Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 8. Juli 2003
Aktenzeichen: 16 Ta 178/03

(LAG Düsseldorf: Beschluss v. 08.07.2003, Az.: 16 Ta 178/03)

1. Eine Partei, die einen Arbeitsrechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht zu führen beabsichtigt oder dort verklagt wird, ist in aller Regel auch unter Berücksichtigung der Erstattungsfähigkeit nur notwendiger Kosten berechtigt, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts mit der Prozessvertretung zu beauftragen.

2. Die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltsreisekosten (mit den Einschränkungen aus § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG für das Urteilsverfahren erster Instanz) richtet sich nach § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 16.04.2003 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.02.2003 6 Ca 6282/99 -, zugestellt am 03.04.2003, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Beschwerdewert: 1.862,81 €.

Gründe

GRÜNDE:

I.

Der Kläger (Antragsteller) wohnt in N.. Sein Prozessbevollmächtigter hat seine Kanzlei in G. bei N.. Der vom Kläger gegen die Beklagte (Antragsgegnerin) geführte Berufungsrechtsstreit fand vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf statt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Der Kläger hat unter anderem die Erstattung entstandener Rechtsanwaltsreisekosten und Tagegelder beantragt. Das Arbeitsgericht (Rechtspfleger) hat diese Kosten in Höhe der Kosten berücksichtigt, die für die Einschaltung eines am Gerichtsort Düsseldorf ansässigen Unterbevollmächtigten angefallen wären. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, die sie damit begründet, dass die Reisekosten und Tagegelder insgesamt nicht zu berücksichtigen seien, da hier anstelle eines auswärtigen Rechtsanwalts ein in Düsseldorf ansässiger Rechtsanwalt hätte beauftragt werden können.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.

2. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die betreffenden Kosten in der im Beschwerdeverfahren noch streitigen Höhe zutreffend als erstattungsfähig anerkannt.

a) Richtig ist, dass die Frage, welche Rechtsanwaltsreisekosten nach § 91 Abs. 2 ZPO erstattungsfähig sind, in zahlreichen Punkten streitig ist (vgl. Nachw. bei Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichw. Reisekosten des Anwalts sowie GK-ArbGG/Wenzel, § 12 a Rdn. 64 ff.), und zwar in der Zivilgerichtsbarkeit insbesondere seit der mit Wirkung vom 01.01.2000 erfolgten Neuregelung des § 78 Abs. 1 ZPO und der dortigen Erweiterung/Freigabe der Postulationsfähigkeit. Bislang galt allgemein, dass die Reisekosten von nicht in Gerichtsnähe ansässigen Rechtsanwälten grundsätzlich nicht, sondern nur in näher bezeichneten Ausnahmefällen erstattungsfähig seien (vgl. GK-ArbGG/Wenzel, a. a. O.). Der Bundesgerichtshof hat dieses Regel-Ausnahme-Prinzip in seiner Entscheidung vom 16.10.2002 (- VIII ZB 30/02 MDR 2003, 233 = JurBüro 2003, 202 = Rpfleger 2003, 98 = AnwBl 2003, 309; ebenso BGH vom 18.02.2003, AnwBl 2003, 311) umgekehrt. Danach ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts in der Regel als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO anzusehen und lediglich in Ausnahmefällen nicht.

b) In einer weiteren Entscheidung (Beschl. v. 12.12.2002 I ZB 29/02 JurBüro 2003, 205 = Rpfleger 2003, 214 = AnwBl 2003, 181) zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof zwischen drei Fallkonstellationen unterschieden: (1) Eine Partei klagt im eigenen Gerichtsstand oder wird dort verklagt und beauftragt mit ihrer Vertretung einen auswärtigen Rechtsanwalt. (2) Eine Partei klagt bei einem auswärtigen Gericht oder wird dort verklagt und beauftragt mit ihrer Vertretung einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt. (3) Eine Partei klagt bei einem auswärtigen Gericht oder wird dort verklagt und beauftragt mit ihrer Vertretung einen auswärtigen Rechtsanwalt, der an einem dritten Ort, also weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozessgerichts, ansässig ist.

c) Im vorliegenden Fall handelt es sich um die unter Ziffer (2) genannte Fallkonstellation. Der Kläger wohnt in N. und hat sich vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf durch einen in seiner Nähe ansässigen Rechtsanwalt vertreten lassen, der die Termine in Düsseldorf wahrgenommen hat. In einem solchen Fall - so der BGH - ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO finde hierbei keine Anwendung. Dem haben sich zwischenzeitlich mehrere Oberlandesgerichte unter Aufgabe ihrer bislang teilweise abweichenden Rechtsprechung angeschlossen (u. a. OLG Stuttgart vom 16.01.2003, MDR 2003, 779; OLG Düsseldorf vom 05.02.2003, JurBüro 2003, 258; OLG Koblenz vom 11.02.2003, JurBüro 2003, 258 = Rpfleger 2003, 324; OLG München vom 12.02.2003, AnwBl 2003, 314 = JurBüro 2003, 308; im Ergebnis ebenso bereits OLG Dresden vom 16.04.2002, AnwBl 2003, 311).

3. Auch die für Beschwerden in Kostenfestsetzungsverfahren zuständige (16.) Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf folgt dieser Auffassung im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung. Dies gilt um so eher, als es die in § 78 Abs. 1 ZPO für die Zivilgerichtsbarkeit bis zum 31.12.1999 geltende Beschränkung der Postulationsfähigkeit in der Arbeitsgerichtsbarkeit ohnehin nicht gegeben hat (§ 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Eine Partei, die einen Rechtsstreit vor einem auswärtigen Arbeitsgericht/Landesarbeitsgericht zu führen beabsichtigt oder dort verklagt wird und ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, ist in aller Regel auch unter Berücksichtigung der Erstattungsfähigkeit nur notwendiger Kosten berechtigt, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder verteidigung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Dies ist hier geschehen. Ausnahmen von dieser Regel, wie sie bereits der Bundesgerichtshof in den beiden Entscheidungen vom 16.10.2002 und 12.12.2002 genannt hat, liegen hier nicht vor und sind auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich. Die Erstattungsfähigkeit der hier streitigen Kosten für die Wahrnehmung der Termine vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist danach zu bejahen, zumal das Arbeitsgericht die Anwaltsreisekosten und Tagegelder als insgesamt erstattungsfähig nur in der Höhe festgesetzt hat, in der sie bei Einschaltung eines am Gerichtsort Düsseldorf ansässigen Unterbevollmächtigten (§§ 53, 26 BRAGO) angefallen wären.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem streitigen Differenzbetrag. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

gez.: Dr. Kaup






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Beschluss v. 08.07.2003
Az: 16 Ta 178/03


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