 6 gegenüber der ersten Achse 8 in einer ersten, zur Achse 8 senkrechten Richtung und 1.5 gegenüber dem Betätigungskopf 2 in einer zweiten, zur Achse 8 und zur ersten Richtung senkrechten zweiten Richtung verschiebbar ist.

Abweichend von Merkmal 1.6 ist die Achse dort nicht beidseitig abgeflacht; denn sie wird am gesamten Umfang von der gewellten inneren Oberfläche der Topfwände 22 als Sternachse verklemmt (Fig. 1 und 4, Abs. [0014]).

Abweichend von Merkmal 1.7 greift das Ende der ersten Achse auch nicht in eine Führung des Kupplungselements 6 ein, sondern in die topfförmige, innerlich gewellte Aufnahme 21 des zweiten Verbindungsstücks.

Da der erteilte Patentanspruch 1 in seinem Oberbegriff offenlässt, mit welchen konstruktiven Merkmalen die beiden als Funktionsmerkmale anzusehenden Verschieberichtungen gemäß Merkmal 1.4 bzw. 1.5 verwirklicht werden, und erst dessen kennzeichnender Teil die erfindungsgemäßen achsenseitigen Sachmerkmale angibt, beschreibt die EP 1 278 111 A2 einen gattungsgemäßen Schalter.

Eine Zuordnung des zweiten Verbindungsstücks 7 zur Achse 8 im Sinne einer Achsverlängerung wird deshalb -entgegen der Auffassung der Einsprechenden durch die Bezeichnung "gattungsgemäß" nicht vorgenommen.

Wie die Patentinhaberin zur Überzeugung des Senats vorgetragen hat, sieht der Fachmann die drei ineinandergreifenden und zum Ausgleich von Montagetoleranzen beim Achsversatz funktionell zusammenwirkenden Bauteile 5, 6, 7 des aus EP 1 278 111 A2 bekannten Drehgebers als Funktionseinheit an.

Diese Funktionseinheit ist zwischen das Ende der ersten Achse 8 und den Betätigungskopf 2 drehmomentübertragend eingefügt (Fig. 1), und in der Ausführungsform gemäß Figur 2 sogar mittels T-förmiger Vorsprünge 38, 41 (Fig. 2 bis 4) und entsprechender Nuten in Axialrichtung formschlüssig miteinander zu einer handhabbaren Baugruppe verbunden (Sp. 6 Z. 33 bis Sp. 7 Z. 17).

Selbst wenn der Fachmann die Zahl der Bauteile des bekannten Drehgebers verringern wollte, würde er nach Ansicht des Senats nicht daran denken, aus dieser Funktionseinheit ein Bauteil wegzulassen, weil damit die Funktion der gesamten Baugruppe zerstört würde.

Er wird deshalb erst gar nicht daran denken, z. B. das zweite Verbindungsstück wegzulassen, um danach zu überlegen, wie er die damit verlorene zweite Verschieberichtung und die Verbindung zur ersten Achse realisieren kann.

Es kann dann aber auch dahingestellt bleiben, ob der Fachmann einen Anlass benötigt, um den zweiten Steg 41 und den zweiten Schlitz 42 in ihrer Zuordnung zum Kupplungselement bzw. dem zweiten Verbindungsstück 7 zu vertauschen, wie die Einsprechende vorgetragen hat, um anschließend den ja schon beidseitig flachen Vorsprung 41 einstückig mit der Drehachse des Schalters zu verbinden.

Eine derartige Umkonstruktion eines bekannten Schalters kann der Fachmann deshalb nicht ohne Kenntnis der Erfindung vornehmen, d. h. nur in unzulässiger rückschauender Betrachtung.

3.2 Die französische Patentschrift FR 1.231.415 zeigt einen Drehschalter 2, der über Verbindungsmittel mit einem Drehknopf 16 betätigbar ist (Fig. 1 bis 4), wobei Exzentrizitäten (d. h. radialer Achsversatz) ausgeglichen werden sollen (Titel).

Hierzu wird eine kurz bauende Ausführungsform vorgeschlagen, bei der auf dem rechteckigen Ende 11 der Achse 12 des Drehknopfes 16 eine Kupplungsscheibe 9 gelagert und in Richtung der Nut 10 verschiebbar gelagert ist.

Auf die Schalterachse 1 ist ein Abtriebselement 4 drehfest aufgesetzt, das mit einander gegenüberliegenden Vorsprüngen 5 in zwei entsprechende Nuten 8 der Kupplungsscheibe 9 eingreift, die sich senkrecht zur Nut 10 erstrecken, und in denen die Vorsprünge 5 zum Toleranzausgleich bewegbar sind.

In Übereinstimmung mit dem Anspruch 1 ist demnach dort bekannt ein 1.1 Drehgeber mit einem Betätigungskopf 16, und 1.2 einem eine erste Achse 1 aufweisenden Drehschalter 2, 1.3 wobei der Betätigungskopf 16 über ein Kupplungselement 9 mit der ersten Achse 1 derart drehfest verbunden ist, 1.4 dass das Kupplungselement 9 gegenüber der ersten Achse 1 in einer ersten, zur Achse 1 senkrechten Richtung (nämlich parallel zu den Nuten 8) und 1.5 gegenüber dem Betätigungskopf 16 in einer zweiten, zur Achse 1 und zur ersten Richtung senkrechten zweiten Richtung (in Längsrichtung der Nut 10) verschiebbar ist.

Abweichend von Merkmal 1.6 ist dort für die erste Achse 1 keine beidseitige Abflachung offenbart, eine solche wird vom Fachmann angesichts der Schraubbefestigung 3 des Abtriebselements 4 an der Achse 1 auch nicht mitgelesen. Auch greift die erste Achse nicht in eine Führung des Kupplungselementes verschiebbar ein (Merkmal 1.7), denn dieses ist auf der Drehachse 11 des Betätigungskopfes 16 gelagert.

In Kenntnis der Erfindung denkbar, aber nach Ansicht des Senats durch nichts veranlasst, ist die von der Einsprechende vorgetragene Umkehr der bekannten Anordnung derart, dass das Abtriebselement 4 mit nach unten ragenden Vorsprüngen 4 auf dem Ende der Achse 12 des Betätigungskopfes 16 angebracht wird, und die Kupplungsscheibe 9 auf einem dann rechteckig d. h. abgeflacht zu gestaltenden Ende der Schalterachse 1 verschiebbar angebracht wird.

Denn wie die Patentinhaberin nach Ansicht des Senats zutreffend vorgetragen hat, steht regelmäßig in dem den Betätigungskopf lagernden Gehäusebereich wenig Platz zur Verfügung, so dass der Fachmann die bekannte Anbringung der dünnen Kupplungsscheibe 9 unmittelbar hinter dem Deckel 5 auf einem kurzen Achsende auch nicht ohne Weiteres zur Disposition stellen wird, wenn er die bekannte Anordnung verändern will.

Deshalb kann auch die Tatsache, dass dort die Kupplungsscheibe 9 bereits ohne zusätzliches Verbindungsstück direkt auf der Achse des Betätigungskopfes verschiebbar gelagert ist, den Fachmann nach Ansicht des Senats nicht zu einer solchen Umkehr anregen.

Auch kann aufgrund der mittigen Lagerung der Kupplungsscheibe am Betätigungskopf die senkrecht dazu verlaufende zweite Verschieberichtung nur am Rand der Kupplungsscheibe konstruktiv verwirklicht werden, so dass zur Verbindung mit der wiederum im Wesentlichen mittigen Schalterachse 1 ein Verbindungselement der in FR 1.235.415 bekannten Art unverzichtbar ist.

Eine Zusammenschau der beiden vorgenannten Entgegenhaltungen erscheint dem Senat aufgrund der grundverschiedenen Maßnahmen zur Realisierung zueinander senkrechter Verschiebungen eines Kupplungsteils nicht veranlasst.

3.3 Im Hinblick auf die patentgemäß einstückige Achse des Drehschalters kann der Senat auch dem Vortrag der Einsprechenden nicht folgen, die Drehknopfnabe 12 (Fig. 2 und 3) des aus der GB 2 130 438 bekannten Drehgebers für Haushaltsgeräte (Abstract) sei als Achse anzusehen, deren Enden an den Vorsprüngen 13 auch beidseitig abgeflacht seien.

Vielmehr lässt schon ein Blick auf die Explosionsdarstellung in Figur 3 und die Zusammenbauzeichnung Figur 2 ohne Weiteres erkennen, dass das Kupplungselement 15 und die beiden Verbindungselemente 18 (zum dortigen Betätigungskopf 3) bzw. 12 (zur Achse 6 des Schalters 7 (Fig. 4) eine Funktionseinheit bilden, die den Ausgleich von radialem Versatz (misalignment/Abstract, vorletzte Zeile) bewirkt.

Ebenso wie schon in Figur 2 bis 4 der EP 1 278 111 A2 ist auch hier die Funktionseinheit als Baugruppe in Axialrichtung formschlüssig miteinander verrastet (Fig. 2), so dass der Fachmann aus den zu dieser Druckschrift genannten Gründen auch hier nicht einfach ein Teil weglassen wird.

Ob auch diese Druckschrift alle Merkmale des Oberbegriffs des erteilten PA1 aufweist, kann deshalb dahingestellt bleiben.

3.4 Mit den in EP 1 318 534 A1 beschriebenen Drehbedienungen von Schaltgeräten (Titel, Zusammenfassung) soll eine Übertragung zu großer Kräfte über die Achse auf das Schaltgerät vermieden werden (Sp. 1 Z. 20 bis 35). Durch zusätzliche Maßnahmen können Winkelversetzungen zwischen den Achsen ausgeglichen werden (Sp. 2 Z. 21 bis 33).

Das patentgemäße Problem des axialen Versatzes von Bedienkopf-Drehachse und Schalterachse ist dort nicht angesprochen, und es sind auch keine Konstruktionsmerkmale ersichtlich, die zur Lösung dieses Problems geeignet wären.

3.5 Auch die DE 198 32 089 A1 zeigt einen Drehschalter für Haushaltsgeräte, bei dem das Problem des Achsversatzes mit einer -dort unzutreffend als Kardangelenk bezeichneten -Baugruppe 15, 17, 19 (Titel, Zusammenfassung, Fig. 2 mit Text) gelöst wird. Die Baugruppe weist ein Kupplungselement 17 auf, das über senkrecht zueinander verlaufende Kombinationen von Vorsprüngen 33/41 und Führungsschlitzen 39/43 verschiebbar ist gegenüber zwei Verbindungsstücken 15 bzw. 19. Der Drehschalter 7 weist eine Achse 5 auf (Fig. 1), für die drehfeste Verbindung mit einer hohlen Betätigungswelle 21 (Sp. 2 Z. 21 bis 24).

Damit sind zwar ebenfalls alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 offenbart.

Aber auch dort erkennt der Fachmann in den zum Toleranzausgleich zusammenwirkenden Bauteilen 15, 17, 19 eine Funktionsgruppe, wie sie schon in EP 1 278 111 A2 beschrieben ist, für deren Zerlegung kein Anlass ersichtlich ist, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Fachmann dort zunächst über die Einsparung zweier anderer Bauteile (13 und 21) nachdenken kann, wenn er im Sinne der Patentaufgabe die Zahl der Bauteile verringern möchte.

3.6 Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffen. Sie bringen auch keine ergänzenden Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

4.

Die nachgeordneten erteilten Patentansprüche 2 bis 10 haben mit dem Hauptanspruch Bestand.

Der erteilte Patentanspruch 9 betrifft nach Ansicht des Senats lediglich den vom Fachmann schon für den Gegenstand des Anspruchs 1 mitzulesenden Sachverhalt, dass in jeder realen Einbausituation ein mehr oder weniger großer Achsversatz auftritt, für den die -axial gegenüber der Schalterachse versetzte -Führung des Betätigungskopfes durch ein als Führungselement wirksames Bauteil ursächlich ist.

Er beinhaltet insoweit lediglich eine Merkmalswiederholung, konnte aber im Blick auf den erteilten Anspruch 10 bestehen bleiben, welcher u. a. das Führungselement dem Gehäuse eines Gerätes zuordnet, in welchem der Drehgeber angeordnet ist.

Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Groß






BPatG:
Beschluss v. 26.04.2010
Az: 19 W (pat) 312/09


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