Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. September 2010
Aktenzeichen: I-20 U 52/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 07.09.2010, Az.: I-20 U 52/10)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 26.03.2010 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als der Antragsgegnerin mit Ziffer 3. des Tenors untersagt wird, für den Kauf von Zahnersatzprodukten durch Patienten mit der Erstattung von Praxisgebühren zu werben und/oder die Praxisgebühr zu erstatten, wenn dies wie im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegeben geschieht. Soweit das angefochtene Urteil in der Hauptsache abgeändert wird, wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Antragsgegnerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in den Ziffern 1. und 2. des Tenors des angefoch-tenen Urteils jeweils das Wort „insbesondere“ entfällt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 2/3 und die Antragstellerin zu 1/3.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Antragstellerin betreibt unter der Domain "www….de" einen Internetmarktplatz, auf dem Patienten einen Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes einstellen und Vergleichsangebote angeschlossener Zahnärzte einholen können. Der Preis dieser Angebote hängt maßgeblich von den Preisen ab, die den Zahnärzten von den mit ihnen zusammen arbeitenden Dentallabors berechnet werden. Die Antragstellerin verdient beim Abschluss eines Vertrages zwischen einem Patienten und einem angeschlossenen Zahnarzt.

Die Antragsgegnerin betreibt ein Dentallabor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Werbung der Antragsgegnerin im Internet, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Einblendungen im Tenor des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegebene Werbung sei wettbewerbswidrig. Sie ist weiter der Auffassung, zwischen ihr und der Antragsgegnerin bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

Die Antragsgegnerin meint, sie stehe nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Antragstellerin und hält ihre Werbung für lauter.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zur Unterlassung von drei näher bezeichneten Werbebehauptungen verurteilt.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Antragsgegnerin, die zu deren Begründung ihren erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholt und vertieft.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das am 26.03.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die unter 1) und 2) verteidigten Verbote in der Weise auf die konkrete Verletzungsform begrenzt werden sollen, dass in den Anträgen jeweils das Wort "insbesondere" entfällt.

Auch die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat nur bezüglich ihrer Verurteilung hinsichtlich des Unterlassungsgebotes zu 3) Erfolg, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

Die Antragstellerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktiv legitimiert, denn sie ist im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG Mitbewerberin der Antragsgegnerin. Zwischen den Parteien besteht schon deshalb ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, weil sie gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandeten geschäftlichen Handlungen die Antragstellerin in ihren Absatzbemühungen behindern oder stören können (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 2 Rn. 94). Dabei ist nämlich unbeachtlich, dass die beiden Unternehmen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind (Köhler a.a.O. Rn. 95). Die Antragsgegnerin handelt mit Zahnersatz, den sie über Zahnärzte an Patienten absetzt, wobei insbesondere auch diese Patienten Zielgruppe der angegriffenen Werbeaussagen sind. Die Antragstellerin wiederum vermittelt den Abschluss von Verträgen mit Zahnärzten, die wiederum ihrerseits den in Frage stehenden Zahnersatz von Dentallabors beziehen. Sie betätigt sich damit als Absatzmittler auch für Dentallabors, denn es ist unstreitig, dass die Leistungen der Dentallabors die von den mit der Antragstellerin verbundenen Zahnärzten angebotenen Preise maßgeblich beeinflussen. Eine unlautere Werbung der Antragsgegnerin wirkt sich damit unmittelbar störend auf die Absatzbemühungen der Antragstellerin aus, indem die Nachfrage von den mit ihr verbundenen Zahnärzten auf die mit der Antragsgegnerin verbundenen umgeleitet wird.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG einen Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit den Werbeaussagen "Zahnersatz garantiert 40% günstiger", "bei außervertraglichen Leistungen sparen Sie garantiert 40% gegenüber regulären Angeboten", "Wenn Sie eine hochwertige Versorgung mit garantiert 40% reduzierten Zahnersatzkosten erhalten möchten" und "Zahnersatz 40% günstiger", wenn nicht darüber aufgeklärt wird, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Preisersparnis bezieht.

Die Werbeaussagen bezüglich "Zahnersatz 40% günstiger" sind nach § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG als irreführende geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn nicht dargetan wird, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Ersparnis bezieht. Bei einer Preisgegenüberstellung - wie hier - darf der in Bezug genommene Preis nicht mehrdeutig sein. Das ist hier aber der Fall. Wie die Existenz von Unternehmen wie der Antragstellerin zeigt, gibt es auf dem Markt für Zahnersatz eine erhebliche Spanne. So bleibt offen, 40% günstiger als welche konkreten Mitbewerber denn die Antragsgegnerin sein möchte. Tatsächlich orientiert sich die Antragsgegnerin bei ihrem Preisvergleich an der B.-Liste. Diese ist aber zum einen nicht verbindlich, sie unterscheidet sich auch noch je nach Bundesland. Die B.-Liste gibt damit nicht einmal einen wie auch immer zu verstehenden gängigen Marktpreis wieder. Ohne Angabe des Vergleichswertes ist die Angabe daher irreführend. Es ist im Übrigen schon nicht dargetan, dass auch nur die Mehrzahl der Dentallabors die B.-Liste uneingeschränkt bei der Preisgestaltung anwendet. Hinzu kommt, dass die B.-Liste dem angesprochenen Verbraucher vollkommen unbekannt ist, so dass er erst recht nicht erkennen kann, auf welchen Preis sich die beworbene Ersparnis bezieht.

Ebenso ist die Werbeaussage "Hier erhalten Sie als Versicherter einer unserer Partner-Krankenkassen […] Ihren Zahnersatz ohne Zuzahlung" auch mit dem *-Hinweis "* Bei Regelleistung der G. Plus 30% Bonus" irreführend und damit unzulässig.

Zwar wird der Verbraucher nicht erwarten, dass er jegliche Form des Zahnersatzes danach ohne Zuzahlung erhält, ebensowenig wie er dies bei Brillen erwartet. Allerdings ist insoweit schon fraglich, ob der Verbraucher eine konkrete Vorstellung davon hat, was "Regelleistung der G." ist. Insoweit unterscheidet sich die Situation von der Brillenwerbung, in der in der Regel Hinweise wie "bei bestimmten Gestellen mit Einstärkengläsern" dem Kunden eine konkrete Vorstellung von der zuzahlungsfreien Leistung vermitteln. Beim Zahnersatz kann jedoch nicht erwartet werden, dass der umworbene Patient konkrete Vorstellungen davon hat, was eine Regelleistung der G. ist und was nicht. Jedenfalls aber ist der Zusatz "Plus 30% Bonus" unverständlich. Zwar zählt der Senat insoweit nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, er steht diesen jedoch hinreichend nahe, um diese Frage zu entscheiden. Unverständlich ist schon, wer diesen Bonus gewährt. Eine konkrete Bezugnahme auf das "Bonusheft" der Krankenkassen fehlt nämlich. So kann ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kassenpatienten die Aussage so verstehen, dass die Antragsgegnerin bei Regelleistungen einen 30%igen Bonus anrechnet, was zur Zuzahlungsfreiheit führt. Dass hierfür jahrelange regelmäßige Zahnarztbesuche erforderlich sind, wird dem Verbraucher nicht vermittelt und kann auch nicht als Kenntnis vorausgesetzt werden. Insoweit kann nicht unterstellt werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise, also Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, tatsächlich über Einzelheiten des "Bonusprogramms" informiert sind. Dies wird letztlich auch durch die von den Parteien vorgelegten Beiträge belegt, denen zu entnehmen ist, dass jedenfalls die Zahnärzte von einer weitgehenden Unkenntnis ihrer Patienten ausgehen. Die Werbung ist damit geeignet, beim Verbraucher Fehlvorstellungen darüber herbeizuführen, welche Leistungen - wenn überhaupt - er zuzahlungsfrei erhält.

Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit der Erstattung der Praxisgebühren.

In erster Instanz hat die Antragstellerin ihren Anspruch auf die Generalklausel des § 3 Abs. 2 UWG gestützt, weil die Erstattung der Praxisgebühr deshalb nicht der fachlichen Sorgfalt entspreche, da sie die Intention des Gesetzgebers unterminiere. Hinsichtlich der Werbung mit finanziellen Vorteilen existiert jedoch eine spezialgesetzliche Regelung (§ 7 HWG), auf die sich die Antragstellerin in der Berufungsinstanz auch beruft. Daraus kann zunächst geschlossen werden, dass die Gewährung eines finanziellen Vorteils nicht in jedem Fall der fachlichen Sorgfalt widerspricht. Warum dies bei der Erstattung der Praxisgebühr als in diesem Sinne finanziellem Vorteil der Fall sein soll, ist nicht erkennbar. Die bloße Absicht des Gesetzgebers als solche, die Anzahl der Arztbesuche einzuschränken, vermag eine Regel der fachlichen Sorgfalt nicht zu begründen.

Inwieweit - wie die Antragstellerin nunmehr meint - eine Irreführung vorliegen soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Bedingungen der Inanspruchnahme sind vielmehr klar angegeben.

Die Handlung ist auch nicht nach § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 4 Nr. 11 i.V.m. § 7 HWG unlauter. Zwar handelt es sich bei Zahnersatz um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 MedProdG, so dass nach § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG der Anwendungsbereich des HWG eröffnet ist. Das Versprechen einer in einem bestimmten Geldbetrag liegenden Zuwendung ist aber bei Medizinprodukten - anders als bei Arzneimitteln - nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 a) HWG ausdrücklich nicht verboten. Insoweit können die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen nicht herangezogen werden, da diese ausnahmslos die Zahlung von Geldbeträgen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Arzneimitteln betreffen. Daher ist es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht unlauter, wenn die Antragsgegnerin mit der Erstattung eines Geldbetrages in Höhe der Praxisgebühr wirbt.

Nur insoweit ist das angefochtene Urteil daher abzuändern.

Schließlich ist es der Antragsgegnerin nicht gelungen, die Eilbedürftigkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zu widerlegen. Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin vor dem von ihr behaupteten Zeitpunkt von der konkreten Gestaltung ihrer Internetseite Kenntnis hatte. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien vor zwei Jahren betraf zwar eine ähnliche, aber in den relevanten Punkten abweichende Werbung. So war die Angabe des Vergleichspreises B. vorhanden und die beworbene Zuzahlungsfreiheit beruhte auf anderen gesetzlichen Vorschriften.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entfällt, weil das Urteil kraft Gesetzes (§ 542 Abs. 2 ZPO) nicht revisibel ist.

Streitwert: 100.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 07.09.2010
Az: I-20 U 52/10


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