Landgericht München I:
Urteil vom 18. Juni 2008
Aktenzeichen: 1 HK O 20716/07, 1 HK O 20716/07

(LG München I: Urteil v. 18.06.2008, Az.: 1 HK O 20716/07, 1 HK O 20716/07)

Tenor

I. Der Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 5,00 Euro bis zu 250000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, insgesamt maximal zwei Jahre, zu vollziehen an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland, die nicht gem. § 62 SGB V zuzahlungsbefreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus von 2,50 Euro bis 15,00 Euro anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen;

und/oder

b) gesetzlich Versicherten in Deutschland, die von der Zuzahlung gem. § 62 SGB V befreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus von 2,50 Euro bis 15,00 Euro anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen;

und/oder

c) gesetzlich Versicherten in Deutschland für jedes verschreibungspflichtige Medikament, das in Deutschland preisgebunden ist, und das nicht von der Krankenkasse übernommen wird, einen Bonus in Höhe von 10 % (max. 15,00 Euro) anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Betrag von 1379,80 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 16.11.2007 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Bonuszahlungen, die die Beklagte ihren Kunden beim Kauf eines verschreibungspflichtigen Medikaments im Versandhandel gewährt.

Der Kläger ist ein Verband, der nach seiner Satzung den Zweck hat, die fachlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen und zu fördern. Hierzu gehört gem. § 2 d der Satzung die Förderung des lauteren Wettbewerbs und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie anderer Auswüchse und schädigender Auswüchse im geschäftlichen Verkehr, erforderlichenfalls im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen der Rechtspflege. Zu weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage K 1 sowie den Schriftsatz des Klägers vom 06.11.2007 (Bl. 3 f. der Akte).

Die Beklagte ist eine niederländische Versandapotheke in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die von ihrem Sitz in den Niederlanden aus auch deutsche Versicherte mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln beliefert. Sowohl im Internet als auch in Anzeigen in Mitgliederzeitschriften von Krankenkassen wirbt die Beklagte unter anderem gegenüber gesetzlich versicherten Patienten damit, dass bei der Einlösung eines Rezeptes ein Bonus gewährt werde. Dieser betrage zwischen 2,50 Euro und 15,00 Euro und werde auch für zuzahlungsbefreite Versicherte gewährt. Außerdem wird ein 10%-Bonus (max. 15,00 Euro) auf jedes Medikament, welches nicht von der Krankenkasse übernommen wird, gewährt. Der Bonus wird bei Kassenrezepten und Bestellungen von frei verkäuflichen Produkten sofort mit dem Rechnungsbetrag verrechnet. Bei Zuzahlungsbefreiung erhält der Versicherte den vollen Bonus als Gutschrift auf ein Bonuskonto. Auch wenn der Bonus höher ist als der Rechnungsbetrag wird der überschüssige Bonus dem Bonuskonto gutgeschrieben und diese Gutschrift mit Folgebestellungen verrechnet. Für weitere Einzelheiten wird auf die Anlagen K 2, K 3 und K 4 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2006 beantragte der Kläger beim Landgericht München I erfolgreich eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten untersagt wurde, Kunden beim Bezug eines zuzahlungsfreien Generikums die Gutschrift eines Bonus anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben. Dieses Verfahren (Az. 9 HK O 17566/06) wurde am 24.07.2007 durch die Anerkennung der einstweiligen Verfügung vom 28.09.2006 als endgültige Regelung durch die Beklagte abgeschlossen (vgl. zu den Einzelheiten der Antragsschrift, der einstweiligen Verfügung und des Vergleiches die Anlagen B 2, K 15 und K 16).

Der Kläger mahnte die Beklagte bezüglich der nunmehr streitgegenständlichen Bonusgewährung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten mit anwaltlichem Schreiben vom 18.10.2007 ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Dies ließ die Beklagte mit Schreiben vom 29.10.2007 ablehnen.

Mit Schreiben vom 12.11.2007 erhob die Beklagte gegenüber dem Kläger die Einrede der Verjährung. Der Kläger hatte spätestens im September 2006 Kenntnis von dem jetzt beanstandeten Bonussystem für verschreibungspflichtige Medikamente.

Der Kläger ist der Ansicht, die Gewährung von Bonuszahlungen und die Werbung hierfür durch die Beklagte seien wettbewerbswidrig und verstießen gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1,3 AMPreisV.

Durch das Angebot von Bonuszahlungen werde der in §§ 1, 3 AMPreisV festgelegte Apothekenabgabepreis unterlaufen. Die Arzneimittelpreisverordnung gelte auch für den Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente durch ausländische Versandapotheken an deutsche Kunden. Dies folge schon aus der Anwendbarkeit deutschen Rechts über Art. 28 EGBGB. Jedenfalls aber sei die Festpreisregelung als zwingendes Eingriffsrecht über Art. 34 EGBGB anwendbar. Der internationale Geltungswille der Preisverordnung ergebe sich aus dem Wortlaut der Regelungskette §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a AMG und 11 a S. 1 Nr. 1 ApoG, der Entstehungsgeschichte des GMG sowie dem Sinn und Zweck der Arzneimittelpreisverordnung, durch die im Interesse einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert werden solle. Die Bindung ausländischer Versandapotheken an die Festpreisregelung verletze auch nicht die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG, da es sich schon nicht um eine Maßnahme gleicher Wirkung handele. Jedenfalls aber sei sie zum Schutze der Gesundheit nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Der EuGH billige den Mitgliedstaaten insoweit einen Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Der deutsche Gesetzgeber habe davon mit Blick auf die Gefahr eines Verdrängungswettbewerbes unter Apotheken in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht; insbesondere erfasse Art. 30 EG auch präventive Maßnahmen, die Risiken für die Gesundheit schon im Vorfeld einer Gesundheitsgefährdung auszuschalten versuchten. Auch das Arzneimittel- und Apothekenrecht stelle ein solches Risikoabwehrrecht dar.

Der Kläger vertritt die Auffassung, für die Abmahnung vom 18.10.2007, Anlage K5, stehe ihm aus § 12 UWG ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus Euro 50.000,€ zzgl. Auslagenpauschale zu.

Der Kläger beantragt:

I. Der Beklagten wird es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland, die nicht gem. § 62 SGB V zuzahlungsbefreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus von 2,50 Euro bis 15,00 Euro anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen;

und/oder

b) gesetzlich Versicherten in Deutschland, die von der Zuzahlung gem. § 62 SGB V befreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in Deutschland preisgebunden ist, einen Bonus von 2,50 Euro bis 15,00 Euro anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen;

und/oder

c) gesetzlich Versicherten in Deutschland für jedes verschreibungspflichtige Medikament, das in Deutschland preisgebunden ist, und das nicht von der Krankenkasse übernommen wird, einen Bonus in Höhe von 10 % (max. 15,00 Euro) anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen.

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Betrag von 1379,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, mit ihren deutschen Kunden jeweils die Anwendung niederländischen Rechts zu vereinbaren.

Die Beklagte behauptet des Weiteren, im Vertrauen auf eine umfassende Befriedungsfunktion des zwischen den Parteien am 24.07.2007 geschlossenen Vergleichs Investitionen im Wert von mehreren zehntausend Euro getätigt zu haben. Darunter fielen, wie die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2008 darlegte, insbesondere die Umstellung des Internetangebots, die Umprogrammierung der Vertriebsabwicklungssoftware und der Austausch von Werbematerialien (zu den Einzelheiten vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2008, Bl. 87 der Akte, sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2008, Bl. 91 f. der Akte).

Die Beklagte ist der Auffassung, die deutsche Arzneimittelpreisverordnung finde auf den Vertrieb von Medikamenten über eine niederländische Versandapotheke in Deutschland keine Anwendung. Dies folge schon aus der Wahl niederländischen Rechts nach Art. 27 EGBGB. Art. 34 EGBGB sei nicht einschlägig, da es an einem internationalen Geltungswillen der Arzneimittelpreisverordnung fehle. Die Verweisung in § 11 a S. 1 Nr. 1 ApoG erfasse nur spezifische Regelungen zur Versendung als solcher. Zudem spreche die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der Zulassung ausländischer Versandapotheken die Geltung der Arzneimittelpreisverordnung für letztere nicht ausdrücklich angeordnet hat, dafür, dass die Festpreisregelung auf deutsche Apotheken beschränkt sein sollte. Jedenfalls aber wäre die Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung nach Auffassung der Beklagten jedenfalls nicht europarechtskonform, da sie für ausländische Versandapotheken ein Marktzugangshindernis i. S. v Art. 28 EG darstelle, das auch nicht nach Art. 30 EG zu rechtfertigen sei. Die zwingende Preisregelung verfolge vor allem eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, nämlich die Verhinderung eines Preiswettbewerbs, während Art. 30 EG nur nicht-wirtschaftliche Rechtfertigungsgründe zulasse. Zudem sei eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung bei Nichtanwendung der Festpreisregelung auf ausländische Versandapotheken nicht nachweisbar.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass der Kläger den behaupteten Unterlassungsanspruch jedenfalls verwirkt habe, da sie sich wegen der Untätigkeit des Klägers über mehr als ein Jahr (Zeitmoment) darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass der Kläger sein Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Dem Prozessvergleich vom 24.07.2007 hätten die Parteien übereinstimmend eine umfassende Befriedungsfunktion zugeschrieben, so dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass der Kläger das nicht von der einstweiligen Verfügung erfasste Bonussystem der Beklagten dulde. Diesen Vortrag hält die Beklagte in einem nachgelassenen Schriftsatz vom 30.04.08 aufrecht. Sie vertritt weiterhin die Meinung, der Kläger mache auch keine wesentlichen Interessen der Allgemeinheit geltend, die einer Verwirkung entgegenstehen würden, sondern verfolge allein das Ziel, Konkurrenten für seine Mitglieder aus dem Markt zu halten.

Nach Ansicht des Klägers scheitert dagegen der Verwirkungseinwand schon am fehlenden Duldungsanschein, da der Vergleich eindeutig nur auf den damalig streitgegenständlichen Aspekt des Bonussystems, also zuzahlungsfreie Generika, beschränkt gewesen sei. In wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten sei eine "Gesamtbefriedungsfunktion" bei Vergleichen nicht anzunehmen, da diese sich naturgemäß fortentwickelten. Es wäre also Aufgabe der Beklagten gewesen, einen solchen Vorbehalt ausdrücklich im Vergleich zu formulieren. Weder sei aber dies geschehen, noch habe der Kläger jemals zum Ausdruck gebracht, andere Teile des Bonussystems der Beklagten nicht mehr ahnden zu wollen. Zudem seien die von der Beklagten behaupteten Investitionen nicht relevant für die Begründung von Vertrauensschutz. Da es dem Kläger um die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und um die Sicherstellung der zukünftigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gehe, verfolge er ein Interesse der Allgemeinheit, das den Verwirkungseinwand ausschließe.

Für die Einzelheiten des Streitstandes bezüglich der umstrittenen Befriedungsfunktion des Vergleichs vom 24.07.2007 wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 13.12.2007 (Bl. 41 f. der Akte), vom 04.04.2008 (Bl. 71 ff. der Akte) und vom 30.04.2008 (Bl. 91 der Akte), die Schriftsätze des Klägers vom 07.02.2008 (Bl. 63 ff. der Akte) und vom 07.04.2008 (Bl. 82 f. der Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2008 (Bl. 87 f. der Akte) Bezug genommen.

Die Beklagte hat beantragt, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 234 EG die Frage vorzulegen, ob eine Bindung ausländischer Versandapotheken an inländische Festpreisregelungen mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG vereinbar oder zumindest nach Art. 30 EG gerechtfertigt sei (zu der genauen Formulierung der vorgeschlagenen Fragen vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2008, Bl. 90 f. der Akte).

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, da der Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV und ein Zahlungsanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zustehen.

I. Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 30.3.2006, I-ZR 24/03,Arzneimittelwerbung im Internet,Rn. 21 zitiert nach juris), und der Erfolgsort aufgrund der Ausrichtung des Versandhandels der Beklagten auf Deutschland im Inland belegen ist. Ebenfalls aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichtes München I, da die Beklagte auch im Gerichtsbezirk wirbt und damit potentielle Käufer anspricht, sich also auch hier das angegriffene Bonussystem auswirkt. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, S. 1 und 2 i. V. m. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG.

II. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Bezüglich des Antrags zu I ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV. Diese auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwendbaren Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, werden durch das streitgegenständliche Angebot von Bonuszahlungen und die entsprechende Werbung verletzt.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch folgt aus den §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür hat der Kläger substantiiert vorgetragen; sie wurden von der Beklagten nicht bestritten.

2. a) Auf den Internet-Versandhandel der Beklagten ist nach dem kollisionsrechtlichen Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht als Recht des Ortes anzuwenden, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinandertreffen (vgl. BGH, Urteil vom 30.3.2006, I-ZR 24/03,Arzneimittelwerbung im Internet,Rn. 25 zitiert nach juris). Bis zum Beginn der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 der Rom II-Verordnung am 9. Januar 2009 (vgl. Art. 32 der Rom II-Verordnung) ist diese wettbewerbsspezifische Bestimmung des Tatortes auf die Ausweichklausel des Art. 41 Abs. 1 EGBGB zu stützen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/343, S. 10 rechte Spalte). Wegen der Ausrichtung des Versandhandels auf den deutschen Markt (deutsche Sprache, Abrechnung mit deutschen Krankenkassen, Verkauf in Deutschland zugelassener Medikamente) sind folglich die Vorschriften des UWG und damit auch § 4 Nr. 11 anwendbar.

b) Dem steht auch nicht das Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 S. 1 TMG entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diesem überhaupt ein kollisionsrechtlicher Gehalt zukommt, ist § 3 Abs. 2 S. 1 TMG doch schon tatbestandlich auf das Angebot verschreibungspflichtiger Medikamente im Internet nicht anwendbar, da diese mit Rücksicht auf die Rezeptpflicht nicht unmittelbar online bestellt werden können. Ausweislich der Werbung ist für den Vertragsschluss die Einsendung des Originalrezepts per Post erforderlich, so dass es zu einem "Medienbruch" kommt (vgl. Anlage K 2 S. 3). Das Erfordernis des "Angebots von Waren und Dienstleistungen...mit...unmittelbarer Bestellmöglichkeit" war früher in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG, dem Vorläufergesetz zum TMG, ausdrücklich normiert. Zwar enthält das TMG keine ausdrückliche Regelung seines Geltungsbereichs, doch ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass ein "Medienbruch" nach wie vor aus dem Anwendungsbereich des TMG herausführen soll (Bundestagsdrucksache 16/3078, S. 13 rechte Spalte).

3. Die Beklagte verstößt mit den angebotenen und gewährten Boni gegen die Arzneimittelpreisverordnung.

a) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburgs (Urteil vom 26.07.2007, 3 U 2/07, Rn. 47 zitiert nach juris) ist auch im Bereich der Gewährung von Rabatten § 7 HWG nicht lex specialis zu den Normen der AMPreisV. Aufgrund unterschiedlicher Zielsetzung € § 7 HWG unterbindet unsachlich beeinflussende Wertreklame, während die AMPreisV einen Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe ausschließen möchte € sind vielmehr beide Normen nebeneinander anwendbar (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2007, 6 U 26/07, Rn. 19 zitiert nach juris).

b) Die auf der Grundlage des § 78 AMG erlassene AMPreisV schreibt in ihren §§ 1 und 3 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises vor. Diese Bestimmungen werden auch dann verletzt, wenn die Beklagte für ein preisgebundenes Medikament zwar den korrekten Preis ansetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt, die dazu führen, dass der Kunde letztlich einen geringeren Betrag bezahlen muss, oder aber eine Gutschrift erhält, die mit Folgebestellungen verrechnet wird (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.09.2005, 6 W 112/05, Rn. 5 ff. zitiert nach juris). Durch ein solches Bonus- und Gutschriftsystem eröffnet die Beklagte einen Preiswettbewerb im Bereich verschreibungspflichtiger Arzneimittel, der durch die Festpreisbindung gerade vermieden werden sollte.

4. Ein solcher Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da die §§ 1, 3 AMPreisV gerade ihrem Zweck nach dazu bestimmt sind, den Wettbewerb unter den Apothekern zu regeln (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.09.02, 1 BvR 1385/01, Rn. 23 zitiert nach juris). Auch Normen, die negativ den Wettbewerb beeinflussen, indem sie ihn auf dem Gebiet des Preises unterbinden, regeln das Marktverhalten unter den Apothekern, und weisen daher den für § 4 Nr. 11 UWG erforderlichen Wettbewerbsbezug auf (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.09.04, 4 U 74/04, Rn. 51 zitiert nach juris).

375. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese auch an die Vorschriften der AMPreisV gebunden, da die Preisbindungsregelung als international zwingende Eingriffsnorm i. S. v. Art. 34 EGBGB auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel gilt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht ist darin nicht zu sehen.

38a) Welches Recht auf die Verträge zwischen der Beklagten und ihren Kunden anwendbar ist, ob also, wie von der Beklagten behauptet, eine wirksame Rechtswahl zugunsten des niederländischen Rechts nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB vorliegt, oder ob über die objektive Anknüpfung nach Art. 29 Abs. 2 bzw. 28 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht als Vertragsstatut berufen ist, kann offen bleiben, da die Arzneimittelpreisverordnung als zwingendes öffentliches Recht gemäß Art. 34 EGBGB ohnehin nicht vom Vertragsstatut erfasst ist (zum Preisrecht der HOAI: BGH, Urteil vom 27.02.03 € VII ZR 169/02, Rn. 21 zitiert nach juris). Als öffentlich-rechtliche Verordnung regelt sie nicht reines Vertragsrecht, sondern stellt vielmehr zwingendes Preisrecht dar, indem sie die Handelsspannen jedenfalls für verschreibungspflichtige Medikamente verbindlich festlegt. Zwar wirkt sie sich auch auf die Verträge zwischen der Beklagten und ihren Kunden aus, doch ist primäres Ziel der Preisbindung nicht die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Vertragspartnern, sondern vielmehr die im öffentlichen Interesse liegende Verhinderung eines Preiswettbewerbs der Apotheken untereinander mit schweren Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Damit regelt die AMPreisV nicht lediglich eine reine Erfüllungsmodalität i. S. d. Art. 32 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 32 EGBGB Rn. 85). Ihre Anwendbarkeit auf Fälle mit Auslandsberührung iSd Art. 3 Abs. 1 EGBGB richtet sich damit allein nach Art. 34 EGBGB.

b) Voraussetzung für die zwingende Geltung der Bestimmungen der AMPreisV nach Art. 34 EGBGB ist neben einem Inlandsbezug des zu beurteilenden Sachverhalts, dass diese inländischen Bestimmungen € ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck € nach dem Willen des Gesetzgebers auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel Geltung beanspruchen (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 51). Sowohl der Wortlaut und die Systematik der entscheidenden Vorschriften als auch die mit der Preisbindung für Medikamente verfolgten ordnungspolitischen Interessen lassen hier den Schluss auf einen solchen Regelungswillen des deutschen Gesetzgebers zu.

aa) (1) Bereits aus dem Regelungsgefüge der §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a AMG i. V. m. 11 a S. 1 Nr. 1, S. 2 ApoG ergibt sich, dass die §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV auch auf den grenzüberschreitenden Online-Versandhandel und damit auch auf die Verträge der Beklagten mit ihren deutschen Abnehmern anwendbar sind. Die gegenteilige Ansicht des OLG Hamm (Urteil vom 21.09.04, 4 U 74/04, Rn. 59, zitiert nach juris), der sich die Beklagte angeschlossen hat, vermag die Kammer nicht zu überzeugen.

§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a AMG ordnet für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch eine versandberechtigte ausländische Apotheke ausdrücklich die Geltung der "deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel" an. Zu den entsprechenden deutschen Vorschriften zählt auch § 11 a ApoG, wonach der Versand aus einer Apotheke "zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen (muss), soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen". Zu den Regelungen des üblichen Apothekenbetriebs gehören aber gerade die Festpreise nach §§ 1, 3 AMPreisV.

Der Ansicht der Beklagten, § 11 a ApoG verweise für den Versandhandel nicht auf alle apothekenrechtlichen Vorschriften, sondern wolle nur den spezifischen Besonderheiten des Versendens Rechnung tragen, kann nicht gefolgt werden, da ansonsten der einschränkende letzte Halbsatz der Vorschrift überflüssig wäre. Dieser ist nur dann sinnvoll, wenn im Grundsatz alle Regelungen des üblichen Apothekenbetriebs befolgt werden müssen, es sei denn, es bestünden Sondervorschriften für den Versand.

Ebenso wenig überzeugt der von der Beklagten angeführte Einwand des OLG Hamm, § 11 a ApoG betreffe nur die Erfüllung abgeschlossener Kaufverträge, nicht aber den vorgelagerten Vertragsschluss, bei dem sich bereits die Frage der Preisbindung stellt. Schon der Wortlaut der Generalverweisung des § 11 a ApoG, der pauschal auf die für den üblichen Apothekenbetrieb geltenden Vorschriften verweist, bietet keinen Anhaltspunkt für eine solch einschränkende Auslegung. Zudem regelt die Norm gerade nicht nur die Risiken des Versendens, sondern stellt sogar selbst Regelungen für ein Qualitätssicherungssystem auf, die teilweise schon vor dem Vertragsschluss eingreifen wie etwa die Pflicht zur Beratung nach S. 1 Nr. 1 d).

Letztlich vermag auch nicht die Ansicht der Beklagten überzeugen, § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a AMG fordere nur die Wahrung eines dem deutschen Niveau entsprechenden Sicherheitsstandards, der aber nicht den Schutz vor ruinösem Preiswettbewerb, dem die AMPreisV dient, miteinschließe, sondern sich allein auf den Schutz der Verbraucher beziehe. Dieser Gedanke passt nur auf die erste und an sich einzige wirkliche "Entsprechungsklausel" der Norm, nämlich die Frage der Anerkennung einer ausländischen Befugnis für den Versandhandel, während es bei der hier entscheidenden Anordnung der Versendung "entsprechend den deutschen Vorschriften" im letzten Halbsatz gar nicht um die Frage eines vergleichbaren Schutzniveaus geht. Der Begriff "entsprechend" ist hier vielmehr im Sinne von "gemäß" oder "nach" zu verstehen.

(2) Auch die Entstehungsgeschichte der Freigabe des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch das am 14. November 2003 verkündete GMG spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Preisbindung auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwenden wollte. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten durch die Neuregelung faire Wettbewerbsbedingungen zwischen öffentlichen Apotheken und Versandapotheken geschaffen werden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1525, S. 75 rechte Spalte). Die Nichtgeltung der AMPreisV für ausländische Apotheken würde dieses gesetzgeberische Ziel geradezu konterkarieren. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges eine solche Inländerdiskriminierung in Kauf nehmen wollte (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 17.08.06, 315 O 340/06, Rn. 44, zitiert nach juris). Dass der Gesetzgeber die Geltung der AMPreisV bei der Legalisierung des Versandhandels aus ausländischen Apotheken nicht ausdrücklich angeordnet hat, kann nicht, wie die Beklagte meint, einseitig als Indiz dafür interpretiert werden, dass der Gesetzgeber die Regelung nicht auf den grenzüberschreitenden Handel erstrecken wollte; vielmehr kann hinter dem Unterlassen auch die Annahme gestanden haben, dass die Geltung über die Verweisungskette der §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a AMG, § 11 a S. 1 Nr. 1 a ApoG ausreichend verankert ist.

(3) Der internationale Geltungswille, der hinter den Regelungen der AMPreisV steht, ergibt sich darüberhinaus aus dem Schutzzweck der Normen. Nach § 78 Abs. 2 AMG sollen die Preise den berechtigten Interessen der Verbraucher, Tierärzte, Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Der einheitliche Festpreis soll also vor allem einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken ausschließen, um so eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen. Für die Gefährdung dieses Schutzzwecks ist es unerheblich, ob eine in- oder ausländische Apotheke zu niedrigeren als den festgelegten Preisen verkauft (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.07, 12 O 123/06, Rn. 24, zitiert nach juris). Der befürchtete Preiskampf kann nur durch eine Bindung aller auf dem deutschen Markt tätigen Apotheken an die Festpreise bekämpft werden.

bb) Der für die Anwendung der international zwingenden Regelungen der AMPreisV über Art. 34 EGBGB erforderliche Inlandsbezug des Sachverhalts (vgl. Magnus, in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 80) ist aufgrund der eindeutigen Ausrichtung des Online-Angebots der Beklagten auf deutsche Kunden zu bejahen. Die Internetseite ist in deutscher Sprache abgefasst, es werden in ... Deutschland zugelassene Medikamente vertrieben und die Abrechnung erfolgt mit den deutschen Krankenkassen. Damit ist der Wettbewerb im Inland unmittelbar und spürbar betroffen.

48c) Die Anwendung der AMPreisV auf die Beklagte ist auch mit vorrangigem europäischen Primärrecht, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. EG vereinbar.

49aa) Es kann dahinstehen, ob die Bindung ausländischer Versandapotheken an die Festpreisregelung eine Maßnahme gleicher Wirkung i. S. d. Dassonville-Formel ist (befürwortend OLG Hamm, Urteil vom 21.09.04, 4 U 74/04, Rn. 64 ff., zitiert nach juris; ablehnend: OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.07, 12 O 123/06, Rn. 26 f., zitiert nach juris), denn jedenfalls wäre eine solche nach Art. 30 EG zum Schutze der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt.

bb) (1) Wie dargelegt dient das Festpreissystem der Sicherstellung einer flächendeckenden, zeit- und ortsnahen sowie qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und damit einem gesundheitspolitischen Ziel. Das Schutzgut Gesundheit rechtfertigt dabei auch Vorsorgemaßnahmen, die bereits im Vorfeld Risiken für Gesundheit und Leben auszuschalten versuchen, damit konkrete Gefahren erst gar nicht entstehen. Auch das Arzneimittel- und Apothekenrecht, mag es auch wirtschafts- und wettbewerbspolitische Mittel einsetzen, stellt ein solches Risikoabwehrrecht dar.

Dabei handelt es sich nicht, wie die Beklagte meint, um eine unzulässige Umdeutung einer an sich rein wirtschaftlichen und damit nicht dem Art. 30 EG unterfallenden Zielsetzung. Vielmehr hat der EuGH in seiner EntscheidungDocMorris(Urteil vom 11.12.03, C 322/01) klargestellt, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine nationale Festpreisregelung deshalb beizubehalten sei, weil sie einen integralen Bestandteil des nationalen Gesundheitswesens bilde. Dass der EuGH im FallDocMorriseine Rechtfertigung der AMPreisV abgelehnt hat, lag allein daran, dass die Beteiligten keine Argumente für deren Erforderlichkeit vorgebracht hatten (vgl. Rn. 123 des Urteils, zitiert nach juris), und ändert daher nichts an der Aussage des EuGH, dass eine Festpreisregelung dem anerkannten Schutzgut der Gesundheit dienen könne. Die Beteiligten haben imDocMorris-Verfahren allein Rechtfertigungsgründe für das damals noch bestehende Verbot des Versandhandels angeführt (fehlende persönliche Beratung, erschwerte Kontrolle bei Versandapotheken, vgl. Rn. 82 ff. des Urteils, zitiert nach juris), da allein dies streitgegenständlich war. Dagegen kam es in diesem Verfahren nur inzidenter auf eine mögliche Rechtfertigung der Festpreisregelung an. Das hier entscheidende Argument der Gesundheitsgefährdung durch Verdrängung von Apotheken infolge eines Preiskampfes wurde nicht in den Vordergrund gerückt.

(2) Die Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel ist zur Erreichung eines effektiven Gesundheitsschutzes durch flächendeckende Arzneimittelversorgung erforderlich.

Dabei ist zu beachten, dass der EuGH den Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative zubilligt hinsichtlich der Frage, auf welchem Niveau und auf welchem Wege sie den Gesundheitsschutz ihrer Bevölkerung sicherstellen wollen (EuGH, Urteil vom 21.03.91, C-369/88,Delattre,Slg. 1991, I-1487, Rn. 53; Urteil vom 13.07.2004, C-262/02,Kommission/Frankreich,Slg 2004, I-6569, Rn. 33). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung ist wiederum dem Gesetzgeber gegenüber den Gerichten ein Einschätzungs- und Prognosevorrang eingeräumt (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.12.68, 1 BvL 5/64,Mühlengesetz,Rn. 37, zitiert nach juris; Beschluss vom 06.10.87, 1 BvR 1086/82,Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe,Rn. 75, zitiert nach juris). Der deutsche Gesetzgeber hat sich zum Schutz der Gesundheit aus nachvollziehbaren Gründen für ein Festpreissystem entschieden, das auch ausländische Versandapotheken, die auf dem deutschen Markt tätig werden, bindet. Könnten im grenzüberschreitenden Versandhandel Medikamente zu günstigeren als den festgelegten Preisen angeboten werden, so bestünde die Gefahr einer Verdrängung von Präsenzapotheken, da die Kunden aus Preisgründen die Versandapotheken privilegierten. Dies wiederum würde die flächendeckende und vor allem orts- und zeitnahe Versorgung der Bevölkerung insbesondere in ländlichen Gegenden gefährden (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 17.8.2006, 315 O 340/06, Rn. 59, zitiert nach juris). Entgegen der Ansicht der Beklagten bedarf es keiner weiteren Substantiierung durch die Klägerin, dass die Gewährung von Boni die Absatzchancen inländischer Apotheken erheblich beeinträchtigt, da es für eine Rechtfertigung nach Art. 30 EG nicht erforderlich ist, dass ein Schaden bereits eingetreten ist. Vielmehr rechtfertigt der Schutzgedanke, der hinter dieser Norm steht, gerade ein präventives Tätigwerden der nationalen Gesetzgeber.

Zudem soll durch die Festpreisregelung verhindert werden, dass Verbraucher vor dem Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments Preisvergleiche zwischen den Apotheken anstellen, da der dabei entstehende Zeitverlust gerade bei ernsthaften Krankheiten eine Gefahr für die Gesundheit darstellen kann. Dieser Zeitverlust ist bei Bestellungen im Versandhandel besonders hoch. Sollte ein Patient sich aufgrund der gewährten Anreize dazu hinreißen lassen eine akut notwendige Medikation dadurch zu verzögern, dass er die verschriebenen Arzneimittel im Versandhandel bestellt, könnten hieraus ernsthafte Gesundheitsrisiken resultieren. Zu beachten ist dabei, dass die Festpreisregelung von vornherein nur für rezeptpflichtige Medikamente gilt, also solche, die wegen des ihnen innewohnenden Gefährdungspotentials in der Regel nur zur Behandlung schwerwiegenderer Krankheiten eingesetzt werden. Ist das Rezept an die Versandapotheke erst einmal zur Post gegeben, kann der Patient auch im Falle der Verschlimmerung einer zunächst von ihm als harmloser eingeschätzten Krankheit sich nicht mehr spontan zum sofortigen Kauf in einer Präsenzapotheke entschließen.

55Für eine Rechtfertigung nach Art. 30 EG spricht zudem die Tatsache, dass der EuGH im FallDocMorrissogar ein generelles Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten für zulässig erachtet hat, so dass die bloße Bindung ausländischer Versandapotheken an die AMPreisV als milderes Mittel jedenfalls verhältnismäßig sein muss. Auch bei Berücksichtigung der von der Beklagten angeführten Argumente, wonach ausländische Versandapotheken schon allein aufgrund der fehlenden Präsenz einen Wettbewerbsnachteil (gerade bei der Versorgung von Akutpatienten) gegenüber inländischen Anbietern haben (was vom Kläger aber mit Hinweis auf die Belastung der Präsenzapotheken etwa mit der Verpflichtung, jederzeit Zubereitungen von Rezepturen zu fertigen oder am wenig lukrativen Notdienst teilzunehmen in Abrede gestellt wird), erscheint bei einer Gesamtabwägung die Festpreisregelung aufgrund des Überwiegens der oben dargelegten Erwägungen gerechtfertigt.

6. Der Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 11 UWG ist mangels Fristablaufs noch nicht gem. § 11 Abs. 1 und 2 UWG verjährt. Ob in dem fortdauernden streitgegenständlichen Angebot durch die Beklagte eine Dauerhandlung oder aber eine fortgesetzte Handlung zu sehen ist, hängt davon ab, ob man mit Blick auf die einmalige Einrichtung der Bestellmöglichkeit im Internet davon ausgeht, dass die Beklagte nicht für jeden Vertragsschluss neu aktiv werden muss, oder ob man wegen der jeweils einzeln zu betrachtenden Kaufverträge mit den jeweiligen Kunden eher von wiederholten, wenn auch gleichartigen Handlungen ausgeht. Dies kann hier aber dahinstehen, da in beiden Varianten die Frist des § 11 Abs. 1 und 2 UWG noch nicht abgelaufen ist. Im Fall einer Dauerhandlung ist die Frist noch gar nicht angelaufen, da der Eingriff noch fortdauert (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.73, I ZR 136/71 €Brünova,Rn. 17, zitiert nach juris; Urteil vom 27.02.03, I ZR 25/01 €Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft,Rn. 36, zitiert nach juris). Ist dagegen von einer fortgesetzten Handlung auszugehen, so läuft für jeden Teilakt eine gesonderte Verjährung (BGH, Urteil vom 28.09.73, I ZR 136/71 €Brünova,Rn. 17, zitiert nach juris), so dass mit Blick jedenfalls auf die von der Klägerin vorgelegten Werbematerialen noch keine Verjährung eingetreten ist, da diese unbestritten aus einem Zeitraum stammen, der weniger als sechs Monate vor dem mit Blick auf § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB entscheidenden Datum der Anhängigkeit der Klage liegt. Damit ist unerheblich, dass der Kläger nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten bereits im September 2006 Kenntnis von dem hier streitgegenständlichen Aspekten des Bonussystems hatte.

7. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt, da es jedenfalls am Aufbau eines wertvollen Besitzstandes durch die Beklagte fehlt, und zudem der Verwirkungseinwand an vorrangigen Interessen der Allgemeinheit scheitert.

Die Verwirkung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs setzt voraus, dass der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den Verstoß kannte oder ihn bei der gebotenen Wahrnehmung seiner Interessen erkennen musste, so dass der Verpflichtete mit der Duldung seines Verhaltens durch etwaige Berechtigte rechnen durfte, und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand schuf (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.89, I ZR 183/86 €Maritim,Rn. 49 zitiert nach juris).

a) Zweifelhaft ist im hiesigen Fall bereits das Zeitmoment der Verwirkung, da bei der Annahme einer fortgesetzten Handlung bei jeder wiederholten gleichartigen Verletzungshandlung jeweils ein neuer Unterlassungsanspruch entsteht, und damit auch die für die Verwirkung erforderliche Frist jeweils neu zu laufen beginnt (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.05, V ZR 169/04, Rn. 11, zitiert nach juris). Doch auch wenn man das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten als Dauerhandlung einstuft, ist fraglich, ob durch die 14monatige Untätigkeit der Klägerin überhaupt schon das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt ist, da aufgrund der Zubilligung einer Beobachtungs- und Bewertungsfrist in der Regel mehrere Jahre erforderlich sind (vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 11 Rn. 2.19).

b) Dies kann letztlich jedoch ebenso offenbleiben wie die streitige Frage, ob dem zwischen den Parteien am 24.07.2007 abgeschlossenen Vergleich eine umfassende Befriedungsfunktion zukommen sollte, da es für die Bejahung des Umstandsmoments der Verwirkung jedenfalls an der Schaffung eines relevanten wertvollen Besitzstandes durch die Beklagte fehlt. Damit konnte die Kammer auch von der Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen absehen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe nach Abschluss des Vergleichs zahlreiche kostspielige Umstellungsmaßnahmen (Umprogrammierung von Software, Vernichtung von Broschüren, Neuschulung Mitarbeiter) durchführen müssen. Unabhängig von der Frage, ob das Merkmal "Besitzstand" überhaupt solche Maßnahmen erfasst € an sich ergibt sich ein solcher vor allem aus der Benutzung von Kennzeichen, Werbeaussagen und Nachahmungen fremder Leistungen (vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 11 Rn. 2.25) € fehlt es jedenfalls an der Kausalität des hier zu Gunsten der Beklagten unterstellten Duldungsanscheins des Vergleichsabschlusses für diese Maßnahmen und an deren Zukunftsbezogenheit.

Ein erworbener Besitzstand ist nur insoweit zu berücksichtigen, als er auf der Verletzungshandlung beruht und auf Grund des Duldungsanscheins geschaffen wurde (vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 11 Rn. 2.28). Die von der Beklagten behaupteten Investitionen beruhen schon gar nicht auf der hier geltend gemachten Verletzungshandlung, nämlich der Bonusgewährung für verschreibungspflichtige Medikamente, sondern resultieren allein aus der Notwendigkeit, die Folgen einer anderen Verletzung zu beseitigen, nämlich diejenigen der hier nicht mehr streitgegenständlichen Bonusgewährung für zuzahlungsfreie Generika. Wie die Beklagte selber vorträgt, erfolgten die Umstellungsmaßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungserklärung. Kausal war damit primär die aus dem Vergleichsabschluss resultierende Verpflichtung zur Umstellung des Internetangebots, nicht aber das Vertrauen auf die hier unterstellte umfassende Befriedungsfunktion des Vergleichs.

Da sich die von der Beklagten vorgetragenen Investitionen allein auf eine in diesem Prozess nicht mehr erhebliche Verletzungshandlung in der Vergangenheit beziehen, fehlt es an der erforderlichen Zukunftsbezogenheit (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.00, X ZR 150/98 €Temperaturwächter,Rn. 25, 34, zitiert nach juris). Diese wäre nur zu bejahen, wenn die Beklagte aufgrund der unterstellten Befriedungsfunktion des Vergleichs Investitionen mit Blick auf ihr Angebotssystem bezüglich verschreibungspflichtiger Medikamente getätigt hätte, also mit Blick auf das hier allein streitgegenständliche Segment.

Da die von der Beklagten behaupteten Investitionen also schon nicht die Annahme eines für die Verwirkung relevanten Besitzstandes rechtfertigen, ist unerheblich, ob der diesbezügliche Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2008 gemäß §§ 296 Abs. 1 i. V. m. 276 Abs. 1 S. 2 ZPO wegen Verzögerung aufgrund des Bestreitens durch den Kläger und der damit erforderlichen Beweisaufnahme als verspätet zurückzuweisen ist.

c) Darüberhinaus würde der Verwirkungseinwand ohnehin nicht eingreifen, weil die Verletzung der Arzneimittelpreisverordnung durch die Beklagte ein Allgemeininteresse beeinträchtigt, dem gegenüber dem Individualinteresse der Beklagten der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.81, I ZR 29/79 €Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft,Rn. 21, zitiert nach juris). Zwar folgt dies nicht schon aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, da dort nur die Aktivlegitimation der Klägerin geregelt ist. Jedoch zielt die Festpreisregelung, wie bereits dargelegt, auf die Absicherung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten durch Ausschluss eines ruinösen Preiswettbewerbs, und dient damit dem Schutz der Allgemeinheit. Aufgrund des hohen Stellenwertes des Schutzgutes der Gesundheit, der sich unter anderem in der Annahme einer aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG resultierenden staatlichen Schutzpflicht manifestiert, stünden einer etwaigen Verwirkung auch wesentliche Interessen der Allgemeinheit entgegen.

8. Da der Klägerin also jedenfalls ein Unterlassungsanspruch aus § 3, 4 Nr. 11 UWG iVm §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV zusteht, kann offen bleiben, ob ein solcher auch aus §§ 3, 4 Nr. 1 UWG oder §§ 3, 4 Nr. 11 UWG iVm § 7 HWG folgen würde.

III. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus §§ 12 Abs. 1 S. 2, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG i. V. m. §§ 2 Abs. 2, 13 RVG i. V. m. Nr. 2300 und 7002 VV. Die Geschäftsgebühr (Satz: 1,3) ist nicht zu kürzen, sondern erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH Urteil vom 07.03.2007 € VIII ZR 86/06, Rn. 10 ff., zitiert nach juris). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 S. 1, 2 i. V. m. 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

IV. Die Androhung von Ordnungsmitteln erfolgt auf der Grundlage des § 890 Abs. 2 ZPO.

V. Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 ZPO.

VI. Die Kammer macht von ihrem Vorlagerecht nach Art. 234 Abs. 2 EG entgegen der diesbezüglichen Anregung durch die Beklagte keinen Gebrauch, da ihrem Ermessen nach eine Vorlage an den EuGH erst nach letztinstanzlicher Klärung der innerstaatlichen Rechtslage, hier der Frage nach dem internationalen Geltungswillen der Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung im Rahmen des Art. 34 EGBGB, sinnvoll ist. Über das Ob und Wie der Vorlage entscheidet das Gericht im Rahmen der ihm in Abs. 2 eingeräumten Beurteilungsbefugnis von Amts wegen, die Parteien können ein Ersuchen nach Art. 234 EG nur anregen (vgl. EuGH, Urteil vom 11.03.80, C 104/79,Foglia./. Novello I,Slg. 1980, I-745 Rn. 11; Urteil vom 22.11.78, C 93/78,Mattheus./.Doego,Slg. 1978, I-2203 Rn. 5).






LG München I:
Urteil v. 18.06.2008
Az: 1 HK O 20716/07, 1 HK O 20716/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3f59be0458e5/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_18-Juni-2008_Az_1-HK-O-20716-07-1-HK-O-20716-07




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