Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 63/03

(BPatG: Beschluss v. 07.04.2004, Az.: 32 W (pat) 63/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 14. November 2002 aufgehoben. Die Löschung der Marke 301 25 778 wird angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der für Bonbonspezialitätenam 23. April 2001 angemeldeten Wortmarke Kreidestäbchenist aus der prioritätsälteren Marke 399 11 602 Kreidestücke Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt u.a. Schutz fürpharmazeutische Zuckerwaren, insbesondere Hustenbonbons, Vitaminbonbons, Kräuterbonbons; Zuckerwaren, insbesondere Bonbons, Lakritzbonbons, Erfrischungsbonbons.

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 14. November 2002 zurückgewiesen. Trotz Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Bei den aus zusammengeschriebenen Markenwörtern bestehenden Streitmarken dürfe nicht ohne weiteres auf Einzelbestandteile abgestellt werden, weil diese den Gesamteindruck nicht prägten. Es lägen jeweils gesamtbegriffliche Einheiten vor, die nicht verkürzt würden. Gegen die Annahme assoziativer Verwechslungsgefahr spreche, dass die Widersprechende nichts vorgetragen habe, was auf die Bildung einer Markenserie hindeute, und auch der Registerstand hierfür nichts hergebe. Der gemeinsame Wortanfang "Kreide" weise lediglich auf die stoffliche Konsistenz der Waren hin, während die nachfolgenden Begriffe "Stäbchen" und "Stücke" nur sehr entfernt liegende begriffliche Übereinstimmungen aufwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Da die Vergleichsmarken für identische Waren registriert seien, die zudem als relativ preisgünstige Verbrauchsgüter ohne sonderliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit - auch von Kindern - erworben würden, sei ein strenger Maßstab an den Zeichenabstand zu stellen. Schriftbildlich stimmten beide Marken im Eingangsbestandteil "Kreide" und in den folgenden beiden Buchstaben "st" überein. Auch der Sinngehalt der Marken sei derselbe. Nur sie - die Widersprechende - verwende den Begriff "Kreide" in Verbindung mit Süßwaren, ohne dass ein Warenbezug vorliege. Durch diese Art der Verwendung komme der Widerspruchsmarke eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass begriffliche Verwechslungen besonders naheliegend seien, wenn begriffliche Ähnlichkeiten und wörtliche Übereinstimmungen zusammenkämen.

Außerdem bestehe aber auch die Gefahr assoziativer Verwechslungen, wobei die Frage eines Serienzeichens nur von untergeordneter Bedeutung sei. Würden dem Verkehr Süßwaren, die er bisher unter der Marke Kreidestücke der Widersprechenden kenne, unter der angegriffenen Marke Kreidestäbchen präsentiert, so werde er eine gedankliche Verbindung zwischen den jeweiligen Herstellern ziehen, die als solche nicht bestehe.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) unterliegen.

Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle des Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke besteht (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

Die sich gegenüberstehenden Waren sind identisch. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Gesichtspunkte durchschnittlich; aus der Fassung des Warenverzeichnisses ist weder ersichtlich, dass die Bonbonwaren der Widersprechenden Kreide enthalten, noch dass sie in Farbe und Form einem kleinen Kreidestück entsprechen müssten. Mangels eines warenbeschreibenden Anklangs kann somit nicht von einem verminderten Schutzumfang ausgegangen werden, andererseits liegen aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser - etwa durch umfangreiche Benutzung - gesteigert wäre.

Den in Anbetracht der Warenidentität und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen Zeichenabstand hält die jüngere Marke nicht ein. Beide Marken sind sich vielmehr im Gesamteindruck so ähnlich, dass Verwechslungen nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Der beteiligte Verkehr setzt sich aus breiten Verbraucherkreisen, einschließlich Kindern zusammen, die geringwertigen Verbrauchsgütern der vorliegenden Art oftmals nur mit verminderter Aufmerksamkeit begegnen. Vorliegend kommt sowohl eine unmittelbare Verwechslungsgefahr, bei der die eine Marke irrtümlich für die andere gehalten wird, in Betracht als auch eine sog. assoziative Verwechslungsgefahr, bei der die Unterschiede als solche zwar erkannt werden, jedoch aufgrund von Gemeinsamkeiten in der Zeichenbildung auf ein und dieselbe betriebliche Herkunft geschlossen wird. Diese beiden Arten der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG schließen sich gegenseitig auch nicht zwingend aus, weil der Verkehr aus ganz unterschiedlichen Verbraucherkreisen besteht, von denen der eine die Vergleichsmarken unmittelbar verwechselt, ein anderer aufgrund gedanklicher Verbindung einer Verwechslungsgefahr unterliegen kann und ein dritter Personenkreis die hinter den jeweiligen Marken stehenden Herstellungsbetriebe in jedem Fall auseinander hält. Vorliegend sind die Publikumskreise, welche der Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren (assoziativen) Verwechslung der Marken unterliegen, jedenfalls in der Zusammenfassung der Zahl nach nicht zu vernachlässigen.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist vor allem in begrifflicher Hinsicht gegeben, weil der Sinngehalt beider Markenwörter in der Gesamtheit sich nicht wesentlich unterscheidet. Dabei ist zu bedenken, dass die Marken dem Verkehr im allgemeinen nicht nebeneinander begegnen, so dass aus der oftmals undeutlichen Erinnerung heraus die Begriffe Kreidestäbchen und Kreidestücke nicht immer auseinander gehalten werden. Da es sich bei Bonbons um kleine Erzeugnisse handelt, liegt es auch nicht fern, diese als "Stückchen" zu bezeichnen, was dem ebenfalls eine Verkleinerungsform darstellenden Begriff "Stäbchen" schon für sich, vor allem aber bei Voranstellung des übereinstimmenden Wortes "Kreide" sehr nahe kommt.

Für einen weiteren Teil des Verkehrs, der den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der Vergleichsmarken erkennt, liegt gleichwohl wegen des identischen Eingangselements "Kreide" und des auch im übrigen übereinstimmenden Wortaufbaus die Vorstellung nahe, beide Marken stammten ihrer Herkunft nach von demselben Hersteller. Diese Verwechslungsgefahr infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens hat nicht zwingend zur Voraussetzung, dass das Publikum bereits an eine Zeichenserie der Widersprechenden gewöhnt wäre (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 486 m.w.N.). Der Sinngehalt des gemeinsamen Eingangsbestandteils Kreide steht dieser Annahme nicht entgegen, weil - wie bereits oben bei der Prüfung der Kennzeichnungskraft ausgeführt - dieses Wort für Bonbons in bezug auf Beschaffenheit und äußere Form keine warenbeschreibende - und somit Verwechslungen ausschließende - Angabe darstellt.

Insgesamt ist somit die Gefahr von Markenverwechslungen gegeben, so dass die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs zu löschen ist.

Für eine Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Winkler Kruppa Viereck Fa






BPatG:
Beschluss v. 07.04.2004
Az: 32 W (pat) 63/03


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