Verwaltungsgericht München:
Urteil vom 11. Oktober 2012
Aktenzeichen: M 17 K 10.6273

(VG München: Urteil v. 11.10.2012, Az.: M 17 K 10.6273)

Beanstandung von Erotik-Teletexttafeln; Sendezeitbeschränkung; KJM als funktionell zuständiges Organ der Landesmedienanstalt; Begründungspflicht der KJM; Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.V. (FSM)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom ...2010, geändert durch den Bescheid vom ...2011 und geändert durch Erklärung vom ...2012, wird in Nrn. 2 bis 4 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ... ist Anbieterin der über die Austastlücke der Fernsehsignale mehrerer bundesweit verbreiteter Fernsehprogramme gesendeten Teletextangebote ...

Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) wandte sich mit Schreiben vom ... 2007 an die Geschäftsführer der privaten Fernsehanbieter und bat anlässlich einer Vielzahl von eingegangenen Bürgerbeschwerden dringend darum, die Teletext-Angebote im Hinblick auf kinder- und jugendbeeinträchtigende Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen, um den Anforderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zu genügen. Eine stichprobenhafte Sichtung der Teletext-Angebote habe ergeben, dass bei mehreren Angeboten, insbesondere bei den Texten, von einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung auf Kinder und Jugendliche auszugehen sei. Der Vorsitzende der KJM verfolgte dieses Anliegen mit Schreiben vom ... 2008 und ... 2009 weiter.

Eine Prüfgruppe der KJM sichtete am ... 2009 ... der von der Klägerin verbreiteten Teletextangebote und kam laut den Prüfbegründungen (...) jeweils zu dem Ergebnis, die frei zugängliche Verbreitung der Erotik-Teletext-Angebote in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr verstoße gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 JMStV. Die sexualisierten Inhalte der Teletext-Tafeln seien geeignet, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sozial-ethisch zu desorientieren und somit in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Das vorliegende Angebot präsentiere ein einseitiges, funktionalistisches Bild von Sexualität und diene ausschließlich dem Ziel der sexuellen Stimulation sowie der Animation erwachsener Nutzer, die beworbenen Dienste in Anspruch zu nehmen. Es wurden jeweils Beispiele angeführt. Dies geschah dergestalt, dass jeweils zu jedem Fernsehprogramm einzelne Teletextseiten beschrieben und zitiert wurden. Unter dem Punkt €Kriterien für die Festlegung des Bußgelds€ wurde jeweils angegeben, wie viele Seiten jedes Angebot insgesamt umfasst und wie viele Seiten als problematisch einzustufen seien. Bezüglich jedes betroffenen Fernsehprogramms wurde nur ein gewisser Teil für problematisch gehalten. Das Verhältnis problematischer Seiten zu unproblematischen bewegt sich zwischen 22,5 % (...) und 67 % (...). Die als problematisch eingestuften Seiten wurden nicht konkret benannt.

Die KJM-Stabsstelle übermittelte der FSM mit Schreiben vom 30. April 2009 (Bl. 235-177 Behördenakte) insgesamt 14 KJM-Prüffälle samt Prüfbegründungen sowie den zugrunde liegenden Aufzeichnungen zur Präsenzprüfung und bat diese, die betreffenden Fälle nach § 20 Abs. 5 JMStV zu prüfen. Die FSM bestätigte mit Schreiben vom 8. Mai 2009 (Bl. 238-236) den Eingang der Beanstandungen. Hierbei listete sie zur Bezeichnung des Gegenstands der Beanstandung diejenigen Tafeln ausdrücklich auf, die in der Prüfbegründung der Prüfgruppe der KJM als Beispiele angeführt worden waren.

Daraufhin nahm die KJM-Stabsstelle mit Schreiben vom 27. Mai 2009 (Bl. 242-241) zu den Unklarheiten in der Eingangsbestätigung der FSM vom ... 2009 Stellung, ohne auf den Umfang der beanstandeten Seiten im Angebot der Klägerin einzugehen.

Mit Schreiben vom ... 2009 und vom ... 2009 übermittelte die FSM der KJM-Stabsstelle u.a. die €Entscheidungen€ des FSM-Beschwerdeausschusses bezüglich der der Klägerin zuzurechnenden Sender.

Bezüglich ... (Bl. 248-256), ... (Bl. 285-293), ... (Bl. 303-310) und ... (Bl. 311-318) wurden die Vorlagen als unbegründet zurückgewiesen. Als Gegenstand des Verfahrens wurden jeweils nur die Tafeln bezeichnet, die in der Vorlage der Prüfgruppe der KJM als Beispiele angeführt worden waren. Es wurde jeweils mit individueller Begründung erläutert, dass die jeweiligen Tafeln 100 und jeweils eine weitere Tafel jedes Angebots nicht gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV verstießen.

Bezüglich ... (Bl. 257-266), ... (Bl 267-275), ... ( Bl 276-284), ... (Bl 294-301) und ... (Bl. 321-329 ) wurde festgestellt, dass ein Verstoß gegen den JMStV vorgelegen habe, dem die Verfahrensgegnerin durch Selbstabhilfe abgeholfen habe. Das Verfahren werde eingestellt. Die Verfahrensgegnerin werde aufgefordert, Wiederholungen im gesamten von ihr verantworteten Angebot zu unterlassen. Auch hier wurden als Gegenstand des Verfahrens jeweils nur die Tafeln bezeichnet, die in der Vorlage der Prüfgruppe der KJM als Beispiele angeführt worden waren. Hier wurde jeweils mit individueller Begründung erläutert, dass die jeweiligen Tafeln 100 und jeweils eine weitere Tafel jedes Angebots gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV verstoßen hätten, die Verfahrensgegnerin aber die Verstöße eingeräumt und ihnen abgeholfen sowie zugesichert habe, dass Wiederholungen in Zukunft ausgeschlossen würden.

Für die weiteren Einzelheiten des Inhalts der Entscheidungen des FSM-Beschwerdeausschusses wird auf die Behördenakten (Bl. 248-329) verwiesen.

Mit Schreiben vom ... 2009 legte die FSM eine Stellungnahme des FSM-Prüfausschusses (Teletext II) vom ... 2009 vor, in der die Rechtsansicht vertreten wird, dass die Entscheidungen des Prüfausschusses auf die konkret benannten Tafeln beschränkt bleiben müssen. Bei €dem Erotik-Angebot€ eines Teletext-Angebots sei es nicht so, dass es sich um einen homogenen Gesamtzusammenhang handele. Im Bereich Teletext wiesen die einzelnen Tafeln im Bereich der Werbung kaum inhaltliche Bezüge zueinander auf. Wie bei einem Werbeblock im Rundfunk würden in loser Folge einzelne Anzeigen unterschiedlichster Urheber aneinandergereiht, die, abgesehen möglicherweise von der Orientierung auf eine bestimmte Zielgruppe, keinerlei Bezugspunkte zueinander aufweisen würden. Wegen der inhaltlichen Heterogenität und sehr unterschiedlichen Qualität in sprachlicher und gestalterischer Hinsicht sei eine einheitliche Bewertung €des Angebots€ in den vorliegenden Fällen nicht möglich. In Anerkennung der Tatsache, dass erhebliche Teile der Werbetafeln für unproblematisch gehalten würden, sei es angesichts der im Verwaltungsverfahren erforderlichen inhaltlichen Klarheit unabdingbar, die als möglicherweise rechtswidrig angesehenen Inhalte zu benennen. Die Entscheidungen des damit befassten Prüfausschusses hätten auf die konkret benannten Tafeln beschränkt bleiben müssen. Mit den vorgelegten Entscheidungen seien die von der KJM konkret benannten vermeintlichen Verstöße abschließend geprüft und entschieden worden. Weitere Verstöße habe die KJM nicht im Sinne des § 20 Abs. 5 Satz 1 JMStV behauptet.

In einer €Präsenzprüfung Telemedien€ prüfte eine Prüfgruppe der KJM 11 Internet-Angebote im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und stellte u.a. bei den der Klägerin zuzurechnenden Programmen Verstöße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag fest. Die KJM übermittelte der Beklagten die Prüfergebnisse mit Schreiben vom ... 2009 (Bl. 439-553).

In ihrem Anhörungsschreiben vom ... 2010 führte die Beklagte im wesentlichen aus, die Erotik-Teletext-Angebote der Klägerin seien von einer KJM-Prüfgruppe insgesamt als Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV eingestuft worden, da für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte verbreitet würden. Als Beispiele wurden jeweils Texte von der Startseite des Teletext-Angebotes und einer weiteren Texttafel angeführt, wobei darauf verwiesen wurde, die genannten Beispiele stellten nur einen Teil der gesichteten, aufgezeichneten und bewerteten Teletextseiten dar. Nach der vorläufigen Empfehlung der Prüfgruppe der KJM habe die FSM in ihren Entscheidungen jeweils ihren Beurteilungsspielraum überschritten, da sie insbesondere nicht jeweils das gesamte Erotik-Teletext-Angebot, sondern nur einzelne Texttafeln bewertet habe.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom ... 2010 (Bl. 675-680), das Verfahren einzustellen. Die im Anhörungsschreiben vom ... 2010 von der KJM vorgebrachten Verstöße seien nicht hinreichend bestimmt, die konkret bestimmten Inhalte seien bereits von der FSM überprüft worden, und darüber hinaus seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die FSM die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten habe.

Die KJM fasste in ihrer Sitzung am ... 2010 (Bl. 644-662) zu den der Klägerin zuzurechnenden Sendern jeweils den Beschluss, dass die Klägerin mit der frei zugänglichen Verbreitung des Erotik-Teletextangebots an genau bezeichneten Tagen in der Zeit von 6.00-22.00 Uhr gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV (frei zugängliche Verbreitung von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten für unter 16-Jährige) verstoßen habe. Außerdem wurde festgestellt, dass die Entscheidung der FSM zu den behaupteten Verstößen die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten habe. Schließlich wurde eine Beschränkung der auf den jeweils betreffenden Tafeln enthaltenden Erotik-Angebote auf die Zeit von 22.00-6.00 Uhr gegenüber dem Anbieter gem. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 JMStV ausgesprochen. Alternativ habe der Anbieter in der Zeit zwischen 6.00 und 22.00 Uhr ein technisches Mittel gem. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 JMStV vorzuhalten.

Die KJM-Geschäftsstelle übermittelte der Beklagten die Prüfergebnisse mit Schreiben vom ... 2010 (Bl 635-643).

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom ... 2010 (Bl. 79-93) fest und missbilligte, dass in den Erotik-Teletextangeboten der ..., die über die Austastlücken der Fernsehsignale folgender bundesweit verbreiteter Fernsehprogramme verbreitet werden:

... ... ... ... ... ... ... ... ...

jeweils in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr frei zugänglich Inhalte verbreitet würden, die entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren seien. Dies stelle einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV dar (Nr. 1 des Bescheidstenors). Der Klägerin werde die Verbreitung von Teletexttafeln mit Erotik-Angeboten über die Austastlücken der Fernsehsignale folgender bundesweit verbreiteter Fernsehprogramme

... ... ... ... ... ... ... ... ...

außerhalb der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr untersagt (Nr. 2 des Bescheidstenors).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die verbreiteten Erotik-Inhalte seien geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Die objekthaften Bilder und Texte von sexuellen Darstellungen oder Themen ohne nachvollziehbaren Handlungskontext könnten für Kinder und Jugendliche problematisch sein, wenn sie nicht ihrem Entwicklungsstand entsprechen und von ihnen nicht eingeordnet werden könnten. Dazu zählten insbesondere Darstellungen, die aus der Erwachsenenperspektive erfolgen und einen breiten sexuellen Erfahrungsfundus voraussetzen. Das Erotik-Angebot der Teletextseiten präsentiere ein einseitiges, funktionalistisches Bild von Sexualität und diene ausschließlich dem Ziel der sexuellen Stimulation sowie Animation erwachsener Nutzer, die beworbenen Dienste in Anspruch zu nehmen. Dabei vermittle das Angebot auch ein problematisches Geschlechterrollenbild von Frauen wie Männern, das vor allem auf Kommerzialisierung und sexueller Verfügbarkeit basiere. Es sei zu befürchten, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren durch entsprechende problematische Verhaltensweisen, Einstellungen und Rollenbilder im Bereich der Sexualität beeinträchtigt werden. Insbesondere werde in aufdringlicher Weise eine permanente Verfügbarkeit der Frau als williges Sexualobjekt unterstellt. Die Beklagte sei durch die Entscheidung der FSM nicht daran gehindert, eine Maßnahme zu verhängen, da die FSM ihren Beurteilungsspielraum überschritten habe. Sie habe ausweislich der Prüfbegründung lediglich die einzelnen beispielhaft bezeichneten Teletexttafeln in ihre Entscheidung miteinbezogen. Aus der eigenen Beschwerdeordnung folge zumindest die Pflicht zur stichprobenartigen Überprüfung des Tafelbereichs, was die FSM jedoch unterlassen habe. Aufgrund der zusammenhängenden Struktur des Teletext-Angebots und der sprachlich wie visuell homogen gestalteten Werbung für erotische Telefonmehrwertdienste müsse das gesamte Erotik-Teletext-Angebot als Bewertungseinheit festgelegt werden. Einzelne Teletext-Tafeln seien dabei von der KJM lediglich beispielhaft herausgestellt worden, um den entwicklungsbeeinträchtigenden Charakter des Angebots insgesamt zu verdeutlichen. Durch die Vernachlässigung des Gesamtkontextes der Erotik-Tafeln habe die FSM allgemeine Bewertungsgrundsätze außer Acht gelassen. Im Übrigen wende sie Bewertungskriterien unzutreffend an. Aus der Verneinung eines Kriteriums für Pornographie im Sinne von § 4 JMStV schließe die FSM auf eine fehlende entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus habe sie die bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht angemessen und vertretbar gewichtet. Sie verkenne in ihrer Bewertung die Anreizwirkung des vorliegenden Angebots auf Kinder und Jugendliche. Nach § 59 Abs. 3 RStV i.V.m. § 20 Abs. 4 JMStV sei die förmliche Beanstandung in Form des missbilligenden Vorhalts des festgestellten Rechtsverstoßes die mildeste förmliche Maßnahme. Daneben erscheine die Anordnung einer Sendezeitbeschränkung erforderlich, um die Klägerin nachdrücklich zur Beachtung der einschlägigen Jugendschutzbestimmungen anzuhalten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am ... 2010 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage mit dem Antrag:

Der Bescheid der Beklagten vom ... 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte ordnete mit Bescheid vom ... 2011 die sofortige Vollziehung der Untersagungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom ... 2010 an (Nr. 1 des Bescheidstenors). Für den Fall, dass die Klägerin ab ... 2011 entgegen der Untersagungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides vom ... 2010 für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren entwicklungsbeeinträchtigende Erotik-Teletext-Angebote über die Austastlücken der bundesweiten Fernsehprogramme

... ... ... ... ... ... ... ... ...

in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr frei zugänglich verbreitet, wurde für die unter Buchst. a bis i aufgeführten Fälle jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von € 15.000,-- angedroht (Nr. 2 des Bescheidstenors).

Am ... 2012 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid vom ... 2011 und beantragte, die in Nr. 2 der Anordnung der Beklagten vom ... 2011 angeordnete Zwangsgeldandrohung aufzuheben. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen M 17 K 11.541 geführt.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom ... 2012,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom ... 2011 ließ die Klägerin der Beklagten mitteilen, dass der Teletextdienst zu ... seit ... 2010 und der zu ... seit ... 2011 nicht mehr von der Klägerin betreut würden. Mit Anordnung vom ... 2011 setzte die Beklagte die sofortige Vollziehung der Untersagungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides vom ... 2010 insoweit aus, als die Verbreitung von Teletextangeboten über die Austastlücke der Fernsehsignale der bundesweit verbreiteten Fernsehprogramme ... und ... geregelt werde. Mit Anordnung vom ... 2011 setzte die Beklagte die sofortige Vollziehung der Untersagungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides vom ... 2010 insgesamt aus.

Mit Schriftsatz vom ... 2012 begründete die Klägerin ihre Klage vom ... 2010. Sie führte im Wesentlichen aus, der Bescheid sei formell und materiell rechtswidrig.

Ihm stehe bereits § 20 Abs. 5 JMStV entgegen. Die FSM habe über die von der KJM bzw. der Beklagten konkret benannten Teletextseiten bereits eine verbindliche Entscheidung getroffen gehabt, ohne dass die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums i.S.d. § 20 Abs. 5 Satz 2 JMStV überschritten worden seien. Nach dem zutreffenden Verständnis der FSM sei die KJM an diese lediglich mit der Behauptung herangetreten, einzelne Teletextseiten seien entwicklungsbeeinträchtigend. Über diese Auslegung habe die FSM die KJM mit Schreiben vom ... 2009 unverzüglich informiert, woraufhin kein Widerspruch erfolgt sei. Angesichts der Tatsache, dass erhebliche Teile der Tafeln selbst aus Sicht der KJM für unproblematisch gehalten worden seien, sei es aufgrund der im Verwaltungsverfahren erforderlichen inhaltlichen Klarheit unabdingbar, die als möglicherweise rechtswidrig angesehenen Inhalte konkret, klar und vollständig zu benennen. Es sei anerkannt, dass bloße €circa€-Angaben i.d.R. nicht mit den Bestimmtheitsanforderungen vereinbar seien. Dies sei hier umso bedeutender, da die Angebote im Laufe eines gewissen Zeitraums Veränderungen unterlägen. § 1 Nr. 2 der FSM-Beschwerdeordnung, wonach die Beschwerdestelle in angemessenen Intervallen stichprobenartig die Angebote von ordentlichen Mitgliedern ohne vorherige Benachrichtigung überprüfe, sei bei Beschwerdefällen nach § 20 Abs. 5 JMStV nicht einschlägig. Die streitgegenständlichen Teletext-Angebote könnten auch nicht jeweils als €Bewertungseinheit€ gesehen werden. Die einzelnen Tafeln wiesen kaum inhaltliche Bezüge auf, bauten nicht aufeinander auf, enthielten keinen Kontext und wiesen keinerlei gemeinsame gestalterische Merkmale auf. Die Angebote seien am ehesten mit einem Werbeblock im Rundfunk zu vergleichen, wo in loser Folge einzelne Anzeigen aneinandergereiht würden. Die KJM selbst sei auch gerade der Auffassung, dass nur ein Teil der Seiten problematisch sei, sodass schon deshalb nicht von einer Einheit auszugehen sei. Im Übrigen habe sich der FSM-Prüfausschuss ohnehin ein Bild von den gesamten Angeboten verschafft und den Gesamtkontext berücksichtigt. Er habe auch nicht Bewertungskriterien unzutreffend angewendet, insbesondere nicht Bewertungskriterien bzgl. pornografischer Inhalte. Schließlich habe die FSM die bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte auch nicht unangemessen und unvertretbar, sondern angemessen und vertretbar und v.a. auch richtig, weil im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH stehend, gewichtet.

Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht ordnungsgemäß angehört. Die Anhörung sei zu unbestimmt gewesen, da keine Eingrenzung der Teletextseiten vorgenommen und die angebliche Entwicklungsbeeinträchtigung der erwähnten Beispiele nicht näher begründet worden sei. Außerdem sei die Anhörung insofern unvollständig und der Bescheid damit überraschend gewesen, als nicht alle im Bescheid behaupteten vermeintlichen Beurteilungsfehler der FSM in der Anhörung erwähnt worden seien.

Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des KJM-Beschlusses bzw. €verfahrens selbst. Die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens i.S.d. JMStV i.V.m. der KJM-Geschäfts- und Verfahrensordnung lasse sich der Verwaltungsakte nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen und werde daher mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls sei nicht nachvollziehbar, wie den anwesenden KJM-Mitgliedern im Rahmen einer Eintagessitzung mit 14 Tagesordnungspunkten eine den Anforderungen des JMStV entsprechende inhaltliche Befassung, Bewertung und Diskussion über die zahlreichen Teletext-Angebote und -Seiten möglich gewesen sein soll. Insofern werde bestritten, dass die anwesenden KJM-Mitglieder alle streitgegenständlichen Teletextangebote tatsächlich gesichtet hätten. Des Weiteren sei eine den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV genügende Begründung des KJM-Beschlusses nicht gegeben.

Für die Beanstandungs- und die Untersagungsverfügung fehle es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und 4 JMStV. Es liege kein Verstoß gegen § 5 JMStV vor, da es den Teletextseiten an einer Eignung, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen unter 16 Jahren zu beeinträchtigen, fehle. Hinsichtlich der von der KJM selbst als €unproblematisch€ eingestuften Teile des Teletext-Angebotes dürfte dies unstreitig sein. Bezüglich eines Verstoßes gegen den JMStV durch die übrigen Seiten sei völlig unklar und unbestimmt, welche Seiten überhaupt gemeint seien, sodass materielle Ausführungen nicht möglich seien. Im Übrigen könne entsprechend der Rechtsprechung des BGH nicht pauschal von einer Entwicklungsbeeinträchtigung ausgegangen werden. Der Bewertung durch die FSM komme ein besonderes Gewicht zu. Die Ausführungen der FSM mache sich die Klägerin zu Eigen.

Außerdem genügten die Verfügungen offenkundig nicht dem allgemeinen Bestimmtheitserfordernis des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Dies betreffe sowohl die Frage, welche Seiten als entwicklungsbeeinträchtigend eingestuft würden, als auch die Frage, welche Anzeigen unter den Begriff €Erotik-Teletextangebote€ zu fassen seien. Schließlich sei unklar, auf welche (zeitliche) Fassung der Teletextangebote sich die Beanstandung beziehe. Darüber hinaus verbiete die Untersagungsverfügung in Nr. 2 des Bescheides wörtlich genommen jegliche Erotikangebote auf den benannten Teletextseiten, völlig unabhängig von ihrer Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung. Sie enthalte keine Einschränkung dergestalt, dass nur die Angebote außerhalb der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr untersagt seien, die entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren seien. Außerdem verbiete sie jede €Verbreitung€, völlig unabhängig davon, ob der Anbieter Maßnahmen gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV ergreife.

Schließlich seien die Beanstandungs- und die Untersagungsverfügung unverhältnismäßig. Dies betreffe vor allem die von der KJM als €unproblematisch€ eingestuften Seiten, im Übrigen aber auch die Seiten, bezüglich derer die Klägerin noch vor Bescheiderlass im Wege der Selbstabhilfe vorgegangen sei. Diesbezüglich fehle es an der Erforderlichkeit i.S.v. § 59 Abs. 3 RStV. Außerdem könne Ausgangspunkt jeder Anordnung nur die konkrete Verletzungshandlung selbst sein, sodass die beanstandeten und für die Zukunft untersagten Angebote zeitlich zu fixieren gewesen wären (z.B. €das Teletext-Angebot vom€€).

Zur Klageerwiderung wurde mit Schriftsatz vom ... 2011 ausgeführt, die FSM habe sich nicht auf die Prüfung der von der KJM beispielhaft genannten einzelnen Texttafeln beschränken dürfen. Aufgrund der Stellungnahme der KJM zu dem Ergebnis der Präsenzprüfung, der exemplarischen Darstellung, weshalb die Inhalte entwicklungsbeeinträchtigend seien, und schließlich der ... sei es für die mit dem erotischen Teletext-Angebot befasste Stelle ohne weiteres nachvollziehbar, inwieweit die KJM diese Inhalte beanstande. Dass der FSM bewusst war, dass die durchzuführende Prüfung sich nicht lediglich auf die ausdrücklich als Beispiele benannten Texttafeln beziehen sollte, belege auch das Schreiben der FSM vom ... 2009, in dem die FSM auf die von der KJM übermittelten DVDs eingegangen sei und um Klärung von Unklarheiten gebeten habe.

Es bestehe kein Verfahrenshindernis nach § 20 JMStV. Die FSM habe sich bei (jeglichen!) Verstößen gegen den Jugendschutz i.S.v. § 20 Abs. 5 JMStV mit den behaupteten Verstößen zu befassen. Die Aufforderung der KJM vom ... 2009 an die FSM, sich mit den jeweiligen Teletextangeboten zu befassen, sei hinreichend konkretisiert gewesen. Die von der FSM daraufhin getroffene Entscheidung - beruhend ausschließlich auf den beispielhaft konkret benannten Texttafeln - sei nicht ausreichend mit der Folge, dass die FSM ihren Beurteilungsspielraum im Sinne von § 20 Abs. 5 JMStV überschritten habe. Anhand der Aufzeichnungen - nämlich des ... der Präsenzprüfung - wäre es der FSM ohne weiteres möglich gewesen, konkret festzustellen, ob eine Entwicklungsbeeinträchtigung gegeben sei, und hierüber auch eine Entscheidung zu treffen. Das Unterlassen einer umfassenden Sachverhaltsermittlung - der von der KJM zudem auf DVD mitgeliefert worden sei - stelle eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums dar. Hinzu komme, dass ein Telemedienangebot stets in seiner Gesamtheit zu prüfen sei.

Aufgrund der isoliert vorgenommenen Prüfung habe die FSM auch das anzuwendende Recht verkannt. Die Prüfung eines Angebots lediglich anhand eines schematischen Ampelsystems erfülle nicht die an die Prüfung einer Entwicklungsbeeinträchtigung anzulegenden Kriterien, für die insbesondere auch der Gesamteindruck maßgeblich sei. Die Auffassung der FSM, sie könne eine Entwicklungsbeeinträchtigung mit der Begründung ausschließen, maßgebliche Elemente des Pornographiebegriffes seien nicht erfüllt, sei grob rechtsirrig. Komme die FSM zu dem Ergebnis, dass kein pornographisches Angebot vorliege, folge hieraus nicht zugleich, dass das Angebot nicht (zumindest) entwicklungsbeeinträchtigend sei. Diese Prüfung habe die FSM gerade nicht vorgenommen.

Auch die BGH-Rechtsprechung rechtfertige die Auffassung der FSM nicht. Gestaltung und Inhalt der hier in Rede stehenden Telefonsex-Anzeigen seien in keiner Weise mit den vom BGH bewerteten Kontaktanzeigen vergleichbar. Die Gestaltung der Anzeigen in der Zeitung sei völlig unprätentiös. Auch der Inhalt sei nicht vergleichbar - weder bei einer Einzelbetrachtung noch bei einer Gesamtschau. Schließlich entscheide die KJM auf der Grundlage eines eigenen Beurteilungsspielraums, der gerichtlicher Überprüfung nach Auffassung der Beklagten grundsätzlich entzogen sei.

Der KJM-Prüfausschuss sei gemäß § 7 GVO-KJM ordnungsgemäß besetzt gewesen. Auch die Beschlussfassung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Beschluss der KJM sei auch ausreichend begründet. Die Begründungen ergäben sich aus den jeweiligen Beschlussvorlagen für den KJM-Prüfausschuss.

Die Anhörung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt. Ein etwaiger Verstoß wäre ohnehin nach Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG geheilt.

Im Hinblick auf einen vorliegenden Verstoß gegen § 5 JMStV verkenne die Klägerin, dass die Entscheidung der KJM als sachverständige Aussage zu begreifen sei, die im gerichtlichen Verfahren nur mit dem gleichen Aufwand in Frage gestellt werden könne, der notwendig sei, um die Tragfähigkeit fachgutachterlicher Äußerungen zu erschüttern. Die Bewertung durch die FSM vermöge dies nicht. Es gehe um die Beurteilung des Gesamtangebots und nicht um einzelne Aspekte der Erotik-Teletextanzeigen.

Dem Bestimmtheitsgrundsatz werde genügt. Die Anforderungen richteten sich nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Es sei anerkannt, dass die entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung anhand einzelner Beispiele eine hinreichende inhaltliche Konkretisierung darstelle. Lasse die Verwendung von Beispielen erkennen, welches Handeln von den Adressaten verlangt werde, genüge dies dem Bestimmtheitsgebot. Die Klägerin verfüge mit dem Jugendschutzbeauftragten über eine mit besonderer Sachkunde ausgestattete Person und sei deshalb ohne Weiteres in der Lage, Inhalt und Tragweite des streitgegenständlichen Bescheids umzusetzen.

Der Bescheid sei verhältnismäßig. Maßgeblich sei, welche Intention das Erotik-Teletextangebot insgesamt verfolge. Obwohl der Begriff des €Angebotes€ mehrfach innerhalb des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags in einem anderen Zusammenhang verwendet werde, stelle das €Angebot€ jedenfalls Inhalte dar, die inhaltlich zusammenhängend und in sich geschlossen seien. €Angebot€ sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht so zu verstehen, dass es hier um einzelne Textseiten gehe, so dass die Beklagte jeweils die konkreten Seiten benennen müsste. Vielmehr gehe es um die Entwicklungsbeeinträchtigung durch das in sich abgeschlossene Angebot €Erotik-Teletext€ auf den jeweils genannten Tafeln. Ergebe sich, dass nicht lediglich untergeordnete Teile dieses Angebotes entwicklungsbeeinträchtigend seien, sei das Angebot insgesamt zu untersagen. Anders sei ein effektiver Jugendschutz nicht möglich. Die Untersagung der Verbreitung außerhalb des Zeitfensters von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr stelle das mildeste Mittel dar. Hinsichtlich der Missbilligung in Ziff. 1 stehe ohnehin kein milderes Mittel zur Verfügung.

Mit Bescheid vom ... 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom ... 2010 insoweit ab, als Nr. 2 aufgehoben wurde, soweit sich die Untersagung auf die Teletextangebote bezieht, die über die Austastlücken der bundesweit verbreiteten Programme ... (Teletext-Tafelln ...) und ... (Teletext-Tafeln ...) verbreitet würden.

Mit Schriftsatz vom ... 2012 erklärte der Klägerbevollmächtigte die Klage teilweise für erledigt und nahm nochmals vertiefend Stellung. Er wies v.a. darauf hin, dass die ...-DVD-Aufzeichnung nur ca. 347 Teletextseiten enthalte, aber ca. 1449 Seiten beanstandet worden seien. Das Verhältnis der dokumentierten Seiten zu den beanstandeten liege je nach Sender bei ca. 6 % bis ca. 56 %. Die nicht dokumentierten beanstandeten Seiten seien wahrscheinlich bei der Bewertung auch gar nicht gesichtet worden. Bei den dokumentierten Seiten sei außerdem völlig unklar, welche seitens der KJM als €problematisch€ bzw. €unproblematisch€ eingestuft worden seien. Auf der DVD befänden sich auch Seiten, die mit dem beanstandeten Seitenbereich nichts zu tun hätten. Nach alledem könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Prüfgruppe der KJM €eindeutig auf den Gesamtinhalt des Erotik-Angebots der Antragstellerin abgestellt€ habe (BayVGH Beschluss vom 25. 10.2011 Rn 25). Auch könne die FSM hinsichtlich der fehlenden Dokumentationen nicht einfach auf eigene Sachverhaltsaufklärung verwiesen werden.

Außerdem sei die KJM € gerade aufgrund der soeben beschriebenen nicht ordnungsgemäßen Vorlage gegenüber der FSM € verpflichtet gewesen, auf das Eingangsschreiben der FSM vom ... 2009 hin die FSM über ihren Irrtum aufzuklären. Dies folge aus den in §§ 24 f. VwVfG geregelten Untersuchungs- und Fürsorgepflichten sowie ergänzend aus dem verfassungsrechtlich geschützten Gebot einer rechtsstaatlichen bzw. fairen Verfahrensgestaltung.

Des Weiteren sei dem ausdrücklichen eigenen Begründungserfordernis der KJM nicht genüge getan worden. Der KJM obliege gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV eine eigene Begründungspflicht für ihre Beschlüsse (VG Berlin vom 3.5.2012 Az.: VG 27 A 341.06; vom 19.6.2012 Az.: VG 27 A 70.08; vom 19.6.2012 Az.: 27 A 71.08). Das Sitzungsprotokoll zur 28. Sitzung vom 6. Oktober 2010 enthalte keine eigenständige Begründung. Dem Begründungserfordernis sei nicht deshalb genüge getan, weil angebliche Maßgabe für die KJM-Beschlussfassung die jeweiligen Beschlussvorlagen der Beklagten für den KJM-Prüfausschuss gewesen seien. Dem Sitzungsprotokoll lasse sich auch keine Bezugnahme auf die Vorlagen der Beklagten € sollte man eine solche als ausreichend erachten € entnehmen. Im Übrigen müsse eine solche Bezugnahme so eindeutig sein, €dass sich hieraus eindeutig der Inhalt der Begründung ergibt€ (vgl. VG Berlin vom 19.6.2012 Az.: VG 27 A 70.08, Rn 21 und vom 19.6.2012 Az.: VG 27 A 71.08, Rn 20), woran es hier fehle. Die Vorlage enthalte keine den Anforderungen von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechende Begründung.

Unabhängig davon stelle sich die Begründung des angefochtenen Bescheids durch den Geschäftsführer der Beklagten als kompetenzwidrig dar. Allein der KJM oblägen die Entscheidung und die Abgabe der Begründung für die getroffene Entscheidung. Das nach außen zuständige Vertretungsorgan der Beklagten habe nur noch die Aufgabe, die Entscheidung an den Rundfunkveranstalter zu übermitteln (VG Berlin vom 19.6.2012 Az.: VG 27 A 70.08, Rn 19 und vom 19.6.2012 Az.: VG 27 A 71.08, Rn 18). Angesichts der fehlenden Begründung könne die Bescheidbegründung nicht eine KJM-Begründung unverändert umsetzen und tue dies auch nicht. Noch dazu werde der Tenor des KJM-Gremienbeschlusses nicht identisch im streitgegenständlichen Bescheid vollzogen, da nicht die Möglichkeit des Einsatzes eines technischen Mittels gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 JMStV gegeben werde.

Die fehlende eigene KJM-Begründung müsse außerdem als Indiz für die materielle Fehlerhaftigkeit der KJM-Bewertung betrachtet werden. Die Einordnung der KJM-Entscheidung als sachverständige Bewertung erfordere, dass der Sachverstand durch das Sachverständigen-Gremium selbst ausgeübt werde. Der zu begründende Sachverstand könne nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen oder zur Vereinfachung des Verfahrensablaufs delegiert und durch Beschlussvorlagen anderer Organe der zuständigen Landesmedienanstalt oder durch Prüfbegründungen nicht sachverständiger Prüfgruppen ersetzt werden.

Im Übrigen hätten die KJM-Mitglieder die über 1.400 streitigen Teletextseiten nicht selbst tatsächlich gesichtet und seien dazu angesichts der unvollständigen DVD auch gar nicht in der Lage gewesen. Die Plausibilität der Sachverständigenaussage müsse als erschüttert gelten, wenn das Sachverständigen-Gremium seine Bewertung nicht aufgrund eigener Sachverhaltswahrnehmung bzw. auf der Basis unvollständiger Sachverhaltsermittlung getroffen habe.

Die pauschale Feststellung, die streitgegenständlichen Teletext-Tafeln würden entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte €für unter 16-Jährige€ enthalten, sei aus mehreren Gründen inhaltlich nicht nachvollziehbar und unplausibel. Zum einen sei es unbestreitbar, dass das Teletext-Angebot getrennt i.S.d. § 5 Abs. 5 JMStV von für Kinder bestimmten Angeboten verbreitet worden sei. Im Hinblick auf die gesetzliche Wertung in § 5 Abs. 5 JMStV i.V.m. § 3 Abs. 1 JMStV könne es hier aber nicht pauschal um eine Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen €unter 16 Jahren€ gehen, sondern allenfalls um eine Entwicklungsbeeinträchtigung von Jugendlichen zwischen 14 und 15 Jahren. Außerdem sei die tragende Grundprämisse der Prüfgruppen-Bewertung von der behaupteten sog. Anzüglichkeit und der angeblichen Verschärfung und Anreiz- bzw. Anziehungswirkung der Abkürzungen widerlegt. Hierzu wurde ein weiteres Gutachten der FSM vorgelegt und ausführlich vorgetragen.

Die KJM habe im Übrigen auch eine Abwägung mit den Mediengrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG unterlassen.

Mit Schriftsatz vom ... 2012 schloss sich der Beklagtenbevollmächtigte der Erledigterklärung an und nahm erneut Stellung. Die Teletextangebote müssten genauso wie Internetangebote beurteilt werden, bei denen nach der überwiegenden Rechtsprechung konkrete Beispiele zur Verdeutlichung, welche Inhalte von der Untersagung erfasst seien, genügten.

Eine Unverhältnismäßigkeit der Untersagung in Nr. 2 des Bescheids könne nicht auf § 59 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 RStV gestützt werden. Die Verweisung in § 20 Abs. 4 JMStV auf § 59 Abs. 2 bis 4 RStV stelle ausschließlich eine Verweisung auf die Aufsichtsmittel dar, nicht aber auf § 59 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 RStV. Selbst wenn man § 59 Abs. 3 RStV heranziehen könnte, sei die Untersagung verhältnismäßig. Sie sei sowohl zeitlich beschränkt als auch auf Teile des Teletextangebotes - nämlich auf diejenigen, die eindeutig dem Erotik-Teletextangebot zuzuordnen seien. Eine Beschränkung auf einzelne konkret benannte Teletextseiten sei von § 59 Abs. 3 Satz 4 und 5 RStV nicht gefordert und würde dem öffentlichen Interesse zuwider laufen. Es komme gerade auf eine Gesamtschau an. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei auch nicht zu befürchten, dass die Klägerin aufgrund des Dauerverwaltungsaktes an die Untersagung auch im Falle erheblicher, grundsätzlicher Änderungen des Erotik-Teletextangebotes gebunden wäre. Die Klägerin habe die Inhalte schon geändert, woraufhin die Beklagte die sofortige Vollstreckung ausgesetzt habe. Für diesen Weg sprächen auch § 4 Abs. 3 JMStV und § 22 Abs. 2 JuSchG.

In der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2012 erklärte der Beklagtenbevollmächtigte, der Bescheid vom ... 2010 werde in Ziffer 2 hinsichtlich der ... betreffenden Untersagung aufgehoben. Daraufhin erklärten beide Seiten das Verfahren insoweit für erledigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Gegenstand der Klage ist der Bescheid der BLM vom ... 2010 in der durch die Abänderungserklärungen vom ... 2011 und vom ... 2012 erlangten Fassung. Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist die Rechtshängigkeit entfallen. Das Gericht hat insoweit nur noch nach § 161 Abs. 1 und 2 VwGO über die Kosten zu entscheiden (s. dazu unten).

Die Klage hat Erfolg, soweit die Verbreitung der Teletext-Angebote außerhalb der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr auf Dauer untersagt wird. Dagegen bleibt sie ohne Erfolg, soweit ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) festgestellt worden ist.

1. Der Bescheid vom ... 2010 ist in Nr. 1 des Bescheidstenors rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Feststellung, dass die Verbreitung der Teletextangebote in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV verstößt, findet in § 20 Abs. 1 und 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV eine tragfähige Rechtsgrundlage. § 20 Abs. 1 JMStV schreibt vor, dass die zuständige Landesmedienanstalt, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des JMStV verstoßen hat, die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter trifft. Für Anbieter von Telemedien trifft die zuständige Landesmedienanstalt durch die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV die jeweilige Entscheidung (§ 20 Abs. 4 JMStV). Nach § 5 Abs. 1 JMStV haben Anbieter, die Angebote verbreiten oder zugänglich machen, welche geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe diese Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen. Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV sind €Angebote€ Rundfunksendungen oder Inhalte von Telemedien. Diese Legaldefinition besagt lediglich, dass es sich um auf elektronischem Weg übermittelte Inhalte handelt (Hartstein u.a., Jugendmedienschutz-Staatsvertrag III, RdNr. 3 zu § 3). Dieser Legaldefinition mit ihrer allgemeinen Aussage lassen sich keine Kriterien für die Bestimmung von Inhalt und Umfang eines Angebots entnehmen, das Gegenstand von Maßnahmen der Medienaufsicht sein kann. Unstreitig handelt es sich bei dem Teletext-Angebot um Telemedien.

1.1 Der Bescheid ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

1.1.1 Die Beklagte ist nach § 20 Abs. 6 Satz 1 JMStV zuständige Landesmedienanstalt, denn die Klägerin hat ihren Sitz in Bayern. Die Beklagte ist an Maßnahmen im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen zum Jugendschutz nicht durch die Entscheidung der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.V. (FSM), dass die Teletextangebote der Klägerin nicht geeignet seien, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen und deshalb nicht gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV verstießen, gehindert gewesen. Da die streitgegenständlichen Teletexttafeln unstreitig Telemedien sind, hat die Beklagte durch die KJM nach § 20 Abs. 5 Satz 1 JMStV die FSM als anerkannte Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle mit Schreiben vom ... 2009 befasst. In diesem Schreiben werden 14 Teletext-Angebote verschiedener Anbieter aufgeführt, die eine Prüfgruppe der KJM als entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren bewertet hatte. Als Anlagen sind dem Schreiben Tabellen mit den Ergebnissen der 15. Präsenzprüfung Telemedien der KJM-Prüfgruppe am ... 2009 beigefügt, in denen die Angebote jeweils als €Erotik-Teletext-Angebot€ des jeweiligen Senders bezeichnet und die betreffenden Teletextseiten angegeben werden (z.B. bei ... €(ca. Seiten ...)€). Als Prüfgrundlage wird eine €... der BLM€ angeführt. Die von der Beklagten mit den Vorgangsakten vorgelegte und vom Gericht gesichtete DVD gibt zwar nicht alle beanstandeten Tafeln wieder, die Aufzeichnung ist aber auch keineswegs beschränkt auf die Teletexttafeln, die die FSM ihrer Prüfung zu Grunde gelegt hat. Die Anzahl und die stichprobenartig erscheinende Auswahl der wiedergegebenen Tafeln erweckt in keiner Weise den Anschein, dass nur die in den Prüfbegründungen als Beispiele bezeichneten Seiten Prüfgegenstand sein sollten. Damit hat die KJM den Prüfungsgegenstand der Befassung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 JMStV hinreichend bestimmt beschrieben.

Aus der Tatsache, dass in der Eingangsbestätigung der FSM vom ... 2009 als Gegenstand der Beanstandung jeweils nur einzelne Tafeln genannt sind, und die KJM dem nicht schriftlich widersprochen hat, kann die Klägerin nicht ableiten, dass die Befassung der FSM auf diese beiden Teletexttafeln beschränkt sein sollte. Im Schreiben der KJM vom ... 2009 wird nur zu den in der Eingangsbestätigung angeführten €Hinweisen€ mit den darin enthaltenen Unklarheiten und Fragen Stellung genommen. Das ursprüngliche Anschreiben der KJM an die FSM vom ... 2009 enthält eine Auflistung von 14 Teletext-Angeboten von 14 verschiedenen Fernsehsendern. Da sie pauschal als €Erotik-Teletext-Angebot€ des jeweiligen Senders bezeichnet sind, ist damit eine Überprüfung der vollständigen Angebote gewollt. Das Schweigen der KJM in ihrer Stellungnahme zu der Eingangsbestätigung der FSM mit den darin ausdrücklich bezeichneten Teletexttafeln kann nach den Umständen nicht als Zustimmung der KJM zu einer beschränkten Überprüfung ausgelegt werden. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Art. 24 f. BayVwVfG und das Gebot eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens kann in diesem Schweigen ebenfalls nicht gesehen werden. Die KJM war nicht verpflichtet, sich um die Aufdeckung bzw. Vermeidung eines Irrtums der FSM € hätte sie einen solchen überhaupt erkennen können € zu kümmern. Das Verhältnis zwischen KJM und FSM kann nicht als Über-Unterordnungsverhältnis verstanden werden. Der JMStV begründet mit der Einführung der Freiwilligen Selbstkontrolle das Prinzip der €Regulierten Selbstregulierung€, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Staat zwar seine Letztverantwortung nicht aufgibt, aber die Aufsichtsverantwortung der Steuerung durch gesellschaftliche Prozesse anvertraut. Die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle übernehmen primär die Aufsichtstätigkeit und unterstützen die Landesmedienanstalten bei der Aufsicht (Hartstein u.a., a.a.O., RdNr. 1 zu § 19 JMStV). Diesem Konzept würde das klassische Über-Unterordnungsgefüge, wie es zwischen Staat und Bürger besteht, nicht gerecht. Beide Gremien setzen sich überdies aus Experten zusammen, keines von beiden kann hinsichtlich Kompetenz oder Befugnis als dem anderen eindeutig überlegen angesehen werden. Das Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter selbst ist hiervon zu trennen. Dass es dort zu einer Über-Unterordnung kommt, hat keinen Einfluss auf die Gremien KJM und FSM und deren Verfahren. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Entscheidung im Endeffekt die Klägerin betrifft. Dies ist lediglich die Konsequenz aus dem Selbstregulierungskonzept. Auch der Umstand, dass es sich hier um die erstmalige Befassung der FSM durch die KJM handelt, kann nicht eine Verpflichtung der KJM zu weitergehenden Instruktionen an die FSM begründen, die über eine ordnungsgemäße Befassung € die hier vorliegt, s.o. € hinausgehen.

1.1.2 Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die FSM die Grenzen ihres gesetzlichen Beurteilungsspielraums im vorliegenden Fall überschritten hat. Nach § 20 Abs. 5 Satz 2 JMStV sind Maßnahmen gegen den Anbieter durch die KJM nur dann zulässig, wenn die Entscheidung der anerkannten Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet. Ist ein Beurteilungsspielraum durch ein Gesetz eingeräumt, beschränkt sich die Nachprüfung durch ein Gericht oder die Aufsichtsbehörde darauf, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind; ob die Behörde von einem richtigen Verständnis (Auslegung) des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist; ob sie den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat; ob sie sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten und das Willkürverbot nicht verletzt hat. Erweist sich, dass die Behörde von einem unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, so ist die Entscheidung fehlerhaft, auch wenn sie bei Zugrundelegung des richtigen Sachverhalts vertretbar wäre (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Auflage, RdNrn. 78, 80 zu § 114 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat sich die FSM darauf beschränkt, ihrer Prüfung nur die von der KJM beispielhaft genannten Teletext-Tafeln zu Grunde zu legen. Der Beurteilungsspielraum ist jedoch überschritten, wenn die Behörde bzw. hier die Selbstkontrolleinrichtung den erheblichen Sachverhalt nicht vollständig und zutreffend ermittelt hat. Was erheblich ist, bestimmt sich nach dem Prüfprogramm der zu treffenden Entscheidung. Erweist sich, dass die Behörde von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, so ist die Entscheidung fehlerhaft (Eyermann/Rennert, a.a.O., RdNr. 80 zu § 114). Es ist erforderlich, dass die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle eine umfassende Sachverhaltsermittlung betreibt (Hartstein u.a., a.a.O., RdNr. 15 zu § 20 JMStV). Wie oben bereits ausgeführt, war durch das Vorlageschreiben der KJM das Prüfprogramm vorgegeben. Laut der Begründung der Entscheidung des FSM-Beschwerdeausschusses hat dieser die Prüfung beschränkt auf die Gesamtschau der jeweils als Beispiele genannten Tafeln. Nach Auffassung des Gerichts hätte eine Gesamtbetrachtung des Teletext-Angebotes, das Werbung für sexuelle Kontakte enthält, erfolgen müssen. Dass sich die Klägerin in ihrer Klagebegründung darauf beruft, die FSM habe € unabhängig von der Frage, ob eine Verpflichtung zur Gesamtbetrachtung gegeben ist € ohnehin den Gesamtkontext beachtet, erscheint vor dem Hintergrund, dass die FSM-Entscheidungen keine Anhaltspunkte hierfür enthalten, als bloße Schutzbehauptung.

1.1.3 Hat die Entscheidung der FSM die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums wie hier überschritten, sind nach § 20 Abs. 5 Satz 2 JMStV Maßnahmen nach Absatz 1 und 4 der Vorschrift gegen den Anbieter durch die KJM und die zuständige Landesmedienanstalt zulässig.

Bezüglich des Verfahrens der KJM bestehen keine Anhaltspunkte für Fehler. Die Mitglieder waren ordnungsgemäß und mit allen nötigen Informationen zur Tagesordnung geladen worden. Auch die Sitzung ist ordnungsgemäß abgelaufen. Dass die den Mitgliedern übersandte ...-Aufzeichnung nicht alle beanstandeten Tafeln wiedergibt, ist unschädlich. Da es € wie schon mehrfach erwähnt € auf eine Gesamtbeurteilung der Teletext-Angebote ankommt, konnte die Entscheidung auf Grundlage von Stichproben getroffen werden. Den KJM-Mitgliedern wurde € genauso wie der FSM € mitgeteilt, dass es um die gesamten Erotik-Teletext-Angebote geht, und kein Mitglied äußerte Bedenken bezüglich der Beurteilung auf Stichprobenbasis, sodass in einem erst-recht-Schluss davon ausgegangen werden kann, dass die KJM-Mitglieder bei Sichtung jeder einzelnen Seite der Angebote zum selben Ergebnis gekommen wären. Ob die KJM-Mitglieder die DVD auch tatsächlich angesehen haben, bedarf keiner weiteren Klärung, insbesondere nicht durch Einvernahme der Mitglieder als Zeugen. Es bestehen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Klägerseite, dass die Mitglieder ihren Pflichten nicht nachgekommen sind. Im Übrigen ist das Risiko, dass sich Gremienmitglieder unzureichend informieren oder ungenügend mit der jeweiligen Thematik befassen, ein unbeherrschbares und allgemeines Risiko, das jeder Gremienentscheidung immanent ist und gerade auch durch das Wesen solcher Entscheidungen ausgeglichen wird, das darin besteht, dass die Verantwortung auf eine Mehrheit von Entscheidenden verteilt wird. Auch die Regelung der Zusammensetzung und die Zugangsvoraussetzungen eines Gremiums € s. hier § 14 JMStV € begegnen dieser Gefahr.

1.1.4. Die Beklagte ist bei ihrer im Bescheid vom ... 2010 enthaltenen Feststellung, dass in den Erotik-Teletext-Angeboten frei zugänglich Inhalte verbreitet werden, die entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind, und dies einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV darstellt, an den Beschluss der KJM gebunden. Gegen die Voraussetzungen und Folgen dieser Bindung wurde weder durch eine Verletzung der Begründungspflicht der KJM noch durch eine Abweichung des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids von demjenigen des KJM-Beschlusses verstoßen

Die KJM ist ein funktionelles Organ der Beklagten (§ 35 Abs. 2 Nr. 4 RStV, § 14 Abs. 2 JMStV). Sie ist für die abschließende Beurteilung von Angeboten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zuständig (§ 16 Satz 1 JMStV), insbesondere die Überwachung der Bestimmungen dieses Staatsvertrages (§ 16 Satz 2 Nr. 1 JMStV). Ihre Beschlüsse sind für die jeweilige Landesmedienanstalt bindend und deren (weiteren) Entscheidungen zu Grunde zu legen (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV - vgl. BayVGH vom 23.3.2011 NJW 2011,2678 Juris-RdNr. 26).

Eine Pflicht der KJM zur selbstformulierten umfassenden Begründung ihrer Beschlüsse, wie vom Klägerbevollmächtigten mit Hinweis auf Entscheidungen des VG Berlin (vom 3.5.2012 € 27 A 341.06; vom 19.6.2012 € 27 A 70.08 und 27 A 71.08; alle Juris) angenommen, erschließt sich dem Gericht dagegen nicht. Gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV sind die Beschlüsse der KJM zu begründen und in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen. Laut VG Berlin muss die KJM eine eigene Begründung für seine Entscheidung abgeben oder sich zumindest ausdrücklich auf eine Prüfvorlage beziehen, wobei die Bezugnahme so genau sein muss, dass sich hieraus der Inhalt der Begründung ergibt. Das VG Berlin begründet seine Ansicht damit, dass die KJM gemäß § 20 Abs. 2 JMStV im von § 16 JMStV umschriebenen Bereich als funktionell zuständiges Organ der für die Aufsicht zuständigen Landesmedienanstalt handele und ihre Beschlüsse nach § 17 Abs. 1 Satz 5 JMStV für die anderen Organe der Landesmedienanstalt bindend seien. Das zuständige Vertretungsorgan der Landesmedienanstalt habe nur noch die Aufgabe, die von der KJM getroffene Entscheidung an den Adressaten zu übermitteln, damit diese als Verwaltungsakt vollziehbar und bindend werden könne. Zwar erscheint diese Ansicht im Hinblick darauf, dass der KJM Sachverständigenkompetenz zugesprochen wird und die Begründung €mit Blick auf die Rechte der Betroffenen€ (Bayer. LT-Drs. 14/10246, S. 23) € wenn auch nicht, wie vom Klägerbevollmächtigten vorgetragen, zur Wahrung der Rechte der Betroffenen € erfolgen soll, als durchaus wünschenswerte Vorgehensweise. In der Praxis erscheint sie aber kaum sinnvoll durchführbar und nicht einmal erforderlich. Die Herbeiführung von Gremienentscheidungen kann ihrer Natur nach nur durch Abstimmungen über bestimmte Fragen erfolgen. Einem Gremium die Pflicht zur gemeinsamen Formulierung einer umfassenden Begründung aufzuerlegen, erscheint praxisfern. Eine Bezugnahme auf eine Sitzungsvorlage o.ä. käme den Erfordernissen der Praxis entgegen, fraglich bleibt aber, warum an eine solche Bezugnahme unnötige formelle Anforderungen gestellt werden sollten. Tritt die KJM zusammen und beschließt sie über bestimmte Fragen, zu denen eine einzige eindeutige Prüfvorlage vorliegt, erscheint die ausdrückliche Formulierung einer Bezugnahme auf diese Prüfvorlage als unnötige Förmelei. Auch erscheint nicht nachvollziehbar, welchen inhaltlichen Gewinn die Begründung bzw. Bezugnahme bringen soll. Schließt sich die KJM mit ihrer Entscheidung der Prüfvorlage an, würde die Verpflichtung zu einer weiteren Begründung oder besonderen Bezugnahme das Verfahren nur unnötig in die Länge ziehen. Mit dem gebündelten Sachverstand der KJM lässt sich eine derartige Verpflichtung ebenfalls nicht begründen. Dieser ermöglicht der KJM die Prüfung der Prüfvorlage und ggf. die uneingeschränkte Zustimmung hierzu. Die vorliegenden Prüfvorlagen sind ihrerseits als Begründungen ausreichend. Sie enthalten durch die € hier erforderliche und gegebene € Bezugnahme auf die Prüfvorlagen für die Prüfgruppe und die Prüfbegründungen der Prüfgruppe alle tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente. Dass diese nicht umfassend wörtlich in den Prüfvorlagen enthalten sind, ist unschädlich und der Komplexität des Verfahrens geschuldet. Die Gliederung des Textes und der Verweis auf die Anlagen sowohl unter Punkt €II. Bericht€ als auch im Anlagenverzeichnis sind nicht nur ausreichend, sondern auch zweckmäßig, um das gesamte Verfahren übersichtlich und nachvollziehbar darzustellen. Eine €eindeutig gebündelte Begründung€ € wie vom Klägerbevollmächtigten gefordert € lässt sich in einem Verfahren wie dem vorliegenden kaum besser erreichen, als durch übersichtliche Darstellung mit Bezugnahmen auf Anlagen. Aus der Entscheidung des VG Hannover vom 27. Januar 2011 € 7 A 5630/08 € ergibt sich nichts anderes. Dort ging es v.a. um die Bewertung unterschiedlicher Voten der Prüfgruppe und die vollständige Auseinandersetzung mit den Argumenten der Klägerin. Hier lagen zum einen keine unterschiedlichen Voten vor, zum anderen ist eine vollständige Auseinandersetzung mit den klägerischen Argumenten in den Vorlagen enthalten.

Auch der Umstand, dass die Beklagte die Beschlüsse der KJM nicht wörtlich, sondern leicht abgewandelt im Bescheid umgesetzt hat, macht diesen nicht wegen eines Verstoßes gegen die Bindungswirkung der KJM-Beschlüsse gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 JMStV rechtswidrig. Die Bindungswirkung kann sich nur auf die inhaltliche Fragen, die die Sachverständigenkompetenz der KJM erfordern, beziehen. Eine Verpflichtung zur wortwörtlichen Umsetzung besteht angesichts § 17 Abs. 1 Satz 6 JMStV nicht, der besagt, dass die Beschlüsse der KJM den Entscheidungen der Landesmedienanstalten zugrunde zu legen sind. Die Bindungswirkung erstreckt sich vorliegend auf die Einstufung der Teletextangebote als entwicklungsbeeinträchtigend i.S.v. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV und das Erfordernis der Beschränkung der Verbreitung. Dass die Beklagte im Bescheid nicht die Alternative der Vorschaltung eines technischen Mittels gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 JMStV eröffnet hat, ist schon deshalb unschädlich, da derzeit ein solches Mittel für Teletextangebote nicht existiert und der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, eine nicht vollziehbare Bestimmung nicht in den Bescheid aufgenommen zu haben. Es ist vielmehr der Klägerin zumutbar, zu gegebener Zeit eine Bescheidänderung anzustrengen. Dass die in den KJM-Beschlüssen explizit genannten Datumsangaben nicht in den Bescheid übernommen wurden, kann der Beklagten ebenso wenig zur Last gelegt werden. In Nr. 1 des Bescheids wird lediglich festgestellt und missbilligt, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ein Verstoß gegen den JMStV schon stattgefunden hat. Den Gründen des Bescheids ist zu entnehmen, welche Prüfungen die KJM ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.

1.2 Der Beschluss der KJM vom ... 2010 ist materiellrechtlich hinsichtlich der Feststellung eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV nicht zu beanstanden.

1.2.1 § 5 Abs. 1 JMStV verpflichtet Anbieter, die Angebote verbreiten oder zugänglich machen, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dazu, Sorge dafür zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung anzunehmen, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Abs. 1, wenn das Angebot nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Ziel der Vorschrift des § 5 Abs. 1 JMStV ist es, einer Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. Die Formulierungen im JMStV stellen den Bezug zum Recht von Kindern und Jugendlichen auf Erziehung (§ 1 Abs. 1 SGB VIII) und den Kinderrechten insgesamt her. Dabei werden eine individuelle (Eigenverantwortlichkeit) und eine soziale (Gemeinschaftsfähigkeit) Komponente angesprochen. Der Begriff €Eigenverantwortung€ verweist insbesondere auf soziale Reife und die Fähigkeit zu sozialem Kontakt. €Gemeinschaftsfähigkeit€ als Erziehungsziel stellt eine Absage an die zunehmende Individualisierung und Entsolidarisierung dar.

Unter Beeinträchtigungen i.S.v. § 5 Abs. 1 JMStV sind Hemmungen, Störungen oder Schädigungen zu verstehen. Zu berücksichtigen sind danach alle Beeinträchtigungen, die von dem Angebot im Ganzen oder seinen Einzelheiten ausgehen können. Eine Beeinträchtigung der Entwicklung können insbesondere Angebote verursachen, welche die Nerven überreizen, übermäßige Belastungen hervorrufen, die Phantasie über Gebühr erregen, die charakterliche, sittliche oder geistige Erziehung hemmen, stören oder schädigen, zu falschen oder abträglichen Lebenserwartungen führen oder die Erziehung zu verantwortungsbewussten Menschen in der Gesellschaft hindern. Die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 5 Abs. 1 JMStV setzt eine Bewertung des jeweiligen Angebots auf eine mögliche Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen und damit einen spezifischen Sachverstand voraus (VG München v. 4.6.2009 M 17 K 05.5329, ZUM 2010,615; VG Berlin v. 28.1.2009, MMR 2009, 496 ff.).

Aufgrund der von der Beklagten vorgelegten sachverständigen Bewertungen der KJM ist das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte und die KJM im Ergebnis zutreffend davon ausgehen, dass die streitgegenständlichen Teletext-Angebote geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen.

1.2.2 Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt ihr hinsichtlich der Frage, ob ein Angebot geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen (§ 5 Abs. 1 JMStV), zwar kein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Ihre Einschätzung ist jedoch als sachverständige Aussage zu begreifen, die im gerichtlichen Verfahren nur mit dem gleichen Aufwand in Frage gestellt werden kann, der notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern. Ist die Bewertung der KJM in diesem Sinn nicht in Frage gestellt, so ist dem Gericht verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der KJM zu setzen (vgl. mit ausführlicher Begründung BayVGH vom 23.03.2011 a.a.O., RdNrn. 32 ff.). Nach der vom BayVGH angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es im gerichtlichen Verfahren keines weiteren gerichtlich bestellten Sachverständigengutachtens, wenn das im Verwaltungsverfahren von der Verwaltung eingeholte sachverständige Gutachten keine Mängel aufweist und die Tragfähigkeit der sachverständigen Aussagen von den Beteiligten auch sonst nicht erschüttert wurde (BayVGH vom 23.03.2011 a.a.O., RdNr. 45 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall beruhen die sachverständigen Bewertungen der KJM auf den Vorlagen für den KJM-Prüfausschuss vom ... 2010, den Vorlagen für die KJM-Prüfgruppe vom ... 2009 und den Prüfbegründungen der Prüfgruppe vom ... 2009. Diese setzen sich mit den Entscheidungen der FSM vom ... 2009 und deren Begründung auseinander und kommen zum Ergebnis, dass die Auffassung der FSM aus Sicht des Jugendschutzes grundlegend zu kritisieren ist. Der sexualisierte, aufdringliche Charakter sei trotz Begriffsverfremdungen oder Verfremdung durch Zeichen noch gegeben und der verwendete Wortschatz sei als anzüglich einzustufen. Die durch die Verfremdung beschriebenen Sexualpraktiken, z.B. Sadomasochismus, erfolgten aus Erwachsenenperspektive für die Zielgruppe der Erwachsenen und entsprächen nicht dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen. Die Verfremdungen dienten dabei nicht der Entschärfung der sexualisierten Inhalte, sondern zur Beschreibung diverser Sexualpraktiken. Gerade durch die verwendeten Abkürzungen verstärkten diese nach Auffassung der KJM-Prüfgruppe die Anziehungswirkung auf Kinder und Jugendliche. Die Prüfgruppe stellte weiter fest, dass pauschale Regelungen für geeignete und ungeeignete Begriffe oder Grafiken allein nicht ausschlaggebend sein könnten, sondern bei der vorliegenden Bewertung stets der Gesamtzusammenhang relevant sei. Das FSM-Gutachten werde grundsätzlich kritisch gesehen und an der ursprünglichen Beurteilung der KJM-Prüfgruppe am 25. März 2009 festgehalten. Dort wurde festgestellt, dass die sexualisierten Inhalte der Teletext-Tafeln geeignet seien, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sozial-ethisch zu desorientieren und somit in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Das vorliegende Angebot präsentiere ein einseitiges, funktionalistisches Bild von Sexualität und diene ausschließlich dem Ziel der sexuellen Stimulation sowie der Animation erwachsener Nutzer, die beworbenen Dienste in Anspruch zu nehmen. Zwar vertritt die FSM eine davon abweichende Meinung und Bewertung. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2012 sind die Bewertungen der KJM jedoch nicht in ihrer Tragfähigkeit €erschüttert€ worden. Die Klägerin hat die fehlende Eignung der sachverständigen Äußerungen der KJM nicht dargetan. Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind Gutachten oder fachliche Stellungnahmen dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (BVerwG v. 3.2.2010 7 B 35/09 - Juris m.w.N.). Die Klägerin hat keinen dieser Mängel substantiiert dargetan.

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die Tragfähigkeit der sachverständigen Aussagen nicht dadurch erschüttert, dass der BGH in einem Urteil (vom 13.7.2006 I ZR 241/03, NJW 2006,3490) zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen die Vorschrift des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ausgelegt hat und zum Ergebnis gekommen ist, die dort streitgegenständlichen Kontaktanzeigen erfüllten die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht. Sie seien weder nach ihrer Gestaltung noch nach ihrem Inhalt geeignet, Belange der Allgemeinheit einschließlich des Kinder- und Jugendschutzes zu beeinträchtigen. Mit diesen Ausführungen begründet der BGH seine Rechtsauffassung, die Grundlage seines Urteils ist. Dabei handelt es sich um einen Teil der Subsumtion, also der rechtlichen Beurteilung und Bewertung und nicht um sachverständige Äußerungen. Zudem beziehen sie sich auf einen anderen Sachverhalt, nämlich Kontaktanzeigen mit eigenen Texten in einer Zeitung oder Zeitschrift, und haben mit den hier streitgegenständlichen Texttafeln nichts zu tun. Es wird also lediglich eine abweichende Meinung vertreten. Das Gericht müsste die Texte hier selbst wertend vergleichen. Es ist dem Gericht bei diesem Erkenntnisstand verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der KJM zu setzen. Allein eine Verweisung auf die Rechtsprechung des BGH ist deshalb nicht geeignet, die Begründung der Entscheidung der KJM zu erschüttern (so im Eilverfahren BayVGH v. 25.10.2011 7 CS 11.1070 RdNr. 26 - Juris).

Auch mit ihren Zweifeln daran, dass die KJM-Mitglieder den Sachverhalt ausreichend ermittelt haben, kann die Klägerin die sachverständigen Ergebnisse der KJM nicht substantiiert erschüttern. Wie oben dargestellt, sind keine Fehler im KJM-Verfahren ersichtlich, insbesondere ist der Sachverhalt weder durch unzureichende schriftliche Information der Mitglieder noch durch die nur stichprobenhafte Aufzeichnung der streitgegenständlichen Angebote auf der DVD mangelhaft ermittelt worden. Daher kann aus dem Verfahrensablauf auch kein Indiz für eine materielle Fehlerhaftigkeit der KJM-Bewertung hergeleitet werden. Ebenso wenig kann angenommen werden, die KJM habe eine Abwägung mit den Mediengrundrechten aus Art. 5 GG unterlassen.

Schließlich schlagen auch die weiteren Bedenken der Klägerin nicht durch. Dass die KJM eine Entwicklungsbeeinträchtigung für €unter 16-Jährige€ festgestellt hat und nicht angesichts Art. 5 Abs. 5 JMStV die Entwicklungsbeeinträchtigung für 14- und 15-Jährige, kann die Tragfähigkeit der KJM-Beschlüsse nicht erschüttern. Dass Ziel des § 5 Abs. 5 JMStV die Schaffung spezieller Kinderangebote, die nicht zu beeinträchtigenden Angeboten weiterführen, ist (s. Hartstein u.a., a.a.O., § 5 RdNr. 22), zeigt, dass diese Vorschrift auf solche Telemedienangebote zugeschnitten ist, die ein €für Kinder bestimmtes Angebot€ enthalten. Dieses soll im Gesamtangebot derart separiert werden, dass Kinder nicht durch Verknüpfungen auf jugendbeeinträchtigende Seiten bzw. Angebote geraten können (ebd.). Ob die Teletextangebote überhaupt für Kinder bestimmte Angebote i.S.v. § 5 Abs. 5 JMStV enthalten, kann offen bleiben, da jedenfalls keine derartige Trennung vorliegt, dass Kinder nicht auf die problematischen Seiten geraten können. Im Übrigen ist nicht substantiiert vorgetragen, warum die Beurteilung der KJM bezüglich der Entwicklungsbeeinträchtigung der 14- und 15-Jährigen unrichtig sein soll.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist zur Überzeugung des Gerichts mit den Teletext-Angeboten gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 JMStV verstoßen worden. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass maßgeblich nicht ist, welche Inhalte sich auf einzelnen Tafeln befinden, sondern welche Intention die Erotik-Teletext-Angebote insgesamt verfolgen. Da nach der Beurteilung der KJM nicht lediglich untergeordnete Teile der Angebote als entwicklungsbeeinträchtigend zu beurteilen waren, konnten die Angebote insgesamt beanstandet werden. Das neu vorgelegte FSM-Gutachten vom November 2011 liefert keine Anhaltspunkte, die diese Auffassung im erforderlichen Maße erschüttern könnten.

1.2.3. Die getroffene Feststellung verstößt weder gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (s. dazu auch sogleich die Ausführungen zu Nr. 2 des Bescheids) noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Beanstandung stellt als Hinweis auf einen festgestellten Rechtsverstoß die denkbar mildeste Maßnahme gegenüber einem Anbieter dar (VG Minden v. 18.08.2010 7 K 721/10 - juris - RdNr. 37).

2. Dagegen ist der Bescheid vom ... 2010 in Nr. 2 bis 4 des Bescheidstenors rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagung der Verbreitung des Teletext-Angebots zwischen 6.00 und 22.00 Uhr enthält einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten vor, hat gemäß § 20 Abs. 1, § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 Satz 1 bis 5 RStV die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter zu treffen. Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. Die Untersagung darf nicht erfolgen, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung des Angebotes für den Anbieter und die Allgemeinheit steht. Eine Untersagung darf nur erfolgen, wenn ihr Zweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann. Die Untersagung ist, soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann, auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken. Mit diesen Vorschriften ist das Verhältnismäßigkeitsgebot für den Fall der Untersagung ausdrücklich normiert, weil sie einen schwerwiegenden Eingriff in die Medienfreiheit darstellt. Selbst wenn man € wie die Beklagte € der Ansicht folgt, dass § 59 Abs. 3 Sätze 3-5 RStV keine Anwendung finden, da die Verweisung auf § 20 Abs. 1 JMStV ausschließlich als Verweisung auf die genannten Aufsichtsmittel und nicht auf die Grundsätze zur Verhältnismäßigkeit zu verstehen ist, ist im Bereich der Telemedien ein nach Schwere und Intensität des Eingriffs in die Medienfreiheit abgestuftes Sanktionssystem anzuwenden (Hartstein a.a.O., RdNr. 18 zu § 59 RStV und RdNr. 32 zu § 20 JMStV).

Bei der im Bescheid vom ... 2010 ausgesprochenen Untersagung der Verbreitung des Angebots in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr handelt es sich um medienrechtliche Maßnahmen (VG Minden vom 18.08.2010 7 K 721/10 € juris -; VG Münster vom 12.02.2010 1 K 1608/09 - juris -). Die streitgegenständliche Anordnung genügt grundsätzlich dem allgemeinen Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (VG Münster a.a.O., RdNr. 41 m.w.N.). Die Verwendung generalisierender Begriffe ist möglich, wenn sie eine Bestimmbarkeit im konkreten Fall gestatten, z.B. durch die Beifügung von Beispielen in Fällen, in denen ein engerer Oberbegriff nicht mehr vorhanden ist. Zudem ist maßgeblich, welches Maß an Bestimmtheit der Behörde zur Regelung des fraglichen Sachverhalts überhaupt möglich ist. Die Anforderungen müssen bei normalem, dem Sachverhalt angemessenem Verwaltungsaufwand noch erfüllbar bleiben (Stelkens, VwVfG, 7. Auflage, RdNr. 5 zu § 37).

Im vorliegenden Fall besteht nach dem Tenor des Bescheids hinreichende Klarheit, dass sämtliche Inhalte auf den genannten Tafeln mit erotischem Inhalt ausschließlich in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr zugänglich sein dürfen. Dass nach der Begründung des Bescheids die KJM nur einen Teil dieser Tafeln als €problematisch€ eingestuft hat, ist keine Frage der Bestimmtheit der Untersagung, sondern wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Untersagung auf.

Die Besonderheit des vorliegenden Angebots besteht darin, dass das Teletext-Angebot der Klägerin der ständigen Änderung unterworfen ist. Offenbar ist auch nach Auffassung der KJM und der Beklagten ein Teil der Tafeln als unproblematisch einzustufen, denn sie hat selbst nur einen Teil der Tafeln als €problematisch€ eingestuft. Demzufolge wäre es möglich, die Teletext-Tafeln mit erotischen Inhalten zu füllen, die nicht als entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche anzusehen sind. Die unbefristete Beschränkung der Verbreitung auf bestimmte Tageszeiten unabhängig von den wechselnden Inhalten der Tafeln verstößt gegen den in § 59 Abs. 3 RStV konkretisierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn nach dem streitgegenständlichen Bescheid wären auch €unproblematische€ Inhalte auf Dauer in der Verbreitung beschränkt. Um ihr Auswahlermessen fehlerfrei auszuüben, hat die Beklagte zu prüfen, inwieweit die Beschränkung auf bestimmte Teile der Angebote beschränkt werden kann.

Eine solche Bewertung steht nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25.10.2011 (7 CS 11.1070) und zur Entscheidung des Gerichts vom 15. März 2012 (M 17 K 11.6112), wie von Beklagtenseite vorgetragen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit nicht befasst. Die Entscheidung des Gerichts vom 15. März 2012 bezieht sich auf die Verbreitung von entwicklungsbeeinträchtigenden Geschichten, wobei dort im Hinblick auf die Bestimmtheit die nähere Beschreibung von Beispielen in der Begründung des Bescheids als ausreichend erachtet wurde. Der Entscheidung lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort sämtliche veröffentlichte Geschichten als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen waren. Hier geht es um die Untersagung von gesamten Erotikangeboten, die unstreitig auch nicht zu beanstandende Seiten enthalten. Die Einstufung der Untersagung als unverhältnismäßig widerspricht auch nicht der vom Gericht vertretenen Notwendigkeit der Gesamtbetrachtung der Teletextangebote. Wesentlich für die Einstufung ist hier gerade, dass die Untersagung auch dann noch gilt, wenn sich das Gewicht der zu beanstandenden Seiten so verschieben sollte, dass das Angebot in seiner Gesamtheit als nicht mehr entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen wäre.

Der von Beklagtenseite anvisierte Weg, die Klägerin könne zu gegebener Zeit eine erneute KJM-Prüfung und damit eine Bescheidsänderung anregen, ändert nichts an der Unverhältnismäßigkeit der vorliegenden Bestimmung. Dieser Weg ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. Die von der Beklagten zitierten § 4 Abs. 3 JMStV und § 22 Abs. 2 JuSchG regeln den Sonderfall des indizierten Angebotes.

3. Da der Bescheid vom ... 2010 in Nr. 2 rechtswidrig ist, folgt daraus auch die Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung (Nr. 3) und der Festsetzung der Höhe der Gebühren (Nr. 4). Diese sind folglich ebenfalls aufzuheben. Nicht abschließend zu entscheiden ist daher, ob die Gebührenfestsetzung eine tragfähige Rechtsgrundlage in § 35 Abs. 11 RStV i.V.m. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 2, 6 Kostensatzung i.V.m. Nr. IV 8 des Kostenverzeichnisses zur Kostensatzung findet oder nicht (so VG Oldenburg v. 23.8.2011 1 A 2903/10 - Juris; VG Münster v. 12.10.2010 1 K 1608/09 - Juris; nunmehr noch VG Düsseldorf v. 20.3.2012 27 K 6228/10 - Juris).

Nach alledem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bezüglich der erledigten Teile ist über die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, auch bezüglich der erledigten Teile des angefochtenen Bescheids die Kosten zu 1/3 der Klägerin, zu 2/3 der Beklagten aufzuerlegen, da die Beurteilung der Erfolgsaussichten diesbezüglich den obigen Ausführungen zu den nicht erledigten Teilen entspricht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint zum einen die Frage, ob Teletextangebote einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind oder die einzelnen Seiten zu beurteilen sind. Diese Frage zieht die Folgeprobleme nach sich, wann die FSM in dieser Hinsicht ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat, und ob die KJM-Entscheidung auf ausreichender Tatsachenbasis getroffen wurde. Zum anderen ist der Umfang der Begründungspflicht der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV von grundsätzlicher Bedeutung. Beide Problemkreise lassen sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz lösen und sind nicht bereits durch höhergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Außerdem haben sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 135.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).






VG München:
Urteil v. 11.10.2012
Az: M 17 K 10.6273


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3716290daa75/VG-Muenchen_Urteil_vom_11-Oktober-2012_Az_M-17-K-106273




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share