Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Mai 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 347/05

(BPatG: Beschluss v. 05.05.2009, Az.: 8 W (pat) 347/05)

Tenor

1.

Der Einspruch des Einsprechenden zu 2 wird als unzulässig verworfen.

2.

Das Patent 103 43 959 wird nach Hauptantrag aufrecht erhalten.

Gründe

I.

Die Patentinhaberin hat das Patent 103 43 959 am 19. September 2003 beim Patentamt angemeldet. Die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung

" Werkstücktransportvorrichtung für eine Durchlaufmaschine " wurde am 25. Mai 2005 veröffentlicht.

Dagegen haben jeweils am 24. August 2005 die Firma W...GmbH &Co. KG in H..., Einsprechende 1 sowie Dipl.-Ing. R... in K...straße in H..., Einsprechender 2 Einspruch erhoben.

Sie haben ihren Einspruch insgesamt auf folgende Druckschriften gestützt:

o DE 38 43 213 A1 (D1) bzw. US 5 036 970 A (D1A)

o GB 2 161 143 A (D2)

o DD 291 739 A5 (D3)

o DE 36 28 671 A1 (D4)

o JP 2000 11 8661 A (D5)

o EP 0 992 440 B1 (D6)

o EP 0 921 081 A1 (D7)

o US 3 688 894 (D8)

o Auszug (1 Seite) aus einem Prospekt der Fa. Murtfeld, Profilliste Typ FR, Typ FRC, (D9)

o Norbert Axmann: "Handbuch der Materialflusstechnik -Stückgutförderer", 1. Auflage, Seiten 28 bis 33 (D10).

o Karl Koster: Fachbuch "Leichttransport-Bandtechnik", Vulkan Verlag 1989, Seiten 150 -153 (D11)

o DE 199 21 058 C1 (D12)

o DE 103 28 204 A1 (D13).

Darüber hinaus hat der Einsprechende 2 eine offenkundige Vorbenutzung durch eine Maschine der Firma T... (ausgestellt auf der LIGNA 2003) sowie eine weitere offenkundige Vorbenutzung durch eine Längssägemaschine der Firma W... geltend gemacht, wozu er Auszüge aus einer Zeichnung (D17) eingereicht sowie Zeugenaussagen angeboten hat. Die Einsprechende 1 hat mit Verweis auf die in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegte US 5 036 970 (D1A), welche die Priorität der D1 in Anspruch nimmt, vorgetragen, dass die dort gezeigte Fördervorrichtung nicht nur für leichte Kartonzuschnitte, sondern auch für schwere Werkstücke geeignet sei, weil dort als Werkstück ein "board" Verwendung finde, was übersetzt auch Brett oder Diele bedeuten könne. Deshalb nehme die D1 den Streitgegenstand nach Patentanspruch 1 neuheitsschädlich vorweg, zumindest bestünden zwischen der D1 in Verbindung mit der D12 oder der D14 keine Unterschiede, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent 103 43 959 im Umfang der Ansprüche 1 bis 4, 8 und 9 der erteilten Fassung, hilfsweise, es im Umfang der Ansprüche 1 bis 6 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 1 und 2 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, 1.

den Einspruch des Einsprechenden 2 als unzulässig zurückzuweisen und 2.

das Patent gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten; hilfsweise, das Patent gemäß Hilfsantrag 1 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 14, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung angepasst in den Absätzen 1, 3, 4 und 6 der Patentschrift, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung im Übrigen gemäß Patentschrift sowie 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift; weiter hilfsweise, das Patent gemäß Hilfsantrag 2 mit den Ansprüchen 1 bis 14 und angepasster Beschreibung in den Absätzen 1, 3, 4 und 6 der Patentschrift, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen gemäß Patentschrift beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass der Einspruch des Einsprechenden 2 unzulässig sei, weil er sich nicht mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents befasse. Ferner sei die Lehre des Streitpatents neu und erfinderisch, weil die entgegengehaltenen vorveröffentlichten Druckschriften, die einen Riemen zum Inhalt haben, lediglich reine Transportvorrichtungen seien, auf denen keine Bearbeitung im Durchlauf, insbesondere keine Kantenbearbeitung, stattfinde. Der Vertreter des Einsprechenden 2 hat vorgetragen, dass er den Einspruch des Einsprechenden 2 für zulässig halte, weil der Einspruchsschriftsatz sich ausführlich mit den kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruchs 1 befasst habe.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung lautet:

"Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine mit einem endlos umlaufenden Transportmittel, auf dessen Obertrum die Werkstücke reibund/oder formschlüssig gehalten werden, und mit einer feststehenden Führungsvorrichtung für das Transportmittel, die eine dessen Obertrum entlang der Transportstrecke aufnehmende Führungsschiene aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Transportmittel ein Riemen (4) ist und die Führungsschiene (2) an ihrer Oberseite eine formschlüssig an den Riemen (4) angepasste Laufrinne (3) hat, aus der heraus der Riemen (4) nach oben hin vorsteht, wobei die Laufrinne (3) einen Boden (6) aufweist, in welchem mit einer Druckluftquelle verbundene Luftauslassöffnungen (7) angeordnet sind."

Die Aufgabe der Erfindung besteht hinsichtlich des Hauptantrags gemäß der Beschreibung Absatz [0005] der Patentschrift darin, für eine Werkstücktransportvorrichtung ein Transportmittel samt zugehöriger Führung vorzusehen, welches für höhere Transportgeschwindigkeiten besser geeignet ist.

Hinsichtlich des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 9 gemäß Hauptantrag wird auf die Patentschrift und hinsichtlich des Wortlauts der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik noch dieo DE 100 32 672 A1 (D14)

o DE 102 14 554 A1 (D15)

o DE 196 36 161 A1 (D16)

genannt worden.

II.

1.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren I und II bestätigt durch BGH, Beschluss v. 9.12.2008 -X ZB 6/08 -Ventilsteuerung -Mitt. 2009, 72).

2.

Der Einspruch des Einsprechenden 2 ist zwar fristgerecht erhoben und auch auf die Widerrufsgründe der fehlenden Neuheit bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit gestützt; er ist jedoch nicht ausreichend substantiiert im Sinne von § 59 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 PatG und deshalb unzulässig.

In seinem Einspruchsschriftsatz zitiert der Einsprechende 2 auf Seite 1 den Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents wörtlich. Auf Seite 2 oben stellt der Einsprechende 2 hierzu weiter fest, dass der Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents auf einem Stand der Technik aufgebaut sei, bei dem Werkstücke mittels Transportkette und gleitender oder rollender Führung, z. B. durch Doppelendprofiler, transportiert werden. Im Folgenden (Seite 2 unten bis Seite 7) befasst sich der Einsprechende 2 jedoch ausschließlich mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 sowie mit den Merkmalen der Unteransprüche 2, 3, 4, 8 und 9. Weitere Ausführungen zu den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmalen sind dem gesamten Einspruchsschriftsatz nicht zu entnehmen.

Damit gibt der Einsprechende 2 nicht die Tatsachen im Einzelnen an, die den Einspruch rechtfertigen sollen.

Der BGH hat in ständiger Rechtssprechung (vgl. BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung) unter Hinweis auf weitere Entscheidungen hervorgehoben, dass es keineswegs in das Belieben des Einsprechenden gestellt sei, was und in welchem Umfang er zur Stützung seines Einspruchsbegehrens vorträgt. Danach genüge die Begründung des Einspruchs den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes -hier: mangelnde Neuheit bzw. mangelnde Patentfähigkeit -maßgeblichen Umstände so vollständig darlege, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen könnten (vgl. BPatGE 49, 202, 205, 206 = Mitt. 06, 549 -Türantrieb -unter Hinweis auf BGH -Messdatenregistrierung, a. a. O. unter II. 1. und BGH BlPMZ 87, 203 -Streichgarn). Insbesondere genüge eine Einspruchsbegründung den gesetzlichen Anforderungen dann nicht, wenn sie sich nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasse (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250 -Epoxidation). Werden daher, wie im vorliegenden Fall, aus einer Mehrzahl in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents aufgeführten Druckschriften weder diejenige Druckschrift benannt, geschweige dessen die Textstellen der Vorveröffentlichungen angegeben, aus denen sich die Entsprechungen mit den Oberbegriffsmerkmalen des Anspruchs ergeben sollen, so hat sich der Einsprechende 2 nur mit einem Teilaspekt des Patentanspruchs 1 des Streitpatents befasst und damit nicht ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen eines der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliegen (vgl. BGH -Messdatenregistrierung). Das regelmäßige, in der Patentschrift dargelegte Bekanntsein des Oberbegriffs reicht für die Substantiierung des Einspruchs nicht aus (11 W (pat) 17/94, BPatGE 35, 263, 266). In Ausnahmefällen hat das Bundespatentgericht zwar eine pauschale Bezugnahme auf die dem Oberbegriff zugrundeliegende Vorveröffentlichung zugelassen, wenn der Oberbegriff nicht weiter diskussionswürdigen "herkömmlichen" Stand der Technik betraf und die erfindungswesentlichen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu finden waren (z. B. 19 W (pat) 28/95). In einem solchen Fall kann auch ein pauschaler Verweis auf Patentschriften oder andere Druckschriften als Tatsachenvortrag anerkannt und bei einfachen Sachverhalten auf die Angabe der relevanten Textstellen in der Vorveröffentlichung verzichtet werden (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 59, Rdnr. 108 -110), wenn sich der Zusammenhang aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser von selbst ergibt und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund geradezu aufdrängt (BGH GRUR 1972, 593 -Sortiergerät). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben, weil der Einsprechende 2 noch nicht einmal diejenige Druckschrift, nämlich die DE 100 32 672 A1, aus der Mehrzahl der in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents aufgeführten Druckschriften genannt hat, aus der sich der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ergibt. Des Weiteren fehlen aber auch Angaben dazu, warum der Fachmann Anlass hatte, zur Verbesserung der aus der DE 100 32 672 A1 bekannten Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine einen Stand der Technik aufzugreifen, der eine reine Transporteinrichtung zum Inhalt hat und einzelne Vorrichtungsmerkmale zu übernehmen. Damit hat der Einsprechende 2 keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit mangels Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit ziehen lassen.

3. Der Einspruch der Einsprechenden 1 ist fristund formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patents gemäß Hauptantrag patentfähig ist.

3.1. Die Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hauptantrag sind unstrittig zulässig, weil sie den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 9 entsprechen.

3.2. Der Patentgegenstand gemäß Hauptantrag betrifft nach dem erteilten Patentanspruch 1 eine Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine. Die Werkstücktransportvorrichtung weist ein endlos umlaufendes Transportmittel auf, auf dessen Obertrum die Werkstücke reibund/oder formschlüssig gehalten werden. Weiterhin ist eine feststehende Führungsvorrichtung für das Transportmittel vorgesehen, die eine dessen Obertrum entlang der Transportstrecke aufnehmende Führungsschiene aufweist. Gemäß den Ausführungen in Absatz [0002] der Streitpatentschrift weisen derartige bekannte Werkstücktransportvorrichtungen üblicherweise eine Kette als Transportmittel auf, bei denen insbesondere bei höheren Transportgeschwindigkeiten der sogenannte Polygoneffekt auftrete, der durch den Lauf der einzelnen Kettenglieder um die Umlenkräder herum bedingt sei. Dieser Effekt bedinge Schwingungen, die auch in das fördernde Obertrum der Transportkette übertragen werden und für einen erheblichen Verschleiß verantwortlich seien. Um für eine derartige Werkstücktransportvorrichtung ein Transportmittel samt zugehöriger Führung zu schaffen, welches für höhere Transportgeschwindigkeiten besser geeignet ist, ist beim Streitpatent gemäß Patentanspruch 1 deshalb ein Riemen als Transportmittel der Werkstücktransportvorrichtung vorgesehen. Weiterhin hat die Führungsschiene an ihrer Oberseite eine formschlüssig an den Riemen angepasste Laufrinne, wobei der Riemen aus der Laufrinne heraus nach oben hin vorsteht. Die Laufrinne weist einen Boden auf, in dem mit einer Druckluftquelle verbundene Luftauslassöffnungen angeordnet sind. Nach den Ausführungen in Absatz [0007] der Streitpatentschrift sei es für die Erfindung wesentlich, dass neben den geringeren Massen des Transportriemens sich der endlose Transportriemen im Umlenkbereich leicht in eine Kreisform biegen lasse, wodurch die bei einer Kette üblicherweise entstehende Polygonform der Kettenglieder vermieden werde. Schon deshalb lasse sich mit dem Transportriemen eine höhere Transportgeschwindigkeit realisieren. Weiterhin schwimme der im Bereich der Laufrinne von Stützluft getragene Transportriemen mit seinem fördernden Obertrum auf einem Luftkissen, womit die auftretende Reibung beim Riemenlauf minimiert sei, was ebenfalls für eine Erhöhung der Fördergeschwindigkeit von Vorteil sei.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet in gegliederter Fassung, worauf im Folgenden Bezug genommen wird:

1. Werkstücktransportvorrichtunga.

für eine die Werkstücke im Durchlauf bearbeitende Maschine.

b.

Die Maschine bearbeitet die freiliegenden Seiten des Werkstücks formgebend 2.

mit einem endlos umlaufenden Transportmittel, auf dessen Obertrum die Werkstücke reibund/oder formschlüssig gehalten werden, 3.

mit einer feststehenden Führungsvorrichtung für das Transportmittel.

a. Die Führungsvorrichtung weist eine das Obertrum des Transportmittels entlang der Transportstrecke aufnehmende Führungsschiene auf, 4.

das Transportmittel der Werkstücktransportvorrichtung ist ein Riemen (4), 5.

die Führungsschiene (2) hat an ihrer Oberseite eine formschlüssig an den Riemen (4) angepasste Laufrinne (3), a.

der Riemen (4) steht aus der Laufrinne heraus nach oben hin vor, b.

die Laufrinne (3) weist einen Boden (6) auf, c.

in dem Boden sind mit einer Druckluftquelle verbundene Luftauslassöffnungen (7) angeordnet.

3.3. Die Neuheit der zweifellos gewerblich anwendbaren Werkstücktransportvorrichtung nach Patentanspruch 1 (Hauptantrag) ist gegeben.

Die DE 100 32 672 A1 (D14) und die DE 199 21 058 C1 (D12) zeigen jeweils Kantenbearbeitungsmaschinen von plattenoder brettförmigen Werkstücken, die jeweils eine Kette als Transportmittel aufweisen, weshalb sie das Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht aufweisen.

Die Druckschriften DE 38 43 213 A1 (D1), US 5 036 970 A (D1A), GB 2 161 143 A (D2), DD 291 739 A5 (D3), DE 36 28 671 A1 (D4), JP 2000 11 8661 A (D5), EP 0 992 440 B1 (D6), EP 0 921 081 A1 (D7), US 3 688 894 (D8) und DE 196 36 161 A1 (D16) sowie die Veröffentlichungen nach der D9, D10 und D11 weisen nicht die Merkmale 1a und 1b des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf.

Die Druckschriften DE 103 28 204 A1 (D13) und die DE 102 14 554 A1 (D15) zeigen nicht das Merkmal 5 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

3.4. Der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn für die im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Merkmale vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik keine Anregungen.

Die DE 100 32 672 A1 (D14) bildet den Ausgangspunkt des Streitpatents. Sie hat gemäß Absatz [0002] eine Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine zum Inhalt, die ein endlos umlaufendes Transportmittel aufweist, auf dessen Obertrum die Werkstücke reibund/oder formschlüssig gehalten werden. Gemäß Absatz [0012] weist die bekannte Werkstücktransportvorrichtung eine das Obertrum des Transportmittels entlang der Transportstrecke aufnehmende Führungsschiene (4) als eine feststehende Führungsvorrichtung für das Transportmittel im Sinne der Merkmale 3 und 3a des Streitpatentgegenstandes auf. Jedoch besteht dort das Transportmittel aus einer Kette (1), die mit Laufrollen (3) ausgestattet ist, über welche die laufende Kette (1) sich auf den Führungsflächen der Führungsschiene (4) abstützt. Die Kettenglieder sind aus Stahl gefertigt und gelenkig miteinander verbunden, um einen spielfreien Lauf zu erzielen. Diese Druckschrift hat gemäß den Absätzen [0003] und [0004] bereits Maßnahmen zum Inhalt, wie bei kettenbetriebenen Transportvorrichtungen die Fördergeschwindigkeit erhöht und der Verschleiß vermindert werden kann. Deshalb kann diese Druckschrift den Durchschnittsfachmann, hier einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Durchlaufbearbeitungsmaschinen, für sich gesehen nicht dazu anleiten, vollständig auf eine Kette als Transportmittel zu verzichten und stattdessen ein Förderband zu verwenden.

Eine ähnliche Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine zeigt die D12, deren Inhalt jedoch nicht über das hinausgeht, was aus der D14 bekannt ist.

Die DE 38 43 213 A1 (D1) zeigt eine Einrichtung zum Führen und Unterstützen eines Karton-Zuschnittes oder dergleichen. Die Einrichtung umfasst ein endlos umlaufendes Transportmittel (Förderband 3), auf dessen Obertrum die Werkstücke reibschlüssig gehalten werden, wozu gemäß Spalte 2, Zeilen 19 bis 21 beispielsweise eine entsprechende Einrichtung an der Oberseite des Karton-Zuschnitts angreifen kann. Das als Riemen ausgebildete Förderband (3), ist in einer oben U-förmig ausgebildeten Aufnahme (4) eines Profilträgers gelagert, welches somit eine Führungsschiene und dadurch eine feststehende Führungsvorrichtung für das Obertrum des Transportmittels im Sinne der Merkmale 3 und 3a des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents bildet. Die U-förmig ausgebildeten Aufnahme (4) der Führungsschiene bildet dabei an ihrer Oberseite eine formschlüssig an das Förderband (3) angepasste Laufrinne. Die U-förmige Aufnahme (4) weist einen Boden (5) auf, in welchem mit einer Druckluftquelle verbundene Luftauslassöffnungen (6) angeordnet sind, so dass Druckluft eingeblasen werden kann, und dadurch eine Gleitschicht zwischen dem Förderband (3) und der Laufrinne entsteht. Um die Karton-Zuschnitte, die gemäß Figur 1 über die U-förmige Aufnahme hinausragen, transportieren zu können, muss das Förderband (3) mit seiner Oberseite aus der Laufrinne heraus nach oben hin vorstehen.

Anders als beim Streitpatentgegenstand ist die bekannte Einrichtung nach der D1 zum Führen und Unterstützen eines Karton-Zuschnittes oder dergleichen jedoch nicht für eine die Werkstücke im Durchlauf formgebend bearbeitende Maschine vorgesehen, die die freiliegenden Seiten des Werkstücks formgebend bearbeitet. Denn eine auf dem Förderband stattfindende Bearbeitung, insbesondere eine formgebende Bearbeitung der Werkstücklängsseiten, ist in der D1 weder beschrieben noch angeregt. Selbst die von der Einsprechenden 1 herangezogene Textstelle in Spalte 1, Zeilen 62 bis 68 der D1, wonach der Kartonzuschnitt bereits mit einer siegelbaren Kunststofffläche versehen ist, welche zum Versiegeln beim Herstellen eines Behälters aufgeschmolzen wird, offenbart allenfalls die Beschaffenheit und den Verwendungszweck des Kartonzuschnitts. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden 1 gibt diese Textstelle jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass das Herstellen des Behälters direkt auf dem Förderband und somit im Durchlauf stattfinden solle. Vielmehr lässt die D1 aufgrund der Textstellen in Spalte 1, Zeilen 42 bis 45, Spalte 1, Zeilen 50 bis 55 sowie Spalte 2, Zeilen 15 bis 18 klar erkennen, dass es dort ausschließlich um einen möglichst optimalen und gleichmäßigen Transport der Kartonzuschnitte geht, weshalb bei der Führungseinrichtung nach der D1 ein sehr gleichmäßiges Luftpolster angestrebt wird. Eine Bearbeitung im Durchlauf auf dem Förderband, insbesondere eine formgebende Bearbeitung der Werkstücklängsseiten, würde zweifellos zusätzliche Kräfte und Momente in das Förderband einleiten, die einem gleichmäßigen Förderbandlauf vollkommen entgegenstehen. Auch das Vorbringen der Einsprechenden 1 mit Verweis auf die US 5 036 970 A (D1A) ergibt keine andere Beurteilung des Sachverhalts, weil auch dort keine Bearbeitung im Durchlauf offenbart wird, sondern ebenso wie bei der D1 der optimale und gleichmäßige Transport der Werkstücke, unabhängig davon, ob dies Kartonzuschnitte oder Bretter sind, im Vordergrund steht.

Aus diesem Grund kann die D1 bzw. die D1A für sich gesehen den Fachmann nicht dazu anleiten, die bekannte Einrichtung zum Führen und Unterstützen von Werkstücken für eine die Werkstücke im Durchlauf formgebend bearbeitende Maschine vorzusehen.

Auch eine Zusammenschau der Druckschriften D12 oder D14 mit der D1 führt nicht zum Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1. Denn selbst wenn der Fachmann, ausgehend von einer der Druckschriften D12 oder D14, den bei Ketten auftretenden Polygoneffekt beseitigen will, hat er -ohne Kenntnis der Erfindung nach dem Streitpatent -nach Überzeugung des Senats keinerlei Veranlassung, sich Anregungen bei einer reinen Transporteinrichtung nach der D1 zu holen, deren Inhalt zweifelsfrei erkennen lässt, dass sie einen optimalen und gleichmäßigen Transport der Werkstücke anstrebt, was mit einem gleichmäßigen Luftpolster erreicht wird. Denn bei einer Werkstücktransportvorrichtung für eine formgebend die Längsseiten bearbeitende Durchlaufmaschine ist es zwingend notwendig, die Werkstücke auf dem Obertrum des Förderbandes derart präzise und fest zu spannen, dass die Werkstücke durch die in Folge der Bearbeitung eingeleiteten Kräfte und Momente nicht verschoben werden. Diesem Erfordernis widerspricht die Lehre der D1 vollkommen, weil es dort um den gleichmäßigen Transport der Werkstücke geht.

Deshalb kann die D1 auch in einer Zusammenschau mit der Lehre der D12 oder der D14 den Fachmann nicht anregen, eine Werkstücktransportvorrichtung für eine die Werkstücke im Durchlauf an dabei freiliegenden Seiten formgebend bearbeitende Maschine mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen, insbesondere mit einem Förderband als Transportmittel, auszubilden.

Die DE 102 14 554 A1 (D15) zeigt ein Bearbeitungszentrum für die spanabhebende Bearbeitung von Werkstücken, das Förderbänder zum Transport der Werkstücke durch eine Holzbearbeitungsmaschine hindurch aufweist. Zum Spannen der Werkstücke sind auf den Förderbändern Werkstückspannelemente (4) bzw. Spannvorrichtungen (24, 25, 26) angeordnet, die entweder pneumatisch oder mittels Vakuum betätigt werden können. Die Führung des Förderbandes erfolgt gemäß Absatz [0017] anders als beim Streitpatentgegenstand über Führungsrollen, die sich an den Spannvorrichtungen befinden. Auch gibt diese Druckschrift keine Hinweise auf die Merkmale gemäß Merkmalskomplex 5 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Vielmehr führt diese Druckschrift mit den am Förderband befestigten Werkstückträgern den Fachmann in eine völlig andere Lösungsrichtung als der Streitpatentgegenstand, bei dem die Werkstücke direkt auf dem Förderband aufliegen. Die D15 kann daher weder für sich gesehen noch in Verbindung mit der D1 den Streitpatentgegenstand nahe legen.

Die Druckschriften DD 291 739 A5 (D3), DE 36 28 671 A1 (D4), JP 2000 11 8661 A (D5), EP 0 992 440 B1 (D6), EP 0 921 081 A1 (D7) und US 3 688 894 (D8) sowie die Druckschrift D11 haben jeweils Luftbandförderer zum Inhalt, die lediglich zum Transport von losen Schüttgütern eingesetzt werden. Sie liegen deshalb inhaltlich weiter ab von dem, was aus der D1 bekannt geworden ist.

Die DE 103 28 204 A1 (D13) ist ein nachveröffentlichter Stand der Technik, der gemäß § 4 Satz 2 PatG bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu bleiben hat.

Die DE 196 36 161 A1 (D16) liegt weiter ab vom Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 und wurde lediglich hinsichtlich der Merkmale des Patentanspruchs 9 des Streitpatents genannt. Auch die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen sowie die von dem Einsprechenden 2 genannten, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu berücksichtigenden, vorveröffentlichten Druckschriften nach der D2, der D9 sowie der D10 liegen weiter ab vom Streitpatentgegenstand und sind in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen worden. Sie stehen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegen, wie der Senat überprüft hat. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher Bestand.

4. Die Unteransprüche 2 bis 9 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Streitpatentgegenstands nach dem Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen.

Sie haben daher ebenfalls Bestand.

Bei dieser Sachlage war das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

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BPatG:
Beschluss v. 05.05.2009
Az: 8 W (pat) 347/05


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