Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 16. Februar 2011
Aktenzeichen: 3 K 3086/08

(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 16.02.2011, Az.: 3 K 3086/08)

1. Auch im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen besteht kein genereller Anspruch auf umfassende Akteneinsicht.

2. Das Finanzamt entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Begehrt ein Feststellungsbeteiligter Akteneinsicht, trifft das Finanzamt seine Ermessensentscheidung unter besonderer Berücksichtigung des § 30 AO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger ist an der Grundstücksgemeinschaft G beteiligt, die bei dem Beklagten steuerlich geführt wird.

Zunächst bestand die Grundstücksgemeinschaft aus zwei Personen, die jeweils hälftig beteiligt waren. Dabei handelte es sich um A und B, den Vater des Klägers. Nach dem Tod von B, der am € verstarb, folgten ihm seine Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft nach, so dass neben A mit einem Anteil von ½ nunmehr C mit einem Anteil von ¼, D mit einem Anteil von 1/12, E mit einem Anteil von 1/12 und der Kläger mit einem Anteil von 1/12 an dem Grundstück beteiligt sind. C ist die Mutter des Klägers, D und E sind seine Schwestern.

Mit Schreiben vom € reichte der Kläger beim Beklagten €als Hausverwalter und Erklärungsbevollmächtigter€ (Blatt 1 der Feststellungsakte des Beklagten) die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2005 für die Grundstücksgemeinschaft G neben weiteren Anlagen ein. In der Anlage FB führte der Kläger unter anderem seine Schwester D als Feststellungsbeteiligte an. Sonderwerbungskosten machte er für sie in der Anlage FE 1 nicht geltend. In dem Anschreiben zur Feststellungserklärung teilte der Kläger mit, dass bisher noch kein Erbschein erteilt worden sei, die Erklärung also nur vorbehaltlich der entsprechenden Erbscheinserteilung erfolge.

Mit Schreiben vom € teilte der Kläger dann mit, dass er als von seinem Vater eingesetzter Testamentsvollstrecker handele und insbesondere das Feststellungsverfahren alleinverantwortlich betreibe, und bat den Beklagten um Übersendung von Kopien des bisherigen Schriftwechsels des Beklagten mit seiner Schwester D.

Unter dem Datum des € schrieb der Kläger dann erneut dem Beklagten und übersendete den Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk. Der Testamentsvollstreckervermerk ging zurück auf das gemeinschaftliche Testament der Eltern des Klägers vom €. In diesem hatte sein Vater dem Kläger für den Todesfall unter anderem die alleinige Verwaltung des Mietwohngrundstücks G übertragen. Nach dem Tod des Vaters hatte sich D dagegen gewendet, dass der Kläger aufgrund der Regelungen im Testament als Testamentsvollstrecker für das zum Nachlass gehörende Grundstück G eingesetzt wird, und hatte daher beim Amtsgericht € die Erteilung eines Erbscheins ohne Testamentsvollstreckervermerk beantragt. Das Amtsgericht € hatte jedoch ihren Antrag mit Beschluss vom € zurückgewiesen und unter dem Datum des € einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt. Zugleich hatte das Amtsgericht € unter anderem für das Grundstück G Testamentsvollstreckung durch den Kläger angeordnet.

Der Beklagte kam der Bitte des Klägers um Übersendung des mit seiner Schwester D geführten Schriftverkehrs unter Verweis auf § 30 Abgabenordnung -AO- nicht nach. Daher beantragte der Kläger mit Schreiben vom € beim Beklagten Akteneinsicht ab dem € in die vollständige Steuerakte der Grundstücksgemeinschaft G.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom € sowohl die Übersendung des mit der Schwester der Klägers, D, geführten Schriftverkehrs als auch den Antrag auf Akteneinsicht in die vollständige Steuerakte ab. Die Ablehnung der Übersendung des Schriftverkehrs begründete der Beklagte mit Verweis auf § 30 AO, für die Verweigerung der Akteneinsicht führte der Beklagte an, dass es nach dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung -AEAO- zu § 91, Nummer -Nr.- 4 im Festsetzungsverfahren kein allgemeines Recht auf Akteneinsicht gebe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom € Einspruch ein. Als Testamentsvollstrecker sei er Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO und daher im Feststellungsverfahren allein erklärungspflichtig und -berechtigt. Das Recht auf Akteneinsicht ergebe sich zudem aus allgemeinen Rechten wie dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Rechtsstaatsprinzip. Zudem liege unter Berücksichtigung des AEAO zu § 91, Nr. 4 Satz 2 beim Beklagten ein Ermessensfehlgebrauch vor.

Mit Schreiben vom € teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er sein Ermessen hinsichtlich der Frage, ob dem Kläger Akteneinsicht zu gewähren sei, nunmehr dahingehend ausübe, dass dem Kläger die Möglichkeit gegeben werde, in die Vorgänge ab Veranlagungszeitraum 2005 an Amtsstelle Einsicht zu nehmen, wobei darauf hingewiesen werde, dass die Steuerakte lediglich die Feststellungserklärung 2005 und den mit dem Kläger geführten Schriftwechsel enthalte. Dagegen dürfe der Schriftwechsel des Beklagten mit D nicht offenbart werden, da anderenfalls § 30 Abs. 2 AO verletzt werde.

In seinem Antwortschreiben vom € teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass sich sein Antrag auf Akteneinsicht insbesondere auf den Schriftwechsel des Beklagten mit seiner Schwester D beziehe. Er müsse überprüfen können, ob sein Steuergeheimnis durch Schreiben des Beklagten an seine Schwester verletzt worden sei.

Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom €. Er wies darauf hin, dass ein Testamentsvollstrecker zwar den Nachlass in Besitz zu nehmen und zu verwalten habe, aber kein gesetzlicher Vertreter der Erben sei. Erklärungen zur einheitlichen Feststellung des nach dem Erbfall erwirtschafteten Gewinns beziehungsweise -bzw.- Überschusses der Erbengemeinschaft hätten daher deren Mitglieder abzugeben. Erben seien Gesamtrechtsnachfolger, so dass Ihnen im die Erbengemeinschaft betreffenden Feststellungsverfahren neben den eigenen Angelegenheiten auch die entsprechenden Verhältnisse des Rechtsvorgängers mitgeteilt werden könnten. Daher stelle der Beklagte dem Kläger anheim, in sämtliche unter der Feststellungssteuernummer geführte Akten an Amtsstelle Einsicht zu nehmen. Da somit dem Einspruchsbegehren des Klägers vollständig entsprochen werde, könne von einer formellen Einspruchsentscheidung abgesehen werden.

Der Kläger nahm die Möglichkeit der Akteneinsicht zunächst nicht wahr, vielmehr erging in der Zwischenzeit der Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grundstücksgemeinschaft G vom €. Mangels erklärter Aufwendungen setzte der Beklagte in diesem Bescheid für D zunächst keine Sonderwerbungskosten an. Aufgrund der von ihr nacherklärten Aufwendungen berücksichtigte der Beklagte dann in einem Änderungsbescheid vom € für sie Sonderwerbungskosten in Höhe von € €. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von D als Beteiligte der Grundstücksgemeinschaft G betrugen für 2005 demnach € €.

Am € erschien der Kläger dann in den Räumlichkeiten des Beklagten zur Akteneinsicht. Ihm wurde Einsicht in die Feststellungsakte gewährt, die Einsichtnahme in den in einem separaten Aktenband abgehefteten Schriftwechsel des Beklagten mit D wurde dem Kläger unter Bezugnahme auf das Steuergeheimnis versagt. Daran änderte auch der Hinweis des Klägers auf die Zusage im Schreiben des Beklagten vom €, in sämtliche unter der Feststellungssteuernummer der Grundstücksgemeinschaft G geführte Akten an Amtsstelle Einsicht nehmen zu können, nichts. Die Beklagte sagte dem Kläger jedoch eine nochmalige Prüfung der Rechtslage zu.

Mit Einspruchsentscheidung unter dem Datum des €, eingegangen beim Kläger bereits am €, wies der Beklagte den Einspruch des Klägers vom € als unbegründet zurück. Einleitend führte der Beklagte aus, dass der Verwaltungsakt vom €, der eine über die bloße Feststellungsakte hinausgehende Akteneinsicht in Aussicht gestellt habe, nichtig sei. Dies ergebe sich aus § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO, wonach ein Verwaltungsakt nichtig sei, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlange, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirkliche, hier die Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 355 Strafgesetzbuch -StGB-. Da ein nichtiger Verwaltungsakt keine Rechtswirkung entfalte, sei förmlich über den Einspruch des Klägers vom € zu entscheiden. In der Sache habe der Einspruch keinen Erfolg, soweit neben der Feststellungsakte der Grundstücksgemeinschaft weitere Akten betroffen seien. So seien in eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO neben den einkommensteuerpflichtigen Einkünften auch mit diesen Einkünften in Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen einzubeziehen, die nur für einzelne Beteiligte einkommensteuerlich relevant seien, wie beispielsweise Sonderwerbungskosten. Daher unterlägen Sonderwerbungskosten zwar nicht dem Steuergeheimnis und es könnte jeder Feststellungsbeteiligte die Steuerakten betreffend die Einkünftefeststellung (Feststellungsakten) einsehen. Die Offenbarungsbefugnis reiche aber nur soweit, wie der Inhalt und Umfang der Feststellung reiche. Sie umfasse prinzipiell nicht Schriftwechsel, soweit dieser keinen Einfluss auf das Feststellungsverfahren habe. Da der dem Kläger nicht zur Einsicht gelangte Schriftwechsel des Beklagten mit D nur in Bezug auf die von ihr nacherklärten Sonderwerbungskosten Einfluss auf das Feststellungsverfahren habe und, soweit die Sonderwerbungskosten betroffen seien, die Beteiligten und damit auch der Kläger durch die geänderten Feststellungsbescheide Kenntnis von diesen erhalten hätten, sei eine weitere Offenbarung der Verhältnisse von D nach § 30 AO unzulässig.

Mit Klageschrift vom €, eingegangen beim Gericht am €, hat der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten Klage erhoben. Der Kläger beruft sich erneut auf seine Stellung als von seinem Vater ernannter Testamentsvollstrecker. Er sei der alleinige Verwalter des Mietshauses G und habe auch seit € die Steuererklärungen erstellt. Mit den Miterbinnen E und D bestehe Streit, weil diese seine Bestellung zum Testamentsvollstrecker nicht akzeptierten. Insbesondere D versuche willkürlich die Verwaltung des Mietshauses G zulasten der übrigen Miterben zu erschweren und stelle zu diesem Zweck diverse Anträge beim Beklagten. Zudem halte er - der Kläger - es für möglich, dass seine Schwester ihn gegenüber dem Beklagten verleumdet habe. Deshalb müsse er Einsicht in den zwischen dem Beklagten und D geführten Schriftverkehr nehmen, um darauf reagieren zu können.

Mit seinem Schreiben vom € habe der Beklagte ihm zunächst Einsicht in sämtliche zu der Feststellungssteuernummer geführte Akten in Aussicht gestellt. Dies sei auch notwendig gewesen, da der vom Beklagten geführte Schriftwechsel mit seiner Schwester D in unzulässiger Weise in einer separaten Hinweisakte geführt werde. Bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung müssten Sonderwerbungskosten einzelner Beteiligter den anderen Beteiligten bekannt gemacht werden und dürften die entsprechenden Vorgänge nicht in separaten Akten geführt werden. Das Steuergeheimnis stehe daher einer Offenbarung der geltend gemachten Sonderwerbungskosten nicht entgegen. Der Beklagte habe jedoch nur die Höhe der Sonderwerbungskosten mitgeteilt, nicht jedoch den Grund und die Zusammensetzung der Kosten. Zudem - so der Kläger - habe seine Schwester durch die Geltendmachung von Sonderwerbungskosten Einfluss auf die Verkehrswertberechnung des Mietshauses genommen, die von den Jahresnettoeinnahmen ausgehe, so dass durch sie die Gesamteinkünfte des Hauses reduziert worden seien. Dieses berühre die Rechte aller Miterben; die entsprechenden Vorgänge müssten daher in der Feststellungsakte geführt und dürften nicht in einer Hinweisakte abgeheftet werden.

Das Schreiben des Beklagten vom € sei als Einspruchsentscheidung zu verstehen, aus keinem rechtlichen Grund mehr abänderbar und daher bestandskräftig. Dieser Verwaltungsakt sei auch nicht nichtig, da er nicht die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlange. Denn die Akteneinsicht durch ihn - den Kläger - verletze nicht das Steuergeheimnis der anderen beteiligten Miterben. Die Beteiligten seien Gesamtrechtsnachfolger der bisherigen Grundstückseigentümer und seien voll in deren Rechtsposition eingetreten. Ein Steuergeheimnis quasi gegen sich selbst gebe es nicht.

Schließlich behauptet der Kläger, dass der Beklagte seiner Schwester D am € - der Kläger selbst war nicht vor Ort - vollumfängliche Akteneinsicht gewährt habe. Ihm dagegen werde das Recht der vollständigen Akteneinsicht verwehrt. Seine Schwester habe seinen gesamten Schriftverkehr mit dem Beklagten zur Kenntnis nehmen können, auch den Schriftverkehr, der Vorgänge außerhalb des unmittelbaren steuerlichen Feststellungsverfahrens betreffe. Der separate Aktenband mit dem zwischen ihm - dem Kläger - und dem Beklagten geführten Schriftwechsel sei vom Beklagten erst später angelegt worden.

Der Kläger beantragt, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom € ersatzlos aufzuheben; hilfsweise den Bescheid des Beklagten über die Ablehnung der Akteneinsicht vom € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom € aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in sämtliche beim Beklagten unter der Steuernummer € geführte Akten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchentscheidung vom € und teilt darüber hinaus mit, dass D lediglich in den Band €Feststellungakte€ Einsicht gewährt wurde, also in den Aktenband, in den auch der Kläger einsehen durfte.

Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung neben der Streitakte die vom Beklagten unter der Steuernummer € für die Grundstücksgemeinschaft G geführte Feststellungsakte (ein Band) einschließlich einer Hinweisakte €Schriftwechsel Kläger€ sowie einer Hinweisakte €Schriftwechsel D€ vor, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

Gründe

23Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der vom Kläger beantragten vollständigen Einsicht in die beim Beklagten unter der Steuernummer € geführten Akten ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere hat der Beklagte nicht ermessensfehlerhaft entschieden, als er die Akteneinsicht verweigerte.

I. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg. Der Kläger kann keine ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom € verlangen. Der Beklagte konnte das mit dem Kläger geführte Rechtsbehelfsverfahren noch durch die Einspruchsentscheidung beenden, da der Abhilfebescheid des Beklagten vom € nichtig und das Rechtsbehelfsverfahren nicht beendet war.

1. Die Finanzverwaltung kann einem Einspruch ohne Bindung an Korrekturvorschriften auf der Grundlage ihrer Prüfungsbefugnis nach § 367 Abs. 1 und 3 AO abhelfen. Wird dem Einspruchsbegehren voll entsprochen, ist eine förmliche Einspruchsentscheidung entbehrlich (Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 367, Randnummer -Rn.- 35 und 38 mit weiteren Nachweisen -m.w.N.-). Denn der Abhilfebescheid gestaltet das Steuerrechtsverhältnis anstelle des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsaktes. Unter diesen Umständen endet das Einspruchsverfahren dann durch den Abhilfebescheid (Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 367, Rn. 360 und 472). Etwas anderes gilt, wenn der Abhilfebescheid gemäß § 125 AO nichtig und damit unwirksam ist. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist; nach § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straftatbestand verwirklicht.

2. So ist es hier. Das Einspruchsverfahren war noch nicht beendet. Zwar ging der Beklagte zunächst davon aus, das Einspruchsverfahren durch den Abhilfebescheid vom € beendet zu haben. Wie er jedoch selbst in der Einspruchsentscheidung vom € anmerkte, ist der Bescheid vom € nichtig. In dem Abhilfebescheid teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass unter der Feststellungssteuernummer neben der Feststellungsakte auch eine Hinweisakte geführt werde, die vom Beklagten mit D geführten Schriftverkehr enthalte. Vor diesem Hintergrund wurde dem Kläger in Aussicht gestellt, in sämtliche unter der Feststellungssteuernummer geführte Akten Einsicht zu nehmen. Eine derart weit reichende Akteneinsicht würde jedoch dazu führen, dass derjenige, der dann konkret die Einsichtnahme gewährt, gegen § 355 StGB verstoßen würde. Dies kann jedoch nach § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO, zumindest aber nach § 125 Abs. 1 AO, nicht verlangt werden.

a) Nach § 355 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB wird bestraft, wer unbefugt Verhältnisse eines anderen, die ihm als Amtsträger in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekanntgeworden sind, offenbart. Das wäre hier der Fall, wenn der Kläger auch in die Hinweisakte einsehen dürfte, die Schriftverkehr des Beklagten mit D enthält. Denn diese Unterlagen sind durch das Steuergeheimnis gemäß § 30 AO geschützt. Die Vorschrift trägt verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung und gewährt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung den notwendigen Schutz. Mit den umfangreichen und einschneidenden steuerlichen Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerbürgers korrespondiert die spezialgesetzliche Ausgestaltung, die der Datenschutz im Steuerrecht durch § 30 AO gefunden hat (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1994, 552). Die grundrechtliche Verbürgung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz -GG- darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden, und zwar nur soweit, wie es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist. Das Steuergeheimnis dient allerdings nicht nur dem verfassungsrechtlich anerkannten und geschützten Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen, sondern zugleich einem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, nämlich sicherzustellen, dass die Besteuerungsgrundlagen richtig und vollständig erfasst werden und die Steuerpflichtigen nicht etwa aus Furcht vor den Folgen einer Weitergabe ihrer gegenüber den Finanzbehörden gemachten Angaben ihre steuerliche Verhältnisse nicht oder nicht vollständig offenbaren. Es soll damit das Vertrauen des Bürgers in die Amtsverschwiegenheit stärken und durch seine Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte das Steuerverfahren fördern (vergleiche -vgl.- BFH, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552). Geschützt sind nach § 30 Abs. 2 Nr. 1a AO Verhältnisse eines anderen, die einem Amtsträger in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekannt geworden sind. Erfasst sind alle personenbezogenen Daten und alle Umstände, die das Finanzamt über eine Person kennt. Der Begriff €Verhältnisse eines anderen€ umfasst sowohl die privaten als auch die beruflichen und betrieblichen Verhältnisse. Er schließt auch die bloße Existenz des Steuerpflichtigen ein, erst Recht die Tatsache seiner steuerlichen Erfassung oder Beteiligung an einem anhängigen Verwaltungsverfahren (vgl. BFH, Urteil vom 7. Mai 1985, VII R 25/82, BStBl II 1985, 571; Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552).

b) Das Steuergeheimnis soll sich indes nicht hemmend auf das Besteuerungsverfahren auswirken. Daher ist eine Offenbarung der im Besteuerungsverfahren bekannt gewordenen Verhältnisse nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dann zulässig, wenn dies der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens i.S. von § 30 Abs. 2 Nr. 1a AO dient. Ein derartiges Verfahren ist die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO. So sind beispielsweise Offenbarungen an Gesellschafter einer Personengesellschaft zulässig, soweit sie Gegenstand der Feststellung sind (BFH, Urteil vom 27. August 1997, XI R 72/96, BStBl II 1997, 750). Dies betrifft auch Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten, die entsprechend dem Zweck des Feststellungsverfahrens stets nur in diesem Verfahren zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 30. Juni 1966, VI 273/65, BStBl. III 1966, 582; Urteil vom 23. April 1991, IX R 303/87, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1991, 653). Dementsprechend gehört es zum Risiko einer Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft, dass die Mitberechtigten von den persönlichen Werbungskosten Kenntnis erhalten. Ein Beteiligter muss deshalb in Kauf nehmen, dass die von ihm geltend gemachten Sonderwerbungskosten jedenfalls nicht im Einkommensteuerveranlagungsverfahren berücksichtigt werden (BFH, Urteil vom 23. April 1991, IX R 303/87, BFH/NV 1991, 653; Finanzgericht -FG- Berlin, Urteil vom 11. November 1997, 5105/96, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1998, 1202). Dieses ist hier auch nicht geschehen, vielmehr fanden die von D geltend gemachten Sonderwerbungskosten Eingang in den geänderten Feststellungsbescheid für 2005 vom €. Die Mitberechtigten - also auch der Kläger - haben dadurch Kenntnis von den persönlichen Werbungskosten der Mitgesellschafterin, die Grundstücksgemeinschaft G betreffend, erlangt. Der für die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO vorgesehene Offenbarungsmöglichkeit nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ist damit Genüge getan.

c) Eine weitergehende Einsichtnahme in persönliche Unterlagen oder Schreiben kommt dagegen nicht in Betracht, da der Zweck der Einsichtnahme nicht die spätere Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen wäre. Der Kläger führt Probleme an, die mit seiner Schwester D bei der Verwaltung des Mietshauses G bestehen und die ihn - neben der von ihm gewünschten Information über die Hintergründe der von seiner Schwester geltend gemachten Sonderwerbungskosten - zu dem Antrag auf Akteneinsicht veranlasst haben. Diese Probleme sind jedoch zivilrechtlicher Natur und demnach gegebenenfalls im Zivilrechtsweg zu klären, fallen also nicht unter § 30 Abs. 2 Nr. 1a AO. Eine Offenbarung zur Durchführung eines Strafverfahrens, was in § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO geregelt ist, kommt ebenfalls nicht in Betracht, da kein Anhaltspunkt für eine von D begangene Straftat vorliegt. Der Kläger hat insoweit nur eine äußerst allgemein gehaltene Vermutung geäußert. Zudem werden in § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO sehr hohe Hürden für eine Offenbarung aufgestellt (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 30, Rn. 113).

II. Auch der Hilfsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.

311. Die AO sieht, anders als andere Verfahrensordnungen wie zum Beispiel § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG- und § 147 Strafprozessordnung -StPO-, für das finanzamtliche Verwaltungsverfahren einen generellen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrens- und Ermittlungsakten nicht vor.

a) Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen AEAO noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten (BFH, Urteil vom 23. Februar 2010, VII R 19/09, BStBl II 2010, 729). Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich hierbei nicht um eine unbewusste Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich und bewusst darauf verzichtet, dem Steuerpflichtigen ein Recht auf Akteneinsicht zu gewähren (absichtsvolles Unterlassen - BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl II 2003, 790; FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616 m.w.N.).

b) In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass sich ein Akteneinsichtsrecht weder aus dem Datenschutzgesetz oder aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder eines Landes (FG Münster, Urteil vom 5. November 2002, 1 K 7155/00 S, EFG 2003, 499) noch etwa aus Artikel 12 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 ergibt (BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl 2003, 790; FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616). Die AO regelt als spezielle Rechtsmaterie die Frage des Akteneinsichtsrechts abschließend. Die allgemeinen Regelungen der Datenschutzgesetze bzw. der Informationsfreiheitsgesetze treten hinter diese spezielle Negativregelung der AO zurück (BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl II 2003, 790; FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616). Im Übrigen kann Bundesrecht (AO) nicht durch Landesrecht gebrochen werden (Art. 31 GG).

c) An dieser Rechtslage ändert auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 10. März 2008 (1 BvR 2388/03, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 2099) nichts (FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616). Gegenstand der Entscheidung des BVerfG war ein Urteil des BFH vom 30. Juli 2003 (VII R 45/02, BStBl II 2004, 387), in dem es um einen Auskunftsanspruch des Bürgers hinsichtlich gespeicherter Auslandsdaten in einer Datensammlung beim Bundeszentralamt für Steuern ging (außerhalb eines Steuerfestsetzungs- bzw. Erhebungsverfahrens). Der BFH hatte in diesem Verfahren § 19 Bundesdatenschutzgesetz -BDSG- als Anspruchsgrundlage angenommen und den Anspruch im Ergebnis verneint. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Dass der BFH und ihm folgend das BVerfG als Anspruchsgrundlage § 19 BDSG prüfen, bedeutet aber keine Änderung der Rechtsprechung des BFH zu seinem nur einen Monat früher erlassenen Urteil vom 4. Juni 2003 (VII B 138/01, BStBl II 2003, 790) und begründet auch keine Zweifel an der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur abschließenden Regelung eines fehlenden Akteneinsichtsrechts in der AO. Denn der vom BVerfG entschiedene Fall betraf kein Begehren auf Einsicht in Akten, die im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens geführt wurden (für eine solche gilt die AO mit ihrer abschließenden Spezialregelung), sondern einen allgemeinen Informationsanspruch eines Bürgers gegen eine Behörde außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens (hierfür gilt die Sperrwirkung der AO nicht). Das Akteneinsichtsrecht in die Akten des Finanzamts stand nicht zur Überprüfung durch das BVerfG.

2. Gleichwohl gehen der BFH in ständiger Rechtsprechung und die Finanzverwaltung in der Nr. 4 des AEAO zu § 91 AO davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht, weil die Behörde nicht gehindert sei, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (BFH, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552; Beschluss vom 8. Juni 1995, IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64; Urteil vom 23. Februar 2010, VII R 19/09, BStBl II 2010, 729; Beschluss vom 15. September 2010, II B 4/10, BFH/NV 2011, 2). Dabei muss ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht und Auskunftserteilung dargelegt werden (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 17. Dezember 2008, IV A 3-S 0030/08/10001, 2008/0725482, BStBl I 2009, 6; vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 23. August 1996, 18 K 8159/92, EFG 1998, 11).

a) Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BFH, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552). Die Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Finanzverwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat (vgl. § 102 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das Gericht ist im Ermessensbereich nicht zur eigenen Ermessensausübung befugt, weil es ansonsten seine Erwägungen letztlich an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzen würde (BFH, Urteil vom 28. Juni 2000, X R 24/95, BStBl II 2000, 514). Der Bundesfinanzhof sieht dementsprechend den Anspruch des um Akteneinsicht Nachsuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung als gewahrt an, wenn das Finanzamt im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat (BFH, Beschluss vom 8. Juni 1995, IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64; Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl II 2003, 790).

aa) Maßgebend für die Art und Weise der Ermessensanwendung ist im Falle eines geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren der vom Gesetzgeber gesteckte Ermessensrahmen. Dieser ist durch das Fehlen eines Anspruchs auf Akteneinsicht in der Abgabenordnung so gezogen worden, dass die Einsichtnahme in die Akten während des laufenden Verwaltungs- oder Steuerermittlungsverfahrens lediglich eine in Anwendung des § 91 oder des § 364 AO aus Gründen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu gewährende Ausnahme sein soll (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. November 2009, 1 K 1752/07, EFG 2010, 930). Dem entspricht die Gesetzesbegründung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 7/4292, 24). Der Gesetzgeber hat dort ausdrücklich ein dem zeitgleich mit der Abgabenordnung in Kraft getretenen § 29 VwVfG entsprechendes allgemeines Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren für nicht praktikabel gehalten, weil diesem Gesichtspunkte des Schutzes Dritter und das Ermittlungsinteresse der Finanzbehörden sowie der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörde, die vor jeder Akteneinsicht zu prüfen hätte, ob ein Geheimhaltungsinteresse Dritter beeinträchtigt sein könnte und dann das gesamte Kontrollmaterial, behördeninterne Vermerke und Anweisungen und Ähnliches aus den Akten zu entfernen hätte, entgegenstünden. Diese Überlegungen gelten auch heute noch. Denn der Gesetzgeber hat in Kenntnis des dem Bürger im rechtsstaatlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zustehenden Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf ein faires Verfahren, sowie dessen Recht, sich zu dem Sachverhalt und der Rechtslage zu äußern, bestimmte Verfahrensanträge zu stellen und Ausführungen zur Sache zu machen, und in Kenntnis der Regelungen zugunsten eines frühzeitigen Akteneinsichtsrechts in anderen Verwaltungsverfahrensordnungen auch in späteren Gesetzesberatungen bis heute davon abgesehen, einen Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsakten im Besteuerungsverfahren zu regeln (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl 2003, 790).

38bb) Bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht ist vor allem das vorstehend erläuterte Steuergeheimnis nach § 30 AO zu beachten, das im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO Durchbrechungen für den Bereich der Sonderwerbungskosten enthält. Bei jeder Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist jedoch die rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeit des Eingriffs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Das gilt insbesondere bei der Offenbarung zu außersteuerlichen Zwecken und gegenüber Privaten, die nicht ihrerseits dem Steuergeheimnis unterliegen. Auch sonst ist Zurückhaltung zu üben, wenn die Finanzbehörde ohne Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse eines anderen das Verfahren ebenfalls ohne unangemessen große Ermittlungsschwierigkeiten durchführen kann (Rüsken, in: Klein, AO, 10. Auflage -Aufl.-, § 30, Rn. 72). Soweit es nach § 30 Abs. 4 AO zulässig ist, dem Steuergeheimnis unterliegende Kenntnisse zu offenbaren, folgt daraus grundsätzlich keine Pflicht; es muss vielmehr unter Abwägung der gegenseitigen Interessen eine sachgerechte Ermessensentscheidung getroffen werden. Dabei sind im Einzelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen - wie auch anderer vom Steuergeheimnis geschützter Personen - und der Zweck des Steuergeheimnisses - die möglichst vollständige Erschließung der Steuerquellen - mit dem Interesse an der Offenbarung von steuerlich erheblichen Tatsachen abzuwägen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. November 2009, 1 K 17512/07, EFG 2010, 930).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte in seinem Ablehnungsbescheid vom € und seiner Einspruchsentscheidung vom € den Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in die vollständige unter der Steuernummer € beim Beklagten geführte Akte, also einschließlich des mit D geführten Schriftwechsels, ohne einen nach § 102 Satz 1 FGO beachtlichen Ermessensfehler abgelehnt. Der Beklagte hat sich in rechtlich unbedenklicher Weise mit den erkennbaren Interessen des Klägers auseinandergesetzt und diese mit den eigenen Belangen sowie den geschützten Gesichtspunkten Dritter abgewogen.

So hat der Beklagte eine konkrete Abwägung im Einzelfall vorgenommen und sich mit dem Schutz der persönlichen Daten von D sowie den besonderen Verhältnissen des Verfahrens der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO auseinander gesetzt. Um den Schutz der persönlichen Umstände von D sicher zu stellen, hat der Beklagte einen speziellen Aktenband angelegt und dort den mit ihr geführten Schriftverkehr abgeheftet. Dieses durfte der Beklagte auch, da diese Akte unter derselben Steuernummer wie die eigentliche Feststellungsakte geführt wird und ihm daher jederzeit bei der Entscheidungsfindung zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite hat der Beklagte durchaus erkannt, dass der Kläger und die anderen Beteiligten an der Grundstücksgemeinschaft G ein Interesse an der Kenntnis etwaiger Sonderwerbungskosten anderer Beteiligter haben. Er ist diesem Interesse dadurch gerecht geworden, dass er die Sonderwerbungskosten in den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005 vom € aufgenommen hat. Zudem hat der Beklagte dem Kläger ermöglicht, in die Feststellungsakte, abgesehen von der Hinweisakte, die den Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und D enthält, einzusehen. Der Beklagte hat damit Verhältnisse, die das Feststellungsverfahren betreffen, offenbart und dagegen weitergehende persönliche Verhältnisse unter den Schutz des § 30 AO gestellt und diese nicht offenbart.

Der Beklagte hat auch den Kläger und seine Schwester D nicht ungleich behandelt. Er hat für jeden der beiden einen speziellen Aktenband (€Hinweisakten€) mit dem persönlichen Schriftverkehr angelegt und beiden die Einsichtnahme in die für den jeweils anderen angelegte Hinweisakte verwehrt. Dies geht aus dem Vortrag des Beklagten hervor. Das Gericht sieht keinen Grund, die Ausführungen des Beklagten zu bezweifeln. Aber auch wenn D entgegen der Bestimmung des § 30 AO umfassende Akteneinsicht gewährt worden wäre, würde dies an der Beurteilung der hier zu entscheidenden Frage nichts ändern, denn es gibt bei Ermessensentscheidungen keinen Anspruch auf gleichmäßige Falschbehandlung (Gersch, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 5, Rn. 9).

Das Ermessen des Beklagten, ob es dem Kläger weitergehende Akteneinsicht gewähren sollte, war auch nicht so eingeengt, dass nur eine einzige Entscheidung richtig ist (Ermessensreduzierung auf Null - vgl. dazu BFH, Urteil vom 3. August 1983, II R 144/80, BStBl II 1984, 321; Gersch, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 5, Rn. 12 m.w.N.). Eine Ermessensreduzierung könnte eventuell dann gegeben sein, wenn der Auffassung des Klägers zu folgen wäre, als Beteiligter der Grundstücksgemeinschaft müsse er die Hintergründe der von D geltend gemachten Sonderwerbungskosten kennen und daher den Aktenband mit dem zwischen dem Beklagten und seiner Schwester geführten Schriftverkehr einsehen, da die von ihr geltend gemachten Sonderwerbungskosten Einfluss auf den Verkehrswert des Hauses hätten. So ist es hier jedoch nicht. Zwar kann - wie der Kläger ausführt - eine Grundstücksbewertung über den Ansatz der nachhaltig erzielbaren jährlichen Bruttomiete abzüglich der im direkten Zusammenhang mit der Vermietung stehenden Bewirtschaftungskosten vorgenommen werden, allerdings finden Sonderwerbungskosten dabei keine Berücksichtigung (vgl. zur Grundstücksbewertung: Simon/Cors/ Halaczinsky/Teß, Handbuch der Grundstückswertermittlung, 5. Aufl., Seite 108 folgende). Aber auch wenn die Sonderwerbungskosten Eingang in die Grundstückswertberechnung fänden, würde das nicht bedeuten, dass das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert wäre. Denn der Beklagte musste nur entscheiden, inwieweit er persönliche Verhältnisse - Sonderwerbungskosten - für Zwecke des Verfahrens der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO offenbart. Fragen der Grundstücksbewertung spielten hierbei keine Rolle und wären daher bei der Ermessensentscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.






FG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 16.02.2011
Az: 3 K 3086/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/354b98993443/FG-Berlin-Brandenburg_Urteil_vom_16-Februar-2011_Az_3-K-3086-08




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