Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2008
Aktenzeichen: 27 W (pat) 116/07

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2008, Az.: 27 W (pat) 116/07)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 25 - vom 16. Juli 2007 aufgehoben.

2. Die Marke 305 27 859 wird auf die Widersprüche aus den Marken 304 20 454 und 305 23 204 gelöscht.

3. Der Widerspruch aus der Marke 301 15 980 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 12. Mai 2005 angemeldete und am 4. Juli 2005 unter der Nr. 305 27 859 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Wort-/Bildmarkeist für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35 und 40 bestimmt:

"Überzieher (Bekleidung), Westen, Kopfbedeckungen, Jacken, Hosen, Hemden, Gürtel (Bekleidung), Bekleidungsstücke, Badehosen; Werbung durch Werbeschriften, Werbung im Internet für Dritte, Werbung allgemein, Verfassen von Werbetexten, Sponsoring in Form von Werbung, Merchandising; Zurichten von Materialien auf Bestellung (für Dritte), Offsetdruckarbeiten, Druckarbeiten, Aufdrucken von Mustern, Anfertigung von Bekleidungsstücken".

Widerspruch erhoben hat der Inhaber von drei prioritätsälteren deutschen Marken. Hierbei handelt es sich um 1. die am 9. März 2001 angemeldete und am 11. Dezember 2001 für die Waren

"Druckereierzeugnisse; Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten und Rucksäcke; Bekleidungs stücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen", eingetragene Wortbildmarke 301 15 980 EASTSIDE BERLIN 2. die am 6. April 2004 angemeldete Wortmarke 304 20 454 (Widerspruchsverfahren abgeschlossen am 15. März 2006)

EASTSIDE STREETWEAR geschützt für die Waren und Dienstleistungen

"Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten und Rucksäcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; bedruckte Bekleidungsstücke; Siebdruckarbeiten, Textilveredlung durch Siebdruckarbeiten"

sowie 3. die am 21. April 2005 angemeldete und am 18. Juli 2005 für die Waren und Dienstleistungen

"Garne und Fäden für textile Zwecke; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und -vertretung; persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen"

eingetragene Wortmarke 305 23 204 EASTSIDE STREETWEAR.

Die Widersprüche richten sich gegen alle Waren/Dienstleistungen der angegriffenen Marke und werden auf alle Waren/Dienstleistungen der Widerspruchsmarken gestützt.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche mit Beschluss vom 16. Juli 2007 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Eine Verkürzung der Marken auf den gemeinsamen Bestandteil "EASTSIDE" sei nicht zu befürchten, da dieser ein beschreibender Hinweis auf den Osten einer Stadt sei. Der rein beschreibende Bestandteil "EASTSIDE" entbehre jeglicher Kennzeichnungskraft und könne daher keine Verwechslungsgefahr begründen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er hält die Vergleichsmarken für verwechselbar, da sie jeweils von dem Bestandteil "EASTSIDE" geprägt würden. Hierzu stützt er sich u. a. auf von ihm erstrittene Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Patent- und Markenamts. Die Zusätze "Style" bei der angegriffenen Marke und "BERLIN" bzw. "STREETWEAR" bei den Widerspruchsmarken seien rein beschreibende Zusätze. Im Übrigen sei der Markeninhaber zum Zeitpunkt der Anmeldung seiner Marke bösgläubig gewesen, da ihm die mit den Widerspruchsmarken bedruckten Waren bekannt gewesen seien.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache eingelassen. Im Amtsverfahren hat er die Auffassung vertreten, die Vergleichsmarken seien nicht verwechselbar.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der Widersprüche aus den Marken 304 20 454 und 305 23 204 begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr unterliegen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Bezüglich des Widerspruchs aus der Marke 301 15 980 ist die Beschwerde wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

1. Auf den von dem Widersprechenden zur Begründung seiner Beschwerde erhobenen Vorwurf der Bösgläubigkeit des Markeninhabers kommt es nicht an, da es sich hierbei um ein im Widerspruchsverfahren unbeachtliches Vorbringen handelt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 42 Rdn. 44).

2. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabel/Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 (18 f.) - PICASSO; BGH GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 321, 322 - COHIBA).

Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken 304 20 454 und 305 23 204, nicht aber mit der Widerspruchsmarke 301 15 980.

a) Die Bekleidungsstücke der Klasse 25 sind in den Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarken 301 15 980 und 304 20 454 identisch enthalten. Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit besteht auch im Bereich der Klasse 40 zwischen den Dienstleistungen der jüngeren Marke "Zurichten von Materialien auf Bestellung (für Dritte), Offsetdruckarbeiten, Druckarbeiten, Aufdrucken von Mustern, Anfertigung von Bekleidungsstücken" und den für die Widerspruchsmarke 304 20 454 geschützten Dienstleistungen "Siebdruckarbeiten, Textilveredlung durch Siebdruckarbeiten". Die Werbungsdienstleistungen der jüngeren Marke in der Klasse 35 sind schließlich mit der zugunsten der Widerspruchsmarke 305 23 204 geschützten Dienstleistung "Werbung" identisch.

b) In ihrer Gesamtheit kommt den Widerspruchsmarken 304 20 454 und 305 23 204 durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Die aus den zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wörter "east" (= Osten), "side" (= Seite), "street" (= Straße) und "wear" (= Kleidung) zusammengesetzte Wortfolge werden die inländischen Verkehrskreise ohne weiteres im Sinne von "Ostseite Straßenkleidung" verstehen. Ein beschreibender Begriffsinhalt ist dieser Wortfolge in Bezug auf die zugunsten der Widerspruchsmarken 304 20 454 und 305 23 204 eingetragenen Waren und Dienstleistungen nicht zu entnehmen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Bekleidungsstücke der erstgenannten Widerspruchsmarke, da der Verkehr nicht ernsthaft erwarten wird, dass es für den Ostteil einer Stadt eine spezielle Straßenkleidung gibt.

Deutlich geschwächt ist dagegen die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 305 23 204 wegen ihres auch in ihrer Gesamtbedeutung beschreibenden Anklangs, nämlich dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen aus dem Ostteil von Berlin stammen.

c) Den danach erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke nur im Verhältnis zur Widerspruchsmarke 301 15 980, nicht aber zu den Widerspruchsmarken 304 20 454 und 305 23 204 ein. Schriftbildlich unterscheiden sich die Vergleichsmarken durch die auffällige graphische Ausgestaltung der angegriffenen Marke ausreichend voneinander.

In klanglicher Hinsicht ist dies nur in Bezug auf die Widerspruchsmarke 301 15 980 der Fall, weil aufgrund deren geschwächter Kennzeichnungskraft geringere Anforderungen an den Abstand zu stellen sind. Eine Verkürzung dieser Widerspruchsmarke auf den gemeinsamen Bestandteil "EASTSIDE" ist insbesondere wegen des gesamtbegrifflichen Charakters von "EASTSIDE BERLIN" nicht zu erwarten. Die Widerspruchsmarke wird in ihrer Gesamtheit als Hinweis auf den Ostteil von Berlin verstanden und auch so ausgesprochen.

Klanglich verwechselbar ist die jüngere Marke dagegen mit den Widerspruchsmarken 304 20 454 und 305 23 204, da diese Marken und die angegriffene Marke jeweils von dem gemeinsamen Bestandteil "EASTSIDE" geprägt werden. Bei einer Benennung der Marken wird der Verkehr die glatt beschreibenden weiteren Bestandteile "Limited, Style, STREETWEAR" weglassen, so dass sich letztlich klanglich identische Begriffe gegenüberstehen. Bei der Benennung der jüngeren Marke ist dies insbesondere auch deshalb zu erwarten, weil der Bestandteil "Eastside" deutlich größer geschrieben ist als die weiteren Bestandteile "Limited" und "Style".

Mithin war aufgrund der Widersprüche aus den Marken 304 20 454 und 305 23 204 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen. Ob daneben auch die Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der Vergleichsmarken besteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Dr. Albrecht Schwarz Kruppa Me






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2008
Az: 27 W (pat) 116/07


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