Landgericht München I:
Beschluss vom 4. September 2009
Aktenzeichen: 5 HK O 6163/09, 5 HK O 6163/09

(LG München I: Beschluss v. 04.09.2009, Az.: 5 HK O 6163/09, 5 HK O 6163/09)

Tenor

I. Der Antrag auf Feststellung der angemessenen Barabfindung wird als unzulässig abgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

III. Der Geschäftswert wird auf € 200.000,-- festgesetzt.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller war mit einem Gesellschaftsanteil von € 2.773.813,-- Kommanditist der S... GmbH & Co. KG. Mit Verschmelzungsbeschluss vom 11.7.2008 wurde diese Gesellschaft zum Stichtag 1.1.2008 in die S... AG, mithin die Antragsgegnerin, umgewandelt. Dafür erhielt der Antragsteller jeweils 3.002.854 Vorzugs- und Stammaktien am Grundkapital der Antragsgegnerin von insgesamt € 140.000.000,--. Nachdem die Antragsgegnerin ein Freigabeverfahren erfolgreich durchgeführt hatte, erfolgte am 19.12.2008 die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister und am 2.1.2009 deren Bekanntmachung.

Im Vorfeld der Gesellschafterversammlung vom 11.7.2008 schrieb der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers einen Brief an den Geschäftsführer der S... GmbH & Co. KG (Anlage ASt 7), in dem er darauf verwies, sein Mandant werde in der Gesellschafterversammlung gegen den Verschmelzungsbeschluss stimmen und zur Wahrung seiner Rechte gem. § 29 UmwG Widerspruch zur Niederschrift des Notars in der Versammlung erklären. Unmittelbar vor der Gesellschafterversammlung kam es zu einem Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem beurkundenden Notar Dr. ... K...

Der Antragsteller stimmte gegen den Verschmelzungsbeschluss; Widerspruch zur Niederschrift des Notars erklärte er nicht.

2. Mit Schriftsatz vom 2.4.2009, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragte der Antragsteller die Bestimmung einer angemessenen Höhe der dem Antragsteller anlässlich der Umwandlung der S... GmbH & Co. KG in die S... AG anzubietende Barabfindung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, trotz des nicht erklärten und protokollierten Widerspruchs antragsbefugt zu sein, weil der Notar entgegen seiner Zusage während des Gesprächs vor Beginn der Gesellschafterversammlung Im Verlauf derselben nicht nach eventuellen Widersprüchen gefragt und insbesondere den Antragsteller nicht zu sich gebeten habe. Damit aber liege der Grund für die Nichtabgabe in der Sphäre der Antragsgegnerin, nachdem diese den Notar auch bezahle. Es müsse dann der Rechtsgedanke des § 29 Abs. 2 UmwG angewandt werden. Der Notar habe nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Veranlassung der Geschäftsleitung Kontakt zum Antragsteller aufgenommen und so € wie von ihm vorgetragen € kommuniziert.

3. Die Antragsgegnerin hält die Durchführung eines Spruchverfahrens wegen des fehlenden Widerspruchs des Antragstellers für unzulässig. Der Widerspruch zur Niederschrift sei zwingend erforderlich. Aus § 29 Abs. 2 UmwG könne nichts anderes abgeleitet werden, weil diese Vorschrift abschließend drei konkrete Sachverhalte nenne, deren Vorliegen einem Widerspruch zur Niederschrift gleichstehe, und weil es einen Rechtsgrundsatz, ein Widerspruch solle immer dann entbehrlich sein, wenn ein Anteilsinhaber aus in der Sphäre des an der Umwandlung beteiligten Rechtsträgers liegenden Gründen an der Erklärung des Widerspruchs gehindert sei, nicht gebe. Der analogen Anwendung von § 29 Abs. 2 UmwG stehe zudem entgegen, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt tatsächlich gehindert gewesen sei, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären, und er zudem angesichts vorangegangener rechtlicher Beratung auch nicht rechtsunkundig gewesen sei. Auch habe weder die Geschäftsführung noch die Versammlungsleitung noch sonst jemand Einfluss auf den Notar genommen. Ein Fehlverhalten des Notars liege auch nicht vor, nachdem dieser nie erklärt habe, er werde den Antragsteller auf die Möglichkeit zur Erklärung des Widerspruchs hinweisen und ihn zu sich bitten; vielmehr habe der Notar den Antragsteller nur darauf hingewiesen, wo er € der Notar € seinen Platz habe und wo der Antragsteller dann seinen Widerspruch erklären könne. Da der Notar zudem kein Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin sei, könne die Handlung des Notars der Gesellschaft ohnehin nicht zugerechnet werden.

4. Zur Ergänzung des wechselseitigen Vortrags der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.

II.

1. Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung ist unzulässig. Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG, weshalb er nicht antragsberechtigt im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 1 SpruchG ist.

a. Zwar ist der Antragsteller ohne Zweifel Anteilsinhaber; indes verlangt die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG, dass der Anteilsinhaber Widerspruch zur Niederschrift erklärt, wenn es wie hier um die Verschmelzung eines Rechtsträgers im Wege der Aufnahme durch einen Rechtsträger anderer Rechtsform geht. Nur dann ist der übernehmende Rechtsträger verpflichtet, den Erwerb seiner Anteile oder Mitgliedschaften gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten. Unterbleibt ein derartiger Widerspruch, so ist der Antrag unzulässig (vgl. OLG Stuttgart NZG 2004, 1162, 1164 = AG 2005, 301, 304 = ZIP 2004, 1907, 1910; LG Dortmund AG 2004, 623; Wasmann in: Kölner Kommentar zum SpruchG, 1. Aufl., Rdn. 14 zu 3; Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 14 zu § 3 SpruchG; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, Rdn. 22 zu § 3; Weingärtner in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdn. 16 zu § 3; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., Rdn. 12 zu § 3 SpruchG).

b. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller einen Widerspruch während der Gesellschafterversammlung nicht erklärt hat. Der Widerspruch war aber nicht in analoger Anwendung von § 29 Abs. 2 UmwG entbehrlich. Aufgrund der Vorschrift des § 29 Abs. 2 UmwG steht es dem Widerspruch zur Neiderschrift gleich, wenn ein nicht erschienener Anteilsinhaber zu der Versammlung der Anteilsinhaber nicht zugelassen worden ist oder die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder der Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist vorliegend auch nach dem Vortrag des Antragstellers nicht erfüllt, weil namentlich ordnungsgemäß zu der Gesellschafterversammlung eingeladen wurde und der Antragsteller auch an ihr teilnahm.

10(1) Der Regelung des § 29 Abs. 2 UmwG ist indes ein weitergehender Rechtsgedanke zu entnehmen. Den in dieser Vorschrift aufgeführten Fällen ist zu entnehmen, dass immer dann, wenn der Anteilsinhaber aufgrund von Umständen, die in der Sphäre der Gesellschaft ihren Grund haben, am Widerspruch gehindert ist, das Abfindungsangebot trotz Fehlens des Widerspruchs angenommen werden kann (vgl. Grunewald in: Lutter, UmwG, 4. Aufl., Rdn. 15 zu § 29; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl., Rdn. 17 zu § 29; Schaub NZG 1998, 626, 628). Dies würde dann wegen der Entbehrlichkeit des Widerspruchs auch die Antragsbefugnis für das Spruchverfahren nach sich ziehen.

11(2) Ein derartiger Ausnahmetatbestand lässt sich vorliegend indes nicht bejahen, wobei dies auch dann gilt, wenn der Vortrag des Antragstellers zugrunde gelegt wird, der Notar habe ihm erklärt, er werde ihm € den Antragsteller € während der Gesellschafterversammlung noch sagen, wenn der Widerspruch abgegeben werden könne und ihn zu sich bitten. Selbst wenn die Äußerung des Notars so gefallen sein sollte, was die Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine Versicherung an Eides Statt des Notars in Abrede gestellt hat, lässt sich wegen der Stellung des Notars im Rahmen einer derartigen Gesellschafterversammlung keine Zurechnung in die Sphäre der Gesellschaft vornehmen. Das Tätigwerden des Notars dient der Protokollierung eines rechtserheblichen Tatsachenvorgangs, weshalb dem Notar während einer solchen Versammlung der Anteilsinhaber keine Leitungsaufgaben obliegen. Den Notar treffen somit vor allem nicht die ihm bei der Beurkundung von Willenserklärungen in § 17 BeurkG auferlegten Prüfungs-, Belehrungs- und Einwirkungspflichten (vgl. jeweils zu der vergleichbaren Situation des § 130 AktG Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 32 zu § 130; Wicke in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 29 zu § 131; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 62 zu § 130; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 31 zu § 130; Hüffer, AktG, 8. Aufl., Rdn. 12 zu § 130). Der die Gesellschafterversammlung protokollierende Notar hat deshalb wie auch der eine Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft protokollierende Notar vor allem keine allgemeine Beratungsfunktion; er ist insbesondere nicht Berater der Gesellschaft, allerdings auch nicht Anwalt der Aktionäre (vgl. Priester DNotZ 2001, 661, 669). Etwas anderes wäre mit der Stellung des Notars als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes, wie es in § 1 BNotO festgeschrieben ist, unvereinbar.

Dem kann seitens des Antragstellers auch nicht entgegengehalten werden, der Notar werde von der Gesellschaft bezahlt, so dass die Äußerung aus ihrer Sphäre stamme. Der Umstand, dass die Gesellschaft mit dem Notar einen Geschäftsbesorgungsvertrag hinsichtlich der Protokollierung der Gesellschafterversammlung abschließt, vermag an der gesetzlichen Stellung des Notars nichts zu ändern.

Angesichts dessen ist der Antragsteller nicht antragsbefugt, weshalb das Spruchverfahren mangels Antragsberechtigung unzulässig ist (vgl. nur OLG Stuttgart NZG 2004, 1162, 1164; Volhard in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 3 SpruchG; SpruchG Klöcker/Frowein, SpruchG, Rdn. 2 zu § 3).

2. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten hat ihre Grundlage in § 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG, wonach die Gerichtkosten der Antragsgegner zu tragen hat. Eine Ausnahme hiervon aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG ist nicht gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift können die Gerichtskosten ganz oder teilweise den Antragstellern auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Auferlegung der Kosten auf den Antragsteller ist denkbar, wenn aufgrund besonderer Umstände ein mutwilliges, grob schuldhaftes oder missbräuchliches Verhalten seinerseits anzunehmen ist. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil eine Kostentragungspflicht des Antragstellers namentlich nur bei offensichtlich unzulässigen, insbesondere verspäteten Anträgen angenommen wird (vgl. BayObLG NZG 2003, 36; AG 2004, 99; Weingärtner in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdn. 16 zu § 15 SpruchG; Winter in: Simon, SpruchG, 1. Aufl., Rdn. 64 zu § 15; Volhard in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 9 zu § 15; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., Rdn. 12 zu § 15 SpruchG). Von einer offensichtlich fehlenden Antragsberechtigung kann angesichts der oben beschriebenen Ausgangssituation, bei der die Zulässigkeit an der nicht gegebenen Zurechnung des Notarsverhaltens scheitert, nicht ausgegangen werden.

b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten ergibt sich die Entscheidung aus § 15 Abs. 4 SpruchG. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass es der Billigkeit entspricht, dass die Kosten des Antragstellers ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, nachdem der Antrag unzulässig ist. Allerdings sieht das Gericht auch keinerlei Veranlassung, dem Antragsteller die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen, selbst wenn dies zulässig sein sollte (so Rosskopf in: Kölner Kommentar zum SpruchG, 1. Aufl., Rdn. 53 zu § 15 unter Hinweis auf § 17 SpruchG; Volhard in: Semler/Stengel, UmwG, a.a.O., Rdn. 14 zu § 15 SpruchG), wogegen ohnehin erhebliche Bedenken bestehen, weil dies in § 15 Abs. 4 SpruchG so nicht angelegt ist und ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 13 a Abs. 1 FGG nicht zulässig sein wird, weil die speziellere Vorschrift des § 15 Abs. 4 SpruchG die allgemeine Vorschrift des § 13 a Abs. 1 FGG verdrängen wird (so Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., Rdn. 21 a zu § 15 SpruchG; Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 21 zu § 15 SpruchG). Da der Antrag nicht offensichtlich unzulässig ist, besteht kein Grund, den Antragsteller die Kosten der Antragsgegnerin tragen zu lassen (vgl. Volhard in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 14 zu § 15 Fn. 5). Das Gericht muss daher zu dem Meinungsstreit bezüglich des Verhältnisses von § 15 Abs. 4 SpruchG zu § 13 a Abs. 1 FGG nicht abschließend Stellung nehmen, wenngleich gute Gründe dafür sprechen, eine Kostenerstattungspflicht des Antragstellers für die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin von vornherein zu verneinen.

3. Die Entscheidung über den Geschäftswert ergibt sich aus der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. SpruchG.

Da der Antrag wegen der fehlenden Antragsberechtigung unzulässig sind, konnte über ihn der Vorsitzende gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpruchG alleine entscheiden.






LG München I:
Beschluss v. 04.09.2009
Az: 5 HK O 6163/09, 5 HK O 6163/09


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