Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. Oktober 2010
Aktenzeichen: I-7 U 21/10

(OLG Hamm: Urteil v. 19.10.2010, Az.: I-7 U 21/10)

1. Zur Auslegung von Genussrechtsbedingungen

2. Zur Kündigung eines Vertrages über die Zeichnung vinkulierter Genussrechte

3. Zur Prospekthaftung

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.01.2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.296 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert von 7.560 € dem Kläger zu 83% und dem Beklagten zu 17% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter den Beklagten auf (restliche) Erfüllung eines mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Vertrages über die Gewährung von Genussrechtskapital in Form des ratenweisen Erwerbs vinkulierter Namensgenussrechte in Anspruch.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Vertragsschlusses unter Einbeziehung der Genussrechtsbedingungen, um die Wirksamkeit einer vom Beklagten vor Insolvenzverfahrenseröffnung ausgesprochenen Kündigung sowie um die Einschlägigkeit einer vertraglichen Regelung über die Zahlung einer Abgangsentschädigung.

In erster Instanz wurde die Klage in Anwendung der Abgangsentschädigungsregelung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache (nur) im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Aufgrund des zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten zustandegekommenen Vertrages über die Gewährung von Genussrechtskapital vom 09./21.09.2005 steht dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gemäß § 80 Abs. 1 InsO ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung iHv 1.296 € zur Insolvenzmasse zu. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

1.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihm gekommen.

In Form des von ihm unterzeichneten Zeichnungsscheins für Genussrechtskapital hat der Beklagte ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages abgegeben.

Die von dem Kläger zur Akte gereichte Kopie des Zeichnungsscheins ist vollständig ausgefüllt und trägt die erforderlichen Unterschriften. Soweit der Beklagte erstinstanzlich geltend gemacht hat, die erste Unterschrift unter der Erklärung über die Übernahme der "vinkulierten Namens-Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung" nach Maßgabe der Genussrechtsbedingungen und unter der Bestätigung über den Erhalt des Verkaufsprospektes sei gefälscht, stamme also nicht von ihm, hat er hierzu nach § 141 ZPO befragt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, er habe dem Berater U erlaubt, eine fehlende Unterschrift für ihn zu leisten. Damit hat er nach eigenem Bekunden den Berater U ermächtigt, die fehlende Unterschrift selbst zu ergänzen, so dass letzterer bei Unterzeichnung "unter fremdem Namen" mit Vertretungsmacht gehandelt und damit den Beklagten wirksam entsprechend § 164 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt-Ellenberger, § 164 RN 10) vertreten hat.

Mit Schreiben vom 23.12.2006 hat der Beklagte zwar bezogen auf den streitgegenständlichen Vertrag den Widerruf erklärt; dieser Widerruf ging jedoch ins Leere, da dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt wegen des Ablaufs der Widerrufsfrist kein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 355 BGB mehr zustand. Der Zeichnungsschein enthält nämlich deutlich abgesetzt und vom Beklagten gesondert unterzeichnet eine Widerrufsbelehrung, die die erforderlichen Angaben nach §§ 355, 357 BGB beinhaltet. Das hatte zur Folge, dass die Widerrufsfrist von 2 Wochen nach Unterzeichnung im September 2005 in Gang gesetzt wurde und somit im Dezember 2006 lange abgelaufen war.

Das somit wirksame Vertragsangebot des Beklagten hat die Insolvenzschuldnerin schriftlich angenommen.

Damit haben sich die Vertragsparteien auf die Übernahme von Genussrechtskapital durch den Beklagten gegen Gewinn- und Verlustbeteiligung durch die Insolvenzschuldnerin geeinigt.

Genussrechte sind nach der Rechtsprechung des BGH (so die "Klöckner-Entscheidung" = NJW 1993, 57 sowie auch NJW 2003, 3412, 3413) Dauerschuldverhältnisse eigener Art, die keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen.

Die aus diesem Dauerschuldverhältnis konkret geschuldete Gegenleistung der Insolvenzschuldnerin ist wegen des Verweises auf die genau bezeichneten Genussrechtsbedingungen hinreichend bestimmbar, was ausreicht (vgl. Palandt-Ellenberger, Einf v § 145 RN 3). Die zwischen den Parteien umstrittene Frage einer wirksamen Einbeziehung der Genussrechtsbedingungen bedarf damit keiner Entscheidung. Den Beklagten traf folglich aufgrund des wirksam zustandegekommenen Vertrages die Verpflichtung zum kontinuierlichen Erwerb der gezeichneten Genussrechte durch Zahlung der monatlichen Raten iHv 90 €.

2.

Die vom Beklagten unter dem 23.12.2006 ausgesprochene Kündigung führte nicht zum Untergang dieser Verpflichtung.

a.

Abgesehen davon, dass die Kündigung jedenfalls nur exnunc-Wirkung entfalten konnte, also die Verpflichtung zur Zahlung der streitgegenständlichen, zum Monatsletzten fällig gewordenen Rate für November 2006 jedenfalls unberührt ließ, fehlt es an dem erforderlichen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 BGB.

Auf die vom Beklagten ins Feld geführte Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der (späteren) Insolvenzschuldnerin und Emittentin lässt sich - unabhängig von der Frage, ob eine solche zum Kündigungszeitpunkt bereits vorlag oder sich zumindest abzeichnete - eine außerordentliche Kündigung deshalb nicht stützen, weil sich der Beklagte als Genussrechtszeichner gerade an den Chancen und Risiken des Unternehmens beteiligt hat (vgl. hierzu Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2 (2007), § 221 RN 37 mwN). Er hat nämlich ausdrücklich "Genussrechtskapital mit Gewinn- und Verlustbeteiligung" gezeichnet. Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnise der (späteren) Insolvenzschuldnerin ist vor diesem Hintergrund lediglich als Realisierung des vertraglich eingegangenen Risikos zu qualifizieren. Dass ein solches nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, bedarf keiner weiteren Vertiefung.

b.

Ein Recht zur ordentlichen Kündigung steht dem Beklagten nach der Konzeption des Vertrages nicht zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein ordentliches Kündigungsrecht eines Dauerschuldverhältnisses in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB nicht, soweit und solange es durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 117, 120, Tz. 42; NJW-RR 1993, 1460 unter II 2 sowie BGH, BeckRS 2009, 86578).

Ein solcher Ausschluss ergibt sich entweder - sofern die Genussrechtsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen wurden - explizit bis zum Ablauf der vereinbarten Laufzeit aus § 5 Nr. 1 der Genussrechtsbedingungen, jedenfalls aber aus der Tatsache, dass einerseits ausdrücklich 1080 Genussrechte gezeichnet und andererseits eine Laufzeit von 10 Jahren und 120 Monatsraten zur Aufbringung des gezeichneten Genusskapitals vereinbart wurden; denn beides lässt sich nur so in Einklang bringen, dass eine ordentliche Kündigung vor Ablauf von 10 Jahren, jedenfalls aber vor Einzahlung des gesamten Genusskapitals, an der es vorliegend fehlt, ausgeschlossen sein sollte. Hierfür spricht zudem der Charakter der Genussrechtsbeteiligung als auf Dauer angelegtes Mittel zur Kapitalbeschaffung (so Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2 (2007), § 221 RN 27, 37). Die Ehefrau des Beklagten hat die Laufzeitbindung ihren Bekundungen nach auch im Wesentlichen so verstanden. Sie hat erstinstanzlich ausgesagt, sie sei davon ausgegangen, dass das Geld für 10 Jahre fest angelegt werde. Der Beklagte selbst hat sich im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat ähnlich geäußert, nämlich dahingehend, den Vertrag als eine Art Bausparvertrag verstanden zu haben.

3.

Beendet wurde der Vertrag jedoch nach Maßgabe der spezifischen Vertragsregelung zur Abgangsentschädigung.

Sowohl auf dem Zeichnungsschein als auch in § 5 Nr. 4 der Genussrechtsbedingungen findet sich die Regelung einer Abgangsentschädigung für den Fall der vertragswidrigen Beendigung oder der Zahlungseinstellung durch den Genussrechtsinhaber. Dieser schuldet danach als Abgangsentschädigung das Agio sowie 12% der gezeichneten Nominaleinlage.

Fraglich und demgemäß zwischen den Prozessparteien umstritten ist der Charakter dieser Regelung, und zwar in dem Sinne, ob danach eine vertragswidrige Beendigung durch unberechtigte Kündigung und/oder (bloße) Zahlungseinstellung seitens des Genussrechtsinhabers eine automatische Vertragsbeendigung für die Zukunft unter Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung zur Folge hat (so der Beklagte) oder ob die Regelung lediglich eine zulässige Schadenspauschalierung beinhaltet (so der Kläger). Der Senat gibt aus folgenden rechtlichen Erwägungen der Rechtsauffassung des Beklagten im Ergebnis den Vorzug:

Unabhängig von der Stellung der Klausel in den Genussrechtsbedingungen und/oder auf dem Zeichnungsschein handelt es sich in jedem der beiden Fälle unzweifelhaft um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd § 305 Abs. 1 BGB (im Folgenden: AGB). Sie gilt gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB auch als von der Insolvenzschuldnerin gestellt.

Aus § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt sich, dass AGB für den Kunden verständlich sein müssen. Nur Regelungen, die dem Transparenzgebot entsprechen, werden daher überhaupt Vertragsinhalt (vgl. Palandt-Grüneberg, § 305 RN 41 mwN). Die Klausel muss also in ihrem Kernbereich klar und für einen Durchschnittskunden verständlich sein.

Die Regelung zur Abgangsentschädigung betrifft in ihrem Kernbereich erkennbar die Folgen vertragswidrigen Verhaltens seitens des Genussrechtzeichners. Unklar und auslegungsbedürftig ist sie allein hinsichtlich der Frage, ob sie selbständig als Rechtsfolge/Sanktion die automatische Vertragsbeendigung, den "Abgang" und eine Entschädigungszahlung anordnet oder ob sie eine bloße Schadenspauschalierung beinhaltet.

Ob damit ihr Kernbereich betroffen ist, bedarf letztlich keiner Entscheidung:

Bejaht man eine Kernbereichsbetroffenheit, ist die Klausel mangels Transparenz nicht Vertragsbestandteil geworden. Es gelten die allgemeinen Regeln der §§ 280 ff. BGB. Danach kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur nach erfolglosem Ablauf einer Nachfristsetzung erfolgen, die hier nicht vorliegt. Zudem wurde zu keinem Zeitpunkt von der Insolvenzschuldnerin oder dem Kläger Schadensersatz verlangt. Vielmehr wird Erfüllung begehrt.

Verneint man eine Kernbereichsbetroffenheit, ist der Anwendungsbereich der sog. Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB eröffnet. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders, hier also der Insolvenzschuldnerin und damit des Klägers.

Bei AGB gilt der Grundsatz objektiver Auslegung (vgl. Palandt-Grüneberg, § 305c RN 15 mwN). Danach sind AGB ausgehend von der Verständnismöglichkeit eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von einer verständigen und redlichen Vertragspartei unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (vgl. Palandt, aaO).

Für eine mögliche Auslegung iSe Vertragsbeendigung für die Zukunft spricht zunächst der Wortlaut "Abgangsentschädigung" bei Zahlungseinstellung statt Schadensersatz. Diese Formulierung lässt sich so verstehen, dass die vertragswidrige vorzeitige Lösung vom Vertrag den "Abgang" und die Verpflichtung zur Zahlung einer "Entschädigung" zur Folge hat.

Sind die Genussrechtsbedingungen wirksam einbezogen, wird eine solche Auslegung zusätzlich durch den Standort der Regelung in den Bedingungen, also in § 5 Nr. 4 gestützt. In § 5 werden nämlich zunächst in Nr. 1 und 2 die ordentliche Kündigung frühestens nach Ablauf der vereinbarten Mindestvertragslaufzeit von 10 Jahren mit 2jähriger Kündigungsfrist und in Nr. 3 die außerordentliche Kündigung (nur) aus wichtigem Grund geregelt. Das sind die Möglichkeiten einer vertragsgerechten Beendigung der Genussrechtsbeteiligung. In Nr. 4 folgt dann die "Abgangsentschädigungs"-Regelung bei vertragswidrigem Verhalten und in Nr. 5 die Modalitäten für die Rückzahlung des wirksam gekündigten Genussrechtskapitals. Nr. 4 lässt sich damit so verstehen, dass hierin die Folgen eines vertragswidrigen Verhaltens in Form der Einstellung der Kapitalzufuhr geregelt sind, und zwar im Hinblick auf die noch nicht erfüllten Verpflichtungen, sprich die noch vertraglich geschuldeten Ratenzahlungen, während Nr. 5 das Schicksal des eingezahlten Kapitals behandelt. Gestützt wird diese Auslegung zudem durch die Ausführungen im Verkaufsprospekt auf S. 38 unter "Vertragswidrige Auflösung", die fast wortgleich unter dieser Überschrift die "Abgangsentschädigungs-Regelung" wiederholen.

Für eine solche Auslegung spricht auch der Sinn und Zweck der Genussrechtsbeteiligung mit Eigenkapitalcharakter: Die Insolvenzschuldnerin wollte sich verlässlich kontinuierlich Kapital beschaffen und nicht Geld investieren, um Raten einzuklagen und das Kosten- und Durchsetzbarkeitsrisiko zu tragen. So heißt es im Verkaufsprospekt (S. 38), dass "großer Wert auf ein langfristiges und störungsfreies Beteiligungsverhältnis gelegt werde". Daher werde in "Härtefällen (u.a. bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse)" bei entsprechendem Nachweis eine Stundung der mtl. Ratenzahlungen gewährt (ebenso auch S. 41 unten).

Ein automatisches Ausscheiden des im Gegensatz dazu lediglich zahlungsunwilligen Genussrechtsberechtigten gegen Entschädigung entsprach vor diesem Hintergrund der Intention der Insolvenzschuldnerin. Es ermöglichte es zudem grundsätzlich, die Genussrechte anderweitig zu vergeben und so neue zahlungskräftige und -willige Genussrechtszeichner zu beteiligen, um das erwünschte und benötigte Kapital störungsfrei zu beschaffen. Hinzukommt, dass gegen die Auslegung als bloße Pauschalierung der Schadenshöhe spricht, dass sich in den Genussrechtsbedingungen keine Regelung zu den Rechten der Insolvenzschuldnerin bei Zahlungseinstellung oder unberechtigter Kündigung eines Ratenvertrages findet. Das ist nach objektiver Auslegung nur so zu verstehen, dass der Genussrechtsinhaber bei dem benannten vertragswidrigen Verhalten automatisch die Abgangsentschädigung schuldet.

Jedenfalls aber ist eine solche vom erstinstanzlich erkennenden Gericht zugrundegelegte und vom Beklagten geteilte Auslegung der Regelung ebenso rechtlich möglich und vertretbar wie eine Auslegung als Schadenspauschalierung, die die Vorgaben des § 309 Nr. 5 BGB beachtet, so dass die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Beklagten greift.

Das wiederum bedeutet, dass zunächst festzustellen ist, ob die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung als Anordnung des automatischen "Abgangs" der AGB-Kontrolle standhält. Dies ist zu verneinen, da wegen der Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der §§ 280 ff. BGB infolge des Verzichts auf den fruchtlosen Nachfristablauf eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt.

Die Klausel ist somit entweder nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden oder aber in Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.

Die Konsequenz daraus wäre, dass der Beklagte infolge der unberechtigten Kündigung und der Zahlungseinstellung nicht automatisch aus dem Vertrag ausgeschieden wäre. Er schuldete somit zwar keine Abgangsentschädigung, aber weiterhin Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung ab November 2006.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW-RR 1998, 594, 595; auch Palandt-Grüneberg, Vorb v § 307 RN 7 mwN) kann sich der Verwender jedoch nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen, wenn sie im Einzelfall den Kunden begünstigt.

Das ist vorliegend der Fall, da der Beklagte in Anwendung der Abgangsentschädigungsregelung weniger schuldet als bei Fortsetzung des Vertrages:

Bei Fortsetzung des Vertrages schuldete der Beklagte unzweifelhaft die Zahlung der monatlichen Raten bis zur Insolvenzeröffnung am 02.05.2008, also bis einschließlich April 2008, denn die Raten waren am letzten Werktag des Monats fällig. Das sind also jedenfalls die Raten von November 2006 - April 2008 und damit 1.620 €. In diesem Umfang erlitte der Beklagten einen Vermögensnachteil, da die Nachrangigkeit seiner Ansprüche im Insolvenzverfahren iSd § 39 InsO bereits rechtskräftig festgestellt wurde und die Insolvenzmasse nach den Erklärungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO im Senatstermin nur zur Befriedigung der vorrangigen Insolvenzgläubiger nach einer Quote von 10 - 12% ausreichen wird.

Nach der Regelung zur Abgangsentschädigung reduziert sich hingegen der Vermögensnachteil auf 1.296 €. Verwirkt wurde die Entschädigung durch die Zahlungseinstellung zu November 2006. Die im Lastschriftverfahren zunächst eingezogene Rate für November 2006 wurde nach Widerspruch des Beklagten nämlich am 14.12.2006 seinem Konto wieder gutgeschrieben.

Die Abgangsentschädigung setzt sich der Höhe nach zusammen aus dem Agio, das der Beklagte mit der 1. Einmalzahlung bereits beglichen hat, und aus 12% der gezeichneten Nominaleinlage. Das sind 1.296 € (= 12% von 10.800 €), was schon wertmäßig eine geringere wirtschaftliche Belastung im Verhältnis zur Weiterbedienung des Vertrages bedeutet. Entgegen den Ausführungen im Urteil erster Instanz kommt insoweit aber keine Verrechnung mit den bis einschließlich Oktober 2006 gezahlten Raten in Betracht; denn die Entschädigungsregelung bezieht sich ausschließlich auf die noch ausstehenden Raten, die vertragswidrig nicht mehr gezahlt werden. Die Entschädigung soll also "nur" oder gerade abgelten, dass der Vertrag zukünftig nicht weiter erfüllt wird.

Somit ist die Anwendung der Abgangsentschädigungsregelung für den Beklagten im konkreten Einzelfall günstiger. Seine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der streitgegenständlichen Raten besteht daher ab November 2006 nicht mehr. Da nach den Erörterungen im Senatstermin jedoch davon auszugehen ist, dass der Kläger hilfsweise sein Zahlungsbegehren auch auf die Abgangsentschädigungsregelung stützen will, war der Beklagte zur Zahlung der danach geschuldeten Entschädigung iHv 1.296 € zu verurteilen.

Die vertragswidrige Zahlungseinstellung erfolgte bereits ab November 2006 und somit vor Insolvenzeröffnung. Infolgedessen ist letztere nur insoweit von Bedeutung, als die Forderung der Insolvenzschuldnerin in die Masse gemäß § 35 InsO fällt und vom Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO eingefordert werden kann.

4.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist auch nicht gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen seitens des Beklagten untergegangen.

Soweit der Beklagte eine Falschberatung durch den Berater U behauptet, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass letzterer für die Insolvenzschuldnerin als Handelsmakler iSd § 93 HGB oder als Handelsvertreter iSd § 84 HGB oder als Erfüllungsgehilfe iSd § 278 BGB aufgetreten wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Berater U ausschließlich in Geschäftsbeziehungen zu dem Beklagten stand. Eine etwaige Falschberatung seitens des Beraters des Beklagten U verpflichtet die Insolvenzschuldnerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz.

In 2. Instanz hat der Beklagte zudem die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung, also wegen inhaltlicher Unrichtigkeit des Verkaufsprospektes, für den die Insolvenzschuldnerin im Prospekt ausdrücklich die Verantwortung übernommen hat, erklärt.

Da ein solcher Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder aber gemäß § 13 VerkaufsprospektG jedenfalls vor Insolvenzeröffnung entstanden ist, besteht zunächst kein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot gemäß § 96 InsO.

Der Beklagte hat aber die Haftungsvoraussetzungen nicht schlüssig dargelegt. Er macht lediglich geltend, im Prospekt werde nicht widerspruchsfrei über die Risiken aufgeklärt, da die Risiken durch Anpreisungen relativiert würden.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGH, BeckRS 2008, 4773 mwN). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens bzw. hier der Anlage vermittelt (vgl. BGH, NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (BGH, NZG 2007, 663).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist eine Fehlerhaftigkeit des Prospektes nicht dargetan; denn es wird an mehreren Stellen im Prospekt deutlich hervorgehoben und unmissverständlich auf das erhöhte Risiko der Anlage, das sich auch in einem Totalverlust realisieren könne, hingewiesen. Es finden sich diese Hinweise auf den Seiten 5, 6, 14, 16 f., 37, 39 und insbesondere explizit auf den Seiten 44 - 47 des Prospektes. Vor dem Hintergrund dieser an verschiedenen Stellen des Prospektes enthaltenen und sich damit wiederholenden, z.T. ausführlichen Risikohinweise ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass bzw. inwiefern die in dem Prospekt natürlich auch dargestellten möglichen positiven Aspekte einer Genussrechtszeichnung das damit verbundene Risiko dergestalt beschönigen, dass ein unrichtiges oder unvollständiges Gesamtbild der Investition gezeichnet wird.

II.

Der Anspruch auf Zinszahlung ist gerechtfertigt unter Verzugsgesichtspunkten in gesetzlicher Höhe ab dem 20.06.2008.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen. Die Voraussetzungen einer solchen Zulassung gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Es war lediglich über die Besonderheiten eines Einzelfalls zu entscheiden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ab; die vom Senat entschiedenen Rechtsfragen werden auch sonst in der Literatur nicht streitig erörtert. Der vorliegende Einzelfall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder eine entsprechende Leitentscheidung zu erlassen (vgl. dazu Zöller-Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 543 RN 11 ff.).






OLG Hamm:
Urteil v. 19.10.2010
Az: I-7 U 21/10


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