Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 319/05

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2009, Az.: 7 W (pat) 319/05)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen die am 2. September 2004 veröffentlichte Erteilung des Patents 197 23 828 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung dreidimensional verformter einoder mehrlagiger Hitzeschilder" ist am 1. Dezember 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Zum Stand der Technik hat die Einsprechende unter anderem die Druckschriften DE 43 03 300 A1 (D1) und DE 40 36 261 A1 (D2)

genannt. Sie führt aus, die im Prüfungsverfahren bereits berücksichtigte Schrift DE 43 03 300 A1 (D1) beschreibe bei einem Verfahren zur Herstellung von Blechformteilen, in einem ersten Schritt die ebenen Bleche vorzurecken, um das nachfolgende Umformverfahren zu begünstigen und eine Überbeanspruchung der Platine zu vermeiden. Dieses Verfahren sei dabei nicht nur auf die Verwendung einlagiger Blechplatinen beschränkt. Weiterhin lehre die Schrift DE 40 36 261 A1 (D2) das dreidimensionale Verformen und Verbinden mehrlagiger Hitzeschildmaterialen, so dass gegenüber einer Zusammenschau von (D1) und (D2) zumindest die erfinderische Tätigkeit fehle.

Die Einsprechende stellte den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 7, Beschreibung und Zeichnung jeweils gemäß Hilfsantrag I vom 14. Januar 2009, beschränkt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 6, Beschreibung und Zeichnungen jeweils nach dem am 21. Januar 2009 vorgelegten Hilfsantrag 2 beschränkt aufrecht zu erhalten.

Sie widerspricht der Einsprechenden in allen Punkten. Sie führt in der mündlichen Verhandlung über das schriftsätzlich Vorgetragene hinaus im Wesentlichen aus, dem Fachmann werde aus der Offenlegungsschrift DE 43 03 300 A1 (D1) gelehrt, räumlich verformte Blechformteile herzustellen, indem einlagige Blechplatinen in einem zweistufigen Verfahren, bestehend aus Vorrecken und Fertigverformen, bearbeitet würden; bei mehrlagigen Hitzeschutzschildern würden logischerweise dann die einzelnen Lagen getrennt vorverformt und dann zusammengefügt und nicht wie beim Streitpatent, als mehrlagige Platine alle Lagen zusammen vorgereckt und dann fertigverformt. Die einfach geformten mehrlagigen Hitzeschilde nach der Schrift DE 40 36 261 A1 (D2) seien dagegen in einem einzigen Prägeschritt ohne Vorrecken hergestellt, so dass der Fachmann eine Kombination der Schriften D1 und D2 nicht vornehmen würde.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Verfahren zur Herstellung dreidimensional verformter mehrlagiger Hitzeschilder aus metallischen Hitzeschildmaterialien, bei dem eine zumindest teilweise kraftund formschlüssige Verbindung der Lagen der Hitzeschildmaterials, eine partielle Vorstreckung der Hitzeschildmaterialien in mehrlagiger plattenförmiger Form in Bereichen des mehrlagigen metallischen Hitzeschilders, die im fertigen Zustand stark verformt sind, und eine Endverformung zur Herstellung eines fertigen dreidimensionalen Hitzeschildes durchgeführt wird.

Der Patentanspruch 1 nach den Hilfsantrag lautet:

Verfahren zur Herstellung dreidimensional verformter mehrlagiger Hitzeschilder aus metallischen Hitzeschildmaterialien, bei dem eine zumindest teilweise kraftund formschlüssige Verbindung der Lagen des Hitzeschildmaterials, eine partielle Vorstreckung der Hitzeschildmaterialien in mehrlagiger plattenförmiger Form in Bereichen des mehrlagigen metallischen Hitzeschildes, die im fertigen Zustand stark verformt sind, wobei bei der Vorstreckung eine wellenförmige Struktur ausgebildet wird, und eine Entverformung zur Herstellung eines fertigen dreidimensionalen Hitzeschildes durchgeführt wird, wobei zur Vorstreckung matrizenförmige Werkzeuge verwendet werden, mit denen bei der Vorstreckung das Hitzeschildmaterial in mehrlagiger plattenförmiger Form klemmend ge wird.

Zum Wortlaut der auf den jeweiligen Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 nach Hauptantrag bzw. 2 bis 6 nach Hilfsantrag 1 wird auf die Aktei. V. m. der Streitpatentschrift (DE 197 23 828 B4) verwiesen.

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von Hitzeschildern vorzuschlagen, mit dem gewährleistet ist, dass während der Ausbildung der dreidimensionalen Form der Hitzeschilder Beschädigungen weitestgehend ausgeschlossen werden können (Abs. [0006] der der Patentschrift).

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (im Schluss an den Beschluss des 23. Senats vom 19. Oktober 2006 -Az.: 23 W (pat) 327/04).

III.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in keiner der verteidigten Fassungen der Patentansprüche nach Hauptantrag oder Hilfsantrag eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.

Als hier zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit Berufspraxis auf dem Gebiet der Konstruktion von mehrlagigen Hitzschildern abzusehen, der Kenntnisse auf dem Gebiet der spanlosen Kunststoffund Blechverarbeitung besitzt.

1. Zum Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen Zulässigkeit und Ausführbarkeit der Senat nicht bezweifelt, mag neu sein. Er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der deutschen Offenlegungsschrift DE 43 03 300 A1 (D1) ist ein Umformverfahren für Blechformteile bspw. auch Hitzeschutzschilde durch Drücken beschrieben, bei dem ebene Blechplatinen in einem erste Arbeitsschrift mit einer regelmäßigen Matrix von lokalen Verformungen wie Wellen, Einsenkungen oder Erhebungen versehen, also vorgereckt werden (vgl. Beschr. Sp. 1 Z. 66 bis Sp. 2, Z. 2). Diese Vorverformung kann auch partiell nur an den Teilen der Platine vorgenommen werden, die nachfolgend eine verstärkten Umformung benötigen (vgl. Beschr. Sp. 2, Z. 66 bis Sp. 3 Z. 7). Wenn nun im nachfolgenden Fertigumformverfahren (Drücken) Längenänderungen, z. B. Dehnungen oder Stauchungen in der Ebene der Blechplatine, vorgenommen werden, um aus der flachen Blechplatine ein räumlich verformtes Blechformteil herzustellen, dann können diese Längenänderungen weitgehend durch Biegevorgänge im Bereich der lokalen Verformungen erfolgen, d. h. die lokalen Verformungen werden gestreckt oder abgeflacht, wenn eine Dehnung der Blechplatine an dieser Stelle erforderlich ist, oder sie werden stärker aufgefaltet, wenn eine Stauchung der Blechplatine an dieser Stelle erforderlich ist. Die an Punkten starker Verformung auftretenden Materialdehnungen bzw. -Stauchungen bleiben dabei verhältnismäßig gering und sind im wesentlichen nur durch die stärkere oder schwächere Biegung im Bereich der Verformungen bedingt, so dass wesentlich größere Umformgrade erreicht werden können als ohne Vorverformen und eine Überbeanspruchung der Platine zu vermeiden werden kann (vgl. Beschr. Sp. 2, Z. 2 bis 17). Als Anwendungsbeispiele werden u. a. Hitzeschilde, die die Strahlungswärme von Abgasanlagen abschirmen sollen, genannt (Beschr. Sp. 1, Z. 35 bis 40). In der gesamten Offenbarung, insbes. der Beschreibung und den Fig. 1 bis 10, findet sich kein Hinweis darauf, das das beschriebene Verfahren auf einlagigen Blechplatinen beschränkt ist, es fehlt aber auch jeder Hinweis auf mehrlagige Werkstoffe oder Laminate. Somit unterschiedet sich das Herstellungsverfahren für Hitzeschilder gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag vom Stand der Technik nach der Entgegenhaltung D1, die nur "Blechplatinen" offenbart, dadurch, dass beim Streitpatent bereits beim Vorstrecken mehrlagige Laminate verwendet werden.

Die Verwendung von mehrlagigen Laminaten zur Herstellung dreidimensionaler Hitzeschilde ist jedoch aus der deutschen Offenlegungsschrift DE 40 36 261 A1 (D2) bekannt, die auch das "Prägen" des verbundenen Laminats als Fertigumformverfahren zur abschließenden Herstellung der dreidimensionalen Form des fertigen Hitzeschilds lehrt (vgl. Beschr. Sp. 3, Z. 17 bis 28 und Fig. 10 bis 15).

Nun ist es dem Fachmann aufgrund seiner Ausbildung aber geläufig, abhängig von den Anforderungen an das Hitzeschild und den dazu notwendigen, einoder auch mehrschichtigen Werkstoffen ein geeignetes Fertigungsverfahren aus dem relevanten Stand der Technik auszuwählen und dabei wesentliche Randbedingungen, z. B. die Fertigungsmöglichkeiten des Betriebs, zu berücksichtigen. Wenn sich also der Fachmann im speziellen Fall für die Verwendung von mehrlagigen Laminaten zur Herstellung dreidimensionaler Hitzeschilde entscheidet, brauchte er, ausgehend von einem Hitzeschild nach der Schrift DE 43 03 300 A1 (D1), die dort beschriebene in ihrem Aufbau nicht näher definierten Platinen nur durch die bei Hitzeschilden geläufigen, mehrlagigen Laminate, wie das der Patentschrift DE 40 36 261 A1 (D2) gelehrt, zu ersetzen, um dann nach üblichen handwerklichen Anpassungsmaßnahmen unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nach Hauptantrag zu gelangen. Eine derartige überschaubare Substitution üblicher und bekannter Werkstoffe miteinander bedarf jedoch keiner erfinderischer Überlegungen sondern nur zielgerichtetem fachmännischen Handeln, so dass der Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht patentfähig ist.

Nach dem Wegfall des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag fallen auch die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7.

2. Zum Hilfsantrag Der zulässige Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag besteht aus dem Anspruch 1 nach Hautpantrag sowie dem erteilten Anspruch 3 und Teilen von Abs. [0014] der erteilen Beschreibung. Er enthält zusätzlich zum Anspruch 1 nach Hauptantrag noch die Merkmale:

1.

dass bei der Vorstreckung eine wellenförmige Struktur ausgebildet wird, und 2.

dass zur Vorstreckung matritzenförmige Werkzeuge verwendet werden.

3.

mit denen bei der Vorstreckung das Hitzeschildmaterial in mehrlagiger plattenförmiger Form klemmend gehalten wird.

Diese Merkmale sind jedoch dem Fachmann aus den Schriften D1 und D2 geläufig. In der D1 wird bspw. in Anspruch 2 beschrieben, bei der Vorstreckung die Platine mit einer in einer einzige Richtung verlaufende Schar von Wellen, also einer wellenförmigen Struktur zu versehen (Merkmal 1). Auch die Merkmale 2 und 3 ergeben sich aus dem umformtechnischen Grundwissen des Fachmanns, der für das Aufbringen der in Rede stehenden definierten Vorverformungen an ebenen Blechen selbstverständlich matritzenförmige Werkzeuge verwendet, in denen das Hitzeschildmaterial als Platte klemmend gehalten wird, um ein ungewolltes "Verziehen" der Werkstücke bzw. eine Faltenbildung zu verhindern, die bei der nachfolgenden Fertigumformung zumindest störend wäre und evtl. einen zusätzlichen Richtarbeitsgang zur Folge hätte. Dass er bei einer derartigen Vorstreckung das gewählte mehrlagige, plattenförmige Hitzeschildlaminat als Ausgangsmaterial verwendet und nicht jede einzelne Schicht für sich vorstreckt entspricht auch der Lehre der Schrift D2, zum Verformen durch Prägen (bzw. hier durch Vorstrecken in einem matritzenförmigen Werkzeug) bereits ein fertiges Laminat zu verwenden (Sp. 3, Z. 21 bis 28). Es ist darüber hinaus auch eine naheliegende technisch zweckmäßige und kostensparende Ausgestaltung des Herstellungsverfahrens, mehrere Schichten gleichzeitig umzuformen anstatt mehrerer Einzelumformschritte und dem anschließenden Zusammenfügen der einzelnen Lagen.

Aufgrund dieser Sachlage ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ebenfalls nicht rechtsbeständig.

Nach dem Wegfall des geltenden Anspruchs 1 nach Hilfsantrag fallen auch die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6.

Nach alledem war das angefochtene Patent zu widerrufen.

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BPatG:
Beschluss v. 21.01.2009
Az: 7 W (pat) 319/05


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