Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Januar 2005
Aktenzeichen: 23 W (pat) 19/02

(BPatG: Beschluss v. 11.01.2005, Az.: 23 W (pat) 19/02)

Tenor

1. Die Verfahrenskostenhilfe wird bewilligt.

2. Dem Patentanmelder wird der Patentanwalt H..., F... Straße in B... beigeordnet.

3. Das Patent 100 10 258 wird mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 4 und Beschreibung Seiten 1 bis 3, jeweils eingegangen am 13. Dezember 2004 sowie Zeichnung, offengelegte Figuren 1 bis 6.

Gründe

I Die Anmeldung wurde mit der Bezeichnung "Kombinierte Solar-Wind-Anlage" am 2. März 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.

Im Prüfungsverfahren wurden die Entgegenhaltungen 1) deutsches Gebrauchsmuster 297 17 984, 2) japanische Offenlegungsschrift 6-167 269 und 3) deutsches Gebrauchsmuster 297 05 410 ermittelt und die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L hat die Ausführbarkeit der angemeldeten Lehre in Frage gestellt.

Mit Beschluß vom 2. Januar 2002 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen, weil die Lehre des damaligen Patentanspruchs 1 insofern nicht ausführbar sei, als es nicht ersichtlich sei, wie bei einem symmetrischen Aufbau einer kombinierten Solar-Wind-Anlage eine durch Wind verursachte Rotation zustande kommen soll.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

In dieser Beschwerde hat der Anmelder zudem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht gestellt und Beiordnung des Patentanwalts H... beantragt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich im Vergleich zum Jahr 2000 nicht geändert.

Eine Beschwerdegebühr hat der Anmelder nicht entrichtet.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2002 hat der Anmelder seinen Verfahrenskostenhilfeantrag dahingehend ergänzt, daß die Verfahrenskostenhilfe auch für die Zahlung der Patent-Jahresgebühren gelten solle.

Weiter beantragt er, die Patent-Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe mit einzubeziehen.

Der Anmelder hat mit dem Schriftsatz vom 10. Dezember 2004 neue Ansprüche 1 bis 4 sowie eine vollständig überarbeitete Beschreibung eingereicht. Die geltenden Ansprüche 1 bis 4 haben folgenden Wortlaut:

"1. Kombinierte Solar-Wind-Anlage mit einem Mast (1), an dessen oberer Spitze ein Generator angeordnet ist, der durch an Tragarmen befestigten Solarplatten (14) angetrieben wird, wobei die Solarplatten (14) jeweils in einen oberen und einen unteren Teil getrennt sowie sämtliche Teile davon in drei weitere Solarplatten geteilt sind, wobei die mittlere Hauptsolarplatte doppelt so groß ist wie die seitlich angehängten Seitensolarplatten, die beim Umschalten auf Windbetrieb zusammenklappbar sind.

2. Kombinierte Solar-Wind-Anlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Anlage mit kleinen, an der Rückseite der Flächen befestigten Aggregaten, welche für das Ein- und Aufklappen der Solarplatten zuständig sind, und zwei anderen, die Solarfläche horizontal und vertikal drehenden Aggregaten versehen ist.

3. Kombinierte Solar-Wind-Anlage nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Wind- und einen Solar-Sensor aufweist, durch welche die Anlage von Solar- auf Windkraft und umgekehrt umgeschaltet wird.

4. Kombinierte Solar-Wind-Anlage nach einem der vorhergehende Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie durch die beiden regenerativen Energiequellen, Sonn und Wind, abwechselnd Strom erzeugt."

Der Anmelder vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, so daß auf der Basis der nun vorliegenden Unterlagen, einschließlich der offengelegten Zeichnung, Figuren 1 bis 6, ein Patent erteilt werden könne.

II Die Verfahrenskostenhilfe wird bewilligt, weil die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg in dem Sinne bietet, daß eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht, § 129, 130 Abs 1 Satz 1 iVm § 114 ZPO. Die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbaren zumindest einen patentfähigen Gegenstand, der auch seinen Niederschlag im geltenden Patentanspruch 1 gefunden hat.

a) Die geltenden Unterlagen, insbesondere die geltenden Patentansprüche 1 bis 4, sind zulässig. Der geltende Patentanspruch 1 geht auf die ursprüngliche Beschreibung Seite 1, Zeilen 15 bis 23 zurück. Auch der geltende Patentanspruch 2 geht auf die ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, Z 27 bis Seite 2, Z 8, zurück. Die geltenden Patentansprüche 3 und 4 finden ihre inhaltliche Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2.

Die geltende Beschreibung ist ebenfalls zulässig, da diese sich von der ursprünglichen Beschreibung lediglich durch die Würdigung des Standes der Technik, eine explizite Aufgabenstellung sowie durch redaktionelle Änderungen unterscheidet.

Die offengelegten Figuren 1 und 3 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Figuren 1 bis 4 und 6 in dieser Reihenfolge. Die geltende Figur 5 mit vertikal angeordneten Solarplatten geht auf ursprüngliche Beschreibung Seite 1, Zeilen 21 bis 24 in Verbindung mit ursprünglichen Figur 2 zurück, worin die Solarplatten geneigt dargestellt sind.

b) Ausweislich der geltenden Beschreibung geht die vorliegende Patentanmeldung von kombinierten Solar-Wind-Anlagen aus, bei denen die Größe der Solarfläche durch die Größe der dem Wind ausgesetzten Fläche von Propellern bzw. Rotoren begrenzt ist, die wiederum durch die konstruktiv vorgesehene Widerstandsfähigkeit der Anlage gegenüber den prognostizierten maximalen Windstärken bestimmt ist.

Daher liegt der vorliegenden als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine kombinierte Solar-Wind-Anlage so zu gestalten, daß bei einer gegebenen Widerstandsfähigkeit der Anlage gegenüber einer maximalen Windbelastung eine größere Solarausbeute erreicht wird, vergleiche geltende Beschreibung Seite 1, vorletzter Absatz.

Die Lösung ist im geltenden Patentanspruch 1 explizit angegeben.

Wesentlich bei dieser Lösung ist, daß die um einen Mast rotierenden und an Tragarmen befestigten oberen und unteren Solarplatten jeweils in eine mittlere Hauptsolarplatte zwei seitlich angehängte Seitensolarplatten so unterteilt sind, daß diese beim Umschalten auf Windbetrieb zusammenklappbar sind.

Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle ist diese Lehre auch bei Windbetrieb ausführbar, indem die Vorwindseite und die Gegenwindseite irgendwie unsymmetrisch ausgestaltet werden, z.B. durch Verdrehen der Solarplatten in unterschiedliche Winkel zur Windrichtung, vergleiche Figur 6.

c) Die kombinierte Solar-Wind-Anlage ist neu (§ 3 PatG), weil im nachgewiesenen Stand der Technik zusammenklappbare Solarplatten mit speziell dimensionierten Haupt- und Seitensolarplatten nicht offenbart sind. Diese zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Anlage beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Fachmanns, eines berufserfahrenen, mit der Entwicklung von kombinierten Solar-Wind-Anlagen betrauten Diplom-Ingenieurs mit Fachhochschulabschluß.

Die Entgegenhaltung 1) offenbart eine kombinierte Solar-Wind-Anlage (11) mit einem Windrad (13), dessen Schaufelelemente (17), vorzugsweise in Form von Kugelhalbschalen, auf ihren Oberflächen Solarzellenmodule (43, 44) tragen, vergleiche dort Ansprüche 1 und 8 in Verbindung mit den Figuren 1 bis 3 und 6 mit zugehöriger Beschreibung. Eine zu große Windbelastung wird dort dadurch vermieden, daß die Solarzellenmodule (43, 44) in die Schaufelelemente (17) des notwendigerweise für höchstmögliche Windgeschwindigkeiten ausgelegten Windrades (13) eingebaut werden, vergleiche dort Seite 2, 2. Absatz.

Somit vermag diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht dazu anzuregen, zusammenklappbare Solarplatten oder Solarpanele mit speziell dimensionierten Haupt- und Seitensolarplatten vorzusehen, um Windbelastungen zu reduzieren.

Die Entgegenhaltung 2) offenbart ebenfalls eine kombinierte Solar-Wind-Anlage (windmill equipped with solar battery), bei der Solarzellen (solar battery 2) auf der Oberfläche eines Rotorblattes (windmill blade 1, 101) angeordnet sind, vergleiche dort das englischsprachige Abstract mit den zugehörigen Figuren 1 und 6.

Somit vermag auch diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht dazu anzuregen, zusammenklappbare Solarplatten oder -panele mit speziell dimensionierten Haupt- und Seitensolarplatten vorzusehen, um Windbelastungen zu reduzieren.

Die Entgegenhaltung 3) offenbart eine kombinierte Solar-Wind-Anlage mit einem um eine vertikale Achse rotierenden Rotor (1, 11), vorzugsweise in der Draufsicht in der Form eines gleichmäßigen Dreiecks, auf dessen Oberseite eine kippbare Solaranlage (12) oder mitdrehende Solarplatten (2, 22, 32, 42) angeordnet sind, vergleiche dort die Ansprüche 1 und 4 bis 6 in Verbindung mit den Figuren 1 bis 5 mit zugehöriger Beschreibung. Die kippbare Solaranlage (12) hat nichts mit großen Windbelastungen zu tun, weil ein Abschalten der Anlage bei Sturmstärken systembedingt nicht erforderlich ist, vergleiche dort die Beschreibung Seite 3, letzter Absatz.

Somit vermag auch diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht dazu anzuregen, zusammenklappbare Solarplatten oder -panele mit speziell dimensionierten Haupt- und Seitensolarplatten vorzusehen, um Windbelastungen zu reduzieren.

Bei dieser Sachlage sind die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß § 129, 130 Abs 1 Satz 1 PatG iVm § 114 ZPO gegeben.

III Mit dem Beschwerdeschriftsatz vom 13. Februar 2002 hat der Anmelder auch die Beiordnung des Patentanwalts H..., F... Straße in B... gemäß § 133 PatG beantragt. Nachdem die Beiordnung in vorliegendem Fall sachdienlich ist, wird dem Anmelder und Beschwerdeführer der oben genannte Patentanwalt nach § 133 PatG beigeordnet.

IV Mit dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wurde die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 134 PatG gehemmt. Mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe treten gemäß § 130 Abs 2 PatG die Rechtsfolge gemäß § 6 Abs 2 PatKostG auf die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr nicht ein, so daß die Beschwerde als erhoben gilt.

a) Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 patentfähig ist, vgl. die vorstehenden Ausführungen im Abschnitt II.

b) Die Unteransprüche 2 bis 4 betreffen nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der kombinierten Solar-Wind-Anlage gemäß Patentanspruch 1. Deren Patentfähigkeit wird von derjenigen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 mitgetragen.

c) Die geltende Beschreibung benennt den Stand der Technik, von dem die Anmeldung ausgeht und erläutert hinreichend anhand der Figuren den Anmeldungsgegenstand. Daher erfüllt die Beschreibung die an sie zu stellenden Anforderungen.

Das Patent war daher, wie beschlossen, zu erteilen.

V Im Hinblick auf die gestellten Verfahrenskostenhilfeanträge, die sich auch auf die Zahlung der Jahresgebühren beziehen, ist die Feststellung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. November 2004, wonach die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr als zurückgenommen gilt, derzeit offensichtlich unzutreffend.

VI Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Dr. Tauchert Lokys Schramm Dr. Häußler Be






BPatG:
Beschluss v. 11.01.2005
Az: 23 W (pat) 19/02


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