Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. Mai 2000
Aktenzeichen: 1 Ni 6/99

(BPatG: Urteil v. 23.05.2000, Az.: 1 Ni 6/99)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 308 856 wird für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil in gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 20.000,-- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 19. September 1988 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 308 856, das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 38 68 810 geführt wird (Streitpatent). Es sind die Prioritäten der deutschen Voranmeldungen DE 37 31 800 vom 22. September 1987, DE 37 32 792 vom 29. September 1987 und DE 37 33 671 vom 5. Oktober 1987 beansprucht.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Kühlen von Räumen und umfaßt sechs Patentansprüche, die in der Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut haben:

1. Verfahren zum Abführen von Wärme in einem Raum, wobei erwärmte Luft am oberen Teil eines Fallschachtes gekühlt wird und dann infolge der Änderung ihrer Wichte durch ihre Schwerkraft abwärts durch den Fallschacht turbulenzarm in den Raum strömt und sich dann im Raum, den Boden bedeckend, bis zu den Raumumfassungswänden hin ausbreitet.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die abgekühlte Luft am Ende des Fallschachtes in einen hohlen Boden umgelenkt wird und aus diesem durch Öffnungen austritt.

3. Verfahren nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß der durch Schwerkraft abwärts bewegten, abgekühlten Luft an beliebigen bodennahen Stellen ein oder mehrere durch einen Ventilator erzeugte Luftströme als Störluft zugeführt werden.

4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Störluft mit hoher Strömungsgeschwindigkeit zugeführt wird.

5. Verfahren nach Anspruch 3 und 4, dadurch gekennzeichnet, daß nur bei Anwesenheit von Personen im Raum Störluft zugeführt wird.

6. Verfahren nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die durch Schwerkraft abwärts bewegte Luft in Teilströme unterteilt wird.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und ergebe sich im übrigen für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

US-Patentschrift 522 448 (D1)

US-Patentschrift 1 643 892 (D2)

europäische Patentanmeldung 0 201 473 A2 (D3)

US-Patentschrift 1 329 350 (D4)

US-Patentschrift 222 122 (D5)

US-Patentschrift 1 525 845 (D6)

J. Thausing, Theorie und Praxis der Malzbereitung und Bierfabrikation, Leipzig, 1877, S. 546/547 (D7).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 308 856 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent eingeschränkt in dem Umfang, daß Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut erhält:

"Verfahren zum Abführen von Wärme aus einem zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Raum, wobei erwärmte Luft am oberen Teil eines Fallschachtes gekühlt wird und dann in Folge der Änderung ihrer Wichte durch ihre Schwerkraft abwärts durch den Fallschacht turbulenzarm unten in den Raum einquillt und sich dann im Raum, den Boden bedeckend, bis zu den Raumumfassungswänden hin ausbreitet."

Hilfsweise für den Fall, daß der Senat die Einleitung im Anspruch 3 des Streitpatents "Verfahren nach Anspruch 1 und 2" in dem Sinne versteht, daß die Merkmale dieser beiden Ansprüche 1 und 2 kumulativ gegeben sein müssen, verteidigt die Beklagte das Patent in der Fassung, daß im verteidigten Patentanspruch 1 nach den Worten "bis zu den Raumumfassungswänden hin ausbreitet" die Worte "und daß der durch Schwerkraft abwärts bewegten, abgekühlten Luft an beliebigen bodennahen Stellen ein oder mehrere durch einen Ventilator erzeugte Luftströme als Störluft zugeführt werden" eingefügt werden.

Im übrigen beantragt die Beklagte, die jeweils weitergehende Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, da die ausschließliche Lizenznehmerin der Beklagten, die A... GmbH, mit der Klägerin eine Nichtangriffs- abrede getroffen habe. Die Klägerin beziehe von der A... GmbH Wärmetauscher zur Verwendung nach dem streitpatentgemäßen Verfahren. Die Klägerin habe diese Geräte als zu teuer beanstandet und u.a. die vorliegende Nichtigkeitsklage angekündigt. Daraufhin sei auf einer Messe in Leipzig am 25. März 1999 zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Geschäftsführer der A... GmbH vereinbart worden, daß die Klägerin von ei- ner Nichtigkeitsklage absehe. Im Gegenzug habe die A... GmbH der Klägerin für eine bereits abgewickelte Lieferung von Wärmetauschern im Umfang von ... DM einen Preisnachlaß von ... DM gewährt. Diese Vereinbarung sei mit dem Schreiben gemäß Anlage B1 zum Schriftsatz vom 27. August 1999, auf die Bezug genommen wird, bestätigt worden.

Im übrigen tritt die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung für patentfähig.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, daß die im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt ermittelte US-Patentschrift 2 533 407 (D8) als weiterer Stand der Technik in Betracht zu ziehen ist. Diese Druckschrift war Gegenstand ausführlicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig.

Dem Bestätigungsschreiben der A... GmbH vom 29. März 1999 (Anlage B1 zum Schriftsatz vom 27. August 1999) kann eine Nichtangriffsverpflichtung der Klägerin im Hinblick auf das Streitpatent nicht entnommen werden. Mit der Formulierung "Wir gehen davon aus, daß Sie die Androhung der Nichtigkeitsklage gegen GRAVIvent¨ zurücknehmen werden" äußert die Lizenznehmerin der Beklagten ersichtlich nur eine entsprechende Erwartung.

Ob von der Klägerin, wie von der Beklagten vorgetragen, am 25. März 1999 eine weitergehende Verpflichtung übernommen wurde, im Hinblick auf einen Preisnachlaß von gut ... DM von Angriffen auf das Streitpatent Abstand zu neh- men, kann offenbleiben. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob sich die Beklagte auf eine solche Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer ausschließlichen Lizenznehmerin - etwa unter dem Gesichtspunkt eines echten Vertrages zugunsten Dritter - berufen könnte. Denn eine derartige Abrede wäre jedenfalls aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB - befaßt sich in seiner hier zur Anwendung kommenden, am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 mit der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Nichtangriffsabreden ausdrücklich nur in § 17 Abs 2 Nr 3 im Zusammenhang mit vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen in Patentlizenzverträgen. § 17 Abs 1 GWB verbietet ua Patentlizenzverträge, soweit darin dem Lizenznehmer Beschränkungen im Geschäftsverkehr auferlegt werden, die über den Inhalt des Patents hinausgehen. Nach § 17 Abs 2 Nr 3 GWB ist jedoch eine Bindung des Lizenznehmers, das lizenzierte Schutzrecht nicht anzugreifen, grundsätzlich zulässig. In § 17 Abs 4 GWB ist bestimmt, daß Patentlizenzverträge zusätzlich dem allgemeinen Kartellverbot des § 1 GWB unterliegen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Das kann zB bei gegenseitigen Nichtangriffsabreden der Fall sein (vgl Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl 1992, § 20 Rdnr 275; BKartA, Tätigkeitsbericht 1966, BT-Drs. V/1950, S 71). Darum geht es hier jedoch nicht. Die Klägerin ist nicht Lizenznehmerin an dem Streitpatent. Die behauptete Nichtangriffsabrede wurde im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Lieferung von Wärmetauschern getroffen, die zur Anwendung des streitpatentgemäßen Verfahrens dienten. Im Gegenzug sei der Klägerin, die diese Wärmetauscher als zu teuer empfunden habe, ein Preisnachlaß gewährt worden.

Auch die allgemeine Verbotsnorm für wettbewerbsbeschränkende Vertikalvereinbarungen in § 14 GWB ist schon deswegen nicht einschlägig, weil die Klägerin keine Verpflichtungen in bezug auf Vereinbarungen mit Dritten über die gelieferten Waren übernommen hat.

Eine (entgeltliche) Nichtangriffsverpflichtung zwischen dem Lizenznehmer an einem Patent und seinem gewerblichen Abnehmer unterfällt aber unmittelbar dem Kartellverbot des § 1 GWB. Danach sind ua Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen verboten und gemäß § 134 BGB nichtig, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Das ist hier der Fall.

Die Klägerin und die Lizenznehmerin der Beklagten stehen, wie sich aus dem beiderseitigen Parteivorbringen ergibt, auf dem Gebiet der Raumkühlung miteinander im Wettbewerb (vgl die Prospekte gemäß Anlagen B4 und B5 zum Schriftsatz vom 23. März 2000). Die behauptete (entgeltliche) Nichtangriffsabrede bezweckte eine Einschränkung des insoweit bestehenden Wettbewerbs.

Jedes Patent stellt kraft der ihm zukommenden Ausschließlichkeitswirkung (Art 64 Abs 1 EPÜ; § 9 PatG) ein wettbewerbsbeschränkendes Rechtsmonopol dar. Diese Wettbewerbsbeschränkung ist im Hinblick auf den mit ihr verbundenen, seinerseits wettbewerbsfördernden Leistungsanreiz nur dann und insoweit gerechtfertigt, als eine nach Maßgabe der Art 52 ff. EPÜ, §§ 3, 4 PatG patentfähige Erfindung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, so greift die Beseitigung des Patents im Wege der Nichtigkeitsklage als den freien Wettbewerb wiederherstellendes Korrektiv ein. Daher stellt es ohne weiteres eine Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn eine mögliche Nichtigkeitsklage vertraglich oder auf andere Weise ausgeschlossen wird. Im Fortbestand eines - möglicherweise - zu Unrecht erteilten Patents ist regelmäßig auch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung zu sehen. Anders mag es liegen, wenn die patentierte technische Lehre im Zeitpunkt der Nichtangriffsabrede technisch bereits überholt ist (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 558, 560 "Kaschierte Hartschaumplatten"). Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

B.

Die Klage ist auch in der Sache begründet.

I.

Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten allein noch verteidigte Fassung hinausgeht. Gegen die vorgenommene Beschränkung bestehen weder unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung noch unter dem der Schutzbereichserweiterung Bedenken.

Das Merkmal "in einem Raum" ist durch das Merkmal "aus einem zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Raum" ersetzt worden. Die Präposition "aus" ergibt sich sinngemäß daraus, daß es bei der Lehre des Streitpatents um das Abführen von Wärmelasten eines Raumes geht (Streitpatentschrift Sp 1 Zeilen 3 f.). Daß es sich bei dem betreffenden Raum um einen zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Raum handelt, ist zB in Sp 2 Zeilen 18 ff. und Sp 3 Zeilen 18 f. der Streitpatentschrift erwähnt.

Ferner wurde das Merkmal, daß die gekühlte Luft "in den Raum strömt" ersetzt durch das Merkmal "unten in den Raum einquillt". Diese Änderung ist durch Sp 2 Zeilen 1 ff., 48 f. der Streitpatentschrift gedeckt.

II.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Abführen von Wärmelasten eines Raumes. Nach den Angaben in der Beschreibung (Sp 1 Zeilen 5 ff.) sind verschiedene Verfahren entwickelt worden, von denen die meisten darauf beruhen, daß Luft in den Raum eingebracht wird, die eine geringere Temperatur als die im Raum vorhandene Temperatur hat. Diese bekannten Verfahren basierten darauf, daß die Luft maschinell gefördert und dem Raum an verschiedenen Stellen zugeführt werde. Eine maschinelle Förderung der Luft durch Ventilatoren mache bei diesen bekannten Verfahren einen erheblichen Teil des gesamten Energieverbrauchs aus.

Als Alternative hierzu sei, so schildert das Streitpatent weiter (Sp 1 Zeilen 20 ff.), vorgeschlagen worden, dem Raum Wärme durch Kühlung an im Raum befindlichen Oberflächen zu entziehen, dh mittels Wärmeaustauschs durch Strahlung und Eigenkonvektion. In den meisten Fällen scheitere dies aber daran, daß geeignete Oberflächen im Raum nicht zur Verfügung ständen bzw daß sich praktisch nur eine sehr geringe Temperaturdifferenz ermöglichen lasse.

Ferner sei ein Doppelbodensystem mit dem Plattenboden zugeordneten, zur Raumdecke reichenden Versorgungssäulen bekannt geworden, die unter dem Plattenboden Auslaßöffnungen und in ihrem Oberteil Öffnungen für Umluft aufwiesen sowie mit Frischluftkanälen verbindbar seien. Dabei werde die Luft aber nicht gekühlt, so daß sie sich nicht durch Schwerkraft abwärts bewege, sondern ein Gebläse hierfür benötigt werde (Sp 1 Zeilen 30 ff.).

2. Hiervon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, den Energieaustausch und die Bewegung der Luft ohne zusätzliche Gebläse (Sp 1 Zeilen 40-42) oder doch unter Einsatz von nur geringer Energie (vgl Sp 4 Zeilen 53 ff.) zu bewirken.

3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung eina) Verfahren zum Abführen von Wärme aus einem Raum;

a1) der Raum ist zum Aufenthalt von Menschen bestimmt;

b) wobei erwärmte Luft am oberen Teil eines Fallschachtes gekühlt wird;

c) die gekühlte Luft bewegt sich infolge der Änderung ihrer Wichte durch ihre Schwerkraft abwärts durch den Fallschacht;

d) die gekühlte Luft quillt 1) turbulenzarm 2) untenin den Raum ein;

e) sie breitet sich dann im Raum, den Boden bedeckend, bis zu den Raumumfassungswänden hin aus.

4. Soweit in Merkmal b) vorgesehen ist, daß die Luft "am oberen Teil eines Fallschachtes gekühlt wird", umfaßt dies mehrere Möglichkeiten. Es kann bedeuten, daß die Kühlung am oberen Einlaß oder oberhalb des Einlasses, in beiden Fällen unmittelbar dem Einlaß vorgelagert, oder auch im oberen Bereich des Fallschachtes, im letzteren Fall innerhalb desselben, erfolgt. Daß die Kühlstelle dem Einlaß unmittelbar vorgelagert sein kann, ergibt sich aus der nachfolgenden Formulierung in Patentanspruch 1: "und dann infolge der Änderung ihrer Wichte durch ihre Schwerkraft abwärts durch den Fallschacht ...". Daß die Kühlung auch im oberen Bereich - also innerhalb - des Fallschachtes erfolgen kann, ergibt sich aus der Beschreibung in Sp 4 Zeilen 21 f., wo von der "im Fallschacht abgekühlten" Luft die Rede ist.

III.

Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist nicht neu:

Aus der US 2 533 407 (D8) ist eine Einrichtung zum Kühlen von Räumen bekannt, deren übliche Betriebsweise sämtliche Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents umfaßt:

Es geht, wie sich aus Sp 1 Zeile 1 dieser Entgegenhaltung ergibt, ua um das Abführen von Wärme, und zwar aus einem zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Raum (Sp 1 Zeile 5; Merkmale a) und a1)). Es wird erwärmte Luft am bzw im oberen Teil eines Fallschachtes gekühlt, s Fig 3 (Merkmal b)). Der Fallschacht ist der linke - kleinere - Bereich des in der Figur 3 dargestellten Raumes. Dieser Fallschacht wird nach links von der Wand 23, nach rechts von der Abgrenzung 32, 21, 34, nach oben von der Decke 33 und nach unten vom Boden (ohne Bezugszeichen) begrenzt. Die Kühlung der Luft erfolgt durch Kontakt ua mit den Wärmetauschern 21, 28 (Sp 5 Zeilen 23 bis 33 und Zeilen 48 bis 53). Dies geschieht - auch - im oberen Bereich des Fallschachts. Die Luft strömt dann infolge der Änderung ihrer Wichte durch Schwerkraft abwärts (Sp 5 Zeilen 39 f iVm. Zeilen 53 f.; Merkmal c)) und quillt unten durch die verstellbare Jalousie 35 in den Raum ein (Merkmal d), d2)). Dies erfolgt je nach Dimensionierung des Fallschachts und der Temperatur von eintretender Luft und Oberflächentemperatur der Wärmetauscher ohne weiteres turbulenzarm (Merkmal d1)). Die Luft breitet sich dann im Raum aus. Da die Luft abgekühlt und somit schwerer ist (geänderte Wichte), geschieht dies in der Weise, daß sich die Luft - den Boden bedeckend - bis zu den Raumumfassungswänden hin ausbreitet (Merkmal e)).

Die Beklagte trägt vor, daß die Entgegenhaltung US 2 533 407 (D8) dem zuständigen Fachmann - einem Dipl.-Ing.(FH) auf dem Gebiet der Heizungs- und Klimatechnik - keinen Fallschacht, sondern nur einen abgetrennten Teil eines Raumes offenbare. Der Fachmann verbinde mit dem im Anspruch 1 des Streitpatents gebrauchten Begriff "Fallschacht" automatisch eine bestimmte Vorstellung der Dimensionierung, damit sich eine wirksame Strömung ausbilden könne.

Dieser Einwand kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Die Fig 3 der Entgegenhaltung D8 zeigt, daß ein kleinerer Teil des Raumes, enthaltend die Wärmetauscherrohre 28, als Bereich abgetrennt ist, in den die Luft durch die Öffnung 39 oben einströmt, s Sp 5 Zeilen 38 bis 48. Eine solche Einströmung setzt einen Druckgradienten voraus, der sich durch den ständigen Abzug der Luft aus dem Bereich oberhalb der Rohre 30, 24 nach unten ergibt: Aufgrund der Abkühlung der Luft durch Kontakt mit den Rohren 28 bildet sich in dem abgetrennten Bereich die nach unten gerichtete Luftströmung aus. Die Luft tritt unten durch die Jalousie aus; durch Verstellung der Jalousie kann die Stärke der Luftströmung entlang der Rohre 28 reguliert werden, s Sp 5 Zeilen 53 f. Angesichts der in der Schrift geschilderten Wirkungsweise und Funktion erkannte der Fachmann am Prioritätstag des Streitpatents in der räumlichen Umschließung der Wärmetauscherrohre ohne weiteres ein Gebilde, welches einen Fallschacht darstellt. Daß typische Abmessungen nicht aufgeführt und auch der schematischen Darstellung in der Fig 3 der Entgegenhaltung nicht entnehmbar sind, steht dem nicht entgegen. Auch im Streitpatent sind Abmessungen des Fallschachts nicht angegeben. Diese sind zutreffenderweise - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - in das Wissen des Fachmanns gestellt: Die Dimensionierung des Fallschachts ist in Anpassung an die räumlichen Gegebenheiten und die gewünschten Temperaturverhältnisse auszulegen.

IV.

Die Verfahren nach den Unteransprüchen 2 bis 6 mögen neu und gewerblich anwendbar sein. Sie beruhen jedoch jeweils nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

1. Gemäß Patentanspruch 2 soll die abgekühlte Luft am Ende des Fallschachtes in einen hohlen Boden umgelenkt werden und aus diesem durch Öffnungen austreten.

Wollte der Fachmann bei einem Verfahren nach der US 2 533 407 (D8) die Ausbreitung der Luft im Raum verbessern und an jeder gewünschten Stelle des Bodens eine besondere Kühlung erreichen, konnte er die US 522 448 (D1) in Betracht ziehen, die einen Kühlwagen betrifft. In diesem Kühlwagen wird die durch Kontakt mit dem Kühlmedium im Fallschacht C abgekühlte und unten am Ende des Fallschachtes austretende Luft im Betrieb in den hohlen Boden A', N gelenkt. Die Luft tritt aus diesem durch Öffnungen aus. Dadurch werden (s Seite 2 Zeilen 50 bis 75 dieser Entgegenhaltung), die Luftströme im ganzen Wageninneren verteilt und können zB in die Zwischenräume zwischen den auf dem Boden N ruhenden Gütern strömen. Es war für den Fachmann naheliegend, die aus D1 bekannte Maßnahme auf das Verfahren nach der US 2 533 407 (D8) zu übertragen, da auch in einem dem Aufenthalt von Menschen dienenden Raum auf dem Boden stehende Gegenstände oder Personen die Verteilung der zugeführten gekühlten Luft behindern können. Denn dem Fachmann ist klar, daß durch den Einsatz eines hohlen Bodens mit Öffnungen für den Luftaustritt die Kühlung zB zwischen auf dem Boden stehenden Möbeln erkennbar verbessert werden kann.

2. Nach Patentanspruch 3 sollen der durch Schwerkraft abwärts bewegten, abgekühlten Luft an beliebigen bodennahen Stellen ein oder mehrere durch einen Ventilator erzeugte Luftströme als Störluft zugeführt werden. Dies dient im bodennahen Bereich der Verwirbelung der Luft und damit der Verminderung der Temperaturdifferenzen. Nicht nur dem Fachmann ist die Maßnahme der Verwirbelung zur Verminderung von Temperaturdifferenzen bekannt, ebenso, daß dafür ein Ventilator eingesetzt werden kann.

Die vorstehende Maßnahme bietet sich dem Fachmann unabhängig davon an, ob ein normaler oder ein hohler Boden vorliegt, so daß Patentanspruch 3 in beiden Lesarten, nämlich "Verfahren nach Anspruch 1 mit 2" wie auch "Verfahren nach Anspruch 1 oder nach Anspruch 2" nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden kann.

3. Anspruch 4 betrifft eine Bemessung, die schon im Hinblick auf ihre unbestimmte Höhe keine Patentfähigkeit begründen kann.

4. Anspruch 5 hat eine selbstverständliche Maßnahme zum Inhalt: Zur Energieeinsparung erfolgen die Zufuhr von Störluft und damit der Betrieb eines (zusätzlichen) Ventilators nur dann, wenn dies nötig ist.

5. Die Unterteilung der durch Schwerkraft abwärts bewegten Luft in Teilströme nach Anspruch 6 ergibt sich zB aus der US 522 448 (D1), bei der die Luft in einem Teilstrom direkt in den Raum (Pfeil bei dem Bezugszeichen C2) und in einem weiteren Teilstrom in den hohlen Boden eintritt. Die Übertragung dieser Maßnahme auf das Verfahren nach der US 2 533 407 (D8) bot sich dem Fachmann an, wenn er die abgekühlte Luft widerstandsarm in den bodennahen Bereich einführen und gut verteilen wollte (vgl D1, Sp 1 Zeilen 42 ff. und Sp 4 Zeilen 59 ff.).

V.

Auf den hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1 ist nicht weiter einzugehen.

Es kann offenbleiben, ob der Oberbegriff des Patentanspruchs 3: "Verfahren nach Anspruch 1 und 2" kumulativ in dem Sinne zu verstehen ist, daß sowohl die Merkmale des Patentanspruchs 1 als auch des Patentanspruchs 2 vorliegen müssen, oder alternativ dahingehend, daß es genügt, wenn die Merkmale des Patentanspruchs 1 vorliegen. Wie oben IV.2. ausgeführt, beruht Patentanspruch 3 weder in der einen noch in der anderen Lesart auf erfinderischer Tätigkeit.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 Satz 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 23.05.2000
Az: 1 Ni 6/99


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