Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 2. Mai 1994
Aktenzeichen: 16 Wx 10/94

(OLG Köln: Beschluss v. 02.05.1994, Az.: 16 Wx 10/94)

Der Rechtsschutzversicherer, der für seinen Versicherungsnehmer Gerichts- und Anwaltskosten vorgestreckt hat, muß, wenn er sich den zu Gunsten des Versicherungsnehmers ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluß gem. § 727 ZPO umschreiben lassen will, seine Zahlungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen, soweit sie vom Gegner bestritten werden. Ein einfacher Banküberweisungsbeleg oder die einfache Quittung des Rechtsanwalts genügen nicht.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. vom 10. Dezember 1993 wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9. November 1993 - 1 T 499/93 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Gründe

Die weitere Beschwerde des früheren Verfahrenspfle- gers ist

statthaft, nachdem das Landgericht sie gem. § 10 Abs. 3 S. 5 BRAGO

zugelassen hat. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt. Die

Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 3. ergibt sich aus

seiner Antragsberechtigung (§ 10 Abs. 2 S. 2 BRAGO).

Das somit zulässige Rechtsmittel hat in der Sache insoweit

Erfolg, als es zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt.

Das Landgericht hat zutreffend die Voraussetzungen für eine

gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 10 BRAGO für

die anwaltliche Tätigkeit eines als Verfahrenspfleger im

Betreuungsverfahren bestellten Rechtsanwalts bejaht (vgl. hierzu

OLG Hamm, JurBüro 1994, 27 ff).

Die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde (§ 10 Abs. 3 S. 6

BRAGO) ermöglicht dem Senat nur die Óberprüfung einer

Ermessensausübung durch das Landgericht dahin, ob dieses keinen

oder einen rechtlich fehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes

zuwiderlaufenden Gebrauch von dem ihm eingeräumten Ermessen

gemacht oder von ungenügenden oder verfahrensfehlerhaft

zustandegekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder

wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl.

Keidel/Kuntze/Winkler, 13. Aufl., § 13 FGG Rz. 27).

Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung

nicht stand.

Dem Landgericht kann nicht darin zugestimmt werden, daß die

Wertberechnung auf der Grundlage des § 30 Abs. 2 S. 1 KostO oder

des § 30 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 KostO zu erfolgen habe.

Vielmehr bestimmt sich der Gegenstandswert gem. § 8 Abs. 1 S. 3

BRAGO nach Abs. 2 der Vorschrift. Die Geltung des § 8 Abs. 1 S. 1

BRAGO ist ausgeschlossen, weil es an einem für die

Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert fehlt.

Zwar wird für die Betreuung an sich nach § 92 Abs. 1 KostO eine

Jahresgebühr erhoben. Diese deckt aber die gesamte Tätigkeit des

Vormundschaftsgerichts im Rahmen des Betreuungsverfahrens ab, so

daß für die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers sowie

die Bestimmung seines Aufgabenkreises eine gesonderte Gebühr nicht

erhoben wird. Damit ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit

des Verfahrenspflegers - Mitwirkung in dem Verfahren auf

Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers und die Bestimmung

des Aufgabenkreises - nicht deckungsgleich mit der Tätigkeit des

Vormundschaftsgerichts, die durch die Jahresgebühr nach § 92 Abs.

1 KostO abgegolten wird. Eine Bestimmung des Wertes der

anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrenspflegers entsprechend der

Berechnung des Geschäftswertes für die nach § 92 Abs. 1 KostO zu

erhebende Gebühr verbietet sich im übrigen auch deswegen, weil der

Wertmaßstab der Vorschrift nur auf die Höhe etwa vorhandenen

Vermögens des Betroffenen abstellt und daher eine Óbertragung

dieses Wertan- satzes bei einem vermögenslosen Betroffenen zu einer

Herabsetzung des Wertes für die anwaltliche Tätigkeit auf 0 führen

müßte.

Der nach § 8 Abs. 2 BRAGO zu bestimmende Gegen- standswert ist,

da er sich nicht aus den in § 8 Abs. 2 S. 1 BRAGO genannten

Vorschriften ergibt und auch sonst nicht feststeht, gem. § 8 Abs. 2

S. 2 BRAGO nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung

genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei

nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf

6.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch

nicht unter 300,-- DM und nicht über 1.000.000,-- DM

anzunehmen.

Diese Bewertungsvorschrift ist zwar § 30 KostO nachgebildet;

anders als der in § 30 Abs. 2 S. 1 KostO genannte Betrag von

5.000,-- DM ist der Betrag von 6.000,-- DM jedoch kein Regelwert,

sondern nur ein Hilfswert für den Fall, daß eine in- dividuelle

Beurteilung nicht möglich ist (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, 11.

Aufl., § 8 BRAGO Rz. 23).

Das Verfahren über die Anordnung einer Betreuung ist jedenfalls

im vorliegenden Fall eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.

Bei der Abweichung von dem somit maßgebenden Ausgangswert von

6.000,-- DM entscheidet das den Wert festsetzende Gericht nach

Ermessen. Für die Entscheidung der Frage, ob hinreichender Anlaß

besteht, von dem Ausgangsbetrag nach unten oder oben bis zu den

gesetzlich vorgesehenen Grenzen abzuweichen, kommt es auf die

Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Sache, die

Interessen der Beteiligten und die Vermögenslage des Betroffenen an

(vgl. Bay- ObLG JurBüro 1988, 863, 864).

Die Begründung der angefochtenen Entscheidung läßt nicht

erkennen, daß das Landgericht unter Heranzie- hung der vorgenannten

Kriterien von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Der

Feststellung, daß sich aus dem gesamten Sachstand keine konkreten

tatsächlichen Hinweise für eine Abweichung vom "Regelfall" (und

damit für eine vom Regelstreitwert des § 30 Abs. 2 S. 1 KostO

abweichende Festsetzung) ergäben, ist nicht zu entnehmen, ob das

Landgericht die vorgenannten Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Die

von ihm angeführten allgemeinen Óberlegungen über die Beurteilung

der Verfahrenspflegschaft legen vielmehr die Vermutung nahe, daß

die Kammer eine individuelle Bewertung unter Berücksichtigung der

maßgeblichen Kriterien nicht vorgenommen hat.

Da somit nicht festgestellt werden kann, ob das Landgericht von

seinem Ermessen einen rechtlich einwandfreien Gebrauch gemacht

hat, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur

erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.






OLG Köln:
Beschluss v. 02.05.1994
Az: 16 Wx 10/94


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