Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2010
Aktenzeichen: 30 W (pat) 51/06

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2010, Az.: 30 W (pat) 51/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Juni 2003 und vom 22. Dezember 2005 aufgehoben, soweit darin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 44 296 wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT wird insgesamt zurückgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Juni 2003 und vom 22. Dezember 2005 wirkungslos sind, soweit darin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 44 296 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 117 858 Abbolipid angeordnet worden ist.

Gründe

I.

Am 16. September 1997 angemeldet, am 6. November 1997 unter der Nummer 397 44 296 in das Markenregister eingetragen und am 10. Dezember 1997 veröffentlicht worden ist die Bezeichnung ABO PHARMA.

Nach Teilverzicht und Teillöschung im Erinnerungsverfahren lautet das Warenverzeichnis:

"Präparate für die Gesundheitspflege, insbesondere Kräuterund Naturheilerzeugnisse, einschließlich Einzelkräutern und Kräuterpräparaten in getrockneter, pulverisierter und flüssiger Form, Kräutertropfen, flüssige Gesundheitspflege-Spezialitäten wie Tonika, Elexiere, Erkältungspräparate, Arzneisalben und Vaseline, Tinkturen, Einreibeund Massagemittel, Kräutertees, Getränke für Gesundheitspflegezwecke, insbesondere naturreine Pflanzenund Kräutersäfte, Vitaminpräparate; Kräutersalze; Babykost, Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Körperund Schönheitspflege, nämlich kosmetische Badezusätze; kosmetische Präparate, nämlich Präparate der präparativen und pflegenden Kosmetik, einschließlich Kräuterpräparate, Vitamincremes und -ölen; ätherische Öle; Nahrungsund Genussmittel des allgemeinen Verzehrs, nämlich Tees, Teemischungen und Teezubereitungen, einschließlich (nichtmedizinischer) Kräuterund Früchtetees, für die menschliche Ernährung zubereitete(s) Getreide und Getreidepräparate, einschließlich Haferund anderen Getreideflocken; Speiseund Kräutersalz; die vorgenannten Nahrungsund Genussmittel auch zu nichtmedizinischen diätetischen Zwecken; Salatsaucen; Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Konserven; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken".

Gegen die Eintragung ist u. a. am 9. März 1998 Widerspruch aus der am 1. April 1996 angemeldeten und am 8. April 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT erhoben worden.

Deren Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet:

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche und landwirtschaftliche Zwecke. Shampoos, ätherische Öle, Cremes und Lotionen. Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Ungeziefervertilgungsmittel; Fungizide, Herbizide; chemische Reagenzien für die medizinische Diagnose und Analyse. Wissenschaftliche, Messund Rettungsapparate und -instrumente; Computersoftware, Datenverarbeitungsgeräte und Computer. Chirurgische, ärztliche und tierärztliche Instrumente und Apparate; automatische elektronische Instrumente für die medizinische Diagnose und Analyse. Druckereierzeugnisse; Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate). Milch und Milchprodukte. Getreideprodukte. Getreide.

Mineralwasser und mit Kohlensäure angereichertes Wasser in Präparaten für Getränke für die Gesundheitspflege von Kindern, ausgenommen alkoholische Getränke. Reparatur von Ausrüstungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge. Erziehung und Ausbildung auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge. Dienstleistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge."

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts hat durch Erstbeschluss auf der Grundlage des seinerzeit maßgeblichen Warenverzeichnisses der jüngeren Marke und beim Warenvergleich ausgehend von der Registerlage wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke die teilweise Löschung der angegriffenen Marke -ausgenommen nur die Waren "Salatsaucen; Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren; Eier, Speiseöle und -fette; Konserven" -angeordnet und im Übrigen diesen Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass im Umfang der Löschungsanordnung angesichts identischer bzw. eng ähnlicher Waren, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft dieser Widerspruchsmarke und der Prägung der jüngeren Marke durch das Wort ABO der Abstand der Markenwörter zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr nicht ausreiche.

Die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist hinsichtlich dieses Widerspruchs erfolglos geblieben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 12. Juni 2007 die Benutzung dieser Widerspruchsmarke bestritten; die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt. Die Nichtbenutzungseinrede ist aufrecht erhalten worden. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit näheren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung insbesondere die Auffassung vertreten, dass eine markenmäßige Benutzung der Gemeinschaftsmarke ABBOTT nicht glaubhaft gemacht sei; sie meint darüber hinaus, dass Verwechslungsgefahr schon wegen des in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteils "Pharma" ausscheide.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben, soweit darin die Löschung der angegriffenen Marke auf Grund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT angeordnet worden ist, und diesen Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält mit umfangreichen Ausführungen die Benutzung für glaubhaft gemacht und Verwechslungsgefahr für gegeben. Sie hat eine gesteigerte Kennzeichnungskraft geltend gemacht.

Die Widersprechende hatte zunächst auch Widerspruch aus der Marke 1 117 858 Abbolipid eingelegt. Wegen dieses Widerspruchs hat die Markenstelle wegen Verwechslungsgefahr im Erstbeschluss die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und durch Erinnerungsbeschluss die Löschungsanordnung teilweise aufrechterhalten. Im Beschwerdeverfahren hat die Widersprechende den Widerspruch aus der Marke 1 117 858 Abbolipid zurückgenommen. Eine nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelegte Anschlussbeschwerde hat die Widersprechende auf den teilweise zurückgewiesenen Widerspruch aus der Marke Abbolipid gestützt.

Über das Vermögen der Inhaberin der angegriffenen Marke ist im Verlauf des Beschwerdeverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 30. April 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und Dr. Dr. S... zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Insolvenzverwalter hat das Verfahren aufgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Inhaberin der angegriffenen Marke.

Nachdem der Insolvenzverwalter das Verfahren aufgenommen hat, ist die Unterbrechung des Verfahren beendet. Das Verfahren kann fortgesetzt werden.

2.

Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke und der Gemeinschaftsmarke 40 535 ABBOTT besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG. Die von der Markenstelle aufgrund dieses Widerspruchs angeordnete teilweise Löschung der angegriffenen Marke ist daher aufzuheben und der Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und -davon abhängig -der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung z. B. EuGH GRUR 2006, 237, 238 Nr. 18 f. -PICASSO; BGH WRP 2006, 92, 93 Nr. 12 -coccodrillo).

Die Inhaberin der angegriffenen Marke, deren Eintragung am 10. Dezember 1997 veröffentlicht wurde, hat mit Schriftsatz vom 12. Juni 2007 in zulässiger Weise die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, die am 8. April 1999 eingetragen wurde, nach § 43 Abs. 1 Satz 2 bestritten, so dass bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nur die Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, für die die Widersprechende eine Benutzung im Zeitraum Winter 2009/2010 bis Winter 2004/2005 glaubhaft gemacht hat (§ 125 b Nr. 4, § 43 Abs. 1 MarkenG). Weil es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Gemeinschaftsmarke handelt, tritt nach § 125 b Nr. 4 MarkenG an die Stelle der Benutzung der Marke gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 15 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke. Danach muss die Marke "in der Gemeinschaft" ernsthaft benutzt worden sein. Dass dabei die Benutzung auch in nur einem Mitgliedstaat ausreicht, unterstellt der Senat zu Gunsten der Widersprechenden (vgl. dazu Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl. § 125 b Rdn. 14; zur Bekanntheit vgl. EuGH MarkenR 2009, 506 ff. -PAGO/Tirolmilch). Eine Marke wird dann ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion -die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren -benutzt wird (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 427 Nr. 36 -Ansul/Ajax; BGH GRUR 1996, 267, 268 -AQUA; GRUR 2005, 1047, 1049 -OTTO). Nach einhelliger Auffassung liegt keine Benutzung i. S. d. Benutzungszwangs vor, wenn die Marke ausschließlich firmenmäßig -d. h. als Unternehmenskennzeichnung, nicht als Unterscheidungszeichen für die konkreten Produkte -verwendet wird und damit keinen Bezug zu einer bestimmten Ware (bzw. Dienstleistung) aufweist.

Den von der Widersprechenden eingereichten umfangreichen Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Widerspruchsmarke, die der Name ihres Unternehmens ist, in der BRD in erster Linie in Verbindung mit weiteren Marken verwendet wird, die den eigentlichen Produktnamen bilden und als Marke herausgestellt sind; dabei erscheint es fraglich, ob die Widerspruchsmarke ABBOTT noch so herausgestellt eingesetzt ist, dass sie als selbständiger betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird (Ströbele/Hacker a. a. O. § 26 Rdn. 14 f.); in der Gesamtgestaltung der vorgelegten Verwendungsbeispiele spricht die Verwendung der Firmenbezeichnung ABBOTT eher dafür, dass sie als Unternehmenskennzeichnung, nicht aber (zugleich) auch als Marke für die konkreten Produkte/Dienstleistungen eingesetzt erscheint (vgl. BGH GRUR 2003, 428, 430 -BIG BERTHA).

Doch selbst wenn man die Fragen der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke unberücksichtigt lassen und zu Gunsten der Widersprechenden unterstellen würde, dass die Widersprechende für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen die Widerspruchsmarke funktionsgemäß benutzt hätte, besteht keine Verwechslungsgefahr, selbst soweit sich die Zeichen im für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Umfang teils auf identischen und eng ähnlichen Waren begegnen könnten.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte von Haus aus als durchschnittlich einzustufen. Die Widerspruchsmarke ist zwar fast identisch mit dem englischen Wort "abbot", das im Deutschen "Abt" bedeutet (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl.

S. 803); hieraus lässt sich aber keine Schwächung wegen beschreibender Bedeutung herleiten. Die geltend gemachte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft kann der Widerspruchsmarke nicht zuerkannt werden. Es fehlt an einer ausreichenden Darlegung von Tatsachen. Wie den Ausführungen der Widersprechenden zu entnehmen ist, beziehen sich die Angaben zu Umsätzen auf die Verwendung der Widerspruchsmarke in Verbindung mit unterschiedlichsten Produktbezeichnungen; abgesehen von der Frage, ob ABBOTT als Herkunftszeichen aufgefasst wird, kann eine Marke gesteigerte Verkehrsbekanntheit zwar auch dadurch erlangt haben, dass sie lediglich als Teil einer anderen Marke oder Gesamtbezeichnung benutzt worden ist. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass sich in solchen Fällen Darlegungen zum Marktanteil, zu Umsätzen, zu Werbeaufwendungen etc. naturgemäß nur auf die benutzte Gesamtbezeichnung beziehen können und insoweit nur sehr eingeschränkte Aussagekraft haben. In diesem Fall ist es daher unerlässlich, die behauptete Verkehrsbekanntheit durch eine methodisch korrekt durchgeführte demoskopische Untersuchung zu untermauern (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 115 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

Auch wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand insgesamt strenge Anforderungen gestellt werden, ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht einen ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Der Senat berücksichtigt dabei, dass bei den vorliegenden Produkten allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, wobei davon auszugehen ist, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH MarkenR 2000, 140 -ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li. Spalte -ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. -Lloyd/Loint's); was die die Gesundheit betreffenden Waren anbetrifft, ist davon auszugehen, dass der Verkehr insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 -Indorektal/Indohexal).

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hackera. a. O. § 9 Rdn. 273 m. w. N.). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs(Sinn-)Gehalt zu ermitteln.

Bei Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit unterscheiden sie sich durch den in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteil "PHARMA" in jeder Beziehung so erheblich, dass nicht mit Verwechslungen zu rechnen ist.

Der Senat geht vorliegend davon aus, dass der Markenbestandteil PHARMA der jüngeren Marke als gebräuchliche Kurzform für das Wort "Pharma-Industrie" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. S. 1136) als Herstellerangabe die jüngere Marke allein durch das Wort ABO geprägt wird. Aber auch wenn sich für den Markenvergleich ABO und ABBOTT gegenüberstehen, besteht keine Verwechslungsgefahr.

Zwar enthält die angegriffene Marke rein formal betrachtet die Vokale "A" und "O" sowie den Konsonanten "B" der Widerspruchsmarke. Das allein ist zur Begründung einer Verwechslungsgefahr aber nicht ausreichend. Von Bedeutung ist demgegenüber zunächst, dass die Vergleichsmarken ABO und ABBOTT sich in den Wortlängen unterscheiden: mit sechs Buchstaben ist die Widerspruchsmarke doppelt so lang wie die aus nur drei Buchstaben bestehende angegriffene Marke. Dies kommt auch klanglich deutlich zum Tragen. Denn die Verdoppelung der Konsonanten "B" und "T", die in der jüngeren Marke keine Entsprechung hat, führt zu einer deutlich abweichenden Aussprache der Konsonanten "B", des Vokals "O" sowie der Endkonsonanten "TT" der Widerspruchsmarke insgesamt. Während ABO einheitlich, weichfließend und gedehnt ausgesprochen wird wie "Ahboh", ergibt einerseits die Verdoppelung des Konsonanten "T" eine kurze, geschlossene Aussprache des Vokals "O" sowie eine deutliche, klangstarke und unüberhörbare Aussprache der Konsonanten "T", wie zum Beispiel in Wörtern wie "Abgott, Trott", im Gegensatz zur Aussprache bei einfachem Endkonsonanten, wie zum Beispiel in Worten wie "Angebot, Not, Lot". Weiter hinzu kommt eine kurze Aussprache des Anfangsvokals "A", wie in dem Wort "ab"; dies gilt auch dann, wenn die Aussprache einheitlich ohne Silbengliederung "AB-BOTT" erfolgt -wie in dem Wort "Abbitte", was einen zusätzlichen markanten Unterschied ergibt, wenn Teile der Verkehrskreise einer solchen Aussprache zuneigen.

Dies führt zu einem deutlich abweichenden klanglichen Gesamteindruck, so dass auch bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder undeutlicherer Artikulation eine sichere Unterscheidung der Wörter gewährleistet ist, zumal es sich um kürzere Wörter handelt, bei denen Abweichungen mehr auffallen als bei langen Wörtern. Hinzu kommt, dass die angegriffene Marke in dem Bestandteil ABO als allgemein gebräuchliche Kurzform des Wortes "Abonnement" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. S. 92) einen ohne weiteres erkennbaren Begriffsgehalt aufweist, was weiter zur Unterscheidbarkeit beiträgt (Ströbele/Hackera. a. O. § 9 Rdn. 214 m. w. N.). Denn bildliche oder klangliche Unterschiede werden vom Leser oder Hörer so wesentlich schneller und besser erfasst, so dass es gar nicht zu Verwechslungen kommt Eines besonderen Bezugs des betreffenden Begriffs zu den einschlägigen Waren bedarf es insoweit nicht (vgl. BGH Urteil vom 29.7.2009 -I ZR 102/07 -AIDA/AIDU, jetzt veröffentlicht in GRUR 2010, 235 ff.; BGH GRUR 1992, 130, 132 -Bally/BALL). Der Begriffsanklang bleibt auch in der Zusammenstellung mit dem Wort PHARMA erhalten.

Im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen so deutlichen Abstand ein, der eine Unterscheidbarkeit der Marken gewährleistet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht.

In begrifflicher Hinsicht sind keine Übereinstimmungen erkennbar. Andere Arten der Verwechslungsgefahr sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke hat daher Erfolg.

3. Widerspruch aus der Marke 1 117 858 Abbolipid Mit Beschluss vom 19. Juni 2003 hat die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 44 296 u. a. wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 117 858 Abbolipid angeordnet. Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist diese Löschungsanordnung durch Beschluss vom 22. Dezember 2005 teilweise bestätigt worden. Gegen diese Entscheidung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke formund fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die aus der Marke 1 117 858 Widersprechende hat ihren Widerspruch im Beschwerdeverfahren zurückgenommen.

Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 ZPO ist auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss insoweit wirkungslos ist (vgl. BGH Mitt. 1998, 264 -Puma). Dieser Ausspruch erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und in Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen (vgl. dazu BPatGE 43, 96).

4. Die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden Die nach Ablauf der Beschwerdefrist in Bezug auf den Widerspruch aus der Marke 1 117 858 Abbolipid eingelegte unselbständige Anschlussbeschwerde der Widersprechenden war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 567 Abs. 3 ZPO zulässig. Durch die Rücknahme dieses Widerspruchs ist die Anschlussbeschwerde gegenstandslos geworden.

5. Zu einer Kostenauferlegung (§ 71 Abs. 1 und 4 MarkenG) bestand kein Anlass.

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BPatG:
Beschluss v. 22.03.2010
Az: 30 W (pat) 51/06


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