Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2006
Aktenzeichen: 34 W (pat) 16/03

(BPatG: Beschluss v. 02.11.2006, Az.: 34 W (pat) 16/03)

Tenor

1. Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 5 sowie Beschreibung Spalte 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibung Spalten 2 bis 5 sowie 3 Blatt Zeichnungen, wie erteilt.

2. Die darüber hinausgehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das am 24. Dezember 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Erstanmeldung P 40 04 578.1 vom 14. Februar 1990 angemeldete und am 8. April 1999 veröffentlichte Patent 40 41 784 betrifft ein "Stapelbares Faß".

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Großvolumiges, übereinander stapelbares Kunststoff-Faß mit im wesentlichen zylindrischem Faßmantel und oberseitigem und unterseitigem scheibenförmigen Faßboden, der über konisch oder gewölbt ausgebildete Ringstücke mit dem Faßmantel verbunden ist, wobei im Nahbereich wenigstens des oberen Faßbodens an dem Faßmantel ein umlaufender Greifring vorgesehen ist, der im wesentlichen in axialer Verlängerung des Faßmantels als sich nach oben erstreckendes, lastabtragendes Ringstück mit nach außen weisendem Flanschrand ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß zur Ermöglichung des Aufbaus eines gegen die Stapellast wirkenden Innendruckes im gasdicht verschlossenen Faß dieses in seiner axialen Erstreckung elastisch nachgiebig ausgeführt ist, indem mindestens einer der Faßböden über die Stirnkante des Greifrings nach oben oder/und unten um das Einfache bis Fünffache der Wanddicke übersteht und mindestens eines der hierzu gehörigen konisch nach außen vorstehenden Ringstücke des oberseitigen oder/und unterseitigen Faßbodens so weit elastisch deformierbar ist, daß bei Übereinanderstapelung der entsprechende scheibenförmige Faßboden in die Richtung der Stirnkante des Greifringes eingedrückt wird, bis bei weiter steigender Stapelbelastung die fernere Stapellast über den äußeren Greifring in den Faßmantel eingeleitet und abgetragen wird."

Fünf Unteransprüche kennzeichnen Ausgestaltungen des Fasses nach Anspruch 1. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent wurde von der Fa. A... GmbH & Co. KG, Rechtsvor- gängerin der Beschwerdeführerin, am 7. Juli 1999 Einspruch erhoben. Durch Beschluss vom 20. Januar 2003 hat die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss hat die Rechtsnachfolgerin der Einsprechenden Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents ergebe sich für einen Fachmann aus dem Stand der Technik und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Im Verfahren befinden sich die folgenden Druckschriften:

DD 273 613 A1 US 3 955 705 DE 87 16 657 U1 DE 36 22 575 A1 FR 2 585 330 DE 35 26 921 A1 EP 0 515 389 B2 DE 38 24 176 A1 DE 37 08 432 A1 DE 87 05 916 U1 DE 38 36 058 A1.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 5 und Beschreibung Spalte 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibung Spalten 2 bis 5 sowie 3 Blatt Zeichnungen, wie erteilt;

im Übrigen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

Großvolumiges, übereinander stapelbares Kunststoff-Faß mit im wesentlichen zylindrischem Faßmantel und oberseitigem und unterseitigem scheibenförmigen Faßboden, der über konisch oder gewölbt ausgebildete Ringstücke mit dem Faßmantel verbunden ist, wobei im Nahbereich wenigstens des oberen Faßbodens an dem Faßmantel ein umlaufender Greifring vorgesehen ist, der im wesentlichen in axialer Verlängerung des Faßmantels als sich nach oben erstreckendes, lastabtragendes Ringstück mit nach außen weisendem Flanschrand ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß zur Ermöglichung des Aufbaus eines gegen die Stapellast wirkenden Innendruckes im gasdicht verschlossenen Faß dieses in seiner axialen Erstreckung elastisch nachgiebig ausgeführt ist, indem mindestens einer der Faßböden über die Stirnkante des Greifrings nach oben oder/und unten um das Einfache bis Fünffache der Wanddicke übersteht und mindestens eines der hierzu gehörigen konisch nach außen vorstehenden Ringstücke des oberseitigen oder/und unterseitigen Faßbodens so weit elastisch deformierbar ist, daß bei Übereinanderstapelung der entsprechende scheibenförmige Faßboden in die Richtung der Stirnkante des Greifringes eingedrückt wird, bis bei weiter steigender Stapelbelastung die fernere Stapellast über den äußeren Greifring in den Faßmantel eingeleitet und abgetragen wird, wobei im Faßinneren eines normal befüllten mit Stapellast beaufschlagten Fasses zunächst ein stützender Druck von 0,1 bis 0,3 bar, vorzugsweise etwa 0,16 bar, aufgebaut wird, bevor die restliche Stapellast über den äußeren Greifring bzw. Faßrand in den Faßmantel abgetragen wird.

Darauf rückbezogene Patentansprüche 2 bis 5 kennzeichnen Ausgestaltungen des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Akten verwiesen.

Die Patentinhaberin ist der Ansicht, die mit den verteidigten Patentansprüchen beschriebenen Gegenstände seien gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als sie zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.

1. Der geltende Anspruch 1 ist gebildet aus Merkmalen der erteilten Ansprüche 1 und 2 und sein Gegenstand ist aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ohne Weiteres herleitbar. Er ist somit zulässig. Die Zulässigkeit des geltenden Patentbegehrens sowie der zur Anpassung vorgenommenen Änderungen der Beschreibung wurden von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen.

2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 des angefochtenen Patents stellt eine patentwürdige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

2.1 Ein nach dem geltenden Anspruch 1 ausgestaltetes Kunststoff-Fass ist zweifelsfrei gewerblich anwendbar und unstreitig neu. In sämtlichen im Verfahren befindlichen Druckschriften fehlen zumindest Angaben bezüglich des Aufbaus eines definierten, Last abtragenden Innendrucks im Fass bevor eine Stapellast über den äußeren Greifring bzw. Fassrand in den Fassmantel abgetragen wird.

2.2 Das Kunststoff-Fass nach dem geltenden Anspruch 1 beruht zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bekannte Kunststoff-Fässer sind aufeinander stapelbar. Sie werden üblicherweise im Dreifachstapel gelagert, so dass sich bei großvolumigen 220 l-Fässern eine erhebliche Belastung für das untergestapelte Fass ergibt. Derartige Fässer haben üblicherweise einen Greifring, in den die Klauen eines Fassgreifers oder eines Kranhakens eingreifen können. Bei einem aus der Druckschrift DD 273 613 A1 bekannten Fass wird die Stapellast über diesen Greifring in die Fasswandung abgeleitet, was nachteilig ist, da für ein hohes Lastabtragevermögen der Steg des Greifrings und die Fasswandung entsprechend stabil bzw. dickwandig ausgebildet sein müssen (siehe Sp. 1, Z. 14 bis 26 der Patentschrift).

Dem angefochtenen Patent liegt die Aufgabe zugrunde, das bekannte Fass bei vergleichbarem Stapellastverhalten mit geringerem Materialeinsatz herzustellen (siehe Sp. 1, Z. 27 bis 30 der Patentschrift).

Das Problem wird mit einem Fass gelöst, das die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aufweist.

Die Beschwerdeführerin hat ihr Vorbringen, ein Fass mit den im geltenden Anspruch 1 genannten Merkmalen beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, in der mündlichen Verhandlung auf die Schriften EP 0 515 389 B2, FR 2 585 330, DE 35 26 921 A1 und DD 273 613 A1 gestützt.

Die Druckschrift EP 0 515 389 B2 ist die Patentschrift zu der europäischen Parallelanmeldung mit der Priorität des angefochtenen Patents und hat daher bei der Beurteilung der Patentwürdigkeit des Gegenstands des geltenden Anspruchs 1 außer Betracht zu bleiben.

Zu den Schriften FR 2 585 330 und DE 35 26 921 A1 hat die Beschwerdeführerin sinngemäß vorgetragen, sie entnehme daraus bereits einen Stand der Technik, der bis auf das Merkmal, wonach der Greifring im Wesentlichen in axialer Verlängerung des Fassmantels als sich nach oben erstreckendes, lastabtragendes Ringstück ausgebildet sei, bereits die Merkmale des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 offenbare. Die fehlende Ausgestaltung ergebe sich aus handwerklichen Überlegungen heraus und sei auch von einem Fass bereits bekannt, das in der DD 273 613 A1 beschrieben werde.

Ein Fachmann - ein Dipl.-Ing. (FH) der Kunststofftechnik mit Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Großpackmitteln wie Fässern oder Tanks - entnimmt den Druckschriften FR 2 585 330 und DE 35 26 921 A1 großvolumige Kunststoff-Fässer, die geeignet sind, übereinander gestapelt zu werden (siehe S. 1, erster Abs. sowie die Fig. 1 bis 3 und die zugehörige Beschreibung in der FR 2 585 330 bzw. Sp. 1, erster Abs. sowie die Fig. 1 und 2 und die zugehörige Beschreibung in der DE 35 26 921 A1). Das mechanische Verhalten von Fässern dieser Bauart bei Stapelbelastung kommt zwar nicht zur Sprache, ein Fachmann vermag aber zu erkennen, dass durch eine auf dem flachen Fassboden aufliegende Stapellast materialbedingt eine elastische Deformation der an die flachen Böden angrenzenden konisch bzw. gewölbt ausgebildeten Ringstücke erfolgt, wobei sich ein der Belastung entgegenwirkender hydrostatischer Innendruck aufbaut.

Die in diesen Druckschriften aufgezeigte Anordnung der Fassendfläche deutlich oberhalb des Greifrings zielt dort jedoch ersichtlich darauf ab, den Ring von Belastungen frei zu halten und ihm, insbesondere beim Absturz eines gefüllten Fasses oder anderweitig robuster Behandlung, eine geschützte Lage am Fassmantel zu geben (siehe S. 2, Z. 4 bis 10 in der FR 2 585 330 bzw. Sp. 1, Z. 59 bis Sp. 2, Z. 4 in der DE 35 26 921 A1). Der oder die Fassböden und die daran angrenzenden Bereiche wären entsprechend dickwandig und stabil auszubilden. Zwischen Fassmantel und Greifring ist zudem ein nachgiebiger Verbindungssteg vorgesehen, dessen Mittelachse im Querschnitt betrachtet schräg zur Fassmittelachse verläuft (siehe in der FR 2 585 330 und der DE 35 26 921 A1 jeweils in der Fig. 1 das mit Bezugsziffer 5 versehene Detail). Der Greifring ist somit radial beabstandet und elastisch an den Fassmantel angebunden, was dazu führt, dass eine auf den Greifring aufliegende Stapellast nicht wie bei dem Patentgegenstand axial in den Fassmantel abgetragen würde, sondern sich im Falle einer so weit gehenden Verformung eines an einen Fassboden angrenzenden Bereichs der Greifring nach außen bzw. unten verbiegt, was eine Einbeulung und Destabilisierung des Fassmantels zur Folge hätte.

Die aus der Druckschrift DD 273 613 A1 bekannten Fässer weisen Greifringe auf, die durch eine axiale Verlängerung der Fasswandung gebildet sind und die Stapellast direkt in die Fasswandung einleiten. Bei Fässern dieser Bauart ist der sich an den Greifring über einen konischen Mantelbereich anschließende Fassboden versenkt angeordnet oder bis in die Ebene der oberen Randfläche des Trage- und Transportringes und darüber angehoben und folglich nicht geeignet, nennenswerte, eine das Eindrücken des Fassbodens und den damit verbundenen Innendruckaufbau bewirkende Stapellast aufzunehmen (siehe Fig. 2 bzw. Fig. 3 und S. 2, im Abschnitt "Darlegung des Wesens der Erfindung", sechste und fünfte Zeile von unten).

Eine Anregung dahingehend, ein stapelbares Fass so auszugestalten, dass die beiden verschiedenen Lastabtragungsmechanismen synergistisch genutzt werden können, ergibt sich somit weder aus den Druckschriften FR 2 585 330 oder DE 35 26 921 A1 noch aus der DD 273 613 A1. Selbst wenn ein Fachmann auf Grund einer Zusammenschau dieses Standes der Technik Elemente daraus kombinierte, gelangte er höchstens zufällig zu den Merkmalen der Erfindung, bei der eine Verringerung des Materialeinsatzes bei vergleichbarem Stapellastverhalten funktionell genau dann erreicht wird, wenn zunächst durch die elastische Verformung des Fassbodens ein stützender Druck von 0,1 bis 0,3 bar, vorzugsweise etwa 0,16 bar, aufgebaut wird, bevor die restliche Stapellast über den äußeren Greifring bzw. Fassrand in den Fassmantel abgetragen wird.

Entsprechende Hinweise auf eine gezielt so gestaltete patentgemäße Konstruktion erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften, die von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht mehr aufgegriffen wurden.

Der antragsgemäß verteidigte Anspruch 1 hat daher Bestand.

Zusammen mit dem geltenden Anspruch 1 sind auch die unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 bestandsfähig, da sie vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Kunststoff-Fasses nach dem Anspruch 1 betreffen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten wird.






BPatG:
Beschluss v. 02.11.2006
Az: 34 W (pat) 16/03


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