Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 32/99

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2000, Az.: 25 W (pat) 32/99)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung POLYSIL ist am 29. April 1996 für

"Zahnärztliche Füllmittel und Abdruckmaterialien"

in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 17. Juli 1985 für

"Zahnfüllmittel, insbesondere lichthärtendes Kunststoff-Füllmaterial für Zähne"

eingetragenen Marke 1 079 661 POLOFIL, deren Benutzung nicht bestritten ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat mit Beschluß vom 14. September 1998 durch einen Beamten des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen diesen Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Wegen der bestehenden Warenidentität, zumindest aber großen Warennähe, seien zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr insoweit hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Dieser Maßstab werde aber dadurch gemindert, daß in Anbetracht der beiderseitigen Waren vorrangig auf Fachleute, wie Zahnärzte, abzustellen sei. Neben der identischen Zahl der Silben und Buchstaben stimmten die Bezeichnungen in den Anfangslauten "POL-" sowie in der Endung "-IL" überein. Ein Unterschied bestehe nur in dem eher unbeachteten mittleren Teil durch die abweichenden Lautfolgen "YS"/"OF". Wegen der danach großen Übereinstimmung im klanglichen Gesamteindruck könne eine Verwechslungsgefahr nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, die sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag hat.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Beschwerdeverfahren hat sie sich ebenfalls nicht zur Sache geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Markenstelle hat auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch aus der älteren Marke hin zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG angeordnet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats wegen der Ähnlichkeit der Waren und der Ähnlichkeit der Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren nicht aufgeworfen sind, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Soweit danach die "Zahnfüllmittel, insbesondere lichthärtendes Kunstoff-Füllmaterial für Zähne" der Widerspruchsmarke auf Seiten der angegriffenen Marke den Waren "Zahnärztliche Füllmittel" gegenüberstehen, können sich die Marken auch auf identischen Produkten und im Hinblick auf die "... Abdruckmaterialien" wegen der Berührungspunkte hinsichtlich des Verwendungszwecks, der angesprochenen Fachkreise und der Herstellungsbetriebe auf im engen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren begegnen, was sich insgesamt verwechslungsfördernd auswirkt. In gewissem Umfang wird die Verwechslungsgefahr dadurch gemindert, daß sich diese Waren ausschließlich an Fachleute, nämlich an Zahnärzte und gegebenenfalls deren Hilfspersonal, richten. Denn diese Verkehrskreise sind aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit medizinischen und ärztlichen Zwecken dienenden Materialien und Erzeugnissen regelmäßig sehr sorgfältig und unterliegen deshalb Markenverwechslungen weniger als Endverbraucher.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Denn selbst wenn man in der Schlußsilbe "-FIL" einen Hinweis auf das englische Verb "to fill" (= füllen) und somit einen in Bezug auf die "Zahnfüllmittel" warenbeschreibenden Begriff sieht, ist sie durch die Verbindung mit dem vorangehenden Bestandteil "POLO- " als Gesamtwort hinreichend phantasievoll gebildet. Im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Indikation, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute eindeutig erkennen lassen, ist jedenfalls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung anzunehmen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände sind noch eher strenge Anforderungen an den zur Vermeidung der Kollisionsgefahr erforderlichen Markenabstand zu stellen, den die angegriffene Marke nicht einhält. Die sich gegenüberstehenden Marken sind nach Auffassung des Senats jedenfalls in klanglicher Hinsicht so stark angenähert, daß eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet und die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.

Der für die Beurteilung insoweit maßgebliche klangliche Gesamteindruck wird dadurch verwechselbar ähnlich gestaltet, daß die Marken "POLYSIL" und "POLOFIL" bei gleicher Sprechsilbenzahl und gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in dem Lautbestand "POL-SIL" bzw "POL-FIL fast identisch übereinstimmen, da die konsonantische Abweichung zu Beginn der Endsilben eher unauffällig ist. Sie haben damit den - ohnehin regelmäßig besonders beachteten (vgl BGH GRUR 1998, 924 "salvent/Salventerol"; GRUR 1995, 50 "Indorektal/Indohexal") - Wortanfang "POL-" und die Endbuchstaben "-IL" gemeinsam und weisen erheblich angenäherte Vokalfolgen ("O-Y-I" / "O-O-I") und Konsonantengerüste ("P-L-S-L" / "P-L-F-L") auf. Diese Übereinstimmungen treten im Klangeindruck noch dadurch besonders hervor, daß in beiden Bezeichnungen die Anfangs- und Endsilben betont gesprochen werden.

Angesichts dieser weitreichenden Gemeinsamkeiten vermag der isoliert betrachtet durchaus deutliche Klangunterschied zwischen den Lauten "Y" bzw "O" das Gesamtklangbild der Marken nicht hinreichend anders zu gestalten, zumal sich diese Abweichungen auf das regelmäßig weniger auffällige Wortinnere beschränken. Unter diesen Umständen kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob das "Y" in der angegriffenen Marke wie "ü" oder wie "i" gesprochen wird, da in beiden Fällen kein erheblicher Klangkontrast zur Widerspruchsmarke geschaffen wird. Berücksichtigt man schließlich, daß sich die Markenwörter regelmäßig nicht gleichzeitig gegenübertreten, so daß sich die Verkehrsauffassung meist nur aufgrund eines eher undeutlichen Erinnerungseindrucks bildet, kann eine klangliche Verwechslungsgefahr unter den hier vorliegenden Gesamtumständen nicht verneint werden.

In den Markenwörtern vorhandene Bedeutungsanklänge sind nicht derart ausgeprägt, daß sie angesichts der genannten weitreichenden klanglichen Übereinstimmungen ohne eine begriffliche Analyse rasch und unmittelbar im Sinne der "BALL/Bally"-Entscheidung des BGH (GRUR 1992, 130) erkannt würden und damit eine Unterscheidung der Marken in erheblichem Umfang erleichtern könnten. Zwar wird einem möglicherweise sogar überwiegenden Teil der angesprochenen Fachkreise das Element "POLY-" der angegriffenen Marke als der aus dem Griechischen stammende Wortteil im Sinne von griechisch: "mehr, vielfach" regelmäßig geläufig sein sowie die Endsilbe "-FIL" einen Hinweis auf den hier warenbeschreibenden englischen Begriff "to fill" (= füllen) vermitteln. Auch mag der Bestandteil "POLO-" der Widerspruchsmarke in Alleinstellung durchaus an das entsprechende Spiel (Polo-Spiel) bzw Kleidungsstück (Polo-Hemd) erinnern, wobei diesem Begriffsgehalt hier jedoch zum einen wegen der konkreten Einbindung in das ältere Markenwort und zum anderen wegen des offensichtlich fehlenden Bezugs zu dem vorliegenden Warengebiet kaum Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die hochgradige Ähnlichkeit der Gesamtklangbilder besteht jedenfalls schon ganz überwiegend die Gefahr, daß auch den Verkehrskreisen, denen diese Bedeutungsinhalte an sich bekannt sind, beim Verhören der jeweilige Sinnanklang überhaupt nicht oder aber der falsche Begriff zum Bewußtsein kommt.

Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob sich die Marken auch im Schriftbild verwechselbar nahe kommen.

Nach alledem war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Engels Brandt Pü






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Beschluss v. 02.03.2000
Az: 25 W (pat) 32/99


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