Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Februar 2011
Aktenzeichen: 6 W (pat) 301/08

(BPatG: Beschluss v. 24.02.2011, Az.: 6 W (pat) 301/08)

Tenor

Das Patent 101 50 709 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 11. Dezember 2003 veröffentlichte Patent 101 50 709 mit der Bezeichnung "Markise" ist am 9. März 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

(D1) DE 299 16 768 U1

(D2) DE 26 35 287 C2

(D3) DE 42 19 832 C1

(D4) DE 199 40 106 A1

(D5) DE 43 33 042 A1

(D6) DE 195 20 162 A1

(D7) Prospekt der Fa. Weinor DIE MARKISE "Pergola 1000 -2000"

(D8) FR 2 643 110 A1

(D9) Prospekt der Fa. Ernst Loos GmbH "Cassetten-Markise Modell 405"

(D10) DE 41 39 312 A1.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sowohl neu sei als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Markise, insbesondere an der Außenseite von Glasflächen anzuordnende Markise, mit einem Tuch (1), das mit seinem hinteren Randbereich an einer Wickelwelle (2) und mit seinem vorderen Ende an einer Zugstange (3) angebracht ist, die auf wenigstens einem Laufwagen (5) aufgenommen ist, der auf einer in Ausfallrichtung des Tuchs (1) verlaufenden Führungsschiene (8) verfahrbar gelagert ist, wobei die Wickelwelle (2) in einem zugeordneten Kasten aufgenommen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kasten (4) zumindest im Bereich jeder Führungsschiene (8) mit einem zumindest über einen Teil seiner Länge sich erstreckenden Haltefuß (11) versehen ist, der bei montierter Markise mit einer am kastenseitigen Ende einer jeweils zugeordneten Führungsschiene (8) angebrachten, zwei gegeneinander bewegbare Klemmbacken (13, 14) aufweisenden Klemmeinrichtung (12) im Eingriff ist."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt ist noch die DE 197 17 654 C2 berücksichtigt worden.

II.

1.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

2.

Die erteilten Ansprüche sind zulässig. Sie entsprechen im Wesentlichen den ursprünglichen Ansprüchen. Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

3.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist neu.

Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 ist seitens der Einsprechenden lediglich hinsichtlich der D1 bestritten.

Die D1 offenbart eine Markise mit den Merkmalen des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 (Abs. [0002] der Streitpatentschrift) und darüber hinaus noch das Merkmal, wonach der Kasten zumindest im Bereich jeder Führungsschiene mit einem zumindest über einen Teil seiner Länge sich erstreckenden Haltefuß versehen ist. Denn auch dort weist der Kasten (Abdeckung 16) einen gegenständlich und funktionsmäßig dem streitgegenständlichen Haltefuß entsprechenden Tragfuß (28) auf, welcher an einer "Halbschale" (17) des Kastens (16) einstückig angeformt ist.

Die übrigen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 sind der D1 nicht zu entnehmen.

Während nach der D1 der Haltefuß selbst an seinem unteren Ende als Klemmeinrichtung ausgebildet ist, ist erfindungsgemäß der Haltefuß bei montierter Markise mit einer Klemmeinrichtung im Eingriff. Diese Formulierung lässt eine Deutung, wie sie die Einsprechende vornimmt, dass nämlich Haltefuß und Klemmeinrichtung ein und dasselbe Bauteil sind, nicht zu, da ein und dasselbe Bauteil nicht mit sich selbst in Eingriff sein kann.

Weiterhin weist die patentgemäße Klemmeinrichtung zwei gegeneinander bewegbare Klemmbacken auf, während die Klemmeinrichtung nach D1 aus einem Uförmigen Bügel (28) besteht, dessen Enden mittels einer Klemmschraube zusammenziehbar sind.

Darüber hinaus ist die patentgemäße Klemmeinrichtung am kastenseitigen Ende einer jeweils zugeordneten Führungsschiene angebracht, während bei der Konstruktion nach der D1 der Bügel (28) klemmend ein Tragrohr (14) umschließt, welches bei der erfindungsgemäßen Markise gar nicht vorhanden ist.

Diese wesentlichen Unterschiede zum Stand der Technik nach der D1 begründen die Neuheit des Patentgegenstandes.

Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 gegenüber den übrigen Druckschriften ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden, sie ist auch gegeben, wie der Senat im Rahmen der Amtsermittlung festgestellt hat.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Markise gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende sieht den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 insbesondere durch eine Zusammenschau von D1 und D2 bzw. von D10 und D2 als nahegelegt an.

Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vom Gegenstand nach der D1 zumindest durch die Merkmale, wonach der Haltefuß bei montierter Markise mit einer am kastenseitigen Ende einer jeweils zugeordneten Führungsschiene angebrachten, zwei gegeneinander bewegbare Klemmbacken aufweisenden Klemmeinrichtung im Eingriff ist.

Die D10 offenbart eine Markise, insbesondere an der Außenseite von Glasflächen anzuordnende Markise, mit einem Tuch 14, das mit seinem hinteren Randbereich an einer Wickelwelle 15 und mit seinem vorderen Ende an einer Zugstange 17 angebracht ist, die auf wenigstens einem Laufwagen 36 aufgenommen ist, der auf einer in Ausfallrichtung des Tuchs 14 verlaufenden Führungsschiene 18, 19 verfahrbar gelagert ist, wobei die Wickelwelle 15 in einem zugeordneten Kasten 16 aufgenommen ist (Fig. 1 und 2). Sie offenbart jedoch insbesondere nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1.

Die D2 offenbart eine Markise, welche an einer Wand befestigt werden kann. Dazu ist ein Wandhalter 16 vorgesehen, welcher zwei feststehende Klemmbacken 50 und 51 aufweist. In die Klemmbacken 50, 51 kann ein Klemmstück 54 eingesetzt werden, welches über einen Bügel 17 mit dem Markisenkasten 1 verbunden ist. In der einen Klemmbacke 51 ist eine Klemmschraube 52 vorgesehen, mit welcher das Klemmstück 54 zwischen den beiden Klemmbacken 50 und 51 verklemmt werden kann (Fig. 1 bis 3 und Sp. 3, Z. 12 bis 63).

Bei dieser Markise sind in der Terminologie des erteilten Anspruchs 1 allenfalls die Merkmale verwirklicht, wonach es sich um eine Markise mit einem Tuch 8 handelt, das mit seinem hinteren Randbereich an einer Wickelwelle 3 und mit seinem vorderen Ende an einer Zugstange 12 angebracht ist, wobei die Wickelwelle 3 in einem zugeordneten Kasten 1 aufgenommen ist, wobei der Kasten 1 mit einem zumindest über einen Teil seiner Länge sich erstreckenden Haltefuß 17, 54 versehen ist, der bei montierter Markise mit einer zwei Klemmbacken 50, 51 aufweisenden Klemmeinrichtung 12 im Eingriff ist.

Diese aus der D2 bekannte Markise weist jedoch insbesondere keine Zugstange auf, die auf wenigstens einem Laufwagen aufgenommen ist, der auf einer in Ausfallrichtung des Tuchs verlaufenden Führungsschiene verfahrbar gelagert ist, wobei der Haltefuß mit einer am kastenseitigen Ende einer jeweils zugeordneten Führungsschiene angebrachten, zwei gegeneinander bewegbare Klemmbacken aufweisenden Klemmeinrichtung im Eingriff ist, und geht damit nicht über das hinaus, was bereits aus der D1 oder der D10 bekannt ist.

Da somit die vorstehend genannten Merkmale weder in der D1 noch in der D10 noch in der D2 verwirklicht sind, kann auch eine Zusammenschau dieser Druckschriften nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

Auch in Zusammenschau mit dem übrigen Stand der Technik kann der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht nahe gelegt werden, da bei den Markisen nach der der D3, der D5 und der D8 bereits die Führungsschienen fehlen, an welchen Klemmeinrichtungen für einen Kasten befestigt sein könnten, während die Konstruktionen nach der D4 und der D6 keine Klemmeinrichtungen für einen Haltefuß eines Kastens aufweisen. Die D7 und die D9 zeigen ebenfalls zumindest nicht mehr als die bereits entfernter als die D1 liegenden o. a. weiteren Druckschriften.

Der übrige im Prüfungsverfahren berücksichtigte und im Einspruchsverfahren nicht mehr angezogene Stand der Technik liegt erkennbarerweise noch weiter ab als der vorstehend abgehandelte.

Da somit im Stand der Technik alle Hinweise fehlen, in der erteilten Art und Weise vorzugehen, kann der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau dem Fachmann -einem Maschinenbauingenieur mit einschlägiger Erfahrung in der Konstruktion von Markisen -eine Anregung zu dem grundlegenden Gedanken der Erfindung geben, wonach der Haltefuß bei montierter Markise mit einer am kastenseitigen Ende einer jeweils zugeordneten Führungsschiene angebrachten, zwei gegeneinander bewegbare Klemmbacken aufweisenden Klemmeinrichtung im Eingriff ist.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

c. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Markise betreffen.

Lischke Guth Schneider Küest Cl






BPatG:
Beschluss v. 24.02.2011
Az: 6 W (pat) 301/08


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