Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 15. August 2005
Aktenzeichen: 10 Ko 6247/04

(FG Köln: Beschluss v. 15.08.2005, Az.: 10 Ko 6247/04)

Tenor

Die die zu erstattenden Kosten werden auf 3.507,47 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens haben die Erinnerungsgegner zu tragen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten des Vorverfahrens.

Die Beteiligten stritten im Verfahren 15 K 4884/93 wegen Einkommensteuer 1986 bis 1988 über die Anerkennung eines Mietverhältnisses und die Berücksichtigung von Zahlungen an die Mutter der Erinnerungsgegner als Versorgungsleistungen. Mit Zwischenurteil vom 00.00.0000 qualifizierte das FG Köln das Mietverhältnis als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Entscheidung hatte im anschließenden Revisionsverfahren allerdings keinen Bestand (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2003 IX R 41/01). Nach dem Erlass entsprechender Änderungsbescheide erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens wurden mit Beschluss vom 00.00.0000 dem Erinnerungsführer auferlegt; die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde für notwendig erklärt.

Im Kostenfestsetzungsantrag vom 00.00.0000 (Gerichtsakte Bl. 398) beantragten die Erinnerungsgegner u. a. den Ansatz einer 10/10-Geschäftsgebühr für das Vorverfahren. Dagegen wandte der Erinnerungsführer ein, die Geschäftsgebühr sei zu kürzen, weil der Bevollmächtigte bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren tätig gewesen sei. Die Erinnerungsgegner vertraten demgegenüber der Auffassung, dass es sich um eine umfangreiche Angelegenheit gehandelt habe, zumal zur erstinstanzlichen Urteilsfindung immerhin 6 Zeugen hätten gehört werden müssen. Daher könne nicht unterstellt werden, dass das Betreiben des Geschäfts im Einspruchsverfahren leichter als im vorangegangenen Verwaltungsverfahren gewesen sei.

Nachdem der Kostenbeamte im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 00.00.0000 auf den Haupteinwand des Erinnerungsführers nicht eingegangen war, wurden die zu erstattenden Kosten im anschließenden Erinnerungsverfahren mit dem vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 00.00.0000 auf 3.641 EUR festgesetzt, wovon auf das Vorverfahren 422 EUR entfielen. Die Geschäftsgebühr war darin mit einer 5/10-Gebühr (267 EUR) berücksichtigt. Zur Begründung führte der Kostenbeamte aus, der Bevollmächtigte erhalte für seine Tätigkeit im steuerlichen Veranlagungsverfahren und im anschließenden Einspruchsverfahren nur eine einheitliche Geschäftsgebühr, weil das Einspruchsverfahren zusammen mit dem vorangehenden Verwaltungsverfahren gebührenrechtlich eine Einheit bilde. Da diese Gebühr (bei Annahme einer 10/10-Gebühr) zu mindestens 5/10 schon im Veranlagungsverfahren entstanden sei, könne sich die Geschäftsgebühr im anschließenden Einspruchsverfahren nur um maximal weitere 5/10 erhöhen, die nach § 118 BRAGO erstattungsfähig seien. Dabei sei allerdings vom Gegenstand des vorausgehenden Veranlagungsverfahrens auszugehen, der mit 33.024 DM zu bemessen sei (Summe der festgesetzten Einkommensteuer 1986 bis 1988). Nach der für Zeiträume vor dem 1. Juli 1994 geltenden Tabelle betrage die volle Gebühr für diesen im Gegenstandswert 1.044 DM, 5/10 also 522 DM (entsprechend 266,86 EUR).

Die Erinnerungsführer sind der Ansicht, der Gegenstandswert für das Vorverfahren sei zu Unrecht mit 33.024 DM angenommen worden. Denn die zu erstattenden Gebühren richteten sich nach dem Gegenstandswert (§ 13 GKG) der im gerichtlichen Verfahren maßgebend sei. Es sei der nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften zu berechnende Wert zugrunde zu legen, also 14.818 DM. Die volle Gebühr für diesen im Gegenstandswert betrage 694 DM, 5/10 also 347 DM (entsprechend 177,42 EUR) und die 3/10-Erhöhungsgebühr 53,23 EUR. Dass die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren insgesamt mit 10/10 bemessen wurde, beanstandete der Erinnerungsführer vor dem Hintergrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles nicht mehr.

II. Die Erinnerung ist begründet.

1. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO kann der Rechtsanwalt als Bevollmächtigter für seine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren und im Einspruchsverfahren eine Gebühr von 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr verlangen für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden (Geschäftsgebühr). Dabei gilt nach § 119 Abs. 1 BRAGO das Einspruchsverfahren zusammen mit dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren als eine Angelegenheit.

2. Ist ein Bevollmächtigter bereits in dem Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden, das dem Vorverfahren (Einspruchsverfahren) im Sinne des § 139 FGO vorangegangen ist, so ist nur der Teil der Gebühren des Bevollmächtigten erstattungsfähig, der auf dessen Tätigkeit im Vorverfahren zurückzuführen ist. Der erstattungsfähige Betrag richtet sich in Fällen, in denen der Gegenstandswert des Einspruchsverfahrens von geringerem Wert ist als der des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens, nach dem Gebührenrahmen, der für den (höheren) Gegenstandswert des Veranlagungsverfahrens gilt, er ist jedoch der Höhe nach verhältnismäßig zu begrenzen.

a) Bei der Ermittlung der Gebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ist zu berücksichtigen, dass das einem Rechtsstreit vorausgehende Vorverfahren nach § 119 Abs. 1 BRAGebO zusammen mit dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren gebührenrechtlich eine Einheit bildet. Das bedeutet, dass ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im steuerlichen Veranlagungsverfahren und einem anschließenden Einspruchsverfahren nur eine einheitliche Geschäftsgebühr erhält, die aber nach der gesetzlichen Regelung bereits mit dem Tätigwerden des Bevollmächtigten im Veranlagungsverfahren entsteht. Erstattungsfähig ist jedoch nach § 139 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 FGO nur der Teil der einheitlichen Geschäftsgebühr, die auf das Verfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf entfällt, also nur der Teil der Gebühr, um den diese sich durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren erhöht hat (BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570, vom 2. Dezember 1969 VII B 58/69, BFHE 97, 512, BStBl II 1970, 219, vom 22. Dezember 1969 VII B 64/67, BFH 98, 129, BStBl II 1970, 326).

b) Hinsichtlich der Aufteilung der Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO geht die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass der Bevollmächtigte für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nach § 118 BRAGebO in jedem Fall 5/10 einer Gebühr verlangen kann und dass für die Erstattung nur der Teil der Gebühren in Betracht kommt, der über 5/10 hinausgeht. Weniger als 5/10 einer Gebühr können nach § 118 BRAGebO durch die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht entstehen (BFH-Beschluss vom 2. Dezember 1969 VII B 58/69, BFHE 97, 512, BStBl II 1970, 219; der BFH hielt im zu entscheidenden Fall insgesamt 8/10 der Gebühr für die gesamte Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungs- und Vorverfahren für angemessen, sodass auf das Vorverfahren 3/10 entfielen und erstattungsfähig waren; ferner BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570, vom 22. Dezember 1969 VII B 64/67, BFH 98, 129, BStBl II 1970, 326).

c) Der Grundsatz, dass höchstens 5/10 einer vollen Gebühr des Einspruchsstreitwerts als Kosten des Vorverfahrens erstattet werden können gilt allerdings nur in den Fällen, in denen der Gegenstandswert des Veranlagungsverfahrens und der Streitwert eines anschließenden Einspruchsverfahrens gleich sind. Anders verhält es sich, wenn der Gegenstand des Einspruchsverfahrens - wie auch im Streitfall - von geringerem Wert ist als der des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens. Hier führt § 119 Abs. 1 BRAGO vor dem Hintergrund, dass die Geschäftsgebühr schon im Veranlagungsverfahren entstanden ist, dazu, dass auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Einspruchsverfahren und eine dadurch verursachte Erhöhung der Geschäftsgebühr der Gebührenrahmen maßgeblich bleibt, der für den (höheren) Gegenstandswert des Veranlagungsverfahrens gilt. Dies ist die gesamte sich ergebende Steuerbelastung (BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 VII B 64/67, BFHE 98, 129, BStBl II 1970, 326, vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570).

Daneben ist jedoch andererseits zu berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte, der sowohl im Einspruchs- als auch im Veranlagungsverfahren für den Steuerpflichtigen tätig war, für seine Tätigkeit im Einspruchsverfahren keine höheren Gebühren beanspruchen kann, als wenn er nur im Rechtsbehelfsverfahren tätig geworden wäre (BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570, vom 22. Dezember 1969 VII B 64/67, BFH 98, 129, BStBl II 1970, 326).

d) Dementsprechend muss zunächst festgestellt werden, in welcher Höhe nach der BRAGO bereits für die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Veranlagungsverfahren eine Geschäftsgebühr anzusetzen ist. Hier ist im Normalfall die Mittelgebühr von 7,5/10 angemessen, im Streitfall ausgehend vom Gegenstandswert des Veranlagungsverfahrens (33.024 DM) also ein Gebührenbetrag von 783 DM. Als Rahmen, innerhalb dessen sich die Geschäftsgebühr durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren erhöhen konnte, verbleiben deshalb 2,5/10 einer vollen Gebühr (1.044 DM), also 261 DM. Bei isolierter Betrachtung des Einspruchsverfahrens betrüge unter Berücksichtigung dessen Gegenstandswerts (14.818 DM) eine volle Gebühr hingegen 694 DM. Da sich die Geschäftsgebühr des Bevollmächtigten aber nur noch um 261 DM erhöhen konnte, kann kein höherer Betrag zugrunde gelegt werden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570, vom 22. Dezember 1969 VII B 64/67, BFH 98, 129, BStBl II 1970, 326).

e) Gleichwohl sieht sich das Gericht im Streitfall außerstande, bei der Berechnung der zu erstattenden Kosten des Vorverfahrens den sich danach ergebenden Wert von 261 DM zugrunde zu legen, weil der Erinnerungsführer lediglich beantragt hat, den vom Kostenbeamten angesetzten Wert von 522 DM auf 347 DM (entsprechend 177,42 EUR) und die 3/10-Erhöhungsgebühr auf 53,23 EUR zu reduzieren. Denn auch im Erinnerungsverfahren darf das Gericht nicht über den Antrag des Erinnerungsführers hinausgehen. Die zu erstattenden Kosten berechnen sich demnach wie folgt:

Vorverfahren:

Geschäftsgebühr 177,42 EUR

3/10-Erhöhungsgebühr 53,23 EUR

Auslagenpauschale 20,45 EUR

Zwischensumme 251,10 EUR

Umsatzsteuer 37,67 EUR

Zwischensumme 288,77 EUR

Klageverfahren wie bisher 1.427,89 EUR

Revisionsverfahren wie bisher 1.790,81 EUR

zu erstatten demnach 3.507,47 EUR

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.






FG Köln:
Beschluss v. 15.08.2005
Az: 10 Ko 6247/04


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