Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 2. Juli 2007
Aktenzeichen: 11 L 882/07

(VG Köln: Beschluss v. 02.07.2007, Az.: 11 L 882/07)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die dieser selbst zur Last fallen.

Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 21. Juni 2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Juni 2007 anzuordnen,

hat keinen Erfolg. Der nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist nicht begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die gemäß § 80 Abs. 2 TKG entfallende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Dies ist der Fall, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Diese Voraussetzung liegen hier nicht vor.

Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in der Fassung vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190, kann die Antragsgegnerin im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Zu den gesetzlichen Vorschriften, über deren Einhaltung die Antragsgegnerin bei der Nummernverwaltung wacht, gehört auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

So ausdrücklich die Begründung zur Vorgängervorschrift des § 43c TKG a. F., BTDrs. 15/907, S.10.

Die Behörde kann daher gegen jegliche Verstöße gegen das UWG bei der Nutzung von 0900er-Nummern einschreiten. Unzulässig sind alle unlauteren Wettbewerbshandlungen (§ 3 UWG). Unlauter in diesem Sinne handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 Abs. 1 UWG). Eine solche unzumutbare Belästigung ist insbesondere anzunehmen bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) und bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen ohne Einwilligung des Adressaten (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Denn Telefonwerbung beeinträchtigt den Angerufenen erheblich in seiner verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre. Sie ist ein grober Missbrauch des Telefonanschlusses, weil sie ein praktisch unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Angerufenen ermöglicht. Die Interessen der gewerblichen Wirtschaft rechtfertigen es nicht, mit der Werbung in den engsten Lebenskreis des Verbrauchers vorzudringen.

Vgl. BGH, Urteil vom 16.03.1999 - XI ZR 76/98 -, NJW 1999, 1864.

Hier wurde mit der Telefonnummer 900 0 000 000 unzulässige Werbung betrieben. Diese Nummer ist der Beigeladenen zugeteilt und bei der Antragstellerin als Netzbetreiberin geschaltet. Mittels einer automatischen Anrufschaltung werden Telefonnummern von Dritten angewählt und diese Angerufenen werden zur Teilnahme an Gewinnspielen aufgefordert. Bei der Antragsgegnerin gingen deshalb am 27. und 30 Mai 2007 zwei Beschwerden ein. Die Betroffenen erklärten, dass sie in die Telefonwerbung nicht eingewilligt hätten.

Nach Auskunft der Antragstellerin lautet die Bandansage folgendermaßen:

„Guten Tag, hier spricht Ralph Petersen vom Glücksbringer - VIP- Club. Wir freuen uns, dass Sie das Super-Angebot nutzen wollen und damit drei Monate lang an sehr vielen Preisausschreiben mit hohen Gewinnchancen teilnehmen. Und das für eine geringe Servicepauschale von nur vierzehn Euro fünfundneunzig, die wir über Ihre Telefonrechnung abrechnen. Bestätigen Sie Ihr Einverständnis für diesen tollen Service jetzt nach dem Signalton, indem „Sie die Taste fünf auf Ihrer Telefontastatur drücken."

Nach dem Druck einer Taste kommt folgende Ansage:

Sie werden nun verbunden zur Nummer 0900 0 000 000, damit einmalig vierzehn Euro fünfundneunzig aus dem deutschen Festnetz über Ihre Telefonrechnung abgerechnet werden kann."

Nach einer weiteren Pause folgt die Ansage:

„Herzlichen Glückwunsch..." Diese Telefonanrufe sind als Werbung unter Verwendung einer Mehrwertdiensterufnummer anzusehen. Die Mehrwertdienstnummer wird auch dann „verwendet", wenn die Werbeanrufe von einer anderen als der streitgegenständlichen Rufnummer ausgehen. Bereits die Nennung der Rufnummer in den Werbeanrufen stellt eine Werbemaßnahme dar. Denn es ist der Zweck des Anrufs, den Angerufenen dazu zu bewegen, der Weiterleitung des Gespächs zu der Mehrwertdienstnummer zuzustimmen. Vgl. zu sog. Ping-Anrufen VG Köln, Urteil vom 28. 1. 2005 - 11 K 3734/04 -, NJW 2005, 1880 ff. Diese Werbung erfolgte unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen und geschah nach bisheriger Sicht in zumindest zwei Fällen ohne Einwilligung des Adressaten. Bei der Antragsgegnerin sind unabhängig voneinander zwei Beschwerden von Verbrauchern eingegangen. Die Betroffenen versicherten, dass sie keine Geschäftsbeziehung zu der anrufenden Firma haben und einer Bewerbung nicht zugestimmt hatten. Angesichts der Verbraucherbeschwerden ist hier im summarischen Verfahren davon auszugehen, dass die Einwilligungen zur Telefonwerbung bei den Beschwerdeführern nicht vorlag. Jedenfalls haben weder die Antragstellerin noch die Beigeladene eine solche bisher vorgelegt. Die Berufung auf kurze Fristen entlastet sie nicht, da sie für ein ordnungsgemäßes Geschäftsgebaren jederzeit verantwortlich sind. Es erscheint außerdem fraglich, ob auch in anderen Fällen eine rechtswirksame Einwilligung vorlag. Von einer Einwilligung i. S. v. § 7 UWG ist nur auszugehen, wenn der Erklärende sich des Inhaltes und des Zwecks der Erklärung bewußt war und diese objektiv als solche verstanden werden konnte. Die Antragstellerin hat aber selbst eingeräumt, dass sich der Verbraucher oft gar nicht bewußt sei, dass er eine Einwilligung erteilt habe. Das spricht dafür, dass die Einwilligung von ihrem Inhalt und der Form her oft nicht klar als solche erkennbar war. Außerdem stammen die Adressdaten nach Mitteilung der Beigeladenen von einer dritten Firma (Adress pool plus GmbH), die sie wiederum von anderen „Listeignern" erhält. Auch dies läßt es zweifelhaft erscheinen, dass die Einwilligung der Betroffenen auch die Zustimmung zu solchen Angeboten umfasste. Die von der Beigeladenen vorgelegte Erklärung der Adresspool plus GmbH, die Listeigner hätten versichert, dass jeweils eine Einwilligung zu schriftlichen und telefonischen Angeboten vorliege, reicht auch nicht aus, um das Vorliegen der Einwilligung glaubhaft zu machen. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Erklärung den Anforderungen genügt, die schuldrechtlich in dem Vertrag (Sideletter) zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen festgelegt sind, wonach die Beigeladene das Vorliegen der Einwilligung durch geeignete Beweise/Unterlagen nachzuweisen hat. Die Verfügung ist auch zu Recht an die Antragstellerin gerichtet. Adressat einer Abschaltverfügung ist nach § 67 Abs. 1 Satz 3 TKG der Netzbetreiber, in dessen Netz die abzuschaltende Rufnummer geschaltet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die rechtswidrige Nutzung dem Netzbetreiber vorzuwerfen oder zuzurechnen ist oder nicht. Bei der Gefahrenabwehr im Ordnungsrecht sollen zukünftige Schäden wirksam verhindert werden, unabhängig davon, wer die Gefahrenlage verursacht oder verschuldet hat. Hier wird auch aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 1 Satz 3 TKG deutlich, dass es allein auf die objektiv rechtswidrige Nutzung ankommt. Es ist deshalb unerheblich, dass die Beigeladene der Antragstellerin und die Adresslieferanten der Beigeladenen zugesichert haben, dass die notwendigen Einwilligungen vorlägen.

Es ist möglicherweise auch davon auszugehen, dass gegen die Preisangabepflicht des § 43b Abs. 1 TKG in der Fassung vom 9. August 2003, BGBI. I S. 1590, verstoßen wurde. Diese Vorschrift gilt nach § 152 Abs. 1 Satz 2 TKG weiter, weil eine Rechtsverordnung nach § 66 Abs. 4 TKG noch nicht erlassen ist. Wer gegenüber Letztverbrauchern für 0190er- oder 0900er-Mehrwertdienste wirbt, muss nach § 43b Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. den für die Inanspruchnahme dieser Nummer zu zahlenden Preis angeben, und zwar zusammen mit der Rufnummer. Nach der Gesetzesbegründung ist der Preis „unmittelbar vor oder nach der Rufnummer anzugeben." Vgl. BTDrucks 15/907 S. 9 Im vorliegenden Fall wird auf die sogenannte „Servicepauschale" nicht im unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit der Weiterleitung zu der Mehrwertdienstnummer hingewiesen. Zunächst wird der Angerufenen vielmehr nur dazu aufgefordert, durch das Drücken einer Taste das Einverständnis mit dem Service als solchem zu erklären, die Telefonnummer ist zunächst noch nicht genannt. In dieser ersten Aufforderung ist auch noch kein Hinweis darauf enthalten, dass der Preis nur für Anrufe aus dem deutschen Festnetz gilt. Wenn der Angerufene nun eine Taste der Tastatur drückt, wird er erst nachträglich darauf hingewiesen, dass er zu der konkreten Mehrwertdienstnummer weitergeleitet wird und dass der Preis nur für Anrufe aus dem deutschen Festnetz gilt. Es ist fraglich, ob dieser nachträgliche Hinweis ausreicht, weil der Angerufene nun ohne weitere aktive Erklärung weitergeleitet wird. Damit liegt bei summarischer Prüfung insgesamt ein Gesetzesverstoß vor, der der Antragsgegnerin nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ein Entschließungs- und Auswahlermessen eröffnet. Sie hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und wie sie dagegen vorgeht, und sie kann dabei alle Anordnungen treffen, die zur Durchsetzung der Vorgaben der Nummernverwaltung erforderlich und angemessen sind.

Vgl. Begründung zu § 43c TKG, BTDrs. 15/907, S.10.

Von diesem Ermessen hat die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Angesichts der Verbraucherbeschwerden und der Fassung der Bandansagen war es nicht ermessensfehlerhaft, die Nummer befristet abzuschalten. Allein das befristete Abschalten der Nummer kann weitere Verstöße gegen das UWG und den Missbrauch der Nummer verhindern und der Antragstellerin bzw. der Beigeladenen eine spätere beanstandungsfreie Nutzung der Nummer ermöglichen. Auch die Ermessenserwägungen hinsichtlich der Länge der Abschaltungsfrist sind nicht zu beanstanden.

Vgl. hierzu VG Köln, Beschluss vom 17. 1. 2007 - 11 L 1487/06 -.

Unabhängig von den Erfolgsaussichten des Widerspruchs ist aber auch bei einer Abwägung der Interessen der Beteiligten davon auszugehen, dass das Interesse der Allgemeinheit, vor belästigenden Anrufen geschützt zu werden, das private Interesse der Antragstellerin an der Weiternutzung der Nummer überwiegt.

Gerade bei der Weiterleitung von Anrufen zu Mehrwertnummern ist eine besonderer Schutz des Verbrauchers geboten. Denn der Angerufene wählt nicht aus eigenem Entschluss eine 0900-Nummer, so dass ihm im Voraus ein gewisses Kostenrisiko bewusst ist, sondern er wird plötzlich und unverhofft mit verlockenden Angeboten überrascht. Das Telefon wird auch nicht nur von umsichtigen Verbrauchern benutzt und vorgehalten, sondern in wesentlich größerem Umfang als z. B. der Computer von Minderjährigen, Alten, Schwerhörigen oder Kranken benutzt, und es ist für diesen Personenkreis als Kontakt zur Umwelt und Hilfe in Notfällen auch besonders wichtig. Diesen Personen fehlt manchmal die nötige Geistesgegenwart, um bei einem überraschenden Angebot sofort richtig zu reagieren, oder sie haben mit dem manuellen Handhabung des Gerätes Schwierigkeiten. Bei dem Versuch, die Aus-Taste zu betätigen und das Gespräch zu beenden, kann - anders als früher beim Ablegen des Hörers auf der Gabel - versehentlich eine andere Taste gedrückt werden, was dann zur kostenpflichtigen Weiterleitung des Gesprächs führt. Angesichts dieser drohenden Belästigung durch unlautere Werbung und der Gefahr des Missbrauchs der Mehrwehrtdienstnummer überwiegt das in § 80 Abs. 2 TKG zum Ausdruck kommende besondere Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung der Verfügung das private Interesse der Antragstellerin an der Weiterschaltung der Nummer.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Bei der Streitwertfestsetzung geht das Gericht gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG vom wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin aus und hat diesen Wert im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte reduziert.






VG Köln:
Beschluss v. 02.07.2007
Az: 11 L 882/07


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