Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2011
Aktenzeichen: 20 W (pat) 25/07

(BPatG: Beschluss v. 17.01.2011, Az.: 20 W (pat) 25/07)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle der Klasse H 03 H des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. März 2007 aufgehoben und das Verfahren an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die am 15. März 2000 eingereichte Patentanmeldung betrifft nach ihrer Bezeichnung eine Hochpassschaltung mit einem Gyrator. Sie umfasst ursprünglich 11 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 8 auf eine Hochpassschaltung, der Anspruch 9 auf eine Verstärkerschaltung, der Anspruch 10 auf eine Sendevorrichtung und der Anspruch 11 auf eine Empfängervorrichtung gerichtet waren.

Die Anmeldung ist vom Deutschen Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H 03 H -durch Beschluss vom 30. März 2007 zurückgewiesen worden. Die Prüfungsstelle begründete ihren Beschluss damit, dass der Gegenstand des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden und auf eine rauscharme Hochpassschaltung für einen Mikrofonverstärker eines Drahtlosmikrofons gerichteten Patentanspruchs 1 in Ansehung der DE-PS 1 148 597 (im nachfolgenden Druckschrift [12]) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und deshalb nicht gewährbar sei.

In dem Prüfungsverfahren hatte die Prüfungsstelle zuvor in drei Prüfungsbescheiden auf folgende Druckschriften verwiesen:

[1] ORCHARD, H. J.; SHEAHAN, Desmond F.: Inductorless Bandpass Filters. In: MITRA, Sanjit K. [Hrsg.]: Active Inductorless Filters, New York : IEEE Press, 1971, ISBN 0-7942-003-0, Seiten 123-133;

[2] US 4,051,385;

[3] TIETZE, U.; SCHENK, Ch.: Halbleiter-Schaltungstechnik, Berlin [u. a.] : Springer, 6. Aufl., 1983, Seite 64;

[4] DE 25 16 460 B2;

[5] DE 23 14 418 B2;

[6] New York Institute of Technology [Hrsg.]: Transistoren und Transistorschaltungen. München, Wien : R. Oldenburg, 2. Aufl., 1969, Seiten 243, 245, 257;

[7] DE 34 05 534 C2;

[8] BAYER, Herbert: Mittelwertgleichrichtung in batteriegespeisten Transistorschaltungen. In: Radio Mentor, Januar 1965, Heft 1, Seiten 41-42;

[9] DE 22 32 986 B2;

[10] DE 24 46 699 C3;

[11] DE 44 29 840 C2;

[12] DE-PS 1 148 597.

Die am 16. Mai 2007 eingelegte Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Anmeldung. Die Beschwerdeführerin hat ihre Anmeldung in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2011 zuletzt mit einem im Termin übergebenen Patentanspruch 1 sowie Patentansprüchen 2 bis 8 aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 16. Mai 2007 verteidigt. Die Ansprüche lauten -unter stillschweigender Korrektur offensichtlicher Schreibfehler -wie folgt:

"1. Drahtlosmikrofon, mit einem Mikrofonverstärker, welchereine rauscharme Hochpassschaltung aufweist, wobei die Hochpassschaltung eine Kapazität (C5), eine Induktivität und einen Widerstand (R9) aufweist, wobei die Induktivität und der Widerstand (R9) parallel zueinander liegen und an Masse angeschlossen sind und wobei die Induktivität durch eine Gyratorschaltung (G) mit einem Transistor realisiert ist und dass die Kapazität (C5) in Reihe zu der Parallelschaltung aus Gyratorschaltung (G) und Widerstand (R9) geschaltet ist und dass eine Wechselspannungsquelle (V1) vorgesehen ist, welche in Reihe zu der Kapazität (C5) einerseits und gegen Masse andererseits angeschlossen ist.

2.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Kollektoranschluss und Basisanschluss des ersten Transistors ein Widerstand angeordnet ist und dass zwischen Basisanschluss und Emitteranschluss des ersten Transistors eine Serienschaltung aus einer Kapazität und einem Widerstand angeordnet ist.

3.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kollektoranschluss des ersten Transistors an eine Versorgungsspannung angeschlossen ist und dass das Ausgangssignal der Gyratorschaltung am Mittenpunkt der Serienschaltung zwischen der Kapazität und dem Widerstand abgreifbar ist.

4.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass am Basisanschluss des ersten Transistors ein Widerstand gegen ein Bezugspotential angeschlossen ist.

5.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass am Emitteranschluss des ersten Transistors oder am Mittenpunkt der Serienschaltungzwischen der Kapazität und dem Widerstand ein Widerstand gegen Masse angeschlossen ist.

6.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Basisanschluss und Emitteranschluss des ersten Transistors ein Widerstand angeschlossen ist.

7.

Drahtlosmikrofon nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass am Kollektoranschluss des ersten Transistors ein Widerstand gegen ein Versorgungsspannungspotential angeschlossen ist, dass zwischen Basisanschluss und Mittenpunkt der Serienschaltung zwischen der Kapazität und dem Widerstand ein Widerstand angeschlossen und dass das Ausgangssignal der Gyratorschaltung am Kollektoranschluss abgreifbar ist.

8.

Drahtlosmikrofon nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Transistor durch eine Darlingtonschaltung, insbesondere mit zwei Transistoren, realisiert ist."

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle der Klasse H 03 H des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. März 2007 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:

Bezeichnung: Drahtlosmikrofon Patentansprüche: Patentanspruch 1 aus dem im Termin übergebenen Schriftsatz vom 17. Januar 2011 und Patentansprüche 2 bis 8 aus dem Schriftsatz vom 16. Mai 2007 (Bl. 17/18 GA)

Beschreibung: Beschreibung Seiten 1 bis 7 vom Anmeldetag (15.03.2000) Zeichnungen: Figuren 1 bis 10 aus den Anmeldeunterlagen vom 15. März 2000 Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahe gelegt sei.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patentund Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.

2.

Die Anmeldung betrifft in der verteidigten Fassung ein Drahtlosmikrofon. Derartige Mikrofone verfügen typischerweise über einen Mikrofonverstärker, der zur Ausfilterung von niederfrequenten Störungen eine Hochpassschaltung umfasst. Die Gesamtkonstruktion des Drahtlosmikrofons soll für eine optimale Funktion möglichst rauscharm sein und ohne die Verwendung von Spulen auskommen, da letztere im Allgemeinen teuer und schwer beschaffbar sind.

Patentanspruch 1 in der von der Beschwerdeführerin verteidigten Fassung schlägt dafür ein Drahtlosmikrofon mit folgenden Merkmalen vor:

M1 Drahtlosmikrofon, M2 mit einem Mikrofonverstärker, M3 welcher eine rauscharme Hochpassschaltung aufweist, M4 wobei die Hochpassschaltung eine Kapazität (C5), eine Induktivität und einen Widerstand (R9) aufweist, M5 wobei die Induktivität und der Widerstand (R9) parallel zueinander liegen und an Masse angeschlossen sind und M6 wobei die Induktivität durch eine Gyratorschaltung (G) miteinem Transistor realisiert ist und M7 dass die Kapazität (C5) in Reihe zur der Parallelschaltung aus Gyratorschaltung (G) und Widerstand (R9) geschaltet ist und M8 dass eine Wechselspannungsquelle (V1) vorgesehen ist, welche in Reihe zu der Kapazität (C5) einerseits und gegen Masse andererseits angeschlossen ist.

Dabei bezeichnen die Begriffe "Kapazität", "Induktivität" und "Widerstand" wirkungsmäßig bestimmte gegenständliche Bauelemente bzw. Schaltungsteile der Hochpassschaltung, ohne damit jedoch die konkrete Bauform festzulegen. So muss die "Induktivität" nicht notwendig eine bestimmte Spule sein. Deutlich wird dies insbesondere dadurch, dass die "Induktivität" anspruchsgemäß gerade nicht als Spule, sondern als Gyratorschaltung realisiert sein soll (Merkmal M6). Eine Gyratorschaltung, auch Dualinverter genannt, ist eine meist aktive elektronische Zweitor-Schaltung, die beliebige Impedanzen in ihre dualen Impedanzen transformieren kann. Bei kapazitiver Ausgangsbelastung zeigt die Schaltung induktives Eingangsverhalten und umgekehrt. Faktisch kann man damit eine Kapazität in eine Induktivität umwandeln und umgekehrt.

3.

Der zur Frage der Patentfähigkeit zu berücksichtigende Fachmann ist ein Elektrotechnik-Ingenieur mit Universitätsabschluss und Erfahrung im Schaltungsentwurf.

4.

Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 8 gehen in zulässiger Weise auf die ursprünglichen Ansprüche und die ursprüngliche Beschreibung zurück. Die konkrete beanspruchte Hochpassschaltung ist in Figur 8 und der dazugehörigen Beschreibung offenbart, wobei ihr Einsatz in einem drahtlosen Mikrofon auf Seite 2, 3. Absatz, der ursprünglichen Anmeldung angegeben ist. Damit offenbart die ursprüngliche Anmeldung auch ein Drahtlosmikrofon mit einer solchen Hochpassschaltung.

5.

Aus der Druckschrift [1] ist bekannt, Bandpässe oder Bandpassschaltungen für die Telefonie ohne Spulen aufzubauen und anstelle einer in herkömmlichen LC-Filtern verwendeten Spule eine Gyratorschaltung einzusetzen (vgl. Seite 123, Abstract; Merkmal M6teilweise). Insbesondere wird der sogenannte Riordan-Gyrator beschrieben, bei dem die für eine spulenlose Induktivität erforderliche Impedanzfunktion durch die Parallelschaltung zweier Operationsverstärkerschaltungen gemäß Figur 1 (Seite 124) realisiert wird. Die Operationsverstärker umfassen bekanntermaßen zahlreiche Transistoren (vgl. Figur 3, Seite 127). Zur Verwendung der mit einem Riordan-Gyrator aufgebauten Bandpassfilter gibt die Druckschrift allgemein die Telefonie an (vgl. Abstract). Dazu passend werden zwei Ausführungsbeispiele angegeben, in denen die Breite des Durchlassbereiches mit 4 kHz jeweils der typischen Bandbreite eines Telefonkanals entspricht (Seite 130: "A. 104-108-kHz Negative-Capacitor Filter"; Seite 131: "B. 16-20-kHz Coupled-Resonator Filter"). Es handelt sich insoweit um Kanalfilter und nicht um Hochpassfilter in einem Mikrofonverstärker eines Drahtlosmikrofons.

Der Druckschrift [2] kann eine Hochpassschaltung 3. Ordnung für Wähltöne als bekannt entnommen werden (Figur 3), die aus einer Hintereinanderschaltung (Kettenschaltung) eines Hochpasses 2. Ordnung (LC-Hochpass) und eines solchen 1. Ordnung (RC-Hochpass) gebildet ist (Merkmal M4). Der Hochpass 2. Ordnung ist dabei spulenlos unter Verwendung einer Gyratorschaltung mit zwei Operationsverstärkern 1, 2, einem Kondensator 6 und Widerständen 4, 5, 7, 8 aufgebaut (Spalte 1, Zeilen 45-57; Figur 1; Merkmal M6teilweise). Die Gyratorschaltung simuliert eine Induktivität zwischen dem Anschluss 3 und Erde (Spalte 1, Zeilen 58-59). Die Operationsverstärker weisen wiederum eine Vielzahl von Transistoren auf.

Nach Druckschrift [4] ist dem Fachmann bekannt, dass im Frequenzbereich der Telefoniesysteme häufig hochkonzentrierte integrierte Schaltungen verwendet werden, die es nicht erlauben würden, Spulen mit geeigneten Induktivitätswerten zu realisieren. Ersatzweise würden Spulen durch Einsatz aktiver Verstärkerschaltungen, d. h. in Form sogenannter "aktiver Filter" umgangen. Dabei würde der sogenannte Gyrator-C den Vorteil geringster Empfindlichkeit gegen Schwankungen der Bauelemente bieten. Ausgehend von bekannten LC-Filtern, würden die Spulen mittels Gyratoren, welche eine Kapazität in eine dazu duale Induktivität transformieren, simuliert (Spalte 2, Zeilen 9-22).

Druckschrift [5] offenbart ein spulenloses kanonisches Bandfilter, das zwischen einen Sender und eine Abschlussimpedanz geschaltet ist, die eine aktiv realisierte Induktivität enthält, und das aus ohmschen Widerständen, Kapazitäten und frequenzabhängigen negativen Widerständen (Super-C, Super-L) unterschiedlicher Frequenzabhängigkeit besteht, wobei das Bandfilter polerzeugende, aus konzentrierten Schaltelementen bestehende Abzweigschaltungen nachbildet, die aus zwei induktiv oder kapazitiv gekoppelten Serienresonanzkreisen in den Querzweigen oder aus einem in einem Querzweig liegenden Serienresonanzkreis und einem damit induktiv oder kapazitiv gekoppelten, in einem Längszweig liegenden Parallelresonanzkreis bestehen (Spalte 1, Zeile 67 -Spalte 2, Zeile 13). Für die Realisierung der Abschlussinduktivität wird eine Gyratorschaltung eingesetzt (Anspruch 3; Spalte 2, Zeilen 22-25; Spalte 5, Zeilen 60-61, Figur 4), die zwei Operationsverstärker, Widerstände und Kapazitäten umfasst (Spalte 6, Zeilen 1-12; Merkmal M6teilweise). Dem Fachmann ist hier wiederum im Zusammenhang mit den Operationsverstärkern offensichtlich, dass die Gyratorschaltung mehrere Transistoren umfasst.

Aus der Druckschrift [8] ist eine Schaltung bekannt, bei der eine Induktivität durch aktive Reaktanzschaltung (Gyratorschaltung) mit einem Transistor realisiert ist (vgl. Seite 42, Abschnitt: "Die verwendete Schaltung", Figuren 2 und 3; Merkmal M6).

Die Druckschrift [9] offenbart eine Gyratorschaltung. Dabei ist einleitend ausgeführt, dass die aus der Druckschrift [8] bekannte Gyratorschaltung in einem Filter als Reiheninduktivität, d. h. zur Bildung eines Tiefpasses, oder als Querinduktivität, d. h. zur Bildung eines Hochpasses, verwendet werden kann (Spalte 1, Zeilen 30-31; Merkmale M4, M6).

Sodann kann der Druckschrift [9] konkret eine Tiefpassschaltung unter Verwendung eines Gyrators P und eines Kondensators C2 entnehmbar (Spalte 1, Zeilen 64-67; Figur 1). Der Gyrator wird durch die beiden Transistoren T1 und T2, die Widerstände R'1, R''1 und R2 sowie den Kondensator C1 gebildet (Figur 1).

Die Druckschrift [11] betrifft eine signalamplitudenabhängige spulenlose Nachbildung einer Drossel, die zwei Transistoren T1, T2 (Darlington-Transistorstufe), einen selbstleitenden Feldeffekttransistor F1, Widerstände R1 bis R3 und einen Kondensator C1 umfasst (Zusammenfassung; Figur 1; Merkmale M6). Zusätzlich können fakultativ Widerstände R4 und R5 sowie eine Zenerdiode ZD, die im Wesentlichen Schutzfunktionen haben, vorgesehen sein (Spalte 2, Zeilen 47-50). Insbesondere ist der Druckschrift zu entnehmen, dass Gyratorschaltungen mit einem Transistor realisiert werden können (Spalte 1, Zeilen 8-11).

Der Druckschrift [12] kann eine Verstärkerschaltung für kapazitive Mikrofone als bekannt entnommen werden, die dazu eingerichtet ist, niederfrequente Störsignale zu unterdrücken, wozu eine Hochpassschaltung vorgesehen ist (Spalte 1, Zeilen 19-27; Spalte 3, Zeilen 10-19, 32-37; Merkmale M2, M3teilweise, M4teilweise). Die Hochpasswirkung wird im Gegensatz zu üblichen Filterschaltungen ohne Verwendung von Induktivitäten lediglich durch eine Zusammenschaltung von Widerständen und Kondensatoren mit der ohnehin benötigten Verstärkerröhre erreicht (Spalte 3, Zeilen 19-25). Weiter ist in der Druckschrift [12] angegeben, dass anstelle der Verstärkerröhre ein oder mehrere Transistoren verwendet werden können (Spalte 6, Zeilen 52-54).

Die sonstigen im Verfahren genannten Druckschriften liegen nach Auffassung des Senats vom Anmeldegegenstand weiter ab als die vorstehend beschriebenen Lösungen. Ihnen kommt bei der Beurteilung der Patentfähigkeit deshalb keine entscheidende Bedeutung zu.

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber den vorgenannten Druckschriften neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Keine der berücksichtigten Entgegenhaltungen bezieht sich konkret auf ein Drahtlosmikrofon als solches, so dass die Neuheit gegenüber dem erläuterten Stand der Technik offenkundig ist.

Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat die Lehre der Druckschrift [12] an.

Die Druckschrift [12] bezieht sich auf ein (kapazitives) Mikrofon; dass dieses drahtlos wäre, ist aber nicht ersichtlich. Zu der Frage, wie das Mikrofon an weitere Signalverarbeitungseinrichtungen angeschlossen ist, drahtgebunden oder drahtlos, enthält die Druckschrift keine Angaben. Der Senat geht jedoch angesichts des Entstehungszeitpunktes der Erfindung gemäß der Druckschrift [12] davon aus, dass das bekannte Mikrofon kabelgebunden war.

Der Druckschrift [12] ist nichts darüber zu entnehmen, dass die Hochpassschaltung durch ihre Ausgestaltung rauscharm wäre und eine Induktivität umfassen würde, die mittels einer Gyratorschaltung mit einem Transistor realisiert wäre. Ganz im Gegenteil: Die Druckschrift hat sich vielmehr zum Ziel gesetzt, die Filterschaltung ohne Induktivitäten aufzubauen (Spalte 3, Zeilen 19-25), so dass auch keine Veranlassung besteht, über einen Ersatz etwaiger Induktivitäten durch andere Schaltungen nachzudenken.

Der Fachmann wird auch im Zuge seiner Bemühungen, die bekannte Schaltung kostengünstiger und bauelementeeffizienter zu gestalten, nicht einen Ansatz verfolgen, nunmehr Induktivitäten in das Hochpassfilter einzufügen, von denen er weiß, dass sie schwierig und aufwändig zu realisieren sind, nachdem die bekannte Schaltung schon ohne Induktivitäten auskommt und eine steile Filterkurve ermöglicht (Spalte 3, Zeilen 18-19, Anspruch 1). Um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, müsste der Fachmann -abgesehen von der Verwendung der Hochpassschaltung in einem Mikrofonverstärker eines Drahtlosmikrofons mehrere sich nicht gegenseitig bedingende oder logisch aufeinander aufbauende Gedankenschritte ausführen, nämlich:

1.

eine Induktivität in das Hochpassfilter integrieren und 2.

diese Induktivität in Form einer Gyratorschaltung vorsehen, die 3.

(nur) einen Transistor aufweist.

Die Druckschrift [12] weist aber genau in die entgegengesetzte gedankliche Richtung, nämlich die Realisierung der Filterschaltung ohne Induktivitäten (nicht nur ohne Spulen oder Drosseln). Zudem wird gerade beschrieben, dass die Schaltung unter Ausnutzung der ohnehin benötigten Verstärkerröhre realisiert wird. Eine Transistorschaltung ist insoweit ebenfalls nicht offenbart, selbst wenn der Ersatz der Röhre durch einen Transistor angesichts des Fortschreitens der technischen Entwicklung noch nahe gelegen haben mag.

Insoweit kann auch die an sich bekannte Realisierung einer Induktivität durch einen Gyrator (z. B. Druckschrift [9]) den Anmeldungsgegenstand nicht nahelegen.

Nachdem auch die gewerbliche Anwendbarkeit des Gegenstands des verteidigten Patentanspruchs 1 zweifelsfrei gegeben ist, kann der Senat die fehlende Patentfähigkeit der Gegenstände des verteidigten Patentanspruchs 1 nicht feststellen.

7. Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat im Verfahren nach § 44 PatG bislang nur das ursprüngliche bzw. in Erwiderung auf die Prüfungsbescheide geänderte Patentbegehren geprüft und auch die Recherche darauf begrenzt. Durch die im Beschwerdeverfahren vorgenommene Änderung der Patentansprüche enthalten diese nunmehr jedoch Merkmale, die bei der Prüfung bislang unberücksichtigt geblieben sind und augenscheinlich auch bei der Recherche keine Rollen gespielt haben. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf den beanspruchten Gegenstand, das Drahtlosmikrofon, an sich. Wurden zunächst eine Hochpassschaltung, eine Verstärkerschaltung, eine Sendevorrichtung und eine Empfängervorrichtung beansprucht, so sind die Ansprüche nunmehr auf ein Drahtlosmikrofon gerichtet.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat folglich über das nunmehr beanspruchte Drahtlosmikrofon noch nicht abschließend entschieden. Da eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten Standes der Technik, hier insbesondere auch auf dem Gebiet der Mikrofone (IPC-Unterklasse H 04 R), ergehen kann und eine solche Recherche auf dem betreffenden technischen Fachgebiet, soweit aus den Akten ersichtlich, noch nicht stattgefunden hat, kann vom Senat nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt des § 4 PatG ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert, zu dessen Ermittlung in erster Linie die Prüfungsstellen des Deutschen Patentund Markenamts berufen sind. Die Sache war deshalb zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG).

Der Prüfungsstelle obliegt bei der erneuten Prüfung ebenso die Entscheidung darüber, ob die Anmeldung die sonstigen Erfordernisse des § 49 Abs. 1 PatG erfüllt.

Dr. Mayer Dr. Mittenberger-Huber Gottstein Kleinschmidt Me






BPatG:
Beschluss v. 17.01.2011
Az: 20 W (pat) 25/07


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