Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juni 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 114/02

(BPatG: Beschluss v. 17.06.2003, Az.: 24 W (pat) 114/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2002, berichtigt am 6. August 2002, insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 271 795 für die Waren "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Putzzeug und Bürsten" zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der Marke 398 67 522 wird auch in diesem Umfang angeordnet.

Gründe

I.

Die farbige Wort-Bild Markeist u. a. für

"Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Putzzeug und Bürsten".

unter der Nummer 398 67 522 in das Register eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, u.a. für die Waren

"Putzmaterial, Seife, Seifenpulver, Wasch- und Bleichmittel, Putz- und Poliermittel (ausgenommen für Leder)"

eingetragenen Wortmarke 271 795 Henkel Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen des Widerspruchs aus der Marke 271 795 sowie eines weiteren Widerspruchs mit Beschluß vom 15. Januar 2002 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die teilweise Löschung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren "Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel" angeordnet und im übrigen die Widersprüche zurückgewiesen. Hinsichtlich der Waren "Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel" könnten sich die verwechselbar ähnlichen Marken auf ähnlichen oder auch identischen Waren begegnen. In Bezug auf die übrigen Waren seien jedoch weder stoffliche noch sachliche Bezüge erkennbar, so daß insoweit die Widersprüche bereits wegen fehlender Identität oder Ähnlichkeit der Waren zurückzuweisen seien.

Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt, soweit der Widerspruch aus der Marke 271 795 für die von der angegriffenen Marke erfaßten Waren "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Putzzeug und Bürsten" zurückgewiesen worden ist. Die Beschwerdeführerin trägt vor, diese Waren seien mit der Ware "Putzmaterial" der Widerspruchsmarke identisch. Außerdem liege "Putzzeug" im Ähnlichkeitsbereich der Waren "Seifen" sowie "Putz- und Reinigungsmittel" der Widerspruchsmarke, weil diese Produkte sich an die gleichen Verbraucherkreise richteten und sich auch nach ihrer Anwendungsweise und Zweckbestimmung nicht unterschieden. Darüber hinaus seien die Vertriebswege und die regelmäßigen Verkaufsstätten für die in Rede stehenden Produktbereiche identisch. Der den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende Wortbestandteil "HANGEL" sei mit der Widerspruchsmarke, der auf dem Warengebiet der Putz- und Reinigungsmittel sowie des Putzmaterials erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme, vor allem klanglich ähnlich.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke 271 795 für die Waren "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Putzzeug und Bürsten" zurückgewiesen worden ist und die Löschung der angegriffenen Marke auch in diesem Umfang anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke trägt vor, bei dem Markenbestandteil "HANGEL" handele es sich um einen Familiennamen, der für die Widersprechende wirtschaftlich von großer Bedeutung sei. Die Verwendung der angegriffenen Marke beschränke sich hauptsächlich auf den Großraum Rosenheim.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg.

1.1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs 1 Buchst. b der Markenrechtslinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 1996, 198 "Springende Raubkatze"; GRUR 1996, 200 "Innovadiclophont"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899 "Adidas/Marca Moda"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2002, 167 "Bit/Bud" mwN; BGH GRUR 2002, 544, 545 "BANK 24"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen im Umfang des Beschwerdeantrags gegeben.

1.2. Die Waren "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Putzzeug und Bürsten" der angegriffenen Marke und "Putzmaterial" sowie "Putz- und Poliermittel" der Widerspruchsmarke sind einander ähnlich. Eine Ähnlichkeit von Waren ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte -, so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, falls sie mit identischen Marken gekennzeichnet wären (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 57 m. v. N.). Dies ist hier der Fall. Unter den Oberbegriff des Putzzeugs, der mit "Putzmaterial" weitgehend gleichgesetzt wird, fallen u. a. etwa mechanische Putzmittel wie Reinigungstücher, Scheuertücher, Besen, Bürsten, Schwämme, die mit flüssigen Reinigungsmitteln imprägniert sein können (vgl. dazu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 274, 275). Solche Waren, zu denen z.B. auch Herdreiniger gehören, die aus einem harten Schwamm bestehen, der mit einem Reiniger getränkt ist, oder mit einem Reiniger getränkte Bürsten zur Reinigung von Herd, Spüle und Backröhre sowie Putz- und Reinigungstücher, Reinigungsbürsten oder -schwämme für Schuhe, die spezielle Reinigungsmittel enthalten, werden als "mechanische Putzmittel" bezeichnet (vgl. dazu auch 24 W (pat) 131/99 "TURBO-TABS", Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). Damit sind die Übergänge zwischen dem Putzzeug und den Bürsten der jüngeren Marke und dem Putzmaterial sowie den Putz- und Poliermitteln der Widerspruchsmarke fließend. Auch ergänzen sich mechanisches Putzzeug wie Scheuerlappen, Putztücher, Reinigungsbürsten etc. mit Reinigungs- und Scheuermitteln, die zum Lösen des Schmutzes verwendet werden und die die mechanische Wirkung der Tücher und Bürsten chemisch unterstützen. Die gegenseitigen Waren weisen demnach in ihrer Beschaffenheit, ihrer Wirkungsweise, in ihrem Anwendungsbereich und hinsichtlich des Kreises der Anwender große Ähnlichkeiten auf. Auch werden die Waren nebeneinander in Haushaltswarengeschäften oder in den einschlägigen Abteilungen von Kaufhäusern oder Supermärkten angeboten und vertrieben. Für die angesprochenen breiten Verkehrskreise liegt es daher nahe, die gegenseitigen Waren bei (vermeintlich) identischer Kennzeichnung der selben betrieblichen Herkunftsstätte zuzuordnen. (vgl. auch Richter/Stoppel, aaO., S. 274, mittlere Spalte unten "Putzmittel" und "Putzzeug" gleichartig).

1.3. Es handelt sich beiderseits um relativ alltägliche, nicht sehr teuere Waren, die oft nicht mit größerer Aufmerksamkeit erworben werden, und sich an einen breiten Kreis von Abnehmern wenden.

1.4. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist überdurchschnittlich hoch. Wie die Widersprechende vorgetragen und durch Vorlage von Umfrageergebnissen belegt hat und wie die Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht bestreitet, wird die Marke "Henkel" als Kennzeichnung für eine Vielzahl von Produkten auf dem Sektor der Wasch-, Reinigungs- und Putzmittel verwendet und gehört zu den bekanntesten Marken in Deutschland, wobei die Umfrage allerdings nicht genau das Warengebiet erkennen läßt. Außerdem ist dem Senat bekannt, daß diese Marke vor allem im Waschmittelbereich über eine beachtliche Verkehrsgeltung verfügt, die jedenfalls auch auf das benachbarte Gebiet des Putzzeugs ausstrahlt (vgl. dazu BPatG 24 W (pat) 77/95 "DENBEL/Henkel", Zusammenfassung veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM; zur Frage des erweiterten Schutzumfangs auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 302 ff.). Insgesamt muß daher ein großer Abstand der Marken bestehen, um Verwechslungen auszuschließen. Diesen Abstand halten die Marken im vorliegenden Fall nicht ein.

1.5. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist stets vom Gesamteindruck der Marken auszugehen (st. Rspr. BGH BlPMZ 1997, 28 "Foot-Joy"; Mitt. 1996, 285 f. "Sali-Toft"; GRUR 1999, 241, 243 "Lions"). Weichen - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit deutlich voneinander ab, so kann gleichwohl eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn übereinstimmende oder ähnliche Markenbestandteile den jeweiligen Gesamteindruck der Vergleichsmarken prägen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"; GRUR 1996, 406 "Juwel"; GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH"). Dies ist hier bei dem Wort "HANGEL" in der angegriffenen Marke der Fall. Wort-Bildmarken werden im allgemeinen durch den Wortbestandteil geprägt, weil dieser die kürzeste und einfachste Benennungsform darstellt (vgl. etwa Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl. § 9 Rn 366, 434; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn 365; BGH GRUR 2002, 171 "Marlboro-Dach"; BGH GRUR 2002, 167 "Bit/Bud"). Der mehr dekorativ wirkende Bildbestandteil tritt daher im Gesamteindruck zurück. Dies gilt auch für die in relativ geringer Schriftgröße gehaltenen und weniger auffälligen Wörter "GROSSKÜCHEN-TECHNIK" und "METZGEREI-BEDARF", weil diese auch breiten deutschen Verkehrskreisen ohne weiteres erkennbar lediglich die Art und Bestimmung der Waren bezeichnen. Damit kommt als betriebskennzeichnendes, das Gesamtzeichen prägendes Kenn- und Merkwort nur noch das in größeren Buchstaben geschriebene und zentral im Zeichen angeordnete Wort "HANGEL" in Betracht (vgl. dazu Althammer/Ströbele, aaO. § 9 Rn 185, 188; BGH aaO. "Bit/Bud").

1.6. Die Markenwörter "HANGEL" und "Henkel" sind klanglich ähnlich. Die Silbenzahl, die Betonung und ein großer Teil des Lautbestands, nämlich die Buchstaben/Laute "H-nel" der Zeichen stimmen überein. Die abweichenden Konsonanten "G" und "k" stellen beide Spreng-, Gaumen- und Verschlußlaute dar und weisen damit eine deutliche Klangverwandtschaft auf. Auch die Vokale "A" und "E" haben in der Artikulation gewisse Ähnlichkeit. Insgesamt entsteht dadurch ein Gesamtklangbild, das wesentlich stärker durch die Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten als durch die wenig markanten Abweichungen beeinflußt wird. Aus diesen Gründen hält die angegriffene Marke den erforderlichen großen Markenabstand nicht mehr ein.

1.7. Das Vorbringen der Markeninhaberin, sie verwende ihre Marke vor allem im Großraum Rosenheim und es handele sich um einen in dieser Region üblichen und bekannten Familiennamen, der noch nie verwechselt worden sei, greift nicht durch. Da eine Marke ein auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht ist, und lediglich die sich gegenüberstehenden Marken in ihrer eingetragen Form zu beurteilen sind, kann es im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und im anschließenden Rechtsmittelverfahren vor dem Bundespatentgericht nicht darauf ankommen, ob nur eine regional eng begrenzte Benutzung beabsichtigt ist oder bereits stattfindet und ob es sich um einen regional bekannten oder üblichen Familiennamen handelt. Für die Feststellung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist es auch unerheblich, ob bereits Verwechslungen vorgekommen sind oder nicht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 35).2. Es bestand kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Hacker Kirschneck Guth






BPatG:
Beschluss v. 17.06.2003
Az: 24 W (pat) 114/02


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