Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. August 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 212/99

(BPatG: Beschluss v. 10.08.2000, Az.: 25 W (pat) 212/99)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die am 16. Oktober 1996 eingetragene Marke ONSECAN soll nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren nach entsprechendem Teillöschungsantrag noch für

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Präparate für die Gesundheitspflege, alle Waren mit Ausnahme von Betablockern"

geschützt werden. Die Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke erfolgte am 20. Januar 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 3. Juli 1968 für

"Mittel zur Behandlung von Herz und Kreislauf"

eingetragenen Marke DD 635 633 Obsidan.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren außer für "rezeptpflichtige Mittel zur Behandlung von Herz und Kreislauf, nämlich Betablocker" bestritten. Die Widersprechende hat eine weitergehende Benutzung ihrer Marke nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die Widersprechende dürfe hinsichtlich der zugestandenen Benutzung nach der Rechtsprechung zwar nicht ungebührlich in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, jedoch seien die Präparate der Hauptgruppe 27 der Roten Liste, der auch das Präparat der Widersprechenden zugeordnet sei, ausnahmslos verschreibungspflichtig, so daß auch eine Einschränkung auf die Rezeptpflicht gerechtfertigt sei. Noch ausgehend von dem ursprünglichen Warenverzeichnis der angegriffenen Marke führt die Markenstelle aus, daß die gegenüberstehenden Waren identisch sein könnten, da die dort enthaltenen weiten Warenoberbegriffe die speziellen Mittel der Widerspruchsmarke umfaßten. Wenn auch die Rezeptpflicht verwechslungsmindernd wirke, seien mündliche Benennungen durch Endverbraucher in noch erheblichem Umfang zu berücksichtigen. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei die Ähnlichkeit der Marken im klanglichen Gesamteindruck zu groß, um eine sichere Unterscheidung zu gewährleisten. In schriftbildlicher Hinsicht sorgten die Abweichungen in den Buchstaben "nec" und "sid" dagegen für hinreichend unterschiedliche Wortbilder.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die im Inneren der Marken "Obsidan" bzw "ONSECAN" befindlichen Abweichungen, nämlich der nur in der Widerspruchsmarke vorhandene signifikant helle Laut "i" gegenüber "e", der Sprenglaut "b" gegenüber dem Nasallaut "n" sowie "d" gegenüber "c" (gesprochen wie "k"), führten - bei einer bei Arzneimitteln zugrundezulegenden überdurchschnittlichen Sorgfalt der beteiligten Verkehrskreise - jedenfalls in ihrer Summe zu einer hinreichend sicheren Unterscheidbarkeit.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch nach der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke durch Ausnahme von "Beta-Blockern" sei auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Mittel von möglicher Warenidentität auszugehen. Zwar wirke sich auch eine einseitige Rezeptpflicht in gewissem Maße verwechslungsmindernd aus, jedoch sei weiterhin auch auf Endverbraucher abzustellen und es dürfe die Möglichkeit mündlicher Markenbenennungen nicht vernachlässigt werden. Ausgehend davon sei bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein strenger Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit anzulegen. Danach bestehe die Gefahr von Verwechslungen, da die Marken in vier an derselben Wortstelle plazierten Buchstaben (O-s--an) übereinstimmten und demgegenüber die Abweichungen zu geringfügig seien, um den Gesamteindruck der zu vergleichenden Marken hinreichend unterscheidbar zu gestalten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Markenstelle hat auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch aus der älteren Marke hin zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG angeordnet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats wegen der Ähnlichkeit der Waren und der Ähnlichkeit der Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke eine Benutzung der Widerspruchsmarke für "rezeptpflichtige Mittel zur Behandlung von Herz und Kreislauf, nämlich Betablocker" anerkannt und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung nicht geltend gemacht hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren auszugehen, §§ 158 Abs 3 Satz 1 und 2, 43 Abs 1 und 3 MarkenG. Bei der Entscheidung sind zugunsten der Widersprechenden allerdings die Waren der entsprechenden Hauptgruppe der Roten Liste, also "Betarezeptoren-, Calciumkanalblocker und Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems" (Hauptgruppe 27) ganz allgemein, insbesondere ohne Beschränkung auf rezeptpflichtige Präparate, bestimmte Darreichungsformen, Wirkstoffe oder stoffliche Zusammensetzungen zu berücksichtigen, da ein Markeninhaber in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeschränkt werden darf (so ständige Rechtsprechung, vgl BPatG Mitt 1979, 223 "Mastu"; GRUR 1995, 488 "API-SOL/Aspisol"; vgl allgemein zur Integrationsfrage auch BGH GRUR 1990, 39 ff "Taurus" in einem Löschungsverfahren).

Danach ist vorliegend auch nach der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke durch Ausnahme von "Beta-Blockern" weiterhin von möglicher Warenidentität im Bereich der Herz- Kreislaufmittel auszugehen. Denn neben Betarezeptorenblockern sind in der Hauptgruppe 27 der Roten Liste 2000 weitere Arzneimittelgruppen aufgeführt, ua als "Herz-Kreislauf"-indizierte Mittel, die wiederum von den im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke genannten weiten Warenoberbegriffen umfaßt sind. Auch wenn es sich bei den Präparaten der Hauptgruppe 27 tatsächlich weitgehend um verschreibungspflichtige Mittel handelt, kann eine verwechslungsmindernd wirkende Rezeptpflicht mangels Festschreibung in den Warenverzeichnissen dem markenrechtlichen Vergleich nicht zugrundegelegt werden, so daß Endverbraucher als angesprochene Verkehrskreise und mündliche Markenbenennungen hier in erheblichem Umfang zu berücksichtigen sind.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da Anhaltspunkte, die in eine andere Richtung weisen, nicht ersichtlich sind.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände, insbesondere der Warenlage, der angesprochenen Verkehrskreise und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind an den Markenabstand zur Vermeidung der Kollisionsgefahr strenge Anforderungen zu stellen, die hier nicht mehr ganz erfüllt sind. Die Vergleichsmarken sind nach Auffassung des Senats jedenfalls im klanglichen Gesamteindruck so stark angenähert, daß eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet und die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.

Der für die Beurteilung insoweit maßgebliche klangliche Gesamteindruck wird dadurch verwechselbar ähnlich gestaltet, daß die Marken "ONSECAN" und "Obsidan" hinsichtlich der Abfolge von Konsonanten und Vokalen einen identischen Wortaufbau aufweisen und bei gleicher Sprechsilbenzahl und gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in dem Lautbestand "O-s--an" übereinstimmen. Sie haben in dem Vokal "O" einen übereinstimmenden klangtragenden Anfangslaut sowie in "-an" eine gemeinsame Wortendung. Diese Übereinstimmungen treten im Klangeindruck noch dadurch besonders hervor, daß in beiden Bezeichnungen die Anfangs- und Endsilben betont gesprochen werden.

Angesichts dieser weitreichenden Gemeinsamkeiten vermag der isoliert betrachtet durchaus deutliche Klangunterschied zwischen den jeweils zweiten Lauten "n" bzw "b" das Gesamtklangbild der Marken nicht hinreichend anders zu gestalten, zumal auch die weiteren abweichenden Laute "-ec-" gegenüber "-id-" keinen Klangkontrast bewirken, sondern zum ähnlichen Gesamteindruck beitragen. Sowohl die Laute "e" gegenüber "i" als helle Vokale, als auch die Konsonanten "c" (wie "k") gegenüber "d" als Verschlußlaute sind nämlich eng klangverwandt. Berücksichtigt man schließlich, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72), kann eine klangliche Verwechslungsgefahr unter den hier vorliegenden Gesamtumständen nicht verneint werden.

Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob sich die Marken auch im Schriftbild verwechselbar nahe kommen.

Nach alledem war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Knoll Engels Richter Brandtist urlaubsbedingtabwesend unddeshalb verhindertzu unterschreiben.

Knoll Pü






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Beschluss v. 10.08.2000
Az: 25 W (pat) 212/99


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