Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 2. Juni 2005
Aktenzeichen: 4 Ta 374/04

(LAG Hamm: Beschluss v. 02.06.2005, Az.: 4 Ta 374/04)

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nicht erforderlich, wenn eine unstreitige Lohnforderung wegen Vermögensverfalls des Arbeitgebers lediglich der Titulierung bedarf. In diesem Falle kann sich die bedürftige Partei an die Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts wenden und dort eine Klage aufnehmen lassen (LAG Düsseldorf, Bes. v. 06.04.1989 - 14 Ta 124/89, JurBüro 1989, 1447; a.A. LAG Chemnitz, Bes. v. 23.06.1998 - 2 Ta 99/98, LAGE § 114 ZPO Nr. 31).

2. Auch wenn der Interessenvertretung durch einen Rechtsanwalt im Termin zur mündlichen Verhandlung besonderer Bedeutung zukommt, ist es der bedürftigen Partei zuzumuten, zumindest den Gütetermin abzuwarten; erst wenn hier seitens Arbeitgebers Einwendungen gegen die Klageforderung vorgebracht worden werden, ist eine Anwaltsbeiordnung angezeigt. Ergeht im Gütetermin ein Versäumnisurteil, dann steht fest, dass die Beiordnung nicht erforderlich ist (LAG Düsseldorf, Bes. v. 06.04.1989 - 14 Ta 124/89, JurBüro 1989, 1447; a.A. LAG Chemnitz v. 23.06.1998 - 2 Ta 99/98, LAGE § 114 ZPO Nr. 31).

Tenor

Die als sofortige auszudeutende Beschwerde gegen die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung durch den PKH-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 30.04.2004 - 3 Ca 358/04 - wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.307,42 € festgesetzt.

Gründe

I. In dem Beschwerdeverfahren geht es darum, ob dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung eines von ihm selbst ausgewählten Rechtsanwalts zu bewilligen ist.

Unter Vorlage der von dem Beklagten für die Monate Oktober bis Dezember 2003 erteilten Lohnabrechnungen hat der Kläger mit Klageschrift vom 25.02.2004, bei dem Arbeitsgericht Paderborn am 26.02.2004 eingegangen, für die drei abgerechneten Monate den Nettolohn in Höhe von 2.307,42 € eingeklagt, nachdem ein unter dem 19.12.2003 hingegebener Verrechnungsscheck geplatzt war. Gleichzeitig hat er unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 19.02.2004 um Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt G3xxxx E1xxx aus W3xxxxx nachgesucht. Im Gütetermin am 22.03.2004 ist gegen den nicht erschienenen Beklagten antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen worden, welches rechtskräftig geworden ist.

Das Arbeitsgericht Paderborn hat dem Kläger durch Beschluss vom 30.04.2004 mit Wirkung vom 26.02.2004 in vollem Umfang Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedoch mit der Begründung abgelehnt, sie sei nicht erforderlich, wenn eine unstreitige Lohnforderung wegen Vermögensverfalls des Arbeitgebers lediglich der Titulierung bedarf.

Gegen den am 07.05.2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.05.2004, bei dem Arbeitsgericht Paderborn am12.05.004 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, selbst nicht in der Lage gewesen zu sein, den Rechtsstreit durchzuführen. Es sei zunächst darum gegangen, seine Lohnforderungen zusammenzustellen. Im Vorfeld sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass der Beklagte sich nicht gegen die Forderung wenden würde. So hätte es bspw. darum gehen können, dass hier von Seiten des Beklagten Einwendungen gegen die Stundenzahl erhoben würden. Daher sei ihm Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen.

Das Arbeitsgericht Paderborn hat diese Einlassung nicht gelten lassen und der [sofortigen] Beschwerde mit Verfügung vom 16.05.2004 nicht abgeholfen.

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde ist unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht von einer Anwaltsbeiordnung abgesehen.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (§ 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO). Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bezieht sich in Arbeitsgerichtssachen auch auf die Beiordnung eines Rechtsanwalts (LAG Baden-Württemberg v. 28.04.1987 - 6 Ta 18/87, JurBüro 1988, 904). Nach § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird einer Partei im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl dann beigeordnet, wenn

- entweder die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder

- der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

1.1. Der Beklagte war vorliegend nicht vertreten. Demgemäß kommt es hier darauf an, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts "erforderlich erscheint". Auch hier geht es um unbestimmte Rechtsbegriffe, nicht um Ermessen. Das Arbeitsgericht hat eine Einschätzungsprärogative, die hier jedoch der vollständigen Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt. Ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, beurteilt sich im Einzelfall nach Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie der Fähigkeit der Partei, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Es ist auch zu berücksichtigen, ob sich die Partei der Hilfe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (bspw. bei einer Rechtsantragsstelle eines Arbeitsgerichts oder im Wege der Rechtshilfe eines Amtsgerichts) versichern kann. Deshalb ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich, wenn eine unstreitige Lohnforderung wegen Vermögensverfalls des Arbeitgebers lediglich der Titulierung bedarf (LAG Düsseldorf v. 06.04.1989 - 14 Ta 124/89, JurBüro 1989, 1447; a.A. LAG Chemnitz v. 23.06.1998 - 2 Ta 99/98, LAGE § 114 ZPO Nr. 31).

1.2. Im Streitfall handelte es sich um den Nettolohn für die Monate Oktober bis Dezember 2003 in Höhe von 2.307,42 €, den der Kläger unter Vorlage der von dem Beklagten erteilten Lohnabrechnungen und eines unter dem 19.12.2003 hingegebenen, aber geplatzten Verrechnungsscheck eingeklagt hat. Diese bedurften wegen des Vermögensverfalls des Beklagten zwar der Titulierung, hierzu hätte sich der Kläger jedoch ohne weiteres der Hilfe der Rechtsantragsstelle bedienen können. Seine Argumentation, es sei zunächst einmal darum gegangen, die Lohnforderungen zusammenzustellen, zieht schon deshalb nicht, weil der Beklagte ihm unter dem 19.12.2003 über seine Nettolohnforderungen für die Monate Oktober bis Dezember 2003 in Höhe von 2.307,42 € einen Verrechnungsscheck hingegeben hat. Somit hat der Kläger vorliegend nicht einmal die Posten "Auszuzahlender Betrag Netto" aus den drei Lohnabrechnungen addieren müssen, sogar der Gesamtbetrag ist damit unstreitig gestellt. Soweit der Kläger sich darauf beruft, im Vorfeld sei nicht damit zu rechnen, dass der Beklagte sich nicht gegen die Forderung wenden würde, sondern bspw. Einwendungen gegen die Stundenanzahl hätte erheben können, übersieht er, dass ihm dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel versagt ist. Durch eine schriftliche Lohnabrechnung, die der Arbeitgeber innerhalb einer im Tarifvertrag vorgesehenen Ausschlussfrist erteilt hat, werden nämlich die abgerechneten Lohnforderungen des Arbeitnehmers grundsätzlich streitlos gestellt, so dass er sie nicht nochmals schriftlich geltend machen muss (BAG v. 08.08.1979 - 5 AZR 660/77, AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlussfristen [Uhlenbruck] = KTS 1980, 150 = ZIP 1980, 123; BAG v. 20.10.1982 - 5 AZR 110/82, DB 1983, 235 = NJW 1983, 839). Der Arbeitnehmer braucht nach dem Zweck tariflicher Ausschlussfristen allenfalls dann seine Ansprüche fristgerecht geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber die Lohnabrechnung nach ihrer Erteilung widerrufen hat (BAG v. 29.05.1985 - 7 AZR 124/83, DB 1985, 2051). Dazu reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber später die Forderung bestreitet (BAG v. 21.04.1993 - 5 AZR 399/92, DB 1993, 1930 = MDR 1993, 1090 = NZA 1993, 1091).

1.3. Zwar hätte der Kläger vorliegend zur Klageerhebung die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Formulierungshilfe der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts Paderborn oder des Amtsgerichts Warburg gehabt. Allerdings unterstützt die Rechtsantragsstelle nicht bei der Terminswahrnehmung. Aber auch wenn der Interessenvertretung durch einen Rechtsanwalt im Termin zur mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, ergibt sich im Streitfall hieraus nicht die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung. Vorliegend wäre dem Kläger zuzumuten gewesen, nach Aufnahme der Klage durch die Rechtsantragsstelle zumindest den Gütetermin abzuwarten; erst wenn hier seitens des Beklagten Einwendungen gegen die Klageforderung vorgebracht worden wären, wäre eine Anwaltsbeiordnung angezeigt gewesen. Dies ist indessen nicht geschehen; vielmehr ist im Gütetermin am 22.03.2004 ein Versäumnisurteil ergangen, wodurch feststeht, dass die Beiordnung nicht erforderlich gewesen ist. Einer Anwaltsbeiordnung bedurfte es daher wegen fehlender Erforderlichkeit im Sinnes des § 121 Abs. 2 ZPO nicht (LAG Düsseldorf v. 06.04.1989 - 14 Ta 124/89, JurBüro 1989, 1447; a.A. LAG Chemnitz v. 23.06.1998 - 2 Ta 99/98, LAGE § 114 ZPO Nr. 31).

2. Nach alledem hat die [sofortige] Beschwerde ohne Erfolg bleiben müssen. Zugleich war der Wert des Streitgegenstandes festzusetzen (§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG n.F.). Der Wert, nach dem die Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit berechnet werden (§ 2 Abs. 1 RVG), bestimmt sich in Verfahren auf Bewilligung oder Entziehung von Prozesskostenhilfe nicht nach der Summe der maßgeblichen Gebühren (so aber zu § 51 Abs. 2 BRAGO OLG Koblenz v. 30.03.1990 - 14 W 108/90, JurBüro 1991, 253 m. abl. Anm. Mümmler JurBüro 1991, 255), sondern entsprechend der Spezialvorschrift der Nr. 3335 Abs. 1 Hs. 1 VV (Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG), die dem bisherigen § 51 Abs. 2 Hs. 1 BRAGO entspricht, nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (OLG Frankfurt/Main v. 13.11.1991 - 12 W 83/91, JurBüro 1992, 98 [Mümmler] = MDR 1992, 524; OLG Jena v. 06.05.1994 - 4 W 181/93, OLG-NL 1994, 149). Das gilt auch für das PKH-Beschwerdeverfahren (so zu § 51 Abs. 2 BRAGO BFH v. 13.01.1987 - VII S 29/86, BB 1987, 608 = JurBüro 1987 691, m.w.N.), und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Beschwerde in einem isolierten oder in einem neben der Hauptsache betriebenen PKH-Verfahren handelt (OLG Hamburg v. 04.01.2002 - 4 So 78/00, NordÖR 2002, 224) oder ob - wie hier - nur die Anwaltsbeiordnung im Streit ist. Es besteht kein Bedürfnis, die Gebühren deshalb zu halbieren, weil dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und nur die Beiordnung des Anwalts versagt worden ist, denn die Beschneidung der anwaltlichen Gebühren erfolgt nur nach Maßgabe des § 16 Nr. 2 RVG.

3. Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 Satz 2 ArbGG n.F. i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Berscheid






LAG Hamm:
Beschluss v. 02.06.2005
Az: 4 Ta 374/04


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