Amtsgericht Bonn:
Urteil vom 8. April 2004
Aktenzeichen: 6 C 538/03

(AG Bonn: Urteil v. 08.04.2004, Az.: 6 C 538/03)

Tenor

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.786,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz aus 1.893,41 EUR seit dem 04.09.2003 und aus 1.893,41 EUR seit dem 06.10.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses S-Straße # in ......# C. Mitte des Jahres 1991 räumte sie ihrer Mutter L B ein Nießbrauchsrecht für das genannte Grundstück S-Straße # in C ein, welches am 14.06.1991 im Grundbuch eingetragen wurde. Am 01.10.1993 vermieteten Frau L B und die Klägerin die im Parterre links des genannten Hauses gelegenen Praxisräume an den Beklagten zum ununterbrochenen Betrieb einer internistischen Praxis. Seit dem 01.02.2003 beläuft sich der monatliche Mietzins auf 1.893,59 EUR. Diese Miete überwies der Beklagte vereinbarungsgemäß bis einschließlich August 2003 auf ein Konto der Nießbraucherin L B, welches von der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin für Frau B treuhänderisch verwaltet wurde. Am 19.08.2003 wurde das zugunsten von Frau L B eingeräumte Nießbrauchsrecht aufgrund einer Rechtsaufgabe durch Frau B aus dem Grundbuch gelöscht. Diesen Umstand teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 21.08.2003, welches dem Beklagten Ende August 2003 zuging, mit. Gleichzeitig forderte die Klägerin den Beklagten auf, die monatliche Miete ab dem 01.09.2003 auf ihr Konto zu überweisen. Der Beklagte überwies die Miete für den Monat September jedoch gleichwohl am 01.09.2003 auf das von der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin treuhänderisch verwaltete Konto von Frau L B. Am 04.09.2003 überwies die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den gezahlten Betrag von 1.893,41 EUR vom Treuhandkonto für Frau L B zurück an den Beklagten. Mit Schreiben vom 05.09.2003 forderte die Klägerin den Beklagten erneut auf, die Septembermiete an sie zu zahlen. Mit Schreiben vom 08.09.2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Septembermiete wie üblich fristgerecht an Frau B überwiesen habe, da die von der Klägerin gewünschte Kontoveränderung ihm zu kurzfristig bekannt geworden sei, um entsprechend zu reagieren. Außerdem kündigte er an, er werde den Dauerauftrag für die Miete nur dann verändern, wenn die Klägerin ihm eine anwaltlich beglaubigte Verzichtserklärung von Frau B auf ihr Nießbrauchsrecht und einen entsprechenden Grundbuchauszug zukommen lasse. Dieser Aufforderung kam die Klägerin mit Schreiben vom 10.09.2003 nach. Gleichwohl überwies der Beklagte in der Folgezeit jedoch weder die Miete für den Monat September noch die Miete für den Monat Oktober an die Klägerin, da ihm Frau L B mit Schreiben vom 05.09.2003 mitgeteilt hatte, dass sie auf die monatliche Mietzahlung nicht verzichte und den Verzicht auf das ihr eingeräumte Nießbrauchsrecht widerrufen habe. Vielmehr überwies er beide Monatsmieten auf ein neu eingerichtetes Konto von Frau L B.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.786,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. auf 1.893,41 EUR seit dem 04.09.2003 und auf 3.786,82 EUR seit dem 06.10.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, da das Mandatsverhältnis zwischen der Klägerin und der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen unwirksam sei. Die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin habe Anfang September 2003 sowohl Interessen der Klägerin als auch von Frau L B vertreten, obwohl beide Anspruch auf die vom Beklagten geschuldeten monatlichen Mieten erhoben hätten. Aufgrund dieser Interessenkollision fehle es an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung.

Im übrigen sei die Klage unbegründet, da der Beklagte die Mietzinsforderungen durch Zahlungen der September- und Oktobermiete an Frau L B bereits erfüllt habe. Frau L B habe, da sie lediglich auf ihr Nießbrauchsrecht, nicht jedoch auf ihre Rechte als Vermieterin verzichtet habe, weiterhin das Recht gehabt, auf schuldrechtlicher Grundlage vom Beklagten Zahlung der Miete zu verlangen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in der Hauptsache auch im vollen Umfang begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere liegt eine wirksame Prozeßvollmacht der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und damit eine ordnungsgemäße Klageerhebung vor.

Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob das Mandatsverhältnis zwischen der Klägerin und der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 43 a IV BRAO gemäß § 134 BGB nichtig ist. Denn aus der Nichtigkeit eines Mandatsvertrages kann nicht auf die Unwirksamkeit auch der Prozeßvollmacht geschlossen werden. Schon für die Vollmacht nach den §§ 164 ff. BGB gilt das sog. Abstraktionsprinzip, nach dem die Vollmacht nach Begründung, Dauer und auch Wirksamkeit streng von dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis zu trennen ist. Erst recht gilt dieses Abstraktionsprinzip für die Prozeßvollmacht. Denn der nach öffentlichrechtlichen Grundsätzen aufgebaute Zivilprozeß kann nur dann seine Rolle als vorgegebenes Instrument des Staates zur Entscheidung bürgerlichrechtlicher Konflikte erfüllen, wenn die im Verlaufe des Rechtsstreits von den Parteien und ihren Vertretern vor Gericht abgegebenen Erklärungen und die von ihnen vorgenommenen Prozeßhandlungen, von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen, ihre Geltung behalten, so dass sich der Prozeßgegner auf sie und ihre Rechtsbeständigkeit verlassen kann. Hierzu gehört, dass ein Prozeßgegner nicht damit rechnen muß, sein Vertrauen auf die Gültigkeit einer von dem Vertreter des anderen Prozeßbeteiligten abgegebenen Erklärung werde durch Mängel im Innenverhältnis der Gegenseite enttäuscht; dies hat aber wiederum zur Folge, dass wegen der Einheitlichkeit des Prozeßrechts unter Vermeidung einer dem Zivilprozeß schädlichen Unsicherheit Mängel des Grundgeschäfts insgesamt keinen Einfluß auf die Rechtswirksamkeit der Prozeßvollmacht haben dürfen. So ist auch die Abstraktheit der Prozeßvollmacht einheitlich anerkannt (BGHZ 31, 35; 43, 137; 47, 321). Selbst wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts ein von der Rechtsordnung mißbilligtes Ziel verfolgt, dieser Mandatsvertrag etwa wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig ist, hat die Rechtsprechung die aufgrund des Mandatsvertrages erteilte Vollmacht für rechtsgültig gehalten (OLG Köln, MDR 1974, Seite 310 mit Verweis auf OGHBrZ NJW 1951, Seite 72). Für den vorliegenden Fall heißt dies, dass die der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erteilte Prozeßvollmacht selbst dann rechtsgültig ist, wenn die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin durch ihr Tätigwerden sowohl für die Klägerin als auch für deren Mutter vor dem Hintergrund, dass beide Zahlung der vom Beklagten geschuldeten monatlichen Mieten an sich verlangten, gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen aus § 43 a IV BRAO verstoßen oder sogar den Straftatbestand des Parteiverrats gemäß § 356 StGB verwirklicht haben sollte.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.786,82 EUR aus § 1056 I BGB in Verbindung mit § 566 c Satz 3 BGB.

Die Klägerin ist am 19.08.2003 aufgrund der Löschung des der Frau L B eingeräumten Nießbrauchsrechts aus dem Grundbuch gemäß den §§ 1056 I, 566 I BGB anstelle der bisherigen Vermieterin L B in die sich aus dem Mietverhältnis mit dem Beklagten ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. Damit war sie berechtigt, vom Beklagten künftig Zahlung der Miete an sie zu verlangen, was sie mit Schreiben vom 21.08.2003 an den Beklagten auch getan hat. Gleichwohl hat der Beklagte keinerlei Zahlungen an die Klägerin für die Monate September und Oktober 2003 geleistet.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass durch Zahlung der Mieten für die Monate September und Oktober 2003 an Frau L B die Forderung der Klägerin erfüllt worden ist, da diese Mietzahlungen der Klägerin gegenüber gemäß § 566 c Satz 3 BGB unwirksam sind. Hiernach ist ein Rechtsgeschäft, das zwischen dem Mieter und Vermieter über die Mietforderung vorgenommen wird, insbesondere die Entrichtung der Miete, gegenüber dem Erwerber unwirksam, wenn der Mieter bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts von dem Übergang des Eigentums bzw. dem Wegfall des Nießbrauchs Kenntnis hat. Vorliegend hatte der Beklagte sowohl bei der ersten Überweisung der Septembermiete auf ein Konto von Frau L B am 01.09.2003 als auch bei der zweiten Überweisung der Septembermiete Mitte September 2003 auf ein neues Konto von Frau L B und erst recht bei der späteren Überweisung der Oktobermiete an Frau L B Kenntnis vom Wegfall des Frau B erteilten Nießbrauchsrechts, und zwar aufgrund der ihm jeweils zuvor zugegangenen Schreiben der Klägerin vom 21.08.2003, 05.09.2003 und 10.09.2003. Diese Mitteilungen der Klägerin über das weggefallene Nießbrauchsrecht mußte er auch gemäß den §§ 1056 I, 566 e I BGB gegen sich gelten lassen.

Die erkannte Zinsforderung ergibt sich dem Grunde und der Höhe nach aus den §§ 280, 286, 288 BGB, da sich der Beklagte seit dem 04.09.2003 mit der Zahlung der Septembermiete und seit dem 06.10.2003 mit der Zahlung der Oktobermiete in Verzug befand, welche aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarungen bis zum 3. Werktag der genannten Monate an die Klägerin hätten gezahlt werden müssen.

Soweit die Klägerin die Zahlung von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2003 nicht aus 1.893,41 EUR, sondern aus 3.786,82 EUR verlangt hat, war die Klage bezüglich des Differenzbetrages abzuweisen, da der Beklagte am 06.10.2003 nur mit der Entrichtung eines Betrages von 1.893,41 EUR in Verzug geraten ist. Das Gericht geht diesbezüglich von einem Schreibversehen der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin aus.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 II Nr. 1, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 3.786,82 € (§§ 3 GKG, 12 ZPO).






AG Bonn:
Urteil v. 08.04.2004
Az: 6 C 538/03


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