Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 27. Januar 2004
Aktenzeichen: 18 UF 16/04; 18 UF 16/2004

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 27.01.2004, Az.: 18 UF 16/04; 18 UF 16/2004)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tübingen (Az.: 2 F 570/03) vom 29.08.2003

abgeändert

und wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin hat ab 01.03.2004 auf die bewilligte Prozesskostenhilfe monatliche Raten in Höhe von 175,00 EUR zu bezahlen. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 3 S. 1 bis 5 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde der Staatskasse ist insoweit begründet, als in dem bewilligenden Beschluss vom 29 08.2003 der Antragstellerin eine Ratenzahlung in Höhe von 175,00 EUR nicht auferlegt wurde.

Dass Eltern, die einem minderjährigen Kind Unterhalt schulden, ihm gegenüber für die Prozesskosten in persönlichen Angelegenheiten aufzukommen und diese vorzuschießen haben, ist einhellige Meinung. Dies wird auch nicht von der Beschwerdegegnerin bekämpft (vgl.. hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 23, Aufl., § 115 Rz. 67 b).

Dass im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Prozesskostenhilfe dieser Prozesskostenvorschussanspruch Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 2 ZPO ist, ist ebenfalls unstreitig. Sofern also für den Prozessgesuchsteller ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht. Auch dieser Grundsatz ist zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin unstreitig.

Streitig ist allein, und insoweit ist das Amtsgericht Tübingen in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19.01.2004 (vgl. BI. 69/70 d.A.) der Argumentation der Beschwerdegegnerin beigetreten, ob bei fiktivem Prozesskostenhilfeanspruch (auch wenn insoweit hohe Raten zu bezahlen wären) des Prozesskostenvorschussverpflichteten das Primat des Einsatzes des Prozesskostenvorschusses zurücktritt und der Prozesskostenhilfegesuchsteller so behandelt wird, als ob ein Prozesskostenvorschussanspruch gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten nicht bestehe.

Diese Frage ist seit langem strittig. Zöller/Philippi, auf den sich die Beschwerdegegnerin und das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss berufen, verneint in Rz. 70 zu § 115 ZPO unter Hinweis auf eine Mehrzahl von Oberlandesgerichtsentscheidungen für diese Konstellation die Vorschusspflicht. A.a.O. ist auch eine Reihe von abweichenden Oberlandesgerichtsentscheidungen zitiert, auf welche sich die Beschwerdeführerin beruft.

Als Argument wird von dort genannt andernfalls müsste der Vorschusspflichtige in höherem Maß für, die Prozesskosten aufkommen, als § 115 ZPO es vorsieht. Dies trifft jedoch nur zu, wenn der Vorschusspflichtige selbst Partei des Rechtsstreits ist, an welchem er sich prozesskostenmäßig über seine Vorschusspflicht gegenüber seiner Gegenpartei beteiligen soll.

Wenn - wie hier - der betreuende Vater der Antragstellerin nicht Partei des zu finanzierenden Prozesses ist, kommt es zu einer Höherbelastung als § 115 ZPO vorsieht für den Vater nicht.

Die von Zöller/Philippi a.a.0. für die Unterstützung der dort vertretenen Meinung aufgeführten Oberlandesgerichtsentscheidungen stellen teilweise (auch) auf die zuletzt genannte (hier vorliegende) Fallkonstellation ab, teilweise auch ausdrücklich nicht (so OLG Bamberg FamRZ 2000, S. 1093 - 1094).

So meint das OLG Bamberg (FamRZ 2000, 1093-1094), der Prozesskostenvorschussanspruch diene dazu, der berechtigten Partei Mittel an die Hand zu geben, damit sie den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss und den einem Rechtsanwalt nach § 14 BRAGO zustehenden Honorarvorschuss begleichen kann. Dieser Zweck des Vorschusses werde aber dann nicht mehr erfüllt, wenn der Pflichtige Zahlungen nur in Raten erbringe.

Diesem Argument ist nach Auffassung des Senats damit entgegenzutreten, dass die Raten, die dem Prozesskostenvorschussverpflichteten (und seinem Anwalt) zuzumuten sind, auch dem Prozesskostenhilfenachsuchenden und Prozesskostenvorschussberechtigten bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auferlegt werden können. Die Alternative wäre ansonsten ein Alles oder Nichts-Prinzip, im Zweifel zu Lasten der Staatskasse und damit der Gemeinschaft. Mit der bewilligten PKH entfällt die Gerichtskostenvorschusspflicht, der Rechtsanwalt kann seinen Vorschussanspruch gegenüber der Staatskasse geltend machen.

Ausgehend von der Selbstauskunft des Vaters der Antragstellerin vom 21.05.2002 in seiner Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO, die den Berechnungen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 27.11.2003 zugrunde liegen und welche von der Beschwerdegegnerin inhaltlich nicht bekämpft werden, ergibt sich folgende Berechnung:

Durchschnittliches mtl. Nettoeinkommen des Vaters der Antragstellerin 2.300,00 EUR+ hälftiges Kindergeld für die beiden bei ihm befindlichen unterhaltsberechtigten Kinder mit154,00 EUR+ eines Zuschlags für pauschaliertes Weihnachts- und Urlaubsgeld von mtl.250,00 EURnebst monatlich300,00 EURaus Vermietung und Verpachtung ergibt ein Gesamtmonatseinkommen von3.004,00 EUR

Hiervon ist abzusetzen der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 76 Abs. 2 a BSHG mit 149,00 EUR, der Einkommensfreibetrag in Höhe von 364,00 EUR dem Grunde nach, der Unterhaltsfreibetrag gegenüber dem ersten unterhaltsberechtigten Sohn ..., geb. 22.07.1984 (allerdings unter Zurechnung von dessen eigenem Einkommen von 350,00 EUR, was einen Freibetrag von 0,00 EUR ergibt); abzusetzen ist weiter der Unterhaltsfreibetrag gegenüber der hiesigen Antragstellerin von 256,00 EUR.

In Anbetracht dessen, dass der Vater der Antragstellerin mit dieser und dem weiteren Kind die Eigentumswohnung in Ammerbuch bewohnt, für die er mtl. 1.100,00 EUR zu zahlen hat und insoweit mietfrei wohnt, ist dieser Betrag abzusetzen ebenso die Heizungskosten von 75,00 EUR.

Die übrigen (verbrauchsabhängigen) Nebenkosten hält der Senat nicht für absetzungsfähig. Abzusetzen sind dagegen, über die Berechnung der Bezirksrevisorin im Beschwerdeschriftsatz vom 27.11.2003 hinaus, die Aufwendungen für ein zweites Darlehen in Höhe von 600,00 EUR (vermutlich korrespondierend mit der Eigentumswohnung Petersen, diesbezüglich wird auch eine Einnahme von 300,00 EUR mtl. aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt). Danach verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 460,00 EUR und eine Monatsrate von 175,00 EUR.

Auch eine Kontrollbetrachtung ausschließlich unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten führt zur Zumutbarkeit der ermittelten 175,00 EUR Monatsraten, nachdem dem Vater der Antragstellerin die Zins- und Tilgungsraten für zwei Wohnungseigentumsobjekte als Belastungen anerkannt wurden.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die Beschwerde der Staatskasse zum einen überwiegend Erfolg hatte und zum anderen die Staatskasse von der Gerichtskostenpflicht allgemein befreit ist.

Da, wie ausgeführt, das Verhältnis zwischen ratenweise zu zahlendem Prozesskostenvorschuss und Prozesskostenhilfe weiterhin unter den Obergerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wird, sah sich der Senat gehalten, gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.






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Az: 18 UF 16/04; 18 UF 16/2004


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