Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 120/02

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2005, Az.: 33 W (pat) 120/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 9. Januar 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Wortmarke CAREERS PROACTIVE für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 41

"Personal- und Unternehmensberatung, insbesondere Karriereberatung; Beratung von Stellensuchenden, auch im Auftrag von Unternehmen (Outplacement), Bewerbertraining von einzelnen Bewerbern und Gruppen, insbesondere Schulungen, Seminare und Workshops; Arbeitsvermittlung; Veröffentlichungen zu vorgenannten Themengebieten in Büchern und sonstigen Printmedien; Zusammenstellung von Rundfunk und Fernsehsendungen"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung durch Beschluss vom 9. Januar 2002 zurückgewiesen, weil ihr jegliche Unterscheidungskraft fehle. Unter der angemeldeten Marke verstehe der angesprochene Verkehr Dienstleistungen, die sich mit der aktiven Beeinflussung der beruflichen Karriere oder des beruflichen Werdegangs beschäftigten. Der Begriff werde insgesamt unschwer verstanden, weil es sich bei den Begriffen "CAREERS" und "PROACTIVE" um Wörter handele, die zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörten bzw. bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden hätten. Hierzu hat die Markenstelle auf Auszüge einer Internetrecherche Bezug genommen und diese dem angefochtenen Beschluss beigefügt. Der Begriff "CAREERS PROACTIVE" werde von einem Großteil des inländischen Verkehrs als "initiative Karrierebeeinflussung bzw. -planung" verstanden und lediglich als beschreibende Sachangabe für die Dienstleistungen der Anmeldung angesehen. Der Verkehr sei nämlich daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen.

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt.

Er beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, dass jede Art und jeder Grad von Unterscheidungskraft - auch wenn sich diese als noch so gering erweisen - genügten, um das absolute Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu überwinden. Die konkrete Unterscheidungskraft bestimme sich nach der Verkehrsauffassung. Unter Hinweis auf Literatur, amtliche Begründung und höchstrichterliche Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit seinen Bestandteilen so aufnehme, wie es ihm entgegentrete, ohne es einer zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen. Bei einer neuen, nicht geläufigen Wortzusammenstellung, deren beschreibender Gebrauch derzeit nicht nachweisbar sei und die vom Verkehr nicht eindeutig verstanden werde, sei die Unterscheidungskraft zu bejahen. Es bestehe auch kein Freihaltebedürfnis, da die angemeldete Marke die von ihr erfassten Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Eintragung der Bezeichnung "CAREERS PROACTIVE" als Wortmarke stehen die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

1. Der angemeldeten Marke fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft. Sie verfügt über das wenn auch geringe Maß an Unterscheidungskraft, das erforderlich, aber auch ausreichend ist, um die Funktion einer Marke zu erfüllen und vom Verkehr nicht lediglich als beschreibende Sachangabe für die Waren oder Dienstleistungen der Anmeldung aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2002, 64, 65 - INDIVI-DUELLE; MarkenR 2001, 304 - GENESCAN; MarkenR 2005, 147 - BerlinCard; EuGH GRUR Int 2004, 680 - BIOMILD).

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine neue fremdsprachige Wortzusammenstellung, bei der die beiden Einzelbegriffe in einer Weise aneinander gereiht sind, die weder den deutschen noch den englischen Sprachregeln entspricht. Die Markenstelle hat zwar die englischen Wörter "careers" und "proactive" in ihrer deutschen Bedeutung jeweils zutreffend wiedergegeben und die weitere von der Anmelderin hervorgehobene Bezeichnung von "career" als Pferdegangart Galopp zu Recht außer Acht gelassen, weil sie für die beanspruchten Dienstleistungen keine Bedeutung hat und der Begriffsinhalt damit nicht im Vordergrund steht. Fremdsprachige Wortneubildungen können den deutschen Begriffen aber nur gleichgesetzt werden, wenn sie von dem maßgeblichen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in ihrem Sinngehalt als sachbezogene Information ohne weiteres erkannt und verstanden werden. Davon kann jedenfalls bei dem Markenbestandteil "PROACTIVE" nicht ausgegangen werden.

Das Wort "proactive" gehört weder zum englischen Grundwortschatz noch hat es in der Bedeutung von "initiativ, vorher aktiv oder tätig werden" bereits Eingang in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch gefunden. Es zählt zur gehobenen Sprachebene. In Verbindung mit weiteren Begriffen wird es als Adjektiv sowohl fachspezifisch wie auch im übrigen stets vorangestellt (vgl. z.B. in der Psychologie "proactive inhibition, -interference und den entsprechenden deutschen Fachbegriff "Proaktive Hemmung" zu Gedächtnistheorien in Vahlens großes Marketinglexikon, 1992, S 941, sowie proactive approach, proactive organization, proactive enforcement, proactive role, proactive behaviour - The Oxford English Dictionary, Second Edition, 1989, S 533; The New Shorter Oxford English Dictionary on Historical Principles, Edited by Lesley Brown, 1993, S 2361).

Soweit im Deutschen "proaktiv" als Einzelbegriff verwendet wird, ist er allenfalls Fachleuten zugänglich. Für den Durchschnittsabnehmer bleibt dagegen rätselhaft, was mit "proaktiv" gemeint ist. Dies gilt sowohl für die von der Markenstelle beigefügten Recherchebeispiele ("Proaktives Service-Level-Management ..." weist Sie auf Service- oder Verfügbarkeitsprobleme hin; "entwicklungsorientiert proaktiv arbeiten"; Um sich zusätzlich im Internet zu schützen, müssen Sie proaktiv sein. Werden sie proaktiv") als auch für die vom Senat ermittelten Zeitungsberichte, in denen der Begriff "proaktiv" als verwirrend oder rätselhaft dargestellt wird (vgl. "Eine Bank ist eine Rose", Angelika Buchholz in Süddeutsche Zeitung Nr. 282,Seite 31, vom 6. Dezember 1999 Wirtschaftsteil; "Elektrolux beschneidet AEG Hausgeräte die Flügel" von Marion Nobbe, SZ vom 6. Mai 1997, S 29 - Wirtschaft). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Durchschnittsabnehmer der angesprochenen Verkehrskreise dem Begriff "PROACTIVE" einen eindeutigen und klaren Sinngehalt in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen zuordnet. Die Dienstleistungen der Anmeldung richten sich nicht nur an Personal- und Unternehmensberater, sondern auch an zu vermittelnde Arbeitssuchende und damit an das breite Publikum. Für letztere besteht keine Veranlassung, in der angemeldeten Gesamtbezeichnung lediglich die Übermittlung sachbezogener Informationen zu sehen, wenn der Einzelbegriff "PROACTIVE" nicht geläufig, in seiner Bedeutung diffus und zudem sprachunüblich nachgestellt ist. Die angemeldete Marke bezieht den geringen Grad an Unterscheidungskraft aus der vom Sprachgebrauch abweichenden Art der Wortbildung und dem Fehlen eines ohne weiteres verständlichen beschreibenden Begriffsinhalts.

2. Die angemeldete Marke ist auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Zwar kommt es für dieses absolute Schutzhindernis auf das Verständnis der Mitbewerber der Anmelderin und deren Bedürfnis an, Fachbegriffe zur Beschreibung ihrer Dienste verwenden zu können, wenn diese im Verkehr zur Bezeichnung von Eigenschaften oder wesentlichen Merkmalen der Dienstleistungen dienen oder dienen können. Weder die Markenstelle noch der Senat haben aber feststellen können, dass die Gesamtbezeichnung "CAREERS PROACTIVE" als beschreibende Angabe verwendet wird. Für ein künftiges Freihaltebedürfnis bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte, weil die Verbindung der Begriffe nicht fach- und sprachgerecht gebildet ist und für eine beschreibende Verwendung im Verkehr erst der Erläuterung bedürfte.

3. Der Senat hat außerdem berücksichtigt, dass die identische Wortmarke mit inhaltsgleichen Dienstleistungen für die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers in Teil A.1 des Blattes für Gemeinschaftsmarken (107/01, S 49 - 000921098) veröffentlicht worden ist.

Der Beschwerde war insgesamt statt zu geben.

Winkler Kätker Pagenberg Cl






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Beschluss v. 01.03.2005
Az: 33 W (pat) 120/02


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