Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. September 2004
Aktenzeichen: NotZ 19/04

(BGH: Beschluss v. 20.09.2004, Az.: NotZ 19/04)

Tenor

Das Gesuch des Antragstellers um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 15. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den vorbezeichneten Beschluß wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 60.000 €

Gründe

I.

Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 15. Juni 2004 festgestellt, daß bei dem Antragsteller die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorliegen, weil die Art seiner Wirtschaftsführung und die Durchführung von Verwahrungsgeschäften die Interessen der Rechtsuchenden gefährden. Ferner hat das Oberlandesgericht das Gesuch des Antragstellers, die von der Antragsgegnerin angeordnete vorläufige Amtsenthebung aufzuheben, zurückgewiesen. Der Beschluß ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 18. Juni 2004 zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist am 6. Juli 2004, vier Tage nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO [entsprechend, vgl. Senatsbeschluß BGHZ 44, 65 ff, 75], § 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO), bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Der Antragsteller hat die sofortige Beschwerde mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist verbunden und dazu vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht:

Sein Verfahrensbevollmächtigter habe nach Empfang der angefochtenen Entscheidung am 18. Juni 2004 angeordnet, daß im Fristenkalender unter dem 28. Juni 2004 eine Vorfrist und unter dem 1. Juli 2004 eine Ablauffrist einzutragen sei. Er habe die Verfügung schriftlich auf der Rückseite des letzten Blattes seiner Handakte getroffen und die Akte am Nachmittag des 18. Juni 2004 in den Aktenabtrag gehängt. Die Büroangestellte M. W. und ihre Vertreterinnen hätten die Anweisung gehabt, die im Aktenabtrag eingehängten Akten noch am selben oder am folgenden Arbeitstag auf Wiedervorlagefristen durchzusehen, diese im Fristenkalender zu notieren, die entsprechende Verfügung in der Akte abzuzeichnen und die Akte sodann in die Hängeregistratur einzuordnen. Am Tag des notierten Fristablaufs sei die Akte dem zuständigen Bearbeiter mit besonderem Fristvermerk vorzulegen gewesen. Am 18. Juni 2004 oder dem folgenden Arbeitstag habe die ansonsten zuverlässig arbeitende Büroangestellte jedoch aus nicht mehr feststellbaren Gründen die Akte in die Hängeregistratur gehängt, ohne die vorgenannten Fristen im Fristenkalender zu notieren (und ohne eine solche Eintragung in der Akte zu bestätigen). Infolgedessen sei die Akte bei Fristablauf nicht vorgelegt worden. Das habe der Verfahrensbevollmächtigte erst am 5. Juli 2004, als er sich zufällig an die Sache erinnert habe, entdeckt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist als unzulässig zu verwerfen. Denn sie ist -unstreitig -nicht fristgerecht eingelegt worden.

2.

Der gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG statthafte und auch im übrigen zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet. Der Antragsteller war nicht ohne -ihm zuzurechnendes (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG) -Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten gehindert, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG).

a) Ein Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer Entscheidung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn neben dem Zustellungsdatum auch die Eintragung des Fristendes in den Fristenkalender und in die Handakten sichergestellt ist. Hiernach ist es zwar nicht erforderlich, daß das Empfangsbekenntnis erst nach vollständiger Fristensicherung in den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Rechtsanwalts und von dort an das zustellende Gericht gegeben wird. Entschließt sich ein Rechtsanwalt aber, das Empfangsbekenntnis vor vollständiger Fristensicherung zurückzugeben, so trifft ihn eine besondere Sorgfaltspflicht. Um ihr gerecht zu werden, genügen allgemeine Weisungen des Rechtsanwalts an sein Personal grundsätzlich nicht (vgl. insbesondere BGH, Beschluß vom 13. Februar 2003 -V ZR 422/00 -NJW 2003, 1528, 1529; siehe auch Beschlüsse vom 12. Juni 1985 -IVb ZB 23/85 -VersR 1985, 962, 963; vom 25. März 1992 -XII ZR 268/91 -VersR 1992, 1536; vom 26. März 1996 -VI ZB 1 und 2/96 -NJW 1996, 1900, 1901, jeweils m.w.N.).

b) Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat die vorbeschriebenen Sorgfaltspflichten nicht ausreichend erfüllt und dadurch zur Versäumung der Beschwerdefrist beigetragen.

Bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 18. Juni 2004 dürfte zwar durch die Verfügung des Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage "Promptfrist (F) 1.7. not." die Rechtsmittelfrist in den Handakten festgehalten worden sein. Im Fristenkalender war die Frist aber ersichtlich nicht notiert; ein entsprechender Ausführungsvermerk befand sich nicht in den Handakten. Der Verfahrensbevollmächtigte hätte deshalb, wenn er das Empfangsbekenntnis -wie geschehen -vor Eintragung der Frist im Fristenkalender zurückgeben wollte, sicherstellen müssen, daß die Beschwerdefrist sogleich im Fristenkalender notiert würde. Dazu reichte es nicht, daß er die Eintragung der Frist in der Handakte verfügte und die Akte -indem er sie in den Aktenabtrag einhängte -in den allgemeinen Geschäftsgang gab. Dort konnte die Fristverfügung, deren Bedeutung weder durch einen Hinweis auf der Akte noch auf andere Weise hervorgehoben worden war, leicht übersehen werden. Mit dieser Sachbehandlung wurde der Verfahrensbevollmächtigte den ihn treffenden besonderen Sorgfaltspflichten nicht gerecht.

3.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da das Rechtsmittel als unzulässig verworfen worden ist (vgl. BGHZ 44, 25).

4.

Im übrigen ist zu bemerken, daß beim derzeitigen Sachstand das Rechtsmittel auch in der Sache selbst keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

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BGH:
Beschluss v. 20.09.2004
Az: NotZ 19/04


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