Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 202/99

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2000, Az.: 33 W (pat) 202/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 7. Juli 1999 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt ist die Bezeichnung

"MOBIL"

für die Waren

"Chemische Erzeugnisse für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, Mittel zur Behandlung von Saatgut, Düngemittel; Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Insektizide, Herbizide, Fungizide"

zur Eintragung als Marke angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß das Wort "MOBIL" in seiner umgangssprachlichen Bedeutung von "gesund, munter" auf den Zweck der angemeldeten Waren hinweise, einen gesunden Pflanzenwuchs zu fördern, dh also gesunde mobile Pflanzen hervorzubringen. Damit stelle die angemeldete Bezeichnung eine glatt beschreibende Angabe über die der Wachstumsförderung und der Gesunderhaltung von Pflanzen dienende Wirkung der Waren dar. Da es in der Werbung üblich sei, menschliche Eigenschaften auf Waren zu übertragen, sehe der Verkehr in der Bezeichnung "MOBIL" lediglich eine schlagwortartig beschreibende Warenanpreisung ohne jede betriebskennzeichnende Eigenart. Darüber hinaus bestünden auch deutliche Anhaltspunkte für ein Freihaltungsbedürfnis der Mitbewerber an der Aussage "MOBIL", ohne daß diese Frage allerdings einer abschließenden Entscheidung bedürfe.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde beantragt die Anmelderin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Zur Begründung führt sie aus, daß der Begriff "MOBIL" weder in seiner Bedeutung von "gesund, lebendig, munter" noch in der Bedeutung von "beweglich, nicht an einen festen Standort gebunden, einsatzbereit, für den Krieg gerüstet" eine ohne weitere Überlegung verständliche unmittelbar beschreibende Aussage über die Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaften der angemeldeten Waren vermittle. Die Ansicht der Markenstelle, die Bezeichnung "MOBIL" werde als Hinweis auf gesunde, muntere Pflanzen oder eine erhöhte Mobilität der Pflanzen bei Anwendung der Waren aufgefaßt, sei zu weit hergeholt. Dagegen spreche bereits, daß der Begriff "Mobilität" räumliche oder geistige Beweglichkeit bedeute. Im übrigen bedürfe es in jeder Hinsicht gedanklicher Umwege und eines überdurchschnittlichen Ausmaßes an Phantasie, um eine Verbindung des Begriffes "MOBIL" zu den angemeldeten Waren herzustellen und hierin eine Produktmerkmalsbeschreibung zu sehen. Der angemeldeten Marke könne daher weder jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden noch bestünden Anhaltspunkte für ein konkretes Bedürfnis der Mitbewerber, die Bezeichnung "MOBIL" zur unmittelbaren Beschreibung der hier beanspruchten Waren zu verwenden.

II Die Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Marke stehen Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen. Sie ist weder zur unmittelbaren Beschreibung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren geeignet noch entbehrt sie jeglicher Unterscheidungskraft.

Bei dem Wort "MOBIL" handelt es sich zwar um einen Begriff, der dem Verkehr in der Bedeutung von "beweglich, nicht an einen festen Standort gebunden" allgemein bekannt ist und in diesem Sinne sowohl sachbezogen (zB Auto-, Wohnmobil, Mobilkino, mobiles Büro, Mobilfunk, Mobiltelefon) als auch personenbezogen für Menschen verwendet wird, die im Berufsleben mobil, dh bereit sind, jederzeit Wohnsitz oder Arbeitsplatz zu wechseln. Darüber hinaus ist das Wort "mobil" aber auch zur Bezeichnung einer agilen, munteren Person bekannt und gebräuchlich (vgl DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1994, Bd 5 S 2285).

In Verbindung mit den hier beanspruchten Waren vermag der Ausdruck "MOBIL" für sich betrachtet jedoch in keiner seiner möglichen Bedeutungen eine aus sich heraus verständliche eindeutig beschreibende Aussage über Beschaffenheit oder Wirkungsweise zu vermitteln. Chemische Erzeugnisse für die Land-, Garten- und Forstwirtschaft, Düngemittel und Pflanzenschutz- und Vertilgungsmittel sind weder selbst beweglich noch spielt die Bewegung anderweitig bezüglich ihrer Beschaffenheit eine Rolle, wie offenbar auch die Markenstelle nicht angenommen hat. Die Waren können insbesondere nicht deshalb als "mobil" bezeichnet werden, weil sie üblicherweise an den Ort ihres Einsatzes in Feld, Wald oder Garten transportiert werden müssen, etwa mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen oder in Tanks, Spritz- oder Streugeräten. Es handelt sich hier um eine durch die Art der Waren selbst bedingte Form der Ausbringung, die sie nicht selbst zu mobilen Produkten macht. Mobil sind allenfalls die bei der Anwendung verwendeten Geräte. Bei einigem Nachdenken vermag der Begriff "MOBIL" allenfalls verschwommene Assoziationen hinsichtlich einer irgendwie gearteten flexiblen oder variablen Ver- oder Anwendung der Waren zu erwecken, die dem Abnehmer eine gewisse Beweglichkeit ermöglicht, wobei fraglich erscheint, ob der Ausdruck "MOBIL" in diesem Zusammenhang überhaupt sachlich treffend und naheliegend ist. Auch auf Zeit und Ort der Abnahme oder des Vertriebs der Waren - zB jederzeitige Bestellmöglichkeit oder Abrufbarkeit vom Lager, Lieferung direkt an den Ort der Anwendung - können sich die Überlegungen des Verkehrs richten, ohne daß dies jedoch mit der Bezeichnung "MOBIL" für sich allein betrachtet in einer aus sich heraus verständlichen Weise klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird. Im übrigen fallen Angaben über Umstände, die nicht die Beschaffenheit der Waren selbst betreffen, sondern nur mittelbar zu ihnen in Beziehung stehen, wie zB Vertriebsmodalitäten, nach der Rechtsprechung ohnehin nicht unter das Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG (vgl BGH GRUR 1998, 465, 467 "BONUS"; 1998, 813 "CHANGE"; 1999, 728 "PREMIERE II").

Noch größere gedankliche Schritte erfordert es nach Auffassung des Senats, die angemeldete Bezeichnung "MOBIL" als Wirkungsangabe aufzufassen, die zum Ausdruck bringt, daß die mit den Waren behandelten Pflanzen mobil werden, wie die Markenstelle ausgeführt hat. Es ist zwar richtig, daß die Werbesprache vielfach personenbezogene Ausdrücke auf Produkte überträgt. Eine Pflanze als mobil zu bezeichnen, liegt jedoch deshalb relativ fern, weil mit diesem Wort der Begriff der örtlichen Beweglichkeit untrennbar verbunden ist. Daher wird es auch in bezug auf Personen nicht in der allgemeinen Bedeutung von "gesund, munter" verwendet, sondern bezeichnet die mit einer guten körperlichen Verfassung verbundene Beweglichkeit und Rührigkeit, eine Ausdrucksweise, die für eine Pflanze eher ungewöhnlich und eigentümlich ist, auch wenn es verständlich sein mag, wenn jemand davon spricht, er habe seine Pflanze mit einem Düngemittel wieder mobil gemacht, dh ihre Kräfte aktiviert und mobilisiert. Zu einer solchen Überlegung kommt der unbefangene Betrachter jedoch nicht, wenn er der Bezeichnung "MOBIL" isoliert auf der Verpackung von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln udgl. begegnet, denn er denkt in diesem Fall nächstliegend an die Waren selbst und richtet seine Überlegungen nicht schon einen Schritt weiter auf die Wirkung, die sie auf Pflanzen haben. Das gilt hier umso mehr, als der Begriff der Mobilität bei Pflanzen nicht gängig ist.

In Anbetracht der in verschiedene Richtungen gehenden Assoziationen, die die angemeldete Bezeichnung "MOBIL" hervorrufen kann, ohne für sich allein eine ohne weiteres verständliche unmittelbar warenbezogene Aussage zu beinhalten, kann ihr weder jegliches noch so geringe Maß an Unterscheidungskraft abgesprochen werden noch ist ein Bedürfnis der Mitbewerber ersichtlich, sie zur Beschreibung der hier beanspruchten Waren zu verwenden. Es mag zwar nicht ausgeschlossen sein, daß das Wort "MOBIL" mit ergänzenden Erläuterungen in einem Textzusammenhang möglicherweise eine beschreibende Information über die angemeldeten Waren vermitteln kann. Eine solche Verwendung mit zusätzlichen Angaben, in deren Rahmen der Begriff "MOBIL" erst eine bestimmte beschreibende Bedeutung erhält, darf jedoch nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Eintragbarkeit nicht berücksichtigt werden. Etwaigen Behinderungen der Mitbewerber, die sich aus einer solchen Verwendung ergeben, kann durch strenge Anforderungen an den markenmäßigen Gebrauch ausreichend begegnet werden (vgl BGH GRUR 1994, 730, 731 "VALUE"; 1997, 627, 628 "à la Carte").

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß in der bisherigen Spruchpraxis des Bundespatentgerichts zwar eine Reihe von Wortverbindungen mit dem Bestandteil "Mobil" als schutzunfähig erachtet worden ist. Es handelt sich hier jedoch jeweils um Bezeichnungen, die wegen des weiteren Wortbestandteils sowie im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren als ohne weiteres verständliche Sachaussage zu erachten waren (vgl die Zurückweisungen 24 W (pat) 229/83 vom 18.4.1984 "Energiemobil" für selbstfahrende Meßsysteme; 29 W (pat) 123/90 vom 24.3.1993 "ARTMOBIL" für Transportkisten für Kunstgegenstände; 28 W (pat) 192/81 vom 5.5.1982 "Club Mobil" für Kraftfahrzeuge; 28 W (pat) 134/92 vom 15.12.1993 "MOBILBANK" für "Baueinheiten für Banken"; 30 W (pat) 230/95 "LAB mobil" für Spezialmöbel für Laboratorien).

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Az: 33 W (pat) 202/99


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