Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Oktober 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 66/00

(BPatG: Beschluss v. 26.10.2000, Az.: 25 W (pat) 66/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die Bezeichnung SENSIGRAN ist unter der Nummer 396 01 408 als Marke für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel; Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 20. September 1996 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 20. Juli 1995 ua für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Zahnputzmittel, Shampoos, Hautpflegemittel; Waren zur Säuglingspflege, nämlich Baby-Waschstücke, ...; Arzneimittel, chemische, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse für Heilzwecke, Gesundheitspflege und Hygiene, pharmazeutische Präparate für Hauterkrankungen, nämlich ...; Badeextrakte auf der Basis von Heilpflanzen und Kräutern für pharmazeutische Zwecke" eingetragenen Marke 395 07 010 Sensimed.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn verwechslungsfördernd berücksichtigt werde, daß die Marken sich teilweise auf identischen Waren begegnen könnten und allgemeine Verbraucherkreise angesprochen würden, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Unmittelbare Verwechslungen seien nicht zu erwarten, da die Marken in ihrer Gesamtheit aufgrund der Unterschiede in den Zeichenendungen eine hinreichende Unterscheidbarkeit gewährleisteten, zumal der übereinstimmende Anfangsbestandteil eine deutliche Bezugnahme auf den in dem vorliegenden Warenbereich in breitem Umfang anzutreffende Sachangabe "sensitiv" ua im Sinne von "schonend" enthalte. Es bestehe im übrigen auch keine assoziative Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke zu verfügen.

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren in der Sache nichts vorgetragen. Vor der Markenstelle hatte sie ausgeführt, daß die Marken in dem jeweils prägenden Bestandteil "Sensi" übereinstimmten, woraus sich die Verwechslungsgefahr ergebe.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren zur Frage der Verwechslungsgefahr nichts vorgetragen. Vor der Markenstelle hat sie ausgeführt, daß keine Verwechslungsgefahr bestehe. Aufgrund der abweichenden Vokalfolge wiesen die Markenwörter ganz unterschiedliche Klangbilder auf.

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens vor der Markenstelle ist die Widerspruchsmarke aufgrund eines Umschreibungsantrages vom 7. Dezember 1998 von der ursprünglich Widersprechenden, der S... GmbH & Co auf die M... GmbH umgeschrieben worden ist. Der Übernahme des Verfahrens auf Seiten der Widersprechenden durch die neue Inhaberin der Widerspruchsmarke hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nach einem Hinweis des Senats vom 21. August 2000 inzwischen ausdrücklich zugestimmt. Die Widersprechende hat im übrigen ihren ursprünglich hilfsweise gestellten Terminsantrag zurückgenommen und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Zunächst ist die neue Inhaberin der Widerspruchsmarke wirksam in die Verfahrensstellung der ursprünglich Widersprechenden eingetreten. Mit der Einreichung eines entsprechenden Umschreibungsantrages beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die neue Markeninhaberin zunächst grundsätzlich befugt, das Verfahren zu führen und ein laufendes Verfahren fortzuführen, § 28 Abs 2 Satz 2 MarkenG. Auch die Vorschrift des § 265 ZPO, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren Anwendung finden soll (vgl BGH GRUR 1998, 940 "Sanopharm" und GRUR 1999, 245 "LIBERO"), steht einem Beteiligtenwechsel und einer Fortführung des Verfahrens durch die neue Inhaberin der Widerspruchsmarke nicht entgegen, da die Inhaberin der angegriffenen Marke dieser Verfahrensübernahme ausdrücklich gemäß § 265 Abs 2 Satz 2 ZPO zugestimmt hat.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken sich in weitem Umfang auf gleichen Waren begegnen.

Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich auch um Waren des täglichen Bedarfs handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen ohne eine gesteigerte Sorgfalt erworben werden. Auch im Bereich der Arzneimittel bzw pharmazeutischen Erzeugnisse kann es sich um Waren handeln, die typischerweise im Wege der Selbstmedikation und nicht selten in Drogerie- oder Supermärkten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Dabei ist allerdings auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend zum Teil - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal), was der Verwechslungsgefahr in diesem Warenbereich etwas entgegenwirkt.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Die Bestandteile "Sensi" und "med", die als Bedeutungsanklänge in Richtung "sensitiv" und "Medizin, medizinisch" verstanden werden können, erscheinen noch hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so daß jedenfalls keine Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im pharmazeutischen Bereich, aber auch im Bereich der Körperpflegemittel Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats bzw Produkts jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.

Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Warenlage und der sonstigen maßgeblichen Faktoren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.

Von Bedeutung für die Beurteilung ist zunächst, daß die Übereinstimmung der Markenwörter im Anfangsbestandteil "Sensi" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem originelleren Bestandteil der Fall wäre. Dieses Markenelement ist als Anfangsbestandteil recht beliebt und im einschlägigen Warenbereich der Klassen 3 und 5 in zahlreichen Marken (mehr als 150 Marken) von verschiedenen Herstellern enthalten. Selbst wenn von den eingetragenen Marken tatsächlich nur ein Teil benutzt wird, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht unbeachtet bleiben (vgl BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 - Lions). Der Anfangsbestandteil "Sensi" muß bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zwar jeweils berücksichtigt werden, sein kennzeichnendes Gewicht ist aber reduziert. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich vergleichsweise stärker auf die weiteren Wortbestandteile oder - sofern diese, wie vorliegend, ebenfalls kennzeichnungsschwach sind - auf die Kombination der Markenelemente als solche richten. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann einem derart verbrauchten Bestandteil innerhalb einer Gesamtbezeichnung regelmäßig - so auch hier bei den beiden Kollisionsmarken, die jeweils noch über eine weitere Silbe verfügen, die mit dem vorangehenden Anfangsbestandteil eine geschlossene Gesamtbezeichnung ergeben - keine das Gesamtzeichen so dominierende Wirkung zuerkannt werden, daß sich allein aus dieser Übereinstimmung der Marken eine unmittelbar Verwechslungsgefahr ergibt.

Klanglich stimmen die Markenwörter zwar bei gleicher Silbenzahl und ähnlichem Sprechrhythmus im Anfangsbestandteil "Sensi" überein. Demgegenüber heben sie sich in den Schlußsilben "gran" gegenüber "med" sowohl in den Vokallauten als auch in den konsonantischen Lauten markant voneinander ab, wodurch ein ausreichend unterschiedlicher klanglicher Gesamteindruck entsteht.

Die reduzierte Bedeutung des übereinstimmenden Anfangsbestandteils spielt auch bei der Frage der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr eine entsprechende Rolle. Die Markenwörter unterscheiden sich insoweit durch die deutlichen Abweichungen bei den Buchstaben der Schlußsilben auch im Gesamteindruck hinreichend deutlich.

Es besteht schließlich auch keine Gefahr, daß die Marken unter dem Aspekt einer Markenserie miteinander in Verbindung gebracht werden und es auf diese Art und Weise zu Herkunftsverwechslungen kommt (mittelbare Verwechslungsgefahr). Schon der warenbeschreibende Anklang von "Sensi" im Sinne von "sensitiv" steht seiner Eignung als Stammbestandteil einer Markenserie entgegen, weil der Verkehr in solchen Bestandteilen häufig nur einen Hinweis auf die Waren, nicht aber auf ein bestimmtes Unternehmen sieht (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 217). Um einen Bestandteil mit einem erkennbaren warenbeschreibenden Anklang als Stammbestandteil einer Markenserie zu etablieren, wäre es eine Mindestvoraussetzung, daß überhaupt eine entsprechende Markenserie in Benutzung ist. Vorliegend trägt die Widersprechende weder vor, daß sie Inhaberin einer entsprechenden Markenserie ist, noch ist dies aus sonstigen Quellen ersichtlich. Unabhängig von diesen Überlegungen spricht aber der Umstand, daß "Sensi" offensichtlich von vielen verschiedenen Herstellern benutzt wird, entscheidend gegen eine Auffassung des Verkehrs, in "Sensi" gerade einen auf einen bestimmten Hersteller hinweisenden Bestandteil zu sehen.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
Beschluss v. 26.10.2000
Az: 25 W (pat) 66/00


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