Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. Dezember 2000
Aktenzeichen: 6 U 131/00

(OLG Köln: Urteil v. 20.12.2000, Az.: 6 U 131/00)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 06.06.2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 73/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn das Landgericht hat seine gegen die Antragsgegnerin gerichtete einstweilige Verfügung vom 10.04.2000 zu Recht aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen, weil die einstweilige Verfügung aufgrund einer Besonderheit des Streitfalles nicht der Antragsgegnerin selbst, sondern deren Prozessbevollmächtigten hätte zugestellt werden müssen, und die Antragstellerin deshalb die gemäß §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO zu beachtende einmonatige Vollziehungsfrist nicht ordnungsgemäß gewahrt hat.

Wird durch eine einstweilige Verfügung ein Unterlassungsgebot ausgesprochen, so bedarf es deren Vollziehung, die in der Regel durch Parteizustellung vorgenommen wird. Das ist für die im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung der vorliegenden Art allgemein anerkannt (statt vieler vgl. nur: BGH VersR 1985, 358, 359; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage 1999, § 25 UWG Rn. 57 a; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 55 Rn. 38, jeweils m.w.N.). Sinn und Zweck des § 929 Abs. 2 ZPO ist es, dem Schuldner alsbald, und zwar spätestens binnen Monatsfrist, Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Gläubiger die Rechte aus der einstweiligen Verfügung tatsächlich durchsetzen will. Denn der Schuldner soll nicht unbefristet der Gefahr der Zwangsvollstreckung ausgesetzt sein, die ihn auch dann noch treffen kann, wenn sich die Umstände verändert haben. Enthält die einstweilige Verfügung - wie im Streitfall - neben dem Unterlassungsgebot zusätzlich auch bereits die Ordnungsmittelandrohung, so genügt zur Wahrung der Frist grundsätzlich ihre im Parteibetrieb vorzunehmende Zustellung an den Unterlassungsschuldner. Dabei müssen Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, gemäß § 176 ZPO an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen. Diese Vorschrift gilt nach ganz herrschender und richtiger Auffassung auch im einstweiligen Verfügungsverfahren (vgl. die Nachweise bei Teplitzky, a.a.O., Fußnote 92 zu Kapitel 55 Rn. 43). In der Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum ist dabei anerkannt, dass der Begriff der "Bestellung zum Prozessbevollmächtigten" etwas anderes und mehr bedeutet als die bloße interne Bevollmächtigung selbst (vgl. hierzu Kammergericht, NJW 1994, 3111 mit Nachweisen unter anderem aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Die Zustellungspflicht des § 176 ZPO wird immer dann ausgelöst, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei oder die Partei dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner hinreichend sichere Kenntnis von der Person des Prozessbevollmächtigten verschafft (BGH NJW-RR 1986, 286, 287 und Kammergericht, a.a.O.). Die Vermittlung dieser Kenntnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Deshalb genügt auch eine nur aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1992, 665 und Kammergericht, a.a.O.). Eine derartige Unterrichtung kann durch die Übersendung des Schriftsatzes eines Rechtsanwaltes erfolgen, es kann aber auch die Partei selbst sein, die dem Gegner vom Bestehen der Prozessvollmacht außergerichtlich Kenntnis gibt (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage 2001, § 176 Rn. 6).

Für den Streitfall bedeuten diese Grundsätze: Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben in ihrer Abmahnung vom 21.03.2000 (Blatt 42 ff. d.A.) ausgeführt, im Falle der Nichterfüllung der Unterlassungsforderung sei man zur Einleitung gerichtlicher Schritte beauftragt, da man nicht wisse, ob die Kanzlei H., K., L. die Antragsgegnerin auch in dieser Sache verträten, wende man sich direkt an die Antragsgegnerin, ein gleichlautendes Schreiben werde jedoch auch der Kanzlei H., K., L. übersandt. Auf dieses Schreiben hat die Antragsgegnerin wenige Tage später, nämlich unter dem 24.03.2000, geantwortet und der Antragsstellerin in erkennbarer Beantwortung des Abmahnschreibens und in Anlehnung an die dortige Formulierung ausdrücklich mitgeteilt, die Rechtsanwälte H., K., L. in D. verträten sie - die Antragsgegnerin - auch in dieser Sache. Damit hatte die Antragsstellerin positive Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin auch im Verfügungsverfahren von den Rechtsanwälten H. pp. vertreten wurde. Sie hätte die von ihr alsdann erstrittene einstweilige Verfügung deshalb dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und nicht der Antragsgegnerin selbst zustellen müssen.

Der Umstand, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO anderweitig von der Existenz der einstweiligen Verfügung und ihrem Inhalt Kenntnis erlangt haben mögen, heilt den Zustellungsmangel und die daraus folgende Unwirksamkeit der Zustellung nicht. Denn die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften bei der Parteizustellung einer im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung kann nicht gemäß § 187 Satz 1 ZPO dadurch geheilt werden, dass dem Unterlassungsschuldner oder dessen Verfahrensbevollmächtigten der Beschluss nachträglich auf anderem Wege innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zugeht. Das entspricht der heute ganz herrschenden Auffassung (vgl. nur die Nachweise bei Teplitzky, a.a.O., Fußnote 98 zu § 55 Rn. 46). Die Zustellung des Beschlusses lässt nämlich die einstweilige Verfügung überhaupt erst wirksam werden, § 922 Abs. 2 in Verbindung mit § 936 ZPO. Mindestens dieses Wirksamwerden muss jedoch, auch mit Blick auf die von ihm abhängigen strafähnlichen Sanktionen des § 890 Abs. 1 ZPO, gesetzlich fixiert sein. Ob dieses Wirksamkeitserfordernis erfüllt ist, kann nicht davon abhängen, ob ein Gericht nachträglich von der gemäß § 187 Satz 1 ZPO in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellten Möglichkeit Gebrauch macht, einen vorliegenden Zustellungsmangel als geheilt anzusehen.

Hat das Landgericht demgemäß zutreffend entschieden, dass die einstweilige Verfügung schon deshalb aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen war, weil die Beschlussverfügung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß zugestellt worden ist, kann im übrigen offenbleiben, ob das geheftete Schriftstück, das der Gerichtsvollzieher der Antragsgegnerin übergeben hat, eine beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks im Sinne des § 170 Abs. 1 ZPO darstellt oder ob - wie die Antragsgegnerin meint - ein zur Unwirksamkeit der Zustellung führender Beglaubigungsmangel vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 20.12.2000
Az: 6 U 131/00


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