Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 4. November 2008
Aktenzeichen: 2-18 O 440/07, 2-18 O 440/07

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 04.11.2008, Az.: 2-18 O 440/07, 2-18 O 440/07)

Tenor

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert wird auf 335.000,€ Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte zu 1. ist Inhaberin von 63 deutschen Marken, der Beklagte zu 2. ist Inhaber weiterer vier Marken, die im Antrag genannt sind und die seit mehr als fünf Jahren beim Deutschen Patent- und Markenamt für eine Vielfalt von Klassen eingetragen sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Ablichtungen der Registerauszüge (Bl. ... d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin ist die Ehefrau des ehemals als Patentanwalt zugelassenen Diplom-Physikers ..., der wegen Gebührenüberhebung vom Amtsgericht Landshut rechtskräftig verurteilt wurde und dessen Zulassung als Patentanwalt seit dem ... bestandskräftig widerrufen ist. Der Ehemann der Klägerin war früher als Patentanwalt für die Beklagten tätig, u.a. auch im Zusammenhang mit der Anmeldung von hier streitgegenständlichen Marken. Er hält immer noch Handakten zu Markenanmeldungen gegenüber der Beklagten zu 1. zurück.

Die Beklagte führte zwei Zivilrechtsstreite gegen den Ehemann der Klägerin. Vor dem Landgericht Landshut wurde der Ehemann der Klägerin wegen patentanwaltlicher Fehlberatung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von ... Euro verurteilt. In einem anderen Rechtstreit schlossen die Beklagte zu 1. und der Ehemann der Klägerin am ... vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Gesch.-Nr.: ... einen Vergleich, der u.a. eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungsverpflichtung des Ehemannes der Klägerin beinhaltete, die es ihm untersagte, Löschungsklagen gegen Marken der Beklagten zu 1. wegen Verfalls zu erheben oder daran mitzuwirken oder Dritte zu veranlassen, die der Kläger selbst für die Beklagte angemeldet hat und/oder solche Marken der Beklagten, die bis zum heutigen Tag für die Beklagte eingetragen sind.

Die Beklagte zu 1. betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Ehemann der Klägerin. Zu einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erschien er nicht. Die Beklagte zu 1. ließ sich eine Zwangssicherungshypothek auf den ideellen Hälfteanteil des Ehemannes der Klägerin an einem Haus eintragen, das dem Ehemann der Klägerin und der Klägerin je zu ½ gehört.

Um die Beklagten zu schädigen verfasste der Ehemann der Klägerin die vorliegende Klage, die er unter dem Namen seiner Ehefrau einlegen ließ. Gegenüber dem Zeugen ... gab der Ehemann der Klägerin am ... in einem Telefonat an, er befinde sich mit der Beklagten zu 1. wegen einer Vielzahl von Marken in einer Auseinandersetzung; er habe Löschungsklage eingereicht.

Die Klägerin begehrt nach erfolgloser Löschungsaufforderung vom ... die Löschung der 67 im Antrag genannten Marken mit der Behauptung, die Marken seien wegen Nichtbenutzung verfallen, da sie nicht in nennenswertem Umfang im Inland verwendet würden. Die Klägerin habe eine Benutzungsrecherche in Auftrag gegeben, ohne dass im Ergebnis ein Hinweis auf eine Benutzung in 2007 oder früher gefunden worden sei. Die Klägerin behauptet, sie führe in ihrem Wohnhaus ein Büro, welches sich mit der Recherche, der Überwachung sowie der Kreation von Marken und Firmennamen befasse und nutze die von dem Ehemann angeschafften Büroeinrichtungen. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass ihr Ehemann sich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersetze und dass er wegen Gebührenüberhebung verurteilt sei.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen, in die Löschung nachstehend genannter beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Marken einzuwilligen:

(es folgt die Liste Bl. ..)

II. festzustellen, dass der Verfall der in I. bezeichneten Marken eingetreten ist.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie halten die Klage für rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin lediglich als "Strohmann" für ihren Ehemann fungiere, und sind der Ansicht, das Klagevorbringen sei in der Sache unsubstantiiert. Sie stellen außerdem die Nichtbenutzung der Marken in Abrede. Hierzu tragen sie vor, sämtliche Marken würden als Domain-Namen im Internet rechtserhaltend benutzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom ... , S. ... (Bl. ... d.A.). Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, da der Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs die Klagebefugnis ausnahmsweise abzusprechen ist.

Grundsätzlich handelt es sich zwar bei der Klage auf Löschung wegen Verfalls gemäß § 55 Abs.2 Nr.1 MarkenG um eine Popularklage, die wegen des zugrundeliegenden Interessen der Allgemeinheit an der Löschung alle Einwendungen und Einreden aus der Person des Klägers und seines Verhaltens ausschließt (str., vgl. Fezer, Markenrecht, 3.Aufl., § 55, Rn.5a; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2.Aufl., § 55, Rn.13 m.w.N., auch zur a.A.). Allerdings kann nach der neueren Rechtsprechung der Klagebefugnis im Einzelfall der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (vgl. Bundesgerichtshof GRUR 1997, 747 € Cirkulin; GRUR 1986, 315 € Comburtest; Oberlandesgericht Hamburg GRUR-RR 2003, 145). Die ältere höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum WZG, die hier den Missbrauchseinwand generell für nicht statthaft hielt (vgl. etwa RGZ 120, 402 € Bärenstiefel), ist damit nicht in dieser Allgemeinheit aufrechtzuerhalten.

Als rechtsmissbräuchlich kann insbesondere zu berücksichtigen sein, dass durch das Vorschieben eines "Strohmannes" eine geschlossene Nichtangriffsabrede umgangen werden soll (vgl. Ingerl/Rohnke Rn. 14). Die in dem Prozessvergleich vor dem OLG geschlossene Nichtangriffsabrede ist wirksam; da zumindest der Verfallsgrund wegen Nichtbenutzung der Marke nach § 49 Abs.1 Markengesetz disponibel ist (vgl. Fezer § 55, Rn.23). Die Umgehung der Nichtangriffsabrede ist vorliegend bereits nach dem als unstreitig anzusehenden Sachverhalt anzunehmen. Die Beklagten haben die Hintergründe der Beziehung der Parteien eingehend geschildert. Sie haben ausdrücklich und unwidersprochen vorgetragen, der Ehemann der Klägerin habe, um die Beklagten zu schädigen, die vorliegende Klage verfasst und unter dem Namen seiner Ehefrau einlegen lassen; gegenüber dem Zeugen ... habe der Ehemann der Klägerin am ... in einem Telefonat angegeben, er befinde sich mit der Beklagten zu 1. wegen einer Vielzahl von Marken in einer Auseinandersetzung; er habe Löschungsklage eingereicht. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Ehemann sich in einem "Rachefeldzug" gegen die Beklagten sieht und seine Frau als Klägerin vorgeschoben hat. Die Klägerin hat zwar pauschal in Abrede gestellt, als "Strohmann" aufzutreten; sie hat diesen Vortrag jedoch nicht mit Leben erfüllt und ist insbesondere dem detailreichen Vortrag der Beklagten nicht entgegen getreten. Für sich genommen handelt es sich daher lediglich um eine € angesichts des sonstigen unstreitigen Sachverhalts offensichtlich € unzutreffende Schlussfolgerung. Soweit die Klägerin mit Nichtwissen im Sinne von § 138 Abs.4 ZPO bestreiten will, dass ihr Ehemann sich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersetze und dass er wegen Gebührenüberhebung verurteilt sei, ist dies schon aus Rechtsgründen nicht möglich und unbeachtlich, nachdem die Beklagten ihre Behauptungen urkundlich belegt haben, und im Übrigen befremdlich. Dass die Klägerin € ohne dies auch nur im Ansatz zu belegen € vorträgt, (nunmehr€) selbst einen Bürobetrieb zu unterhalten, ist unmaßgeblich, da es auf ihre mögliche Stellung als Wettbewerberin ohnehin nicht ankommt, sondern vielmehr darauf, dass sie sich zur Umgehung einer Nichtangriffsabrede von ihrem Ehemann vorschieben lässt. Auch wenn sachfremde Motive der Popularklage grundsätzlich nicht entgegenstehen, vertritt die Kammer unter Zugrundelegung des oben Gesagten die Auffassung, dass die Justiz sich im vorliegenden Fall nicht "vor den Karren des Ehemanns der Klägerin spannen" und sich "sehenden Auges" für dessen Zwecke instrumentalisieren lassen muss. Denn die verfolgten Zwecke sind nicht bloß sach-, sondern auch verfahrensfremd, weil es nicht mehr um ein Vorgehen gegen Marken, sondern ein Vorgehen gegen Personen aus persönlichen Motiven geht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Verhalten des Ehemannes, der bei Abfassung und Einreichung der Klage nicht mehr als Patentanwalt zugelassen war, zur Zeit seiner Zulassung (wenn schon keinen Parteiverrat im Sinne von § 356 StGB, so doch zumindest) eine krasse Verletzung seiner Berufspflichten nach § 39a PatAnwO dargestellt hätte und auch heute noch eine Verletzung seiner nachvertraglichen Treuepflichten bedeutet.

Damit ist die Löschungsklage mangels Klagebefugnis unzulässig. Dies gilt ohne weiteres im Hinblick auf die 63 Marken der Beklagten zu 1. Im Übrigen, soweit es die vier weiteren, für den Beklagten zu 2. eingetragenen Marken angeht, gilt im Ergebnis nichts anderes, da die vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main am geschlossene Nichtangriffsabrede einer Auslegung zugänglich ist und zu dessen Gunsten die für den Geschäftsführer der Beklagten zu 1. eingetragenen Marken mit umfassen sollte. Denn es ging den Parteien um eine endgültige Bereinigung der Angelegenheit einschließlich einer Verhinderung zukünftiger Streitigkeiten. Das beinhaltet selbstverständlich auch die geschäftlichen Belange des Geschäftsführers der Beklagten, so wenn dieser anstelle der Beklagten zu 1. als Markeninhaber auftritt.

Der Feststellungsantrag zu II. ist zudem mangels Feststellungsinteresses unzulässig; ein solches könnte allenfalls vorliegen, wenn es um die Feststellung konkreter Verfallszeitpunkte ginge, vgl. § 52 Abs.1 S.2 MarkenG.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt, dass für den Streitwert der Löschungsklage wegen Verfalls soll das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung maßgeblich ist (Ingerl/Rohnke, § 55, Rn.20). Die Kammer hat dieses mangels besonderer Anhaltspunkte vorsichtig bei ... Euro pro angegriffener Marke angesetzt. Ein besonderer Streitwert für den Antrag zu II. war nicht zu addieren, da eine weitergehende wirtschaftliche Bedeutung nicht erkennbar ist.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 04.11.2008
Az: 2-18 O 440/07, 2-18 O 440/07


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