Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 52/02

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2004, Az.: 23 W (pat) 52/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juli 2002 aufgehoben.

Die Sache wird nach Verzicht der Anmelderin auf die ursprünglichen Ansprüche 5 bis 7 zur Prüfung der geltenden Ansprüche 1 bis 4 (Anspruch 1 eingegangen am 5. Juni 2002 und ursprüngliche Ansprüche 2 bis 4) an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Der Antrag der Anmelderin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist unter der Bezeichnung "Belichtungsvorrichtung und Verfahren zur Ausbildung eines Dünnschichttransistors" am 11. Dezember 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L hat mit Bescheid vom 17. Januar 2002 die Anmeldung beanstandet und unter anderem ausgeführt, dass der mit der Anmeldung eingereichte Anspruch 1 mangels Erfindungshöhe nicht gewährbar sei. Dem nebengeordneten Anspruch 5 fehle es an der für eine Patenterteilung zu fordernden Einheitlichkeit, da den Ansprüchen 1 und 5 ein ausreichender technischer Bezug zueinander fehle. Die Unteransprüche 2 bis 4 sowie 6 und 7 seien auf Grund ihres Rückbezuges auf die nicht gewährbaren Ansprüche 1 und 5 ebenfalls nicht gewährbar. Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 5. Juni 2002 einen neuen Patentanspruch 1 eingereicht. Zur Beanstandung der fehlenden Einheitlichkeit hat die Anmelderin zu diesem Zeitpunkt nicht Stellung genommen. In ihrem Schriftsatz hatte sie lediglich noch hilfsweise eine Anhörung beantragt.

Mit Beschluss vom 9. Juli 2002 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Sie hat ihre Zurückweisungsentscheidung entsprechend dem Beanstandungsbescheid mit fehlender Einheitlichkeit begründet. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den neu formulierten Patentanspruch 1 könne dahinstehen. Dem Antrag, hilfsweise eine Anhörung durchzuführen, musste nicht entsprochen werden, weil die Anmelderin im schriftlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit gehabt habe, sich zu den Argumenten der Prüfungsstelle zu äußern. Die Durchführung der Anhörung hätte lediglich zu einer Verfahrensverzögerung geführt.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die im Prüfungsverfahren vor dem Patentamt unterlassene Stellungnahme zu den Ansprüchen 5 bis 7 werde bedauert. Die Patentanmeldung werde jetzt nur noch in Bezug auf die Ansprüche 1 bis 4 weiter verfolgt. Auf ihre fehlende Stellungnahme zu den Ansprüchen 5 bis 7 und der damit verbundenen Einheitlichkeitsproblematik wäre nach den Prüfungsrichtlinien die angemessene Reaktion gewesen, mit einer kurzen Fristsetzung eine schriftliche Stellungnahme zu fordern. Da dies unterblieben sei, sei die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, das Prüfungsverfahren fortzusetzen und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Wegen der geltenden Patentansprüche 1 bis 4 und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und auch insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur weiteren Prüfung der geltenden Ansprüche 1 bis 4 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist, weil das aktuelle Patentbegehren noch nicht geprüft worden ist, § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

1. Nachdem die Anmelderin auf die ursprünglichen Ansprüche 5 bis 7 verzichtet hat, trägt der von der Prüfungsstelle bei der Entscheidung ausschließlich herangezogene Gesichtspunkt der fehlenden Einheitlichkeit, der mit dem nicht ausreichenden technischen Bezug der Ansprüche 1 und 5 begründet worden war, die Zurückweisung der Anmeldung nicht mehr. Eine Sachprüfung der allein noch weiterverfolgten Ansprüche 1 bis 4 hat noch nicht stattgefunden. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den am 5. Juni 2002 eingereichten, als zulässig angesehenen neuen Patentanspruch 1 hat die Prüfungsstelle bei ihrer Entscheidung ausdrücklich dahinstehen lassen. Angesichts der Tatsache, dass eine Sachprüfung in Bezug auf die nunmehr geltenden Ansprüche überhaupt noch nicht stattgefunden hat und die Sache mit dem durch das Patentamt ermittelten Prüfungsmaterial auch nicht entscheidungsreif erscheint, wären eigene Ermittlungen durch den Senat und eine Sachentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit derzeit nicht angemessen, zumal der Anmelderin dadurch eine volle Tatsacheninstanz verloren ginge (vgl hierzu auch BPatG Beschluss 21 W (pat) 29/02 vom 11. Februar 2003 veröffentlicht in juris).

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat keinen Erfolg. Nach § 80 Abs 3 PatG kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn die Beschwerde bei sachgemäßer Behandlung durch die Prüfungsstelle vermeidbar gewesen wäre, nicht aber, wenn der Beschwerdeführer erheblich dazu beigetragen hat, dass die Beschwerde notwendig wurde (vgl zB Busse, PatG, 6. Aufl, § 80 Rdn 95). Insbesondere bei Verfahrensfehlern kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angezeigt sein (siehe Busse aaO).

Eine unsachgemäße, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigende Verfahrensweise kann dem Patentamt indes nicht vorgeworfen werden. Insbesondere kann eine solche Verfahrensweise entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nicht darin gesehen werden, dass das Patentamt nach der Eingabe der Anmelderin vom 5. Juni 2002 mit dem neu formulierten Patentanspruch 1 dem hilfsweise gestellten Antrag auf Anhörung nicht stattgegeben hat. Die Verweigerung eines beantragten Anhörungstermins stellt nicht schon für sich genommen einen Verfahrensfehler dar. Eine Anhörung soll nur dann stattfinden, wenn sie sachdienlich ist, § 46 Abs 1 Satz 2 PatG, wobei der Prüfer insoweit einen Beurteilungsspielraum hat (vgl Busse, 6. Aufl, § 46 Rdn 13). Da die Anmelderin zwar auf die Beanstandung der fehlenden Erfindungshöhe des Anspruchs 1 durch die Vorlage eines neuen Anspruchs 1 reagiert hat, zur Frage der Einheitlichkeit in Bezug auf die Patentansprüche 5 bzw 5 bis 7 aber keine Stellungnahme abgegeben hat, durfte bzw musste der Prüfer davon ausgehen, dass die Anmelderin insoweit auf ihrem Standpunkt beharrt. Bei einer solchen Sachlage, bei der sich die Auffassungen von Anmelder und Prüfer gegenüberstehen, stellt die sofortige Entscheidung ohne Anhörungstermin dann eine sachgerechte Vorgehensweise dar, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass auch eine Anhörung zu keiner Annäherung der Standpunkte führen wird. Dies war vorliegend der Fall, weil sich die Anmelderin zu dem fraglichen Punkt der fehlenden Einheitlichkeit überhaupt nicht geäußert hat und somit auch keine Ansatzpunkte für eine Annäherung der Standpunkte aufgezeigt hat.

Soweit die Anmelderin in der Vorgehensweise einen Verstoß gegen die Prüfungsrichtlinien (3.3.5.1, 5. Absatz, Satz 3) sieht, verkennt sie die Bedeutung dieser Richtlinienbestimmung. Diese Vorschrift stellt nämlich ausdrücklich darauf ab, dass eine Beteiligte auf den Prüfungsbescheid hin nur einen Antrag auf Anhörung stellt. Gerade dies war vorliegend nicht der Fall, da die Anmelderin auf einen Teil der Beanstandungen in der Sache reagiert und sogar einen neuen Patentanspruch formuliert hat, so dass die Voraussetzung für einen nach den Prüfungsrichtlinien vorgesehenen erneuten Bescheid mit kurzer Fristsetzung zur Stellungnahme nicht vorlagen. Im Übrigen stellt auch nicht jedes Abweichen von einzelnen Prüfungsrichtlinien einen Verfahrensfehler dar, zumal die Prüfungsrichtlinien selbst eine Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und damit letztlich auch ein Abweichen von einzelnen Bestimmungen vorsehen (vgl dazu 1. Vorbemerkung zu den Prüfungsrichtlinien, 3. Absatz, Satz 3).

Der Senat konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Die Anmelderin hat zwar hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, dem bei einer beabsichtigten Entscheidung zu Lasten der Anmelderin grundsätzlich gemäß § 78 Nr 1 PatG auch stattzugeben wäre. Bei einer sachgerechten Auslegung ist der Hilfsantrag aber dahingehend zu verstehen, dass der Termin hilfsweise nur dann beantragt ist, wenn der Senat in der Hauptsache zu Lasten der Anmelderin entscheiden will. Dies ist nicht geschehen, da die Anmelderin in der Hauptsache obsiegt hat. Eine jeden Zweifel ausschließende Klärung dahingehend, wie die Anmelderin ihren Hilfsantrag verstanden wissen will, war letztlich nicht erforderlich, weil eine mündliche Verhandlung bei einer Entscheidung in Bezug auf einen Nebenpunkt, wie die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr, trotz entsprechendem Antrag nicht zwingend iSd § 78 Nr 1 anzuberaumen ist (vgl Schulte, 6. Aufl, § 78 Rdn 14 Buchstabe e) und BPatGE 13, 69 ff).

Dr. Tauchert Dr. Meinel Dr. Häußler Knoll Be






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