Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Februar 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 30/03

(BPatG: Beschluss v. 06.02.2006, Az.: 19 W (pat) 30/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 F des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Dezember 2002 aufgehoben und das Patent wie folgt erteilt.

Bezeichnung: Vorrichtung zur Regelung der Schließfolge von zweiflügeligen Türen.

Anmeldetag: 18. Dezember 1989 Die innere Priorität vom 22. Dezember 1988 DE 88 15 868.3 ist in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentanspruch 1 vom 17. April 2003, Patentansprüche 2 bis 7 und Beschreibung Spalten 1 und 2, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen Beschreibung, sowie 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, wie Offenlegungsschrift.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse E 05 F - hat die am 18. Dezember 1989 eingereichte Anmeldung mit der inneren Priorität vom 22. Dezember 1988 (DE 88 15 868.3) durch Beschluss vom 10. Dezember 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht, und beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1 vom 17. April 2003, Patentansprüche 2 bis 7 und Beschreibung, Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen Beschreibung, sowie 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 wie Offenlegungsschrift.

Der (mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen unterteilte) geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zur Regelung der Schließfolge von zweiflügeligen Türena) mit einem unterschlagenden Standflügel und einem überschlagenden Gangflügel, die jeweils mit Türantrieben zusammenwirken, b) wobei der Gangflügel mit einer Blockiereinrichtung zusammenwirkt, die in Abhängigkeit von der Stellung des Standflügels mit Hilfe eines Übertragungsglieds steuerbar ist, das mit seinem einen Ende mit der Blockiereinrichtung und mit seinem anderen Ende mit einer vom Standflügel oder einem verbundenen Teil betätigten Stellglied zusammenwirkt, undc) wobei die Blockiereinrichtung im Bereich des Schließergehäuses des Gangflügel-Türantriebs angeordnet ist, undd) wobei zur Blockierung des Gangflügels ein Sperrventil in das Hydrauliksystem des Türantriebs des Gangflügels geschaltet ist, welches über den Türantrieb des Standflügels gesteuert wird, unde) wobei das Stellglied im Bereich des Schließergehäuses des Standflügel-Türantriebs angeordnet ist und mit einem angetriebenen Bauteil des Standflügel-Türantriebs zusammenwirkt, dadurch gekennzeichnet, f) dass der Gangflügel (3) mit einem elektrohydraulischen Türantrieb (13) mit hydraulischer Kolben-Zylinder-Einheit (18) verbunden ist, f1) dessen Antriebsaggregat einen Elektromotor (16) und eine Hydraulikpumpe (17) aufweist undf2) im Bereich des Schließergehäuses (13a) des Gangflügel-Türantriebs (13) angeordnet ist, f3) wobei das Schließergehäuse (13a) und das Antriebsaggregat ortsfest auf dem oberen horizontalen Holm (14) des Blendrahmens angeordnet sind, undg) wobei der Standflügel (2) mit einem elektrohydraulischen Türantrieb (12) mit hydraulischer Kolben-Zylinder-Einheit (18) verbunden ist, g1) dessen Antriebsaggregat einen Elektromotor (16) und eine Hydraulikpumpe (17) aufweist undg2) im Bereich des Schließergehäuses (12a) des Standflügel-Türantriebs (12) angeordnet ist, g3) wobei das Schließergehäuse (12a) und das Antriebsaggregat ortsfest auf dem oberen horizontalen Holm (14) des Blendrahmens angeordnet sind, undh) wobei das Übertragungsglied (31) über eine auf der Schließerwelle (25) des Standflügel-Türantriebs (12) drehfeste, außerhalb der hydraulischen Kolben-Zylinder-Einheit (18) des Standflügel-Türantriebs (12) angeordnete Nockenscheibe (32) steuerbar ist".

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine bekannte Vorrichtung zur Regelung der Schließfolge für Türen mit automatischem Drehtürantrieb auszubilden und Funktion und Einstellbarkeit der Schließfolgeregelung zu verbessern (Sp. 1, Abs. 2 der geltenden Beschreibung).

Die Anmelderin vertritt die Ansicht, die Vorrichtung nach Anspruch 1 sei neu und erfinderisch. Insbesondere gäbe es für den Fachmann keinerlei Anlass, die Steuerscheibe 20 in Figuren 5 und 6 der DE 34 21 042 A1 abzuändern oder zu ersetzen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg, weil der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 patentfähig ist.

1. Offenbarung und Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Die Patentansprüche 1 bis 7 sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 (Merkmale a, b, f2), 3 (Merkmale f, f1, g, g1), 4 (Merkmale c, f3, g3) 7 (Merkmal d) 8 (Merkmal e), sowie der (dort mit der ursprünglichen Beschreibung übereinstimmenden) Beschreibung nach Offenlegungsschrift Spalte 3, Zeilen 43 bis 46 und Spalte 4, Zeilen 30 bis 40 (Merkmal h, "elektrohydraulischer Türantrieb" in Merkmal f, g) zusammen.

Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3, 5, 9 und 10. Die Ansprüche 6 und 7 ergeben sich aus der Beschreibung, Offenlegungsschrift Spalte 1, Zeilen 41 bis 49.

Die Ansprüche 1 bis 7 sind damit nach Überzeugung des Senats ursprünglich offenbart.

Der Hebel 40 mit seiner Rolle 41 musste nach Überzeugung des Senats nicht in den Anspruch 1 aufgenommen werden. Eine solche Abtastvorrichtung gehört nämlich für den Fachmann - hier einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Türantrieben - zu der Nockenscheibe dazu und wird mitgelesen.

2. Neuheit Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist neu, da aus den im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften eine Vorrichtung mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen nicht bekannt ist.

Die DE 34 21 042 A1 zeigt einen Bodentürschließer mit Schließfolgeregelung (Bezeichnung). Als Übertragungsglied ist ein Bowdenzug 13 vorgesehen der in der Ausführungsform nach Figuren 5 und 6 von einer Steuerscheibe 20 betätigt wird. Figur 7 zeigt alternativ dazu die Betätigung über ein Druckstück 30 mit Langschlitz 31, in dem eine Zugstange zur Steuerung des Bowdenzugs geführt wird (S. 5/6 seitenübergreifender Absatz). In Figur 8 ist dargestellt, dass eine Feststellung (Schließfolgeregelung) über ein Schalten des Ventils 42 erfolgt, das über den Bowdenzug 13 betätigt wird (S. 6, letzter Absatz). Wie Figur 7 (i. V. m. S. 6, Abs. 2) und Figur 8 zeigen, ist die bevorzugte Ausführungsform jeweils ein hydraulischer Schließer mit einer Kolben-Zylinder-Einheit für jeden Flügel. Dass jede Antriebseinheit ein Gehäuse hat, liest der Fachmann nach Überzeugung des Senats mit.

Damit ist eine Vorrichtung zur Regelung der Schließfolge von zweiflügeligen Türen bekannt, die in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 folgende Merkmale aufweist:

a) mit einem unterschlagenden Standflügel 2 und einem überschlagenden Gangflügel 1, die jeweils mit Türantrieben 3,4 zusammenwirken (S. 4, Abs. 1, 2), b) wobei der Gangflügel mit einer Blockiereinrichtung 42 zusammenwirkt, die in Abhängigkeit von der Stellung des Standflügels mit Hilfe eines Übertragungsglieds 13 steuerbar ist, das mit seinem einen Ende mit der Blockiereinrichtung 42 und mit seinem anderen Ende mit einer vom Standflügel oder einem verbundenen Teil betätigten Stellglied 20 zusammenwirkt (S. 4, Abs. 2, 4), undc) wobei die Blockiereinrichtung 42 im Bereich des Schließergehäuses des Gangflügel-Türantriebs angeordnet ist, undd) wobei zur Blockierung des Gangflügels ein Sperrventil 42 in das Hydrauliksystem des Türantriebs des Gangflügels geschaltet ist, welches über den Türantrieb des Standflügels gesteuert wird, unde) wobei das Stellglied 20 im Bereich des Schließergehäuses des Standflügel-Türantriebs angeordnet ist und mit einem angetriebenen Bauteil des Standflügel-Türantriebs zusammenwirkt (Fig. 1, 5, 6), f(teilw.) wobei der Gangflügel 1 mit einem hydraulischen Türantrieb mit hydraulischer Kolben-Zylinder-Einheit 40-47 verbunden ist, undf2) im Bereich des Schließergehäuses des Gangflügel-Türantriebs angeordnet ist, f3(teilw.) wobei das Schließergehäuse und das Antriebsaggregat ortsfest angeordnet sind, undg(teilw.) wobei der Standflügel 2 mit einem hydraulischen Türantrieb 30 bis 34 mit hydraulischer Kolben-Zylinder-Einheit verbunden ist, undg2) im Bereich des Schließergehäuses des Standflügel-Türantriebs angeordnet ist, g3(teilw.) wobei das Schließergehäuse und das Antriebsaggregat ortsfest angeordnet sind, undh(teilw.) wobei das Übertragungsglied 13 über eine auf der Schließerwelle des Standflügel-Türantriebs drehfeste, außerhalb der hydraulischen Kolben-Zylinder-Einheit des Standflügel-Türantriebs angeordnete Scheibe 20 steuerbar ist (Fig. 5 und 6).

Vom Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich diese Vorrichtung dadurch, I) dass dort ein elektrohydraulischer Antrieb mit Elektromotor und Pumpe nicht erwähnt ist (Merkmal f, f1 und g, g1)

II) dass die Schließer bzw. Türantriebe am Boden, und nicht am oberen horizontalen Holm des Blendrahmens angeordnet sind (Merkmal f3 und g3).

III) dass es sich bei der Scheibe 20 nicht um eine Nockenscheibe handelt (Merkmal h).

Die DE 33 29 543 A1 beschreibt eine ähnliche Schließfolgeregelung mit mechanischem Übertragungsglied für hydraulische Türschließer (S. 7, Abs. 2), wobei nach Figur 9 und 10 ein starres oder flexibles Übertragungsglied (Bowdenzug 5,5', Stange 32) ein Sperrventil 29 im Hydrauliksystem des Gangflügels betätigt (S. 16, Abs. 2, 3). In Verbindung mit einer anderen Ausführungsform ohne Sperrventil nach Figur 8 sind die Möglichkeiten erwähnt - die Schließer oben (S. 11, Abs. 2) zargenseitig anzuordnen (S. 15, Abs. 3), und - die Blockiereinrichtung 26 über einen Stößel von einer Nockenscheibe betätigen zu lassen, die auf einer drehbaren Stange angeordnet ist (S. 15, Abs. 4, S. 16, Abs. 1)

wobei beide Möglichkeiten nicht dargestellt sind.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist ein elektrohydraulischer Antrieb mit Elektromotor und Pumpe nicht erwähnt (Merkmal f1, g1). Die Ausführungsform nach Figuren 9 und 10 zeigt außerdem keine Nockenscheibe und keinen ortsfesten Schließer am horizontalen Holm des Blendrahmens (Merkmale f3, g3, h); die Ausführungsform nach Figur 8 zeigt kein Sperrventil, und gibt nicht an, ob die Nockenscheibe im Gangflügel- oder im Standflügelbereich angeordnet werden soll (Merkmale d, h).

Die DE 32 02 966 A1 zeigt einen elektrohydraulischen Türantrieb (Bezeichnung) mit Kolben-Zylinder-Einheit 6, Elektromotor 1 und Hydraulikpumpe 2 (S. 13, vorletzter Absatz), nach Merkmal f, f1 bzw. g, g1. Eine zweiflügelige Tür mit Schließfolgeregelung und den damit verbundenen Merkmalen a bis e und h ist nicht erwähnt.

Die weiteren, in der Verhandlung nicht aufgegriffenen Druckschriften gehen über den vorstehend behandelten Stand der Technik nicht hinaus und bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

3. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von der Anordnung nach der DE 34 21 042 A1 stellt sich die Aufgabe, die bekannte Vorrichtung zur Regelung der der Schließfolge für Türen mit automatischem Drehtürantrieb auszubilden und Funktion und Einstellbarkeit der Schließfolgeregelung zu verbessern (Sp. 1, Abs. 2 der geltenden Beschreibung) in der Praxis von selbst, denn der Bedarf an automatischen Drehtüren ist schon im Hinblick auf behindertengerechte Ausstattung erheblich, und die Verbesserung von Funktion und Einstellbarkeit gehört dabei immer zum Aufgabenbereich des in der Entwicklung tätigen Fachmanns. Er mag dabei auch an den Einsatz elektrohydraulischer Antriebe denken, die ihm z. B. aus der DE 32 02 966 A1 bekannt sind. Nockenscheiben dürften ihm ebenfalls als Steuerelemente geläufig sein. Nachdem auch die Figur 7 der DE 34 21 042 A1 eine nach Form und Funktion einer Nockenscheibe sehr ähnliche Kurvenscheibe 34 zeigt, scheint es vordergründig unmittelbar auf der Hand zu liegen, die Steuerscheibe nach Figur 5 durch eine Nockenscheibe ähnlich Figur 7 zu ersetzen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass sowohl Figur 5 als auch Figur 7 einem gemeinsamen, von der Anmeldung etwas abweichenden Prinzip folgen:

Sowohl die Scheibe 20 nach Figur 5 als auch das Druckstück 30 nach Figur 4 führen eine Bewegung aus, die der gesamten Türbewegung entspricht, "ihr direkt proportional ist", wie die DE 34 21 042 A1 auf Seite 5 unten angibt. Aus dieser Bewegung muss die Bewegung des Übertragungselements 13 - die nur in der Nähe der Schließstellung erfolgen soll - ausgekoppelt werden, und dafür ist gemäß Figur 5 der Langschlitz 21, und nach Figur 7 der Langschlitz 31 vorgesehen. Unabhängig davon, ob eine Steuer- bzw. Kurvenscheibe (Fig. 5 bzw. Fig. 7) zum Einsatz kommt oder nicht, ergibt sich damit eine Bewegung des Übertragungsglieds, bei der der Einsatzpunkt (Beginn der Übertragungsglied-Bewegung, wenn das Ende des Langschlitzes erreicht ist) und der Hub (= Restweg bis zur Schließstellung) voneinander abhängen, und sich nicht unabhängig voneinander vorgeben lassen.

Erst die erfindungsgemäß außerhalb der hydraulischen Kolben-Zylinder-Einheit angeordnete Nockenscheibe erlaubt eine Vorgabe des Hubs - entsprechend der Höhe der Nocke in Radialrichtung - unabhängig vom Einsatzpunkt - entsprechend der Winkellage des Nockenanfangs (bei der Fig. 7 der DE 34 21 042 A1 gibt dagegen die Schließerfeder die Form der Kurvenscheibe vor). Dieser Zusammenhang und dass sich dadurch aufgabengemäß die Einstellbarkeit verbessern lässt, erschließt sich dem Fachmann nach Überzeugung des Senats erst in der Rückschau.

Nachdem es mit dem Einsatz einer Nockenscheibe alleine nicht getan ist, sondern es entscheidend auf den Einbauort ankommt, kann auch die DE 33 29 543 A1 keine Anregung bieten, denn dort bleibt der Einbauort der Nockenscheibe unerwähnt.

Um zum Verfahren nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

4. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist somit patentfähig.

Damit sind auch die Vorrichtungen nach den Ansprüchen 2 bis 7 patentfähig.

5. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.






BPatG:
Beschluss v. 06.02.2006
Az: 19 W (pat) 30/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/42801c81538c/BPatG_Beschluss_vom_6-Februar-2006_Az_19-W-pat-30-03




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