Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 702/02

(BPatG: Beschluss v. 09.09.2004, Az.: 6 W (pat) 702/02)

Tenor

Das Patent wird mit den in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2004 als Hilfsantrag überreichten Patentansprüchen 1 - 7 sowie der Beschreibung und den Zeichnungen lt. Erteilung beschränkt aufrechterhalten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Gegen das Patent 37 45 136, das durch Teilung aus der Anmeldung P 37 21 712.7 entstanden ist und für das die Prioritäten der Anmeldungen P 36 22 697.1 vom 5. Juli 1986, P 36 33 870.2 vom 4. Oktober 1986 und P 36 42 679.2 vom 13. Dezember 1986 in Anspruch genommen worden sind, ist am 2. Mai 2001 von der Firma W... und von Herrn Dr.-Ing. R... Einspruch erhoben worden. Die Einsprüche werden auf die Behauptung gestützt, dass der erteilte Patentanspruch 1 sowie der nebengeordnete Patentanspruch 9 unzulässig erweitert worden und die Gegenstände dieser Ansprüche insbesondere im Hinblick auf die deutschen Offenlegungsschriften 34 30 457, 35 15 928 und 36 28 774 sowie die DE 35 05 069 C1 nicht patentfähig seien. Hierbei stehen nach Ansicht der Einsprechenden auch die ins Prioritätsintervall fallenden Druckschriften dem Streitpatent entgegen, da für das Streitpatent aus sachlichen Gründen nur die Priorität der Anmeldung P 36 42 679.2 vom 13. Dezember 1986 in Anspruch genommen werden könne. Zum weiteren Nachweis der mangelnden Patentfähigkeit haben die Einsprechenden in späteren Schriftsätzen noch auf die Entgegenhaltungen JP 59-89850, EP 0 170 950 A1 EP 0 212 041 A1, GB 2 168 784 A, DE 35 45 541 A1 und FR 2 518 203 hingewiesen.

Der Einsprechende hat mit Schreiben vom 22. Februar 2002 beantragt, dass der Einspruch durch den zuständigen Senat des Bundespatentgerichts entschieden werden soll. Weiter trägt der Einsprechende vor, die Teilungserklärung erschöpfe sich in einer unzulässigen Erweiterung, so dass sie ebenfalls als unzulässig anzusehen und das Patent somit zu widerrufen sei.

Die Patentinhaberin regt an, das Einspruchsverfahren auszusetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 147 PatG gemäß Art 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Für den Fall der Bejahung der Verfassungsmäßigkeit durch den Senat regt sie weiter an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Außerdem trägt die Patentinhaberin vor, der Einspruch des Einsprechenden Dr.-Ing. R... sei unzulässig. Gemäß § 59 Abs 1 PatG sei der Einspruch schriftlich zu erklären. Dies bedeute, dass eine eigenhändige Unterschrift erforderlich sei. Der Einspruch sei aber nur mit einem Unterschriftskürzel unterschrieben, bei dem lediglich die Buchstaben "M" und "t" zu erkennen seien, wobei in der Unterschriftszeile zwei Namen wiedergegeben seien und somit nicht deutlich werde, welchem Namen die als Unterschrift ohnehin unzulässige Paraffe zugeordnet sein solle.

Ansonsten ist sie der Ansicht, dass das Vorbringen der Einsprechenden aus sachlichen Gründen nicht zum Widerruf des Patents führen könne.

Der Einsprechende schließt sich der Anregung, die Verfassungsmäßigkeit des § 147 PatG überprüfen zu lassen, an. Die Auffassung der Patentinhaberin, der Einspruch sei nicht unterzeichnet gewesen, sei jedoch unzutreffend. Die Unterschrift umfasse ein "M" sowie ein integriertes "t" und ein weiteres "t" nebst Endbogen. Damit gehe sie deutlich über eine Paraffe hinaus. Sie zeuge vielmehr von dem erkennbaren Willen, dem Schriftsatz Schriftform zu verleihen. Unter der Unterschrift seien zwar in Maschinenschrift die beiden Namen "Dr. C..., M. R1..." angeordnet, die Unterschrift befinde sich aber nur über dem Teil "M. R1...". Das "M" und das erste "t" seien erkennbar Bestandteil des Vorna mens, während das vom Vornamen abgesetzte zweite "t" sowie der Endbogen dem Nachnamen zuzuordnen seien. Auch das Kürzel "RR" auf dem Schriftsatz als Bestandteil des Aktenzeichens "C00113/RR" der Vertreter des Einsprechenden weise auf den Nachnamen "R1..." (Anfangs- und Endbuchstabe) hin.

Die Einsprechende hat mit Schreiben vom 12. Mai 2004 den Einspruch zurückgenommen und ist somit am Verfahren nicht mehr beteiligt.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Ansprüchen 1 bis 8 (Hauptantrag), die den erteilten Ansprüchen 1 bis 8 entsprechen. Der Anspruch 1 lautet folgendermaßen:

"Zwei-Massen-Schwungrad, umfassend - eine zentrisch zu einer Drehachse an einer Welle einer Brennkraftmaschine befestigbare Primärmasse,

- eine relativ zur Primärmasse um die Drehachse drehbar gelagerte Sekundärmasse zur Befestigung einer Reibungskupplung,

- eine die Sekundärmasse drehelastisch mit der Primärmasse kuppelnde Torsionsdämpfereinrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass die Primärmasse (1003) zwei einen zumindest teilweise mit viskosem Medium gefüllten, Federn (1045) aufnehmenden Raum (1051) begrenzende Bauteile (1031, 1032) besitzt, und die Primärmasse (1003) weiterhin im Bereich ihres Außenumfangs einen axial vorstehenden, zentrischen Masseringansatz (1031a, 1032a) aufweist, der unter Heranziehung des brennkraftmaschinenseitigen Bauteils gebildet ist und in den die Sekundärmasse (1004) zumindest teilweise axial hineinreicht".

Als Hilfsantrag wurden die Patentansprüche 1 bis 7 vom 9. September 2004 vorgelegt, wobei der Anspruch 1 dieses Patentbegehrens folgenden Wortlaut hat:

"Zwei-Massen-Schwungrad, umfassend - eine zentrisch zu einer Drehachse an einer Welle einer Brennkraftmaschine befestigbare Primärmasse,

- eine relativ zur Primärmasse um die Drehachse drehbar gelagerte Sekundärmasse zur Befestigung einer Reibungskupplung,

- eine die Sekundärmasse drehelastisch mit der Primärmasse kuppelnde, zur Dämpfung von Drehschwingungen vorgesehene Torsionsdämpfereinrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass die Primärmasse (1003) zwei einen zumindest teilweise mit viskosem Medium gefüllten, Federn (1045) aufnehmenden ringförmigen Raum (1051) begrenzende Bauteile (1031, 1032) besitzt, und die beiden Bauteile der Primärmasse (1003) weiterhin im Bereich ihres Außenumfangs zentrische, axial in Richtung auf die Sekundärmasse vorstehende, einen Masseringansatz bildende axiale Erstreckungen (1031a, 1032a) aufweisen, in die die Sekundärmasse (1004) zumindest teilweise axial hineinragt".

Der Einsprechende ist der Ansicht, dass sowohl der erteilte Patentanspruch 1 als auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unzulässig erweitert worden sei. Auch im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag fehlten nach Ansicht der Einsprechenden ursprünglich zur Erfindung gehörige Merkmale, wie die praktisch geschlossene Ringkanalstruktur mit dem in den Ringkanal hineinragenden, für die hydraulische Dämpfung notwendigen Flanschkörper und die Verschweißung der beiden Bauteile der Primärmasse. Darüber hinaus wird es beim Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag als unzulässig angesehen, dass dieser gegenüber der erteilten Anspruchsfassung nicht mehr das Merkmal enthalte, wonach der Masseringansatz unter Heranziehung des brennkraftmaschinenseitigen Bauteils gebildet ist. Außerdem hat der Einsprechende vorgetragen, dass auch der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber der JP 59-89850 oder der DE 35 15 928 A1 nicht neu sei oder zumindest im Hinblick auf die DE 35 15 928 A1 bzw die DE 34 30 457 A1 und die GB 2 168 784 A nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8, (Hauptantrag), hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 7 (Hilfsantrag), jeweils nebst Beschreibung und Zeichnungen lt. Erteilung beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass bereits der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag zulässig und gegenüber dem genannten Stand der Technik auch patentfähig sei. Dabei bestreitet sie, dass die Prioritäten teilweise zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien und die DE 35 15 928 A1 einen vorveröffentlichten Stand der Technik bilde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Die Verfahrensbeteiligten halten § 147 Abs 3 Nr 2 PatG für verfassungswidrig. Danach entscheidet in Abweichung von § 61 Abs 1 S 1 PatG über den Einspruch nach § 59 PatG der Beschwerdesenat des Patentgerichts, wenn der Einspruch vor dem 1. Januar 2002 erhoben worden ist, ein Beteiligter dies bis zum 31. Dezember 2004 beantragt und die Patentabteilung eine Ladung zur mündlichen Anhörung oder die Entscheidung über den Einspruch innerhalb von zwei Monaten nach dem Zugang des Antrags auf patentgerichtliche Entscheidung noch nicht zugestellt hat.

Diese Voraussetzungen treffen hier zu.

Nach Art. 100 GG hat das Gericht das Einspruchsverfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wenn es § 147 Abs 3 Nr 2 PatG für verfassungswidrig hält. Dabei muss das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der Vorlagenorm überzeugt sein, bloße Zweifel genügen nicht (vgl BverfGE 1, 184 ff; 9, 237 ff; stRspr).

Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG überzeugt. Er hält es vielmehr für mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn das Patentgericht wegen der Unterlassung der beantragten Amtshandlung der Verwaltungsbehörde Deutsches Patent- und Markenamt angerufen werden kann. Ein Rechtsbehelf gegen ein Untätigbleiben des Amtes ist nämlich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. September 2001 im Gegensatz zu fast allen Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen gewesen. Allerdings sieht das am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Markengesetz in § 66 Abs 3 eine Durchgriffsbeschwerde für den Fall vor, dass nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlegung über die Erinnerung entschieden worden ist.

Auch der Bundesfinanzhof hat für seinen Zuständigkeitsbereich die "Untätigkeitsberufung" an das Finanzgericht unmittelbar aufgrund von Art 19 Abs 4 GG zugelassen.

Die Vereinbarkeit des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG mit dem Gleichheitsgrundsatz kann somit nicht verneint werden.

Zweifel hat der Senat allenfalls wegen des baldigen Auslaufens der in § 147 getroffenen Regelung. Diese Zweifel rechtfertigen aber die Annahme der Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Norm (noch) nicht.

Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs 4 GG erscheint mit nur einer Tatsacheninstanz gewahrt; allerdings (Hövelmann in Mitt 2002, 49 ff) nur unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Prüfung des Einspruchs durch das Bundespatentgericht nicht wie bisher um ein Verwaltungsverfahren, sondern um eine gerichtliche Überprüfung des Patents handelt.

Unter dieser Annahme liegt für den Senat auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung vor.

2. Auch die Teilungserklärung, die zur Anmeldung bzw im weiteren zum Patent 37 45 136 führte, kann nicht als unzulässig angesehen werden. Wie sich aus der "Sammelhefter"-Entscheidung des BGH (GRUR 2003, 47 ff.) ergibt, kann und muß der Gegenstand des in dem jeweiligen Verfahren erstrebten Patentschutzes erst am Ende des Erteilungsverfahrens und nicht schon bei Abgabe der Teilungserklärung feststehen.

3. Die Einsprüche sind zulässig. Dies gilt auch für den Einspruch des Herrn Dr.-Ing. R....

Die von der Patentinhaberin geltend gemachte Unzulässigkeit dieses Einspruchs infolge mangelnder eigenhändiger Unterschrift ist nach Auffassung des Senats schon deshalb nicht gegeben, weil sich die zweifellos über ein bloßes Namenszeichen hinausgehende, wenn auch weitgehend unleserliche Unterschrift des anwaltlichen Vertreters des Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz (und in allen folgenden Schriftsätzen) über dem maschinenschriftlichen "M. R1..." befindet und weil auch das Kürzel "RR" als Bestandteil des Aktenzeichens C00113/RR auf den Namen des Unterzeichners hinweist.

Lesbarkeit der Unterschrift ist ohnehin nicht erforderlich; es muss nur ein Schriftgebilde als gewollte Wiedergabe des vollen Namens wahrnehmbar sein (Schulte, PatG, 8.Aufl, vor § 34 Rdn 255). Selbst ein objektiv unzureichendes Gebilde gilt als ausreichende Unterschrift, wenn dieses längere Zeit nicht beanstandet wurde (Schulte aaO Rdn 260). Wie sich weiter u.a. aus der Entscheidung des 12. Senats des Bundespatentgerichts vom 19. Juli 1989 - 12 W (pat) 118/87 - (GRUR 1989, 908 f) ergibt, schließt selbst das vollständige Fehlen einer Unterschrift trotz Schriftlichkeitserfordernisses die Formgerechtigkeit nicht aus, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Rechtsmittelschreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt. Die oben genannten Umstände untermauern nach Auffassung des Senats sowohl die Ernsthaftigkeit der Einspruchserklärung als auch die Identifizierbarkeit des Urhebers.

4. Zum Hauptantrag Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht zulässig. Insbesondere ist das Merkmal, wonach die Primärmasse im Bereich ihres Außenumfanges einen axial vorstehenden, zentrischen Masseringansatz aufweist, den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung nicht zu entnehmen. Denn dort wird zur Figur 17 ausgeführt, dass die beiden Gehäusehälften an ihrem Außenumfang sich in Richtung des Schwungradelementes 1004 erstreckende Bereiche 1031a und 1032a in Form von axialen Erstreckungen oder Verlängerungen aufweisen und dass diese in einfacher Weise das Massenträgheitsmoment des Schwungradelementes 1003 erhöhen, ohne dass zusätzlicher radialer Bauraum erforderlich ist (vgl Sp 52 Zeilen 48 bis 59 der DE 37 21 712 A1). Danach wird die massenträgheitserhöhende Wirkung ausschließlich durch die Ausbildung der axialen Erstreckungen oder Verlängerungen der beiden Gehäusebauteile der Primärmasse erreicht und andere Ausführungsmöglichkeiten zur Bildung des Masseringansatzes sind ursprünglich nicht offenbart. Die axialen Erstreckungen der Bauteile der Primärmasse bilden ein zur Erfindung gehöriges Merkmal und sind somit unverzichtbar. Schon wegen des Fehlens dieses Merkmals ist der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in unzulässiger Weise erweitert worden.

5. Zum Hilfsantrag 5. a) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist zulässig. Die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ergeben sich aus der die Figur 17 betreffenden Beschreibung in Verbindung mit der Figur 17 und mit den auf sämtliche Ausführungsbeispiele zu beziehenden den Aufbau des Schwungrades betreffenden Angaben (vgl Sp 26 Z 49 bis 61 der DE 37 21 712 A1). Mit diesem Anspruch ist auch der im Zusammenhang mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angesprochene Offenbarungsmangel beseitigt worden, da die axialen Erstreckungen in den ursprünglich offenbarten Zusammenhängen im Anspruch angegeben werden und nunmehr den Masseringansatz bilden. Auch wenn der Begriff "Masseringansatz" den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen ist, geht dieser Ausdruck in Verbindung mit den axialen Erstreckungen und im Hinblick auf die in der Stammanmeldung beschriebene massenträgheitserhöhende Wirkung der axialen Erstreckungen nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Der Einwand des Einsprechenden, dass der Ringkanal mit praktisch geschlossenem kreisförmigen Querschnitt und einem hineinragenden abdichtenden Flanschkörper ein zur Erfindung gehörendes Merkmal darstelle (vgl Anspruch 1 der Stammanmeldung) und damit konkrete Angaben zur hydraulischen Dämpfung im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag fehlen, vermag nicht zu überzeugen. Die Figur 17 der Stammanmeldung zeigt zwar innerhalb des Ringraums eine solche Ausbildung des Ringkanals und des Flanschkörpers, doch ist für den Fachmann - einen Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungseinrichtungen insbesondere in Verbindung mit Schwungrädern von Kraftfahrzeugen - ohne weiteres erkennbar, dass diese Merkmale für die hier beanspruchte Ausführung nicht zwingend sind. Mit der Gestaltung des geschlossenen kreisförmigen Querschnittes des Ringkanals und einer kleinen Spaltbreite zwischen Ringkanalwandung und Flanschkörper soll eine hohe Drosselung bzw Dämpfung erreicht werden (vgl Sp 18 Z 65 bis Sp 19 Z 16). Die Durchlaßbreite zwischen Ringkanalwandung und dem Flanschkörper hat lediglich Einfluß auf die Stärke der Verwirbelung bzw Verdrängung des viskosen Mediums und somit auf das Dämpfungsmaß, dem jedoch im Zusammenhang mit der Ausbildung der ringraumbegrenzenden Bauteile der Primärmasse und des Masseringansatzes nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Schon aus diesen Gründen sind nähere Angaben zu einer geschlossenen Ringkanalstruktur und einem abdichtenden Flanschkörper nicht erforderlich.

Ebenso muß nach Überzeugung des Senats auch im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht angegeben sein, dass die axialen Erstreckungen an ihren freien Enden durch eine Verschweißung miteinander verbunden sind (vgl Sp 52 Zeilen 53 bis 56, Figur 17 der DE 37 21 712 A1). Auch wenn im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht ausdrücklich angesprochen wird, dass die beiden Bauteile miteinander verbunden sind, ergibt sich dies aus dem Erfordernis, dass die primärseitigen Bauteile grundsätzlich eine zusammenhängende und somit miteinander verbundene Einheit bilden müssen, und im weiteren durch den Umstand, dass die beiden Bauteile einen Aufnahmeraum für ein viskoses Medium begrenzen und die axialen Erstreckungen gemeinsam einen Masseringansatz bilden. Hieraus folgt, dass eine entsprechende Verbindung zwischen den beiden Bauteilen zu unterstellen ist. Weitere Angaben zu der Art der Verbindung und deren örtlicher Anordnung sind nach dem Verständnis des Fachmannes entbehrlich, da es sich hierbei um konstruktive Details handelt und zudem im Zusammenhang mit der Verbindung der Gehäusehälften auch auf die Möglichkeit der Schraubverbindung hingewiesen wird (vgl Anspruch 38).

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist auch gegenüber der erteilten Anspruchsfassung nicht unzulässig erweitert. Mit den hinzugekommenen Merkmalen, die insbesondere die weitere Konkretisierung des Masseringansatzes durch die Aufnahme der axialen Erstreckungen betreffen, ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weiter eingeschränkt worden. Das Vorbringen des Einsprechenden, dass eine unzulässige Erweiterung deswegen vorliege, weil im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag das im erteilten Anspruch 1 enthaltene Merkmal, wonach der Masseringansatz unter Heranziehung des brennkraftmaschinenseitigen Bauteils gebildet ist, weggelassen wurde, ist für den Senat aus sachlichen Gründen nicht nachvollziehbar. Nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag soll die Primärmasse zwei Bauteile aufweisen, die einen ringförmigen Raum begrenzen und deren axiale Erstreckungen den Masseringansatz bilden. Somit tragen beide Bauteile zur Ausbildung des Ringraumes und zugleich zur Bildung des Masseringansatzes bei, woraus sich zwangsläufig ergibt, dass der Masseringansatz unter Heranziehung des brennkraftmaschinenseitigen Bauteils gebildet wird. Das hier in Rede stehende Merkmal ist somit implizit im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthalten und kann deshalb die Zulässigkeit dieses Anspruchs nicht in Frage stellen.

Die Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 5 sowie 7 und 8 und sind ursprünglich aus der Beschreibung in Verbindung mit der Figur 17 herleitbar (vgl Sp 52 Z 15 bis Sp 13 Z 5 der DE 37 21 712 A1).

5. b) Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist gegenüber dem genannten Stand der Technik neu. Dies ist auch gegenüber der JP 59-89850 oder der DE 35 15 928 A1 der Fall, da bei den dortigen Ausführungen keine axialen Erstreckungen der Bauteile vorgesehen sind, die einen Masseringansatz im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag bilden. Die beiden Gehäusehälften bei der Ausführung nach Figur 2 der JP 59-89850 umschließen lediglich einen Ringraum und die überlappende Anordnung der axialen Abschnitte der Gehäusehälften sind aufgrund der dortigen Verschweißung ausschließlich in einem verbindungstechnischen Zusammenhang zu sehen. Dieser Verbindungsbereich stellt sich dem Fachmann somit nicht als Masseringansatz bzw als Maßnahme zur gezielten Erhöhung des Massenträgheitsmomentes dar und die Lehre nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist infolgedessen daraus nicht bekannt. In gleicher Weise ist auch die Ausführung nach Figur 4 und 5 der DE 35 15 928 A1 zu beurteilen, wobei als weitere Unterschiede hinzukommen, dass dort nicht beide axialen Abschnitte der Gehäusehälften in Richtung auf die Sekundärmasse vorstehend ausgeführt sind und die Sekundärmasse nicht zumindest teilweise in die axialen Abschnitte bzw Erstreckungen hineinragt.

Diese Merkmale sind auch bei der nachveröffentlichten EP 0 212 041 A1 (vgl Fig 3 oder der DE 36 28 774 A1 (Fig 1) nicht verwirklicht, so dass gegenüber diesen Ausführungen die Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag auf jeden Fall gegeben ist. Es kann somit dahinstehen, inwieweit die für das Streitpatent in Anspruch genommenen Prioritäten zu Recht bestehen und inwieweit die DE 36 28 774 A1 mit ihren zugehörigen Prioritäten eine Offenbarung mit älterem Zeitrang darstellt, die hier bei der Überprüfung der Neuheit zu berücksichtigen ist.

Die Ausführungen nach der DE 34 30 457 A1, DE 35 29 816 C2, DE 35 05 069 C1, DE 33 45 541 A1, EP 0 170 950 A1, GB 2 168 784 A, FR 2 518 203 und US 4 468 207 betreffen keine Dämpfereinrichtungen mit einem ringförmigen Raum, der zumindest teilweise mit viskosem Medium gefüllt ist und Federn aufnimmt. Die US-Patentschrift 4 565 273 und die DE 32 28 673 A1 sehen Dämpferkonstruktionen anderer Art vor, da dort die Dämpfungsmittel in die Reibscheibe integriert sind und der gattungsgemäße Aufbau des Zwei-Massen-Schwungrades bei diesen vorbekannten Ausführungen nicht realisiert ist.

5. c) Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag wird ein Zwei-Massen-Schwungrad ausgebildet, das eine Torsionsdämpfereinrichtung mit drehelastischen Mitteln umfasst und dessen Primärmasse in besonderer Weise ausgebildet ist. Dabei besitzt die Primärmasse zwei Bauteile, die zum einen einen ringförmigen Raum begrenzen, der zumindest teilweise mit viskosem Medium gefüllt ist und Federn aufnimmt, und die zum anderen im Bereich ihres Außenumfangs axiale Erstreckungen aufweisen, die axial in Richtung auf die Sekundärmasse vorstehen und einen Masseringansatz bilden und in die die Sekundärmasse zumindest teilweise axial hineinragt. Hierdurch wird ein Zwei-Massen-Schwungrad geschaffen, bei dem die beiden Bauteile der Primärmasse nicht nur eine Aufnahme für das viskose Medium und die Federn ermöglichen, sondern darüber hinaus einen Masseringansatz bilden, der in einfacher Weise das Massenträgheitsmoment erhöht, ohne dass zusätzlicher radialer Bauraum benötigt wird.

Zu einer solchen mehrfunktionalen Ausbildung der beiden Bauteile vermag die DE 35 15 928 A1 schon aus sachlichen Gründen keine Anregungen zu geben und auch in Verbindung mit dem vorveröffentlichten Stand der Technik wird der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht nahegelegt. Es bedarf somit keiner Entscheidung hinsichtlich der Frage, inwieweit die für das Streitpatent bzw den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag in Anspruch genommenen Prioritäten zu Recht bestehen und inwieweit die DE 35 15 928 A1 einen vorveröffentlichten Stand der Technik bildet.

Die DE 35 15 928 A1 (Figuren 4 und 5) offenbart ein Zwei-Massen-Schwungrad, bei dem zwei Bauteile (Dichtbleche 29, 30; 13, 14) auf der Primärseite einen ringförmigen Raum bilden, der mit viskosem Medium gefüllt ist und Federn aufnimmt. Weitergehende Merkmale sind jedoch dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Der in der Figur 4 der DE 35 15 928 A1 dargestellte Verbindungsbereich, in dem sich die beiden Gehäusehälften (Dichtbleche 29, 30) überlappen und miteinander verschweißt sind, verkörpert, wie auch schon zur Neuheit ausgeführt wurde, nicht den Gedanken der zusätzlichen Ausbildung einer Masse, die das Massenträgheitsmoment gezielt erhöht. Dies auch deswegen, weil bei dem dortigen Zwei-Massen-Schwungrad das Massenträgheitsmoment hauptsächlich durch ein eigenständiges primärseitig angeordnetes Schwungrad mit einem im äußeren Bereich erkennbaren Masseringansatz bestimmt wird und mit den beiden Gehäusehälften bzw Dichtblechen 29, 30 lediglich eine flüssigkeitsdichte Einheit ausgeführt werden soll (vgl Anspruch 1), bei der eine über die Gehäusestruktur hinausgehende Zusatzmasse nicht ersichtlich ist. Infolgedessen fehlen entscheidende Hinweise sowohl für den grundlegenden Gedanken der Ausbildung des Masseringansatzes als auch für die konstruktive Ausführung entsprechend den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.

Auch mit der zusätzlichen Kenntnis der GB 2 168 784 A wird der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht nahegelegt. Aus dieser Druckschrift ist es zwar bekannt, in Verbindung mit dem ersten Schwungradelement einen axial gerichteten Massering 73 (vgl Figuren 1, 2, S 2, Zeilen 47 bis 50) auszubilden, der die Sekundärmasse übergreift und der eine Erhöhung des Trägheitsmomentes bewirkt. Jedoch wird dieser Massering im Gegensatz zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nur von der axialen Erstreckung eines Bauteils der Primärmasse gebildet und darüber hinaus ist dort auch kein Ringraum ausgeführt, der von zwei Bauteilen der Primärmasse begrenzt wird und zumindest teilweise mit viskosem Medium gefüllt ist. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zusammenhänge werden durch diese Druckschrift wie auch durch die in gleicher Weise zu beurteilende DE 34 30 457 A1 (vgl Fig 7) keine gedanklichen Anstöße gegeben, die ringraumbegrenzenden Bauteile der DE 35 15 928 A1 mit axialen Erstreckungen zu gestalten und diese zur Bildung eines Masseringansatzes vorzusehen.

Die übrigen vorveröffentlichten Entgegenhaltungen JP 59-89850, EP 0 170 950 A1, DE 35 29 816 C2, DE 32 28 673 A1, DE 35 05 069 C1, DE 33 45 541 A1, US-Patentschriften 4 468 207 und 4 565 273 und FR 2 518 203 wurden zum Nachweis der mangelnden erfinderischen Tätigkeit von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen. Sie zeigen auch keine weitergehenden Merkmale als die zuvor abgehandelten Druckschriften und können weder für sich noch in Verbindung mit diesen zum Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag führen.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist somit bestandsfähig.

Die Patentansprüche 2 bis 7 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag und sind in Verbindung mit diesem Anspruch ebenfalls bestandsfähig.

6. Die Rechtsbeschwerde wird insbesondere deshalb zugelassen, weil der Senat die Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG nicht ohne jedweder Bedenken angenommen hat (§ 100 Abs 2 Nr 1 PatG).

Dr. Lischkefür den mittlerweile pensionierten Richter Heyne Dr. Lischke Schmidt-Kolb Sperling Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.09.2004
Az: 6 W (pat) 702/02


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