Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 15. Januar 2010
Aktenzeichen: I-17 U 6/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 15.01.2010, Az.: I-17 U 6/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. 12. 2008 verkündete Urteil der

5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der der Streithelfer der Klägerin fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist mit einem Anteil von ca. 23,52 % am Grundkapital der Beklagten beteiligt. Hauptaktionärin der Beklagten ist mit 51,35 % die in Spanien sitzende C. Hotel Buenaventura S.A., die zu 100 % im Besitz der L. Touristik S.A. stand, die ihrerseits beherrscht wird von ihrer mit 79,97 % beteiligten Hauptaktionärin, der H. S.A. Deren Hauptaktionär ist Herr Eustasio López Gonzalez zu 51 %.

Die L. Touristik S.A. hält 50 % an der B. Beteiligungs Treuhand GmbH, die ihrerseits Aktionärin der Beklagten mit einem Anteil von 17,9 % (im Jahre 2002) ist.

In der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. 07. 2007 wurden mit den Stimmen der C. S.A. und gegen die Stimmen der Klägerin der Vorstand und der Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2006 entlastet, Beschlussvorschläge der Klägerin auf Bestellung eines Sonderprüfers zu Vorgängen im Geschäftsjahr 2006 abgelehnt, Aufsichtsratsmitglieder bestellt und davon abweichende Wahlvorschläge der Klägerin abgelehnt.

Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage sowie ihre Anträge auf positive Beschlussfeststellungen zum einen darauf gestützt, die C. S.A. habe ihre Stimmrechte nicht wirksam ausüben können, weil nicht sämtliche sie beherrschenden Unternehmen die notwendigen Stimmrechtsmitteilungen abgegeben hätten.

Zum anderen verstießen die Beschlüsse zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat gegen § 161 AktG, weil die Beklagte von den Vorgaben des Deutschen Corporate Kodex abgewichen sei, ohne dies offen zu legen. Der Beschluss zur Entlastung des

Aufsichtsrats verstoße auch gegen § 136 AktG, weil vier Aufsichtsratsmitglieder die Stimmenmehrheit im Geschäftsführungsorgan der C. S.A. gehabt hätten.

Sie und ihre beiden Streithelfer haben beantragt,

den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. 07. 2007 zu Tagesordnungspunkt 2, mit dem die Hauptversammlung dem Vorstand Entlastung für das Geschäftsjahr 2006 erteilt hat, für nichtig zu erklären, den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 2, mit dem die Hauptversammlung die Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt hat, für nichtig zu erklären, festzustellen, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 2 folgenden Beschluss gefasst hat:

Es soll eine Sonderprüfung stattfinden zur Untersuchung der Vorgänge im Zusammenhang mit der im Geschäftsjahr 2006 mit der L.-Gruppe erfolgten Zusammenarbeit der I. Hotel & Touristik AG sowie ihrer Tochtergesellschaften betreffend die Hotels auf Gran Canaria in den Bereichen Catering, Hotelwäscherei und Einkauf, und zwar insbesondere zu folgenden Fragen:

Hat die Zusammenarbeit mit der L.-Gruppe hinsichtlich der kanarischen Hotels zu einem Schaden der Gesellschaft oder ihrer Tochterunternehmen geführt, insbesondere weil die von der L.-Gruppe erbrachten Leistungen im Vergleich mit Drittanbietern überteuert waren€ Hat der Vorstand im Bereich des Einkaufs dafür Sorge getragen, dass die von den Zulieferern gewährten Mengenrabatte und ähnliche Mengenvorteile in anteilig korrekter Höhe der I. oder ihren Tochterunternehmen zugute kamen€ Dauert die Schadenszufügung in diesem Zusammenhang noch an€ Wie hoch sind diese Schäden zu beziffern€ Konnte sich der Vorstand im Rahmen der Vereinbarung dieser Zusammenarbeit mit der L.-Gruppe auf sachlich rechtfertigende Gründe berufen€

Zum Sonderprüfer wird die W. & K. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Rosenstraße, 40479 Düsseldorf, bestellt. Der Sonderprüfer kann die Unterstützung von fachlich qualifiziertem Personal, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche der Gesellschaft heranziehen.

den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 3, mit dem die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat Entlastung für das Geschäftsjahr 2006 erteilt hat, für nichtig zu erklären, den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 3, mit dem die Hauptversammlung die Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt hat, für nichtig zu erklären, festzustellen, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 3 folgenden Beschluss gefasst hat:

Es soll eine Sonderprüfung stattfinden zur Untersuchung der Vorgänge im Zusammenhang mit der im Geschäftsjahr 2006 mit der L.-Gruppe erfolgten Zusammenarbeit der I. Hotel & Touristik AG sowie ihrer Tochtergesellschaften betreffend die Hotels auf Gran Canaria in den Bereichen Catering, Hotelwäscherei und Einkauf, und zwar insbesondere zu der Frage, ob Mitglieder des Aufsichtsrats ihren diesbezüglichen Überwachungspflichten in umfassender Form nachgekommen sind, so dass potentielle Schäden von der Gesellschaft und ihren Tochtergesellschaften abgewendet wurden. Zum Sonderprüfer wird die W. & K. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Rosenstraße, 40479 Düsseldorf, bestellt. Der Sonderprüfer kann die Unterstützung von fachlich qualifiziertem Personal, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche der Gesellschaft heranziehen.

die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkte 5, mit denen die Hauptversammlung der Beklagten die Herren Miguel B. G., Roberto L. S., Antonio Rodriguez P. und Andrés Fermoso L. im Wege der Einzelwahl zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt hat, für nicht zu erklären, den Wahlbeschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 5, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten die (Block-) Wahl von Herrn Alexander M. V., Herrn Gustav V., Herrn Eugenio V. R. und Frau Bàrbara E. A. zu Mitgliedern des Aufsichtsrats abgelehnt hat, für nichtig zu erklären, festzustellen, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Juli 2007 zu Tagesordnungspunkt 5 die Herren Alexander M. V., Gustav V., Eugenio V. R. und Frau Bàrbara E. A. für eine volle Amtsperiode gem. § 10 Abs. 2 der Satzung zu Mitgliedern des Aufsichtsrates der Beklagten bestellt hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klageanträge zu 3) und zu 6) seien nicht bestimmt genug, weil unklar sei, welche Geschäftspartner mit der "L.-Gruppe" gemeint seien. Die Klägerin habe aus im Einzelnen ausgeführten Gründen auch kein rechtlich schützenswertes Interesse an der Verfolgung ihrer Anträge.

Sie hat behauptet, sowohl die H. de F. L. S. S.A. (H.) wie Herr Eustasio L. G. hätten gemäß § 41 Abs. 2 WpHG ihre Stimmrechtsanteile an der Beklagten der Beklagten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mitgeteilt, nämlich am 02. März 2004 und am 29. 04. 2004 bzw. mit Schreiben vom 07. 04. und vom 24. 04. 2004 (Anl. B7 bis B10).

Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten hätten jährlich erklärt, ob den Empfehlungen des Deutschen Corporate Government-Codex entsprochen werde, und diese Erklärung auf der Internetseite der Beklagten eingestellt.

Die in Rede stehenden vier Aufsichtsratsmitglieder hätten weder für sich allein oder gemeinsam einen maßgeblichen oder gar vollständigen Einfluss auf das Stimmverhalten der C. S.A. ausüben können.

Während des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte eine Stimmrechtsmitteilung veröffentlicht (Anl. K 21, Bl. 280 ff. GA).

Das Landgericht hat den Klaganträgen entsprochen.

Die Klage sei in allen Anträgen zulässig. Insbesondere seien die Anträge zu 3) und zu 6) hinreichend bestimmt. Mit dem Ausdruck "L.-Gruppe" seien ersichtlich die Gesellschaften gemeint, die unter der Leitung der H. de F. L. S. S.A. geführt würden.

Die Anträge 1,2,4,5,7, und 8 seien begründet gemäß §§ 243 Abs. 1, 130 Abs. 2 AktG, weil die Stimmen der C. S.A. nicht hätten mitgezählt werden dürfen bei der Abstimmung. Denn die von der Beklagten vorgelegten Mitteilungen der H. S.A. und des Herrn Eustasio L. G. gäben nicht an, von welchem Dritten oder welchem kontrollierten Unternehmen die Anzeigenden ihre Stimmrechtsanteile an der Beklagten herleiten. Diese Anzeigen seien deshalb nicht gleichwertig im Sinne von § 41 Abs. 4a Satz 2 WpHG. Da die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 WpHG nicht erfüllt worden seien, habe der C. S.A. kein Stimmrecht zugestanden. Ohne deren Stimmen wären die angefochtenen Beschlüsse nicht gefasst worden.

Die beiden Feststellungsbeschlüsse seien zu erlassen, weil der Versammlungsleiter zu Unrecht die Ablehnung der Anträge der Klägerin festgestellt habe; die Anfechtungsanträge dürften deshalb um die Feststellungsanträge ergänzt werden.

Die Beklagte beruft sich in ihrer Berufung auf einen Bestätigungsbeschluss ihrer Hauptversammlung vom 10. 07. 2008 (Anl. BK 1, Bl. 478 ff. GA), der Gegenstand der Anfechtungsklage vor dem Landgericht Duisburg ist (24 O 84/08). Einen weiteren Bestätigungsbeschluss hat die Hauptversammlung am 28. 08. 2009 getroffen (Anl. BK 6); er ist Gegenstand der Anfechtungsklage LG Duisburg 24 O 112/09.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen dazu, dass die Klaganträge zu 3. und 6. nicht hinreichend bestimmt seien, und legt dazu Unterlagen vor (BK 3). Das Landgericht habe den von ihr vorgelegten Handelsregisterauszug B 12 nicht zur Kenntnis genommen. Der Prüfungsauftrag der Sonderprüfung beziehe sich unzulässigerweise auf Tochtergesellschaften der Beklagten.

Sie meint, die Stimmen der C. S.A. hätten mitgezählt werden müssen. Die meldepflichtigen H. S.A. und Herr G. hätten seit Erreichen der 50%-Schwelle keine Stimmrechtsanteile dazu erworben und seien deshalb nicht nach § 41 Abs. 4a Satz 1 WpHG meldepflichtig gewesen. Die Übergangsregelung des § 41 Abs. 4a Satz 2, 2. HS WpHG sei nicht anwendbar. Dazu verweist sie unter anderem auf die Stellungnahme des BaFin vom 6. Februar 2009 (Bl. 508 ff. GA).

Sie beantragt,

unter Abänderung des am 10. 12. 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts

Duisburg die Klägerin mit der Klage abzuweisen,

hilfsweise,

anzuordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung der vor dem Landgericht

Duisburg unter den Aktenzeichen 25 O 84/08 und 24 O 112/09 anhängigen

Rechtsstreite gemäß § 148 ZPO ausgesetzt wird.

Die Klägerin und ihr Streithelfer zu 1) beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen dazu, dass die Stimmen der C. S.A. am 05. Juli 2007 nicht hätten gezählt werden dürfen. Die Bestätigungsbeschlüsse seien ihrerseits rechtswidrig, jedenfalls hätten sie allenfalls ein Wiederaufleben der Stimmrechte der C. S.A. mit exnunc-Wirkung zur Folge.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

A Die Klaganträge sind zulässig.

Die Anträge zu 3) und) geben Gegenstand und Grund der Sonderprüfung, auf die sich die Beschlussfeststellung bezieht, hinreichend konkret an, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Grundsätzlich gilt, dass Klaganträge der Auslegung zugänglich sind (BGH NJW-RR 1994, 568). Die Klägerin hat den von ihr verwandten Begriff "L.-Gruppe" dadurch konkretisiert, dass sie unter Verweis auf den Internetauftritt der L.-Gruppe und vor allem auf den Geschäftsbericht der H. de Francisco L. S. S.A. als mittelbar herrschender Großaktionärin der Beklagten Bezug genommen hat (Anl. K 14 und 15). Dieser Geschäftsbericht zählt die Gesellschaften, die zu dieser Gruppe gehören, namentlich auf. Damit hat sie eine eindeutige Auslegung dieses Begriffs ermöglicht.

Auf die Eintragung der H. S.A. im Handelsregister kommt es nicht an.

B Die Klaganträge sind auch begründet.

a)

Die Klägerin hat rechtzeitig die im Streit stehenden Beschlüsse der Beklagten angefochten. Diese sind rechtswidrig ergangen, weil der Versammlungsleiter die Stimmen der Hauptaktionärin C. S.A. nicht hätte mitzählen dürfen, §§ 243 Abs. 1, 130 Abs. 2 AktG.

Nach der Regelung in § 28 Satz 1 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG zugerechnet werden, nicht für die Zeit, für welche die Meldepflichten nach § 21 Abs. 1 oder 1a WpHG nicht erfüllt wurden.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Stimmrechte der C. S.A. am 05. 07. 2007 nicht bestanden, weil die Mitteilungspflichten nach §§ 21 Abs. 1, 41 Abs. 4a WpHG nicht erfüllt waren. Ausschlaggebend erscheint dem Senat dabei der europarechtliche Zusammenhang, in dem diese Regelungen stehen.

1)

Die Richtlinie 2004/109/EH zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Information über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390, S. 38 ("Transparenzrichtlinie") schreibt bestimmte Schwellen vor, bei deren Erreichen, Über- oder Unterschreiten ein Aktionär seine Stimmrechtsanteile mitzuteilen hat, Art. 9 Abs. 1. Die Transparenzrichtlinie trifft in Art. 10 Regelungen über die Erweiterung dieser Mitteilungspflicht durch Zurechnung fremder Stimmrechte und definiert in Art. 12 die Angaben, die die Anzeige enthalten muss, insbesondere die Kette der kontrollierten Unternehmen, über die die Stimmrechte tatsächlich gehalten werden.

Als Überleitung sieht Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie vor, dass ein Aktionär dem Emittenten gemäß den Artikeln 9, 10 und 13 spätestens zwei Monate nach dem in Art. 31 Absatz 1 genannten Datum mitzuteilen hat, welchen Stimmrechts- und Eigenkapitalanteil er am Emittenten zu diesem Zeitpunkt hält, es sei denn, er hat bereits vor diesem Zeitpunkt eine Mitteilung mit gleichwertigen Informationen an den Emittenten gerichtet.

Dem Europäischen Richtliniengeber kam es darauf an, die Mitteilungspflichten dahin zu ergänzen, dass der Aktionär auch fremde Stimmrechte anzugeben hat, wenn er auf deren Ausübung von Rechts wegen oder auch nur faktisch Einfluss hat oder haben kann. Es soll damit sichergestellt sein, dass in der Marktöffentlichkeit ein zutreffendes Bild über die rechtlichen und tatsächlichen Stimm-, Einfluss- und Machtverhältnisse bei der Gesellschaft entsteht. Dabei soll die Marktöffentlichkeit frühzeitig über den Aufbau oder Abbau wesentlicher Beteiligungen informiert werden.

Hieran hat sich die Auslegung des Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 5. Januar 2007 zu orientieren.

2)

Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie umgesetzt, indem er §§ 21, 22 WpHG änderte und die §§ 17 ff. WpAIV einführte. Die Übergangsregelung hat er in § 41 Abs. 4a WpHG gefasst:

"Wer am 20. Januar 2007, auch unter Berücksichtigung des § 22 in der vor dem 19. August 2008 geltenden Fassung, einen mit Aktien verbundenen Stimmrechtsanteil hält, der die Schwelle von 15, 20 oder 30 Prozent erreicht, überschreitet oder unterschreitet, hat dem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, spätestens am 20. März 2007 seinen Stimmrechtsanteil mitzuteilen. Das gilt nicht, wenn er bereits vor dem 20. Januar 2007 eine Mitteilung mit gleichwertigen Informationen an diesen Emittenten gerichtet hat; der Inhalt der Mitteilung richtet sich nach § 21 Abs. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 2."

Danach soll für Bestandsfälle eine Mitteilungspflicht eingeführt werden. Nicht nur die Aktionäre, die nach Erlass der Gesetzesnovelle Aktien bestimmter Schwellen erwerben oder veräußern, sollen dies in der vorgeschriebenen Weise offenbaren, sondern auch die Aktionäre, die bereits Stimmrechte einer bestimmtem Größenordnung halten.

Der Senat versteht die Übergangsregelung dahin, dass - nur - derjenige Aktionär von der Mitteilungspflicht befreit ist, der bereits vor dem Stichtag (20. 01. 2007) eine Mitteilung an den Emittenten gerichtet hat, die der Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG in Verbindung mit § 17 WpAIV gleichwertig ist.

Die Gleichwertigkeit früherer Mitteilungen richtet sich nach dem Inhalt, den der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 WpHG in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht auch nach Sinn und Zweck des Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetzes keine Veranlassung. Denn nur bei Einhaltung der vollständigen Mitteilungspflicht ist dem Anliegen der Markttransparenz genügt.

Danach können nur solche Aktionärsmitteilungen aus der Zeit vor dem 20. 01. 2007

als gleichwertig im Sinne von § 41 Abs. 4a WpHG angesehen werden, die Angaben darüber enthalten, dass und in welcher Weise fremde Stimmrechte zugerechnet werden.

3)

Die Auffassung der BaFin (Anl. BK 5), dass die Mitteilungspflicht nach § 41 Abs. 4a WpHG nur dann ausgelöst werde, wenn der Pflichtige seit seiner letzten Mitteilung einen der neuen Schwellenwerte berühre, vermag den Senat nicht zu überzeugen.

Die Anstalt stützt sich bei dieser den Wortlaut der Übergangsregelung übersteigenden Auslegung allein auf den Wunsch des deutschen Gesetzgebers, keine generelle Bestandsmitteilungspflicht zu begründen. Aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 249 Abs. 3 EG und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG) sind die nationalen Gerichte indes verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 10.04. 1984 - RS. 14/83, Slg. 1984, 1891; Urteil vom 05. 10. 2004 - Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I S. 8835). Die Überleitungsregelung des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/109/EH, die der Gesetzgeber mit Erlass des § 41 Abs. 4a WpHG in deutsches Recht überführt hat, sieht die von der BaFin angenommene Differenzierung nicht vor. Die angeordnete Mitteilungspflicht für Bestandsfälle wird nicht dadurch begründet, dass sich die Stimmrechtsanteile des Aktionärs seit seiner letzten Mitteilung verändert haben. Sie trifft vielmehr jeden Aktionär, der am 20. 01. 2007 Aktien bestimmter Schwellenwerte "hält".

Die Mitteilungspflicht, die der europäische Richtliniengeber an neu definierte Stimmrechtsanteile knüpft, soll nur dann entfallen, wenn der Markt aufgrund gleichwertiger Mitteilungen bereits informiert ist. Ob die früheren Mitteilungen gleichwertig sind, kann sich aufgrund der neu definierten Zurechnungszusammenhänge für die Stimmrechtsbestimmung nicht danach richten, ob sich die Stimmrechtsanteile geändert haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob die frühere Mitteilung im Fall der Zurechnung von Stimmrechten den Namen des Dritten oder des kontrollierten Unternehmens nennt.

4)

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in seinem Beschluss vom 06. 04. 2009 (5 W 8/09), der ein Freigabeverfahren (squeeze out) betrifft, gemeint, die dortigen Hauptaktionäre unterlägen nicht einer Bestandsmeldepflicht nach § 41a Abs. 4a WpHG, § 17 WpAIV n. F., weil sie vor dem 20.01.2007 eine ” gleichwertige" Information (§ 41a Abs. 4a Satz 2 WpHG) an den Emittenten gerichtet hätten. Die Antragstellerin habe im Hauptsacheverfahren im Einzelnen dargelegt und durch Vorlage entsprechender Dokumente belegt, dass sämtliche in der Beteiligungsübersicht ausgewiesenen Gesellschaften ihren Mitteilungspflichten nachgekommen und hierbei ordnungsgemäß vertreten oder - in Zusammenhang mit dem unterlassenen Pflichtangebot nach § 59 WpÜG - durch die BaFin hiervon befreit waren. In der gleichwertigen Information müssten die nunmehr in § 17 WpAIV neu geregelten Erfordernisse nicht enthalten gewesen sein, was sich bereits aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung ergebe (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2498, S. 48 zu Nr. 27 a).

Der Senat vermag der veröffentlichten Entscheidung nicht zu entnehmen, ob die dem Oberlandesgericht Frankfurt vorliegenden Aktionärsmitteilungen "gleichwertig" im Sinne der Transparenzrichtlinie sind. Die Entscheidung des OLG Frankfurt kann jedenfalls ohne Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht ohne weiteres dahin verstanden werden, Aktionäre mit Anteilen bestimmter Größenordnungen hätten etwa die Zurechnung fremder Stimmrechte nicht in einer Weise offen zu legen, die § 21 Abs. 1 WpHG sinngemäß entspricht. Eine solche Auslegung wäre mit dem Wortlaut der Übergangsregelung des § 41 Abs. 4a WpHG nicht vereinbar, der für den Inhalt der Mitteilung ausdrücklich auf die neu formulierte Bestimmung des § 21 Abs. 1 WpHG verweist, der wiederum in Satz die Beachtung der § 22 Abs. 1 und 2 WpHG anordnet. Dessen Zurechnungstatbeständen muss die Mitteilung Rechnung tragen, wenn sie als "gleichwertig" gelten soll.

5)

Die von der Beklagten vorgelegten Mitteilungen der hinter der C. S.A. stehenden H. S.A. und des Herrn Eustasio L. G. (Anl. B 7 bis B 10) entsprechen den §§ 21, 22 WpHG, 17 WpAIV nicht, weil sie die Zurechnung der Stimmrechte der BT Beteiligungs Treuhand GmbH nicht in ihrer Herleitung offenbaren.

b)

Die Berufung hat auch nicht deshalb Erfolg, weil die Beschlussfeststellung eine Sonderprüfung betrifft, die - auch - die Tochtergesellschaften der Beklagten einbezieht.

Grundsätzlich kann Gegenstand der Sonderprüfung nach § 142 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung sein. Darunter ist der gesamte Verantwortungsbereich des Vorstands zu verstehen, und zwar im umfassenden Sinne des § 77 Abs. 1 AktG (vgl. Hüffer, AktG § 142 Rdnr. 4 m.w.N.). Zur Geschäftsführung können auch bestimmte Vorgänge im Konzern gehören, wie etwa die geschäftlichen Beziehungen zwischen der Konzernmutter zu Tochterunternehmen der betroffenen Aktiengesellschaft. Entscheidend ist, dass es letztlich um Vorgänge der Gesellschaft geht.

Hierfür genügt es, wenn die Gesellschaft als Erteilerin oder Empfängerin einer Weisung im Vertragskonzern die wirtschaftlichen Konsequenzen einer dem beherrschten Unternehmen oder von dem herrschenden Unternehmen vorgegebenen Maßnahme zu tragen hat (vgl. dazu Uwe Schneider, AG 2008, 305-310). Die Prüfung von Vorgängen, die ausschließlich Konzernunternehmen betreffen, kann dagegen nicht Gegenstand einer bei der Konzernobergesellschaft gemäß § 142 Abs. 1 AktG beantragten Sonderprüfung sein (MüKo/Schröer, Aktiengesetz, § 142 Rdnr. 18 ff.). Die von der Klägerin angestrebte Sonderprüfung entspricht diesen Maßstäben. Denn die Tochtergesellschaften der Beklagten sind lediglich einbezogen in die aufzuklärende Zusammenarbeit der Gruppe um die herrschende Konzernmutter mit der Beklagten sowie in die Feststellung eines Schadens. Der Prüfgegenstand betrifft mithin den Geschäftsführungsbereich der Beklagten im Konzernverbund.

c)

Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Bestätigungsbeschlüsse kommt nicht in Betracht.

Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 148 ZPO ist die Abhängigkeit der Entscheidung von jener, die in einem anderen Rechtsstreit zu treffen ist; diese muss vorgreiflich sein für die Entscheidung, die im auszusetzenden Verfahren ergehen soll. Dies ist nur der Fall, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. Das Rechtsverhältnis muss den Gegenstand des anderen Verfahrens bilden und darf dort nicht seinerseits nur Vorfrage sein.

Die Verfahren über die Wirksamkeit der beiden Bestätigungsbeschlüsse, die die Hauptversammlung der Beklagten in den Jahren 2008 und 2009 getroffen hat, sind nicht präjudiziell für die vom Senat zu treffende Entscheidung. Der Erfolg der Anfechtungs- und positiven Feststellungsklagen im hiesigen Verfahren ist vielmehr eine Vorfrage der beim Landgericht Duisburg anhängigen Rechtsstreitigkeiten.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 225.000,00 EUR festgesetzt.

Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 08. 12. 2009 geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Überleitungsregelung des § 41 Abs. 4a WpHG einem Aktionär Mitteilungspflichten auferlegt, betrifft eine unbestimmte Vielzahl von Fällen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.

P. Dr. A.-S. Dr. D.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 15.01.2010
Az: I-17 U 6/09


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