Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Oktober 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 257/99

(BPatG: Beschluss v. 19.10.2000, Az.: 25 W (pat) 257/99)

Tenor

1.) Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2.) Auf die Anschlußbeschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. September 1999 insoweit abgeändert, als der Widersprechenden die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt werden. Im übrigen wird die Anschlußbeschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung CHRON ist nach Teillöschung des Warenverzeichnisses noch für die Waren "Arzneimittel, nämlich ophthalmologische Präparate" im Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. Dezember 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 2. April 1982 für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Nährmittel für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandmaterial" eingetragenen Marke 1 031 695 CREON, deren Benutzung bestritten ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Im Erstbeschluß ist ausgeführt, daß eine Entscheidung über die zulässigerweise bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke dahingestellt bleiben könne, was die Widersprechende indessen bei Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht von der bisher fehlenden Glaubhaftmachung einer Benutzung entbinde. Eine Verwechslungsgefahr sei trotz klanglicher und schriftbildlicher Annäherung der Markenwörter auch dann zu verneinen, wenn man von der Registerlage und der danach möglichen Warenidentität ausgehe und unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke strenge Anforderungen an den Markenabstand stelle. Denn der jeweilige Gesamteindruck der Markenwörter differiere in klanglicher Hinsicht wegen der nachhaltigen Abweichungen im Betonungsrhythmus, in der Silbenanzahl und in der Vokalfolge sowie des signifikant verschiedenen Klangrhythmus hinreichend. Im Schriftbild bestehe selbst bei einer handschriftlichen Wiedergabe der Wörter wegen der abweichenden und mehr beachteten Wortanfänge keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Widersprechende hat auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke aufrechterhaltenen Einrede der Nichtbenutzung eine (undatierte) eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers sowie weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Magen-Darm Präparat vorgelegt. Im übrigen hat sie sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keine weiteren Anträge gestellt.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke macht geltend, daß die erstmals im Beschwerdeverfahren erfolgte Vorlage von Benutzungsunterlagen als verspätet zurückzuweisen sei, da ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögere und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit der Widersprechenden beruhe. Im übrigen ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen, daß die Widerspruchsmarke ausschließlich für ein Magen-Darm-Präparat benutzt werde, somit für ein von ophthalmologischen Präparaten vollständig unterschiedliches Indikationsgebiet. Diese Sachlage hätte, sofern die Widersprechende ihrer vorstehenden Prozeßförderungspflicht nachgekommen wäre, bereits im erstinstanzlichen Widerspruchsverfahren festgestellt werden können. Die Widersprechende, die ohne ernsthaften Versuch einer Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke den Widerspruch weiterverfolge, habe deshalb auch die Kosten des Verfahrens zu tragen, jedenfalls im Umfang der Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt insoweit im Wege der Anschlußbeschwerdeder Widersprechenden die gesamten Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich hierzu nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

1.) Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs 1 MarkenG erhoben hat, war von der Widersprechenden die rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke im Sinne von § 26 MarkenG durch Beibringung geeigneter Tatsachen glaubhaft zu machen. Der Senat unterstellt seiner Entscheidung, daß die Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung für die von der Widersprechenden geltend gemachten Magen-Darm Präparate verwendet und rechtserhaltend benutzt worden ist, auch wenn die insoweit vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf die daraus ersichtliche Drittbenutzung der Widerspruchsmarke sowie die Voraussetzungen einer Benutzung als Exportmarke im Sinne von § 26 Abs 4 MarkenG, die Zuordnung der angegebenen Umsatzzahlen und der fehlenden Vorlage von Verwendungsnachweisen als Inlandsmarke erhebliche Zweifelsfragen offenlassen. Hierauf kommt es für die zu treffende Entscheidung nicht maßgeblich an, da die Beschwerde der Widersprechenden auch bei einer insoweit zu ihren Gunsten unterstellten rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für Magen-Darm Präparate mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückzuweisen ist. Denn Magen-Darm-Arzneimittel weisen zu den von der jüngeren Marke beanspruchten ophthalmologischen Präparate einen sehr deutlichen Indikationsunterschied auf, was sich deutlich verwechslungsmindernd auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr auswirkt, auch wenn mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen Laien als maßgebliche Verkehrskreise in die Beurteilung uneingeschränkt miteinzubeziehen sind.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand jedenfalls keine strengen Anforderungen mehr zu stellen. Diese hält die angegriffene Marke auch nach Auffassung des Senats jedenfalls unter Berücksichtigung der nunmehr maßgebenden Warenkonstellation in jeder Hinsicht ein.

Wie bereits die Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, weisen die kurzen und gut erfaßbaren Markenwörter "CHRON" und "CREON" in ihrem jeweiligen klanglichen Gesamteindruck wesentliche Abweichungen in der Silbenanzahl, der Vokalfolge und des hierdurch bedingten Klang- und Betonungsrhythmus auf, die ihre hinreichende Unterscheidbarkeit sicherstellen. Während die jüngere Marke einsilbig, mit betontem und gedehntem "o" gesprochen wird, enthält die Widerspruchsmarke zwei Sprechsilben mit dem zusätzlichen helleren Vokal "e", der wegen seiner regelmäßig betonten Artikulation selbst bei undeutlicherer Sprechweise oder schlechteren Übermittlungsbedingungen nicht überhört wird und als wesentliches, den Gesamteindruck der Markenwörter unterscheidendes Element (vgl hierzu EuGH GRUR 1998, 387, 390 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) auch aus der Erinnerung heraus zu einer ausreichenden Unterscheidbarkeit der Markenwörter beiträgt.

Auch im Schriftbild reichen die in der Buchstabenkontur liegenden Abweichungen der zudem kurzen Wörter aus, ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Wörter in ihrem bildlichen Gesamteindruck zu gewährleisten, zumal das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort und bei handschriftlicher Wiedergabe oder in Normalschrift die in der Widerspruchsmarke enthaltene Oberlänge des Buchstabens "h" für eine zusätzliche Unterscheidungshilfe sorgt.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

2.) Die (unselbständige) Anschlußbeschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 521 Abs 1 ZPO), und hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Im übrigen war die Anschlußbeschwerde zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Senats entspricht es der Billigkeit, hinsichtlich der mit der Anschlußbeschwerde zur Überprüfung gestellten Kostenentscheidungen des patentamtlichen Verfahren der Widersprechenden die Kosten des Erinnerungsverfahrens aufzulegen, § 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG. Denn nach der für das patentamtliche Verfahren maßgeblichen, eigenständigen Bestimmung des § 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG können einem Verfahrensbeteiligten abweichend von dem Grundsatz eigener Kostentragung die Kosten des Verfahrens oder bestimmte Teile hiervon auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Vergleichbar der für das Beschwerdeverfahren entsprechenden Regelung des § 71 Abs 1 MarkenG kommt danach eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen in Betracht, wenn ein Verhalten eines Beteiligten vorliegt, das mit der gebotenen prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 63 Rdn 13 iVm § 71 Rdn 18). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn wie hier trotz eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises im angefochtenen Beschluß jegliche Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke seitens der Erinnerungsführerin unterbleibt und sich deshalb das Rechtsbehelfsverfahren von vornherein als völlig aussichtslos erweisen muß (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 71 Rdn 22; Ingerl/Rohnke, MarkenG § 71, Rdn 17; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl, § 63 Rdn 5; BPatGE 22, 211, 212, 213).

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke darüber hinaus ihren Antrag auf eine weitere, das gesamte Widerspruchsverfahren betreffende Kostenauferlegung gerichtet hat, sind weder Umstände vorgetragen noch ersichtlich, die auch hinsichtlich des Verfahrens bis zum Erlaß des Erstbeschlusses eine derartige Billigkeitsentscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG zu Lasten der Widersprechenden rechtfertigen könnten, da dieser bis zur Entscheidung über den Widerspruch durch den Beschluß vom 8. September 1999 keine Verletzungen prozessualer Pflichten angelastet werden können. Der Antrag war deshalb insoweit zurückweisen.

Nach Auffassung des Senats entspricht es auch nicht der Billigkeit, der Widersprechenden insgesamt oder teilweise die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG). Zwar kann insbesondere auch die Führung eines Beschwerdeverfahrens ohne Glaubhaftmachung einer schon vor dem DPMA zulässig bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke eine vom Grundsatz der eigenen Kostentragung nach § 71 Abs 1 MarkenG abweichende Kostenentscheidung rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier die Beschwerdeführerin bereits im Verfahren vor dem DPMA auf die Erforderlichkeit einer Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke hingewiesen worden war und das Rechtsmittelverfahren ohne jegliche Glaubhaftmachung einer Benutzung der Widerspruchsmarke und damit chancenlos betreibt (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 71 Rdn 22 mit weiteren Hinweisen). Vorliegend hat allerdings die Widersprechende im Beschwerdeverfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt, wenn auch im Hinblick auf die ihr nach § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit §§ 528 Abs 2, 282 Abs 2 ZPO obliegende Prozeßförderungspflicht zu einem späten Zeitpunkt. Jedoch fehlt es hier an einer eingetretenen Verfahrensverzögerung und somit an der weiteren Voraussetzung für eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens (vgl hierzu auch BPatG GRUR 1999, 350, 351 ff - Ruoc/ROC). Es ist deshalb auch unerheblich, ob die Widersprechende das Vorbringen im Verfahren vor dem DPMA aus grober Nachlässigkeit im Sinne des § 528 Abs 2 ZPO unterlassen hat. Danach liegen insgesamt keine besonderen Umstände vor, die Anlaß geben, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen.

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