Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Juni 2005
Aktenzeichen: 2 Ni 56/03

(BPatG: Urteil v. 09.06.2005, Az.: 2 Ni 56/03)

Tenor

I. Das deutsche Patent 42 29 375 wird in folgendem Umfang für nichtig erklärt:

Patentanspruch 1, Patentanspruch 5 , soweit er auf Patentanspruch 1 unmittelbar rückbezogen ist.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Klägerin im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 42 29 375 (Streitpatent), das am 3. September 1992 angemeldet worden ist und einen Strahlungs-Heizkörper betrifft. Das Streitpatent umfaßt 16 Patentansprüche, von denen die angegriffenen Ansprüche 1 und 5 folgenden Wortlaut haben:

Anspruch 1

"Strahlungs-Heizkörper, insbesondere für Küchengeräte, mit mindestens einem langgestreckten Heizwiderstand (10) mit folgenden Merkmalen:

1.1 er ist als gewelltes Flachband ausgebildet, 1.1.1 das auf einem isolierenden Tragkörper (4) mittels im Abstand voneinander angeordneten Haltegliedern (28) befestigt ist;

1.2 er weist Anschlussabschnitte für Versorgungsleitungen auf; (Kennzeichen:)

1.3 er ist wenigstens teilweise für den Betrieb mit Betriebs-Strahlungstemperaturen im sichtbaren Strahlungsbereich ausgebildet;

1.4 er weist zahlreiche aneinander anschließende gemeinsam leistungsbeaufschlagte Längsabschnitte (38, 39) unterschiedlicher Betriebs-Strahlungstemperatur auf, die unterschiedliche Strahlungs-Helligkeiten haben;

1.5 die Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur und -helligkeit liegen im Bereich der Halteglieder (28)."

Anspruch 5

"Heizkörper nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß Längsabschnitte (38, 39) unterschiedlicher Betriebs-Strahlungstemperatur unterschiedliche Längen aufweisen, daß Längsabschnitte (38, 39) im wesentlichen über eine und/oder mehrere Vollwellen (29) reichen und daß vorzugsweise Längsabschnitte (38) höherer Strahlungstemperatur länger als Wellenabschnitte (39) geringerer Strahlungstemperatur sind."

Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei im angegriffenen Umfang gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zur Unterstützung ihres Vorbringens verweist sie auf:

Anlage A2 Merkmalsanalyse Anlage A3 US 3 612 828 (D1)

Anlage A4 DE 25 51 137 A1 (D2)

Anlage A5 H. Scheidler, Glass-Ceramic Smoothtops in Europe /

Past, Present, Future in: Appliance Engineer /October 1982, S. 72 - 75 Anlage A6 Farbtabelle für Heiztemperaturen Anlage A7 Katalogtitelblatt "SCHOTT information" 1/1980 (English)

Anlage A8 Stellungnahme Dr. Lutz Ose vom 1. März 2005 Anlage A9 Vergrößerung Figur 5 der D1 Anlage A10 EP 0 463 334 A2 Anlage A11 US 4,161,648 und die im Parallelverfahren 2 Ni 54/03 (EU) vorgelegte US 600,057 (Ball).

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 42 29 375 im Umfang des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 5, soweit er auf Patentanspruch 1 rückbezogen ist, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche für patentfähig.

Gründe

Die Klage, mit der der in § 22 Abs.2 iVm § 21 Abs.1 Nr.1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

I 1. Patentgegenstand Das Streitpatent betrifft einen Strahlungs-Heizkörper, insbesondere für Küchengeräte. Nach der Beschreibung werden solche Strahlungs-Heizkörper bevorzugt für Kochgeräte zur Beheizung einer Kochstelle verwendet, und sind üblicherweise mit einer transluzenten Abdeckung z.B. einer Glaskeramikplatte abgeschirmt. Sie bestünden aus einem langgestreckten Heizwiderstand, der als gewelltes Flachband ausgebildet und auf einem Tragkörper mit Haltegliedern befestigt sei (Patentschrift Sp 1, Z 1 bis 24). Derartige Strahlungs-Heizkörper hätten den Nachteil, dass das mit dem menschlichen Auge wahrnehmbare Glühbild des Heizwiderstandes von zahlreichen Faktoren, z.B. der bestimmungsgemäßen elektrischen Betriebsleistung, Querschnittsänderungen des Widerstands oder dessen thermischer Kopplung abhänge. Es sei daher schwierig oder unmöglich, einen sichtbaren Einfluss auf das Glühbild zu nehmen (Sp 1, Z 25 bis 41).

Es sei deshalb Aufgabe des Streitpatents, die beschriebenen Nachteile zu vermeiden und insbesondere eine wirksame Beeinflussung des sichtbaren Glühbilds bei einfacher Ausbildung zu gewährleisten (Sp 1, Z 60 bis 65).

Dazu schlägt das Patent nach Anspruch 1 insbesondere vor, den Widerstand als gewelltes Flachband auszubilden, das nach Merkmal 1.4 zahlreiche aneinander anschließende gemeinsam leistungsbeaufschlagte Längsabschnitte unterschiedlicher Betriebs-Strahlungstemperatur aufweist, wobei nach Merkmal 1.5 die Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur und -helligkeit im Bereich der Halteglieder liegen sollen.

Durch die Ausbildung des Strahlungs-Heizkörpers nach Patentanspruch 1 könne ein durchschnittlich leistungsfähiges menschliches Auge deutliche Helligkeitskontraste dieser Abschnitte während der Leistungsaufnahme, kurz nach Beginn der Stromzufuhr und/oder einige Zeit nach Unterbrechung der Stromzufuhr deutlich erkennen (Sp 2, Z 1 bis 6). Ein Temperaturunterschied von etwa 1000C wird nach der Beschreibung als vorteilhaft angesehen (Sp 3, Z 5 bis 11).

2. Fachmann Der hier zuständige Fachmann ist - auch nach übereinstimmender Auffassung der Parteien - ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der elektrischen Strahlungs-Heizkörper. Ein solcher Fachmann verfügt auch über Grundkenntnisse des Maschinenbaus.

3. Verständnis des Anspruchs 1 Die Merkmale 1.3 bis 1.5 im Patentanspruch 1 können nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie den beanspruchten Gegenstand durch körperliche Merkmale definieren. So muss der Heizer nach Merkmal 1.3 Strahlungstemperaturen aushalten, die eine sichtbare Strahlung ermöglichen, das heißt, Leiter und isolierender Tragkörper müssen eine Leitertemperatur von ca 600¡C, möglichst über 7000C (Rotglut) aushalten.

Nach Merkmal 1.4 und 1.5 müssen im Bereich der Halteglieder Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur und Helligkeit liegen. Nach der Beschreibung sind dafür die dort als "Befestigungsvorsprünge" bezeichneten Halteglieder 28 verantwortlich, die einerseits den Leiterquerschnitt vergrößern und damit den elektrischen Widerstand verkleinern und andererseits insbesondere bei Inbetriebnahme viel Wärme durch Wärmeleitung aufnehmen (Sp 8, Z 41 bis 66). Andere Möglichkeiten zur Erzeugung der Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur und Helligkeit sind nicht offenbart, so dass der Fachmann die Merkmale 1.4 und 1.5 als Umschreibung des körperlichen Merkmals "elektrisch leitende Befestigungsvorsprünge am Flachband mit Wärmekontakt zum Grundkörper" ansieht.

4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht neu.

Aus der US 4161 648 ist ein Strahlungs-Heizkörper für Küchengeräte (Abstract) mit mindestens einen langgestreckten Heizwiderstand 22 (Fig 4 bis 7 und Sp 4 Z 23 bis 42) und mit den folgenden mit dem Anspruch 1 übereinstimmenden Merkmalen bekannt:

1.1) der langgestreckte Widerstand 22 ist als gewelltes Flachband ausgebildet (Fig 6), 1.1.1) das auf einem isolierenden Tragkörper 21 mittels im Abstand voneinander angeordneten Haltegliedern 36 befestigt ist (Sp 5, Z 4 bis 9), 1.2) er weist Anschlußabschnitte für Versorgungsleitungen auf, denn selbstverständlich muss auch der bekannte Widerstand 22 an Versorgungsleitungen angeschlossen sein, wozu in der Regel die beiden Flachbänder als Anschlussabschnitte dienen.

Der Heizer ist als Strahlungsheizer (Titel) ausgebildet, bei dem Widerstandsmaterial und Isolation für Temperaturen im Glühbereich (>7000C) geeignet sind, was der Fachmann schon im Hinblick auf die Verwendung einer Glaskeramikabdeckung in dieser Druckschrift (insbes Sp 1 Z 2-126) mitliest, und der somit auf jeden Fall in der Lage ist, Glühtemperaturen zu erreichen. Bei welcher Temperatur der bekannte Heizer tatsächlich betrieben wurde, und ob dabei Schäden durch örtliche Überhitzung auftreten konnten, wie die Beklagte meint, spielt für die grundsätzliche Eignung keine Rolle.

Die bekannten Halteglieder 36, die als Befestigungsvorsprünge am Flachband ausgebildet sind, sind aus dem gleichen Material wie das Widerstandsband - also elektrisch leitfähig - und erweitern den Leiterquerschnitt am unteren Umkehrpunkt des Mäanders (der in Verlängerung des oberen Einschnittes 32 wirksam wird), wie die Figur 4 deutlich zeigt. Die Beklagte hat zwar zutreffend auf Stromdichtekonzentrationen im Endbereich des Einschnitts 32 hingewiesen, übersieht jedoch, dass der Strom immer den ganzen zur Verfügung stehenden Querschnitt nutzt. Der Senat vermag darin keinen Unterschied zwischen Stand der Technik und Streitpatent zu sehen, denn auch bei den Befestigungsvorsprüngen nach Figuren 5 bis 7 der Patentschrift beginnt die Querschnittserweiterung abrupt mit einem Eck, was zu ungleicher Stromverteilung und Querschnittsausnutzung führt. Auch die Wärme wird beim Stand der Technik und dem Streitpatent in gleicher Weise abgeleitet mit der aus physikalischen Gründen unvermeidbaren Folge, dass Querschnittserweiterung und Wärmeabfluss miteinander zu geringerer (Strahlungs-)Temperatur im Bereich der Halteglieder führen. Die Einschnitte 32 und 33 liegen in der Richtung des Wärmeabflusses und behindern ihn nicht. Auch die Breite des bekannten Widerstands - Leiterbands 22 ist mit 3 bis 4 mm (Sp 4, Z 25) eher kleiner als typischerweise beim Streitpatent (4 bis 8 mm, Sp 5 Z 29,30), und begünstigt somit den Wärmeabfluss mit der aus physikalischen Gründen unvermeidbaren Folge, dass Querschnittserweiterung und Wärmeabfluss miteinander zu geringerer (Strahlungs-)Temperatur im Bereich der Halteglieder führen.

Daraus folgt, dass der Widerstand 22 nach der US 41 61 648 in gleicher Weise wie beim Streitpatent 1.3) wenigstens teilweise für den Betrieb mit Betriebs-Strahlungs-Temperaturen im sichtbaren Strahlungsbereich ausgebildet ist, und 1.4) zahlreiche aneinander anschließende gemeinsam leistungsbeaufschlagte Längsabschnitte unterschiedlicher Betriebs-Strahlungstemperatur aufweist, die unterschiedliche Strahlungs-Helligkeiten haben, 1.5) die Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur und -helligkeit im Bereich der Halteglieder 36 liegen."

Damit weist der bekannte Heizer alle Merkmale des Patentanspruchs 1 auf.

4.2 Der Gegenstand des abhängigen Patentanspruchs 5 ist in seiner ersten Variante nicht neu und in seiner zweiten Variante nicht erfinderisch.

Wie insbesondere die Figur 4 zeigt, sind auch bei dem Widerstands-Flachband 22 nach der US 41 61 648 die zwischen den Haltegliedern 36 liegenden Abschnitte höherer Strahlungstemperatur länger als die Längsabschnitte geringerer Strahlungstemperatur über den Haltegliedern - und damit unterschiedlich. Wie insbesondere die Figur 6 zeigt, reichen die Längsabschnitte - entsprechend den Abständen zwischen den Haltegliedern - auch im wesentlichen über eine Vollwelle gemäß der ersten Variante (Sp 4, Z 61 bis 68). Insoweit ist der Heizer nach Anspruch 5 hinsichtlich der Variante "eine Vollwelle..." nicht neu.

Der Fachmann ist sich aber darüber im Klaren, dass die Längsabschnitte auch entsprechend der zweiten Variante über mehrere Vollwellen reichen können, wenn das Flachband für längere Stützabstände stabil genug ist. Etwas Erfinderisches ist darin nicht zu erkennen.

II Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs.1 PatG, 709 ZPO.

Meinhardt Dr. Mayer Gutermuth Dr. Kaminski Dr. Scholz Be






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Urteil v. 09.06.2005
Az: 2 Ni 56/03


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