Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 336/03

(BPatG: Beschluss v. 06.11.2007, Az.: 6 W (pat) 336/03)

Tenor

Das Patent 101 50 654 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Ansprüche 1 - 10 gemäß Eingabe vom 13. April 2004, Beschreibung Sp. 1 und 2 gemäß Eingabe vom 13. April 2004, Figuren gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 20. Februar 2003 veröffentlichte Patent 101 50 654 mit der Bezeichnung "Lagerelement" ist mit Schriftsatz von der Einsprechenden I vom 15. Mai 2003, per Fax eingegangen am 19. Mai 2003, und mit Schriftsatz von der Einsprechenden II vom 20. Mai 2003, eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben worden.

Beide Einsprechende stützen ihren Einspruch auf zusätzlich angezogene druckschriftliche Entgegenhaltungen, die Einsprechende II macht außerdem zwei Vorbenutzungen eines Lagerelements geltend, die sie durch Vorlage von Werkstattzeichnungen und weiteren Nachweisen glaubhaft zu machen sucht. Im Einzelnen wurden im Prüfungs- und Einspruchsverfahren damit folgende Entgegenhaltungen angezogen:

Im Prüfungsverfahren: E1: DE 675 607 A (dort als D1: DE 675 607 C bezeichnet)

E2: US 34 33 539 (dort D2)

E3: DE 34 03 671 A1 (dort D3)

E4: US 17 00 100 (dort D4)

Im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden I E1: DE 675 607 A (dort als D1: DE 675 607 C bezeichnet)

E5: DE 32 30 700 A1 (dort D2)

E6: DE 14 77 052 A (dort D3)

E3: DE 34 03 671 A1 (dort D4)

Einsprechenden II E1: DE 675 607 A (dort D1)

E2 US 34 33 539 (dort D2)

E3: DE 34 03 671 A1 (dort D3)

E4: US 17 00 100 (dort D4)

E7: DE 24 11 907 A (dort D5)

E8: DE 199 54 912 A1 E9: DE 39 05 175 C1 E10: DE-Buch Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik-Sonderausgabe, 1. Band A - EK, 1989, S. 287 E11: DIN-Norm 8584, April 1971, Seiten 1 - 4.

Sowie zu den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen:

D6: Datenblatt "LK 1202" von PEM Fastening Systems, Copyright 1997 D7: Datenblatt "CW 702" von PEM Fastening Systems, Copyright 1997 D8: Schreiben der Fa. Mercedes-Benz Lenkungen GmbH an Fa. Glacier IHG Gleitlager GmbH & Co. KG vom 16.5.2003 D9: Schreiben der Fa. Mercedes-Benz Assenheimer + Mulfinger GmbH & Co. KG an Fa. Glacier IHG Gleitlager GmbH & Co. KG vom 19.5.2003 D10: Teile-Lebenslauf der Fa. Glacier IHG Gleitlager für Teil Nr. A 220 460 05 23 D11: Fertigungszeichnung DU-Lagerschale Zeichnungs-Nr. 32X3420DU-S-02-D der Fa. Glacier IHG Gleitlager D12: Fertigungszeichnung ZB Druckstück Zeichnungs-Nr. A 220 460 05 23 der Fa. Glacier IHG Gleitlager D13: Fertigungszeichnung Stempeldorn Zeichnungs-Nr.: 3.8.003.000.005/1 der Fa. Glacier IHG Gleitlager D14: Fertigungszeichnung Druckstück Zeichnungs-Nr.: A 220 461 03 94 der Fa. Glacier IHG Gleitlager D15: Fertigungszeichnung Druckstück Zeichnungs-Nr.: A 220 460 05 23-02-D der Fa. Glacier IHG Gleitlager D16: Tabelle 1 Diagramm 1 Auspresskräfte D17: Telephone Order (Telefon-Bestellung) der Sauer-Sundstrand Corporation an Garlock Bearings Inc.

D18: Fertigungszeichnung SX-4247-068 Proto Fixture D19: Fertigungs-Skizze für Sauer-Sund Strand Corporation D20: Fertigungs-Skizze für Dayton Machine Corporation D21: Fertigungs-Skizze für Dayton Machine Corporation D22: Fertigungs-Skizze für Dayton Machine Corporation D23: Purchase Order (Bestellung) der Fa. Garlock Bearings Inc. an die Fa. Danly Machine Corporation D24: Purchase Order (Bestellung) der Fa. Garlock Bearings Inc. an die Fa. Danly Machine Corporation D25: Roloff/Matek Maschinenelemente 11., durchgesehene Auflage, S. 514 f.

D26: Hoischen, Hans "Technisches Zeichnen", Lehrbuch, 21. Auflage, 1986, S. 152 - 171 und S. 290 - 291.

Die Einsprechende I trägt vor, ein Halteelement, entsprechend demjenigen nach Patentanspruch 1, gehe aus der DE 32 30 700 A1 (E5) hervor. Das zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach das Halteelement als Durchzug ausgebildet werden solle, stünde dem Fachmann frei. Zu einer solchen Ausbildung könne dieser nämlich durch die Ausbildung einer Lagerschale angeregt werden, wie sie in der DE 34 03 671 A1 (E3) offenbart sei. Dort werde ein an einer Lagerschale angeformter Durchzug beschrieben, so dass hiervon ausgehend, die Ausbildung des Lagerelements nach Patentanspruch 1 nahegelegt sei.

Auch die Anordnung aus einem Lagerelement und einem Lagergehäuseteil entsprechend den Merkmalen des Patentanspruchs 5 sei nahegelegt. Aus einer Zusammenschau der Lagerelemente, entsprechend der DE 34 03 671 A1 (E3) und der DE 24 11 907 A (E7) gingen sämtliche Merkmale einer solchen Anordnung hervor.

Die Einsprechende II macht geltend, die DE 34 03 671 A1 (E3) offenbare bereits weitgehend die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 und verweist darauf, dass der aus Patentanspruch 5 aufgenommene Begriff "Durchzug" nicht näher definiert werde und unterschiedliche Interpretationen erlaube. Sie trägt weiter vor, ein vergleichbares Halteelement, das zur drehfesten Verankerung vorgesehen sei, gehe auch aus der DE 24 11 907 A (E7) hervor. Dort werde in den Figuren 3 und 4 ein Halteelement ausgebildet, welches zusätzlich polygonal sei und die gleiche Aufgabe löse.

Insgesamt sei ein Lagerelement mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 daher für den Fachmann nahegelegt.

Die Einsprechende II macht anhand der Entgegenhaltungen D8 bis D16 und D25 die Vorbenutzung des darin gezeigten Gegenstands, einem Gleitlager-Bauteil, geltend. Sie führt hierzu aus, ein solches Bauteil (Druckstück A 220 460 05 023) sei durch Lieferung an die Mercedes Benz-Lenkungen für Daimler-Chrysler für deren Baureihe W220 seit 1999 (zumindest bis 16.5.2003) bzw. durch Einbau in diese Baureihe öffentlich geworden. Die Einsprechende II argumentiert, anhand der Zeichnungsblätter D11 bis D14 könne man erkennen, dass es sich bei dem Druckstück A 220 460 05 23 um ein Lagerelement entsprechend demjenigen nach Patentanspruch 1 handele (die Bezeichnung "Lagerschale" gehe aus D11 hervor). Das Halteelement sei als Durchzug ausgebildet und werde durch Anwendung eines Stempeldorns mit polygonalem Außenquerschnitt geformt. Insofern nehme dieses vorbekannte Druckstück einem Lagerelement mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 die Neuheit.

Beide Einsprechenden ziehen außerdem den Einspruchsgrund der Erweiterung (§ 21, Abs. 1 Nr. 4) an und behaupten, durch Aufnahme der Merkmale "einstückig" und der Formulierung, dass das "Halteelement als Durchzug ausgebildet" sei, ginge der geltende Patentanspruch 1 über den ursprünglichen bzw. über den erteilten Inhalt des Anspruchs 1 hinaus.

Die Einsprechenden I und II beantragen, das Patent 101 50 654 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 13. April 2004, nämlichdas Patent mitden Ansprüchen 1 - 10 gemäß Eingabe vom 13. April 2004, der Beschreibung Sp. 1 und 2 gemäß Eingabe vom 13. April 2004, den Figuren gemäß Patentschriftbeschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin führt zum Einspruch der Einsprechenden I aus, das Lagerelement nach der DE 32 30 700 A1 (E5) bzw. nach der DE 14 77 052 A (E6) könne eine Ausbildung nach Patentanspruch 1 nicht nahelegen, weil der darin jeweils gezeigte Haltevorsprung nicht als polygonal bezeichnet werden könne. Zudem gehe daraus keine Ausbildung als Durchzug hervor. Aus der DE 34 03 671 A1 (E3) sei zwar ein als Haltevorsprung ausgebildeter Durchzug bekannt, dieser liege aber an der Wandung der Ölbohrung an und könne daher erst unmittelbar bei der Montage erzeugt werden, wofür höchste Präzision vorauszusetzen sei, die bei der erfindungsgemäßen Lehre gerade verringert werden solle. Ein Fachmann könne daher keinerlei Anregungen aus der Lehre dieser Ausbildungen ziehen.

In gleicher Weise gingen aus den genannten Schriften auch keine Anordnungen aus Lagerelement und Lagergehäuseteil, entsprechend Patentanspruch 5 hervor, noch sei eine solche daraus nahegelegt.

Zum Einspruch der Einsprechenden II trägt die Patentinhaberin bezüglich des Begriffs "Durchzug" vor, auch in der DE 34 03 671 A1 (E3) sei von einem "Durchzug" die Rede. Der Begriff habe eine an sich klare Bedeutung. Die DE 24 11 907 A (E7) beträfe allerdings kein halbkreisförmiges Lagerelement, sondern stelle eine damit nicht vergleichbare zylindrische Hülse dar. Insofern sei das Lagerelement gegenüber der Ausbildung nach dieser Entgegenhaltung neu und verfüge auch über erfinderische Tätigkeit.

Eine Zusammenschau eines Elements nach der DE 34 03 671 A1 (E3) mit einem solchen nach der US 34 33 539 (E2) liege ebenfalls nicht nahe. Zum einen weise das Element nach der DE 34 03 671 A1 (E3) keinen Verbund aus Stütz- und Gleitschicht auf. Zum anderen sei eine Zusammenschau der Elemente der beiden Entgegenhaltungen bereits deshalb für einen Fachmann nicht naheliegend, weil einmal das Halteelement als Durchzug ausgebildet sei, während bei einem solchen nach der US 34 33 539 (E2) dort lediglich eine Öffnung vorgesehen sei, in die der Hülsenkörper eingesetzt werde.

Zum Vortrag der Einsprechenden II hinsichtlich der behaupteten Vorbenutzungshandlung (D8 - D16, D25) nimmt die Patentinhaberin insoweit Stellung, als sie vorträgt, dass auch bei einer unterstellten Offenkundigkeit des entgegengehaltenen Druckstücks dieses ein Lagerelement nach Patentanspruch 1 nicht vorwegnehmen oder nahelegen könne. Das Druckstück sei nicht halbkreisförmig, es weise im noch nicht montierten Zustand kein Halteelement auf und der Vorgang des Verstemmens des Lagerelements mit dem Lagergehäuse könne zu keiner polygonalen Außenform des Halteelements führen. Bei der Ausbildung des Halteelements in situ stelle sich das im Streitpatent angegebene Problem nicht. Zusätzlich könne bei diesem Stand der Technik auch der Umkreis des Haltevorsprungs nicht größer sein als der Durchmesser der Ausnehmung in dem Lagergehäuseteil, weil das Halteelement von innen gegen die kreisrunde Wandung der Ausnehmung in dem Lagergehäuseteil gepresst werde.

Demgegenüber sei ein Lagerelement nach dem geltenden Patentanspruch 1 neu und auch durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Zum Vortrag der Einsprechenden hinsichtlich einer Erweiterung weist die Patentinhaberin darauf hin, die angegriffenen Merkmale gingen aus der Figur und aus den Merkmalen des eingereichten bzw. erteilten Patentanspruchs 5 in eindeutiger Weise hervor.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

Halbkreisförmiges Lagerelementmit einer Stützschicht (5), undeiner darauf aufgebrachten Gleitschicht (7), wobei ein von einer der Gleitschicht (7) abgewandten Seite der Stützschicht (5) vorspringendes einstückig mit dem Lagerelement ausgebildetes Halteelement (6) vorgesehen ist, das zur drehfesten Verankerung des Lagerelements im montierten Zustand in eine entsprechend ausgebildete Ausnehmung (10) in einem Lagergehäuseteil (2) eingreift, dadurch gekennzeichnet, dass, das Halteelement (6) als Durchzug ausgebildet ist und in einer Querschnittsebene senkrecht zu einer radialen Richtung (8) des Lagerelements polygonal ausgebildet ist.

Der nebengeordnete Patentanspruch 5 lautet:

Anordnung aus einem Lagerelement nach einem oder mehreren der vorstehenden Ansprüche und einem Lagergehäuseteil (2) zur Aufnahme des Lagerelementsmit einer Ausnehmung (10), in welche das Halteelement (6) des Lagerelements zur drehfesten Verankerung des Lagerelements eingreift, dadurch gekennzeichnet, dassdie Ausnehmung (10) in dem Lagergehäuseteil (2) in einer Querschnittsebene senkrecht zur radialen Richtung (8) des Lagerelements rund ausgebildet ist undder Innendurchmesser (12) der Ausnehmung (10) kleinerer ist als der Durchmesser des Umkreises (14) der Polygonform des Halteelements (6).

Hieran schließen sich die Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 umnummeriert, ansonsten in erteilter Form an. Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Patentansprüche sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Der Senat ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH X ZB 9/06 v. 17. April 2007 - Informationsübermittlungsverfahren).

Der Senat ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig geblieben (vgl. hierzu auch 23 W (pat) 327/04; 23 W (pat) 313/03; 19 W (pat) 344/04).

2. Die frist- und formgerecht erhobenen Einsprüche sind ausreichend substantiiert und zulässig, die von den Einsprechenden gemachte Begründung gibt zumindest hinsichtlich der Entgegenhaltungen E1 bis E9 und der geltend gemachten Vorbenutzungshandlung bzgl. der Unterlagen D8 bis D16 und D25 in eindeutiger und nachvollziehbarer Weise die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen an.

a. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 10 entsprechen den erteilten bzw. den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 11, wobei die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 5 in den geltenden Patentanspruch 1 mit aufgenommen wurden. Gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 wurde zusätzlich auch das Merkmal aufgenommen, wonach Lagerelement und Halteelement einstückig ausgebildet sind. Dieses Merkmal ist sowohl der Figur 1 als auch den Figuren 3 und 5 in eindeutiger Weise entnehmbar.

Das weitere Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1, dass das Halteelement (6) als Durchzug ausgebildet ist, entstammt dem ursprünglichen bzw. dem erteilten, jeweils auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 5. Dieses Merkmal war daher von Anfang an als zur Erfindung gehörig offenbart und kann deshalb keine erweiternde Wirkung haben, die nach § 21 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen würde.

b. In der mündlichen Verhandlung wurde einvernehmlich ein Fachhochschul-Ingenieur oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit Grundkenntnissen in Metallurgie und einer umfangreichen Berufserfahrung in der Gleitlagertechnik als der im vorliegenden Fall maßgebliche Durchschnittsfachmann angesehen.

c. Das Merkmal, wonach das Halteelement als "Durchzug" ausgebildet ist, wird auch ohne weiterführende Erklärung im Beschreibungsteil durch die im Streitpatent erläuternden Figuren so klar, dass der unter b.) bezeichnete Durchschnittsfachmann diese Lehre ohne weiteres nacharbeiten kann. Bereits der Begriff "Durchzug" deutet, insb. in Verbindung mit den Figuren 1, 3 oder 5, auf eine Öffnung bzw. einen Hohlkörper hin. Nachdem nähere Ausführungen hierzu fehlen, liegt der wesentliche Informationsgehalt für den Fachmann in dem Vorhandensein eines Hohlkörpers allgemein, nicht jedoch in einer bestimmten, mit dem Begriff zusammenhängenden Herstellungsmethode, wie die Einsprechenden durch die eingereichten Auszüge aus Normen und Lexika glauben machen wollen. Der Fachmann erkennt aus dem Gesamtzusammenhang des Streitpatents, dass es für die Montage des Halteelements zur Erzielung von dessen spielfreiem Sitz im Lagergehäuseteil, die z. T. aus einer Verformung resultiert, von Vorteil ist, wenn das Halteelement hohl - als Durchzug - ausgebildet ist und die Verformung daher mit einem begrenzten Kraftaufwand, wie in den Ansprüchen 8 und 9 angegeben, erreicht werden kann.

d. Ein halbkreisförmiges Lagerelement, entsprechend Patentanspruch 1 ist neu gegenüber der DE 675 607 A (E1). Es verfügt zusätzlich zu den damit gemeinsamen Merkmalen, die im Oberbegriff von Patentanspruch 1 aufgeführt sind, auch über den im Kennzeichen ausgebildeten Durchzug und die polygonale Ausführung des Halteelements.

Das streitpatentgemäße Lagerelement entsprechend der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 ist auch neu gegenüber einem solchen nach der DE 32 30 700 A1 (E5). Dessen Halteelement 13, 23 oder 33 wird nämlich durch Herausstemmen von Material des Lagerrückens hergestellt, wodurch ein radial abstehender Vorsprung im Sinn einer Haltenase entsteht.

Eine Ausbildung als Durchzug ist der Entgegenhaltung nicht entnehmbar. Bei der in der DE 34 03 671 A1 (E3) offenbarten Anordnung handelt es sich nicht um ein halbkreisförmiges Lagerelement, und das Halteelement 3 ist in einer Querschnittsebene senkrecht zu einer radialen Richtung des Lagerelements rund und nicht polygonal ausgerichtet.

Die US 34 33 539 (E2), DE 14 77 052 A (E6), DE 24 11 907 A (E7) und US 17 00 100 (E4) sowie die D6 und D7 offenbaren jeweils nicht das Merkmal eines Durchzugs, der als Halteelement einstückig mit dem Lagerelement ausgebildet ist.

Auch die beiden Lagerelemente entsprechend den Entgegenhaltungen zu den geltend gemachten Vorbenutzungen D8 bis D16, D25 und D17 bis D24 verfügen nicht über alle Merkmale eines Halteelements nach Patentanspruch 1. Diese Lagerelemente weisen zur drehfesten Verankerung des Lagerelements im montierten Zustand keine Halteelemente auf, vielmehr werden Halteelemente erst am Ort entsprechend der Darstellung auf Blatt D14 bzw. auf Blatt D18 hergestellt. Die runden Öffnungen im Lagergehäuseteil sorgen dabei für eine ebensolche Außenkontur der Halteelemente, so dass auch das Merkmal der "polygonalen" Ausbildung in einer Querschnittsebene nicht erfüllt ist.

Die anspruchsgemäße Vorrichtung ist damit gegenüber jeder der im Verfahren befindlichen Wälzlagereinheiten neu, was von den Einsprechenden im Übrigen auch nicht bestritten wurde.

e. Eine Anordnung aus einem Lagerelement und einem Lagergehäuseteil, entsprechend dem nebengeordneten Patentanspruch 5 ist bereits deshalb neu, weil dieser Anspruch auf ein Lagerelement nach Patentanspruch 1 bezogen ist und damit alle Merkmale eines solchen, neuen Lagerelements mit umfasst.

f. Ein Lagerelement nach Patentanspruch 1 ist auch als das Resultat einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen.

Es ist seit langer Zeit bekannt, Lagerelemente durch Vorrichtungen - Halteelemente - am Mitdrehen zu hindern, da dies zu Lochfraß führen würde. Diese Vorrichtungen müssen in der Lage sein, auftretende Querkräfte aufzunehmen. Ein entsprechender Stand der Technik wurde ermittelt, bspw. in Form der Vorsprünge 13 nach der DE 675 607 A (E1). Schwierigkeiten resultieren daraus, dass durch die gebotene Genauigkeit, welche zum Erreichen einer notwendigen spielfreien Lagerung erforderlich ist, die Herstellungskosten steigen. Dazu erwünschte Übermaße, wie sie beim Streitpatent erreicht werden, sind bei einer Herstellung im Lagergehäuseteil, wie sie offensichtlich bei den Gegenständen der behaupteten Vorbenutzungen vorgenommen werden, nicht möglich. Gemäß Streitpatent soll das Halteelement "als Durchzug ausgebildet und in einer Querschnittsebene senkrecht zu einer radialen Richtung des Lagerelements polygonal ausgebildet" sein, d. h. das Lagerelement soll bereits vor seinem Zusammenbau mit dem Lagergehäuseteil mit dem Halteelement ausgestattet sein. Als damit zu erzielende Vorteile werden in der Streitpatentschrift genannt, dass "eine im Lagergehäuseteil ausgebildete, vorzugsweise mit einer stetigen Umfangsfläche mit vorzugsweise kreisrundem Querschnitt versehene Ausnehmung im Lagergehäuseteil mit einer geringfügig kleineren Innenabmessung als die Außenabmessung des polygonalen Halteelements ausgebildet wird. Das Lagerelement lässt sich mit seinem polygonalen Halteelement in diese geringfügig kleiner ausgebildete Ausnehmung nämlich unter geringfügiger plastischer Verformung der Innenwandung der Ausnehmung und/oder der Eckkanten der Polygonform so einbringen, dass die Lagerschale absolut spielfrei am Lagergehäuseteil angeordnet ist. Es kommt daher nicht zu störender Geräuschentwicklung im Betrieb. Der bei der Herstellung zu treibende Aufwand im Hinblick auf eine hochgenaue Fertigung und Klassierung von Lagerelementen und Lagergehäuseteilausnehmungen wird erheblich reduziert" (vgl. Abs. [0007] der Streitpatentschrift).

Wie oben bereits erwähnt, verfügt das in der DE 675 607 A (E1) offenbarte gattungsgemäße Lagerelement nur über Vorsprünge, die eine Verdrehung im Lagergehäuseteil verhindern sollen. Alle weiteren Merkmale gemäß Streitpatent oder Hinweise darauf, gehen aus dieser Schrift nicht hervor.

Die DE 32 30 700 A1 (E5) offenbart einhalbkreisförmiges Lagerelement 20 mit einer Stützschicht 11, 21 oder 31, undeiner darauf aufgebrachten Gleitschicht (Funktionsschicht 16), wobei ein von einer der Gleitschicht 16 abgewandten Seite der Stützschicht 11, 21, 31 vorspringendes einstückig mit dem Lagerelement ausgebildetes Halteelement 13, 23, 33 vorgesehen ist, das zur drehfesten Verankerung des Lagerelements im montierten Zustand in eine entsprechend ausgebildete Ausnehmung (nicht abgebildet) in einem Lagergehäuseteil eingreift, wobei bereits vorgesehen ist, dassdas Halteelement 13, 23, 33 in einer Querschnittsebene senkrecht zu einer radialen Richtung (8) des Lagerelements polygonal ausgerichtet ist.

Bei einem solchen merkmalsmäßigen Vergleich ergibt sich damit eine hohe Übereinstimmung mit einem Lagerelement nach Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent. Letzteres unterscheidet sich von demjenigen nach der DE 32 30 700 A1 (E5) noch dadurch, dass das Halteelement als Durchzug ausgebildet ist. Bedingt durch den Herstellungsprozess (Verstemmen) entsteht bei einem Lagerelement nach der E5 auf der der Gleitschicht abgewandten Seite der Stützschicht ein radialer Vorsprung, welcher, zusammen mit einer nicht weiter beschriebenen Ausnehmung im Lagergehäuseteil, die Haltefunktion für das Lagerelement sicherstellt. Etwaige Anregungen, diesen Vorsprung hohl auszubilden, sind der DE 32 30 700 A1 (E5) nicht zu entnehmen. Bedingt durch das Herstellungsverfahren erhält ein Fachmann aus der E5 daher auch nur Hinweise, die von einer Ausbildung i. S. eines Durchzugs nach Streitpatent weg weisen.

Die DE 34 03 671 A1 (E3) behandelt ein Lagerelement 3, wobei ein vorspringendes einstückig mit dem Lagerelement ausgebildetes Halteelement 5 vorgesehen ist, das zur drehfesten Verankerung des Lagerelements im montierten Zustand in eine entsprechend ausgebildete Ausnehmung 6 in einem Lagergehäuseteil 2 eingreift, und bei dem bereits vorgesehen ist, dassdas Halteelement 5 als Durchzug ausgebildet ist.

Der DE 34 03 671 A1 (E3) liegt die bzgl. des Streitpatents zwar ähnlich angegebene Aufgabenstellung zugrunde, mit geringem Aufwand die Festlegung der Lagerschale zu erreichen (vgl. S. 2, 3. Absatz). Das Lagerelement 3 hat allerdings einen anderen Aufbau, es ist einteilig als Ring ausgebildet, der im Lagergehäuseteil, vorliegend einem Pleuelauge, festgelegt wird. Der entstehende Durchzug kann wegen der dargestellten Einstückigkeit als geschlossener Ring offensichtlich erst nach Einbringung in das Lagergehäuseteil hergestellt werden, was der gesamten Intention beim Streitpatent zuwider läuft. Gleichzeitig ist der Durchzug nach der E3 als Ölbohrung zum Durchtritt des Flüssigschmiermittels notwendig, er übernimmt daher eine weitere Funktion. Durch den unterschiedlichen Aufbau (Einstückigkeit), die abweichende Herstellungsart (Einbau des Durchzugs nach dem Einbringen des Lagerrings) und die andersgeartete allgemeine Aufgabe (Herstellung einer Ölbohrung zur Schmierung) wird der Fachmann, selbst wenn er erkennen sollte, dass die Lösung einer Teilaufgabe (Festlegung einer Lagerschale) mit teilweise ähnlichen Mitteln erfolgen könnte, die DE 34 03 671 A1 (E3) außer Acht lassen. Dies insbesondere auch deshalb, weil die Herstellung des Durchzugs nach dem Einbau in das Lagergehäuseteil eine besondere polygonartige Formung ausschließt.

Die DE 199 54 912 A1 (E8) beschreibt eine Vorrichtung aus Platte und Bolzen. Dazu wird der Sechskantkopf einer Schraube oder eines Bolzens in die zylinderförmige Kragenöffnung der Platte gepresst, wobei sich der Kragen der Form des Schraubenkopfes entsprechend anpasst und diesen nach einem weiteren Prägevorgang gegen Herausfallen und Verdrehen sichert. Bei einer Übertragung dieser Verbindungsart entspräche der (hexagonale) Schraubenkopf nach der E8 dem polygonal ausgebildeten Durchzug des Streitpatents (wegen der polygonalen Kontur). Gleichzeitig würde aber auch die Platte mit der zylinderförmigen Kragenöffnung nach der E8 dem Durchzug nach Streitpatent entsprechen. Wie bereits aus dieser Gegenüberstellung ersichtlich wird, entspräche das streitpatentgemäße Merkmal des Durchzugs damit sowohl der zylinderförmigen Kragenöffnung als auch dem (hexagonalen) Schraubenkopf nach der E8. Eine solche rein gedankliche Übertragung kann nur ex post erfolgen. Sie benötigt darüber hinaus mehrere Schritte und Hilfskonstruktionen. Welche gedanklichen Überlegungen vor dem Anmeldetag nötig gewesen wären, um die streitpatentgemäße Lösung aus Merkmalen der DE 34 03 671 A1 (E3) oder der DE 32 30 700 A1 (E5) und der DE 199 54 912 A1 (E8) zusammenzuschauen, ist daher bereits für sich nicht nachvollziehbar, ebenso wenig, was den Fachmann zu einem solchen Schritt bewogen oder angeregt haben sollte.

Dies gilt im Ergebnis auch für die Ausbildung von Halteelementen, wie sie den Figuren der beiden behaupteten Vorbenutzungshandlungen (D8 - D16, D25 und D17 - D24) zu entnehmen sind. Denn bei beiden Ausführungen wird die jeweilige Lagerschale als Lochblech, d. h. ohne bereits ausgebildetes Halteelement in ein als Druckstück bezeichnetes Bauteil eingelegt. Laut Vortrag soll dieses Bauteil dem Lagergehäuseteil 2 nach Streitpatent entsprechen. In diesem Druckstück wird es mit einem beispielhaft auf Blatt D13 gezeigten Stempeldorn weiter bearbeitet. Die Öffnung in dem als Matrize dienenden Druckstück ist rund, so dass hieraus auch, unabhängig von der genauen Form des verwendeten Stempeldorns, eine runde Außenkontur des entstehenden Durchzugs resultiert. Der Herstellungsvorgang entspricht damit weitgehend demjenigen, wie er aus der DE 34 03 671 A1 (E3) bekannt ist. Von daher können die näheren Umstände der behaupteten Vorbenutzungshandlungen dahinstehen, da sie insgesamt keine weiterführenden Hinweise in Richtung auf das Halteelement nach Patentanspruch 1 bieten.

Der weitere, angezogene und druckschriftlich vorliegende Stand der Technik nach der DE 675 607 A (E1), US 34 33 539 (E2), US 17 00 100 (E4), DE 14 77 052 A (E6), DE 24 11 907 A (E7), DE 39 05 175 C1 (E9) und der D6 bzw. der D7 liegt gegenüber den oben abgehandelten Ausbildungen noch deutlich weiter ab und ist weder für sich noch in Zusammenschau mit Vorrichtungen nach der E3, E5 oder E8 in der Lage, ein Halteelement mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1 nahezulegen. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag der Einsprechenden hinsichtlich der behaupteten Vorbenutzungshandlungen ausreichend substantiiert war oder nicht.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

g Dies trifft im Ergebnis auch für eine Anordnung aus einem Lagerelement und einem Lagergehäuseteil, entsprechend dem nebengeordneten Patentanspruch 5 zu. Eine solche Anordnung umfasst bereits durch seine Rückbeziehung auf den Patentanspruch 1 zusätzlich zu den im Anspruchswortlaut aufgeführten Merkmalen auch noch sämtliche Merkmale eines bereits für sich selbst auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhenden Lagerelements nach Patentanspruch 1.

Von den Einsprechenden wurde vorgetragen, eine Anordnung nach Patentanspruch 5 sei nicht erfinderisch bezüglich einer Zusammenschau der aus der DE 32 30 700 A1 (E5) und der DE 199 54 912 A1 (E8) bekannten Halteelemente. Wie anhand des Patentanspruchs 1 bereits ausgeführt, kann eine Zusammenschau der aus der E5 und der E8 bekannten Vorrichtungen nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen. Gleichzeitig fehlen auch Hinweise, aufgrund welcher Anregungen der Fachmann gerade diese beiden Vorrichtungen zusammenschauen sollte. Unabhängig davon ist bspw. das Merkmal des Patentanspruchs 5, wonach "der Innendurchmesser (12) der Ausnehmung (10) kleiner ist als der Durchmesser des Umkreises (14) der Polygonform des Halteelements (6)" aus dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht entnehmbar. Insofern kann auch eine solche Ausgestaltung vor dem Anmeldetag des Streitpatents durch die Lehre der beiden Schriften nicht nahegelegt gewesen sein.

Patentanspruch 5 ist daher bestandsfähig.

Mit ihm sind es die Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 10, die zweckmäßige Ausgestaltungen des Halteelements nach Patentanspruch 1 bzw. der Anordnung nach Patentanspruch 5 zum Inhalt haben.

Nach alledem war das Patent im beantragten Umfang aufrecht zu erhalten.

Lischke Fink Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 06.11.2007
Az: 6 W (pat) 336/03


Link zum Urteil:
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